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Literatur Digital

Die Arroganz der Jungen, die Ignoranz der Alten

Wir müssen dann leider noch mal auf “Axolotl Roadkill” zurückkommen, das literarische Hype-Thema der Stunde. Nicht, dass ich das Buch inzwischen gelesen hätte, aber: Das von der Literaturkritik auf Lautstärke 11 gefeierte Werk von Helene Hegemann (17) weist in etlichen Passagen erstaunliche Ähnlichkeit mit einem anderen Buch auf.

Deef Pirmasens hat in seinem Blog Die Gefühlskonserve eine Gegenüberstellung von Textstellen aus “Axolotl Roadkill” und aus dem Buch “Strobo” des Berliner Bloggers Airen veröffentlicht, das im vergangenen Jahr erschienen war. Um es vorsichtig auszudrücken: Da kommt schon Einiges an Auffällig- und Ähnlichkeiten zusammen.

Als gelernter Literaturwissenschaftler stehe ich diesen Enthüllungen etwas schulterzuckend gegenüber: Montagen und Intertextualität gibt es seit kurz nach Erfindung der Schriftsprache — Georg Büchners Novelle “Lenz” ist knapp zur Hälfte aus Aufzeichnungen des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin übernommen, Johann Wolfgang von Goethe hat sich mehr als einmal massiv von anderen Texten inspirieren lassen. Auf den Platz in der Literaturgeschichte hatte das für die beiden Herren keine Auswirkungen, aber über den entscheidet naheliegenderweise die Nachwelt und nicht der Zeitgenosse. Überhaupt gilt ja, was Oscar Wilde zugeschrieben wird, der gemeine Pop-Konsument (also ich) aber erst seit Tocotronic weiß: “Talent borrows, genius steals”.

Als jemand, der mit dem Schreiben von Texten seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften versucht, sehe ich es naturgemäß kritischer, wenn jemand (mutmaßlich) gutes Geld mit Inhalten verdient, die zumindest zu einem nicht ganz unerheblichen Teil aus dem Werk eines Anderen stammen.

Die Grenzen zwischen Zitat und Diebstahl geistigen Eigentums sind fließend — der Unterschied zwischen den Groß-Zitierern Quentin Tarantino und Dieter Wedel besteht letztlich auch nur darin, dass Tarantinos Filme cool sind und Wedels spießig. Und dass die Übernahme bestimmter Worte oder ganzer Textpassagen noch mal ein bisschen was anderes ist als das zufällige Wieder-Erstellen einer bereits komponierten Melodie (man erinnere sich nur an die rund tausend Songs, von denen Coldplay ihr “Viva La Vida” samt und sonders abgepinnt haben sollen), lässt sich einerseits mit den unterschiedlichen Materiallagen (zehntausende Wörter vs. zwölf Töne) erklären, ist aber andererseits auch nur Geschmacks- und Definitionssache.

Man könnte also Helene Hegemann und Dieter Wedel zu Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski ins “Philosophische Quartett” setzen und eine Stunde lang über Blues-Motive und Bastardpop, Williams Shakespeare und Heiner Müller diskutieren lassen und hätte am Ende vielleicht ein bisschen Erkenntnisgewinn oder wenigstens was zum drüber aufregen. Man würde sich womöglich darauf einigen, dass Zitate, Remixe und Mashups Teil unserer (Pop-)Kultur sind, es aber nur höflich wäre, wenigstens seine Quellen zu benennen und nicht Andererleuts Gedanken als eigene auszugeben.

Aber das sind philosophische und kulturwissenschaftliche Gedanken allgemeiner Art. Der “Fall Hegemann” dagegen ist leider der Super-GAU der öffentlichen Auseinandersetzung, weil er sich genau an der (leider immer noch von vielen Menschen auf beiden Seiten imaginierten) Verwerfung zwischen analoger und digitaler Welt ereignet hat: Da hat also so eine Berliner Künstlertochter abgeschrieben — und zwar bei einem Blogger! Hurra, der Klassenkampf beginnt erneut, auf die Barrikaden!

Jetzt kriegen die Literaturkritiker, denen man sicher vieles vorwerfen kann, ernsthaft um die Ohren gehauen, sie hätten ja mal Googeln können.

Googeln. Einen Roman! Dabei erzählt Deef Pirmasens, dem die ganzen textlichen Parallelen als Erstem aufgefallen waren, im Interview mit sueddeutsche.de, dass ihm bei der Lektüre von “Axolotl Roadkill” bestimmte Worte bekannt vorgekommen seien — weil er “Strobo” gelesen hatte. Beim Erkennen von ungenannten Querverweisen hilft es also offenbar immer noch, das Original zu kennen. Dass lange Zeit niemandem aufgefallen ist, dass eine andere Textstelle aus dem Song “Fuck U” von Archive übernommen wurde, spricht dann eben leider nicht für die Popularität der Band.

Der Kampf der Welten endet in Sätzen wie diesen:

In Wirklichkeit scheint sich als Abwehrhaltung des Feuilletons herauszukristallisieren: Es ist nicht so schlimm, von einem weitgehend unbekannten Medium aus dem Web geklaut zu haben – Hegemann kann zur Not noch als Transkribistin vom Internet ins Buch gefeiert werden.

Es ist jener passiv-aggressive Ton, gepaart mit dem Hinweis, dass das Internet immer noch etwas anderes sein soll als der Rest der Welt, der den genauso verbohrten Menschen im Kulturbetrieb dann wieder als Vorlage dient, wenn es darum geht, über die Meckereien und das merkwürdige Selbstbewusstsein (bzw. offensichtlich dessen Fehlen) der Blogger zu lästern. Ich frage mich, ob die Geschichte in der deutschsprachigen Netzwelt genauso hohe Wellen geschlagen hätte, wenn der “beraubte” Autor nicht gleichzeitig Blogger wäre, und liefere mir die Antwort gleich selbst: “Vermutlich nicht”. Statt sich also auf den konkreten Vorgang zu konzentrieren, wird mal wieder das übel riechende Fass “wir Blogger gegen die Nichtsblicker bei den Totholzmedien” aufgemacht und es grenzt an ein Wunder, dass sich die “#fail”s bei Twitter bisher in Grenzen halten.

Der Verleger von “Strobo” klingt da im Gespräch mit Spreeblick wesentlich entspannter. Der gleiche Verleger übrigens, der munter erzählt, wann Vater Hegemann das Buch für seine Tochter gekauft hat:

Während Hegemann sagt, dass sie das Buch nicht kenne, kann der Verlag SuKuLTur einen Beleg vorweisen, aus dem hervorgeht, dass Carl Hegemann den Roman Airens am 28. August 2009 über Amazon Marketplace bestellt und an seine Tochter Helene hat liefern lassen.

[via otterstedt.de]

Wenn’s um die gute eigene Sache geht, ist das mit dem Datenschutz – sonst die Domäne der Netzgemeinde – offenbar auch nicht mehr ganz so wichtig.

Die Überschrift dieses Eintrags, übrigens, die stammt von Virginia Jetzt!

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Digital Gesellschaft Fernsehen

Auswärtsspiel: Einheitsbrei

Jahrelang war ich fest davon überzeugt, dass meine älteste Live-TV-Erinnerung vom 9. November 1989 stammt. Jedenfalls erinnere ich mich daran, wie Menschen mit Hämmern auf eine bunte Mauer einschlugen. Im Verlauf des Erinnerungsoverkills in den vergangenen Wochen fiel mir allerdings auf, dass ich als Kindergartenkind wohl kaum Abends nach 23 Uhr vor dem elterlichen Fernseher gesessen haben dürfte. (Genau genommen möchte ich ins Blaue hinein einfach mal bezweifeln, dass es damals überhaupt Livebilder gab, denn um 23 Uhr stand doch sicher schon der Sendeschluss vor der Tür der drei Fernsehprogramme.)

Jedenfalls war ich sehr enttäuscht, als ich feststellte, dass meine älteste Live-TV-Erinnerung dann wohl doch eher vom Samstag, 11. November 1989 stammt und wahrscheinlich noch nicht mal eine Live-TV-Erinnerung ist.

JEDENFALLS: Der 6. Jahrgangs der electronic media school (ems) in Potsdam hat zum großen Mauerfall-Jubiläum die Internetseite einheits-brei.de gestartet. Für dieses Projekt wurden auch ein paar Blogger gefragt, wie ihnen die diesjährigen Feierlichkeiten gefallen hätten und was sie in fünf Jahren nicht wieder sehen wollen. Ich war einer der Befragten und bin beim Versuch, mich auf die gewünschten “drei bis vier Sätze” zu beschränken, mal wieder gescheitert.

“So bitte nicht mehr!” auf einheits-brei.de

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Digital Gesellschaft

Wohlfaile Empörung

Ich hab mir heute nach fast sechs Jahren in Bochum zum ersten Mal eine “WAZ” gekauft — für einen Artikel im BILDblog über das Koma-Saufen, zu dem die Junge Union hier in der Stadt angeblich einlädt.

Ich weiß nicht, was ich von einer Party halten soll, bei der man für 10 Euro Eintritt 25 Euro vertrinken kann, so dass die rot-grünen Shots, die “weg müssen”, im Endeffekt weniger als einen Euro kosten. Aber ich würde auch noch viel weniger ins Playa gehen, als ich CDU wählen würde.

Was ich weiß, ist, dass die ganze Aufregung um diese Party irgendwie typisch war: Beim “Westen” steht, die Gutscheine müssten in anderthalb Stunden vertrunken werden, und kurz darauf steht es so in vielen Blogs und mehr als 300 Leute twitterten, dass die Junge Union …

Auch ich hatte den Link zum “Westen” für eine Minute in meinen delicious-Links, ehe mir bei den dortigen Trackbacks der Link zu Waynes Blog auffiel, in dem dieser der “WAZ” schlechten Journalismus vorwarf.

Ob die Junge Union möglicherweise erst nach Erscheinen des Artikels beim “Westen” auf ihrer Website klargestellt hat, “dass der Gutschein zwar bis 23:30 an der Kasse erworben werden muss aber die ganze Nacht genutzt werden darf”, ist eigentlich unerheblich — die Blogger, die sich auf die Story stürzten, hätten wenigstens den Versuch unternehmen müssen, bei der Jungen Union nach Informationen zu suchen. (Ich natürlich auch, bevor ich den Link gespeichert habe. Ganz besonders, wenn die Quelle “WAZ Bochum” heißt.)

Es kann doch nicht sein, dass wir immer wieder die Informationen loben, die im Internet für jeden überall und frei verfügbar sind, und dann nicht mal drei Minuten darauf verwenden, bei einer solchen Geschichte auch die Gegenseite abzuchecken. Stattdessen wird der Link blindlings bei Twitter weiterverbreitet — natürlich nicht, ohne ihn vorher nicht noch mit “#fail”, “#cdu-” und “#piraten+” (aus Prinzip!) versehen zu haben.

Natürlich traue auch ich den Parteien (und zwar allen) im Wahlkampf so ziemlich alles zu. Aber es spricht trotzdem nicht für die Medienkompetenz von Internet-Powerusern, wenn sie blind auf eine Geschichte anspringen, die ihnen zufälligerweise ins Weltbild passt. Im Gegenteil: In solchen Momenten sind wir keinen Deut aufgeklärter als der alte Mann, der seit 60 Jahren immer die gleiche Partei wählt.

Nachtrag, 22:50 Uhr: Wie hatte ich nur “BO-Alternativ”, das lokale “Indymedia”-Pendant vergessen können? Dort sorgte die Junge Union schon gestern Nachmittag “mal wieder für einen Skandal”.

Andererseits hatte man sich dort die Mühe gemacht, bei der CDU-Jugendorganisation selbst nachzufragen:

Der Pressesprecher der JU Torsten Bade hält das alles für ein Missverständnis: Die Gäste könnten länger trinken und für jugendliche Disko-BesucherInnen sei das ein ganz normales Angebot. Er räumte aber auch ein, dass es schon mehrere Anrufe wegen der Geschichte gegeben habe und einige Plakate auch wieder abgehängt worden seien.

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Musik Digital

Internetversteher unter sich

Ich muss zugeben, nie der große Blumfeld-Fan gewesen zu sein. Deswegen war es mir auch einigermaßen egal, dass deren früherer Frontmann Jochen Distelmeyer vor kurzem bei einigen Konzerten neue Songs vorstellte, die auf seinem Solo-Debüt “Heavy” (VÖ: 25. September) enthalten sein werden.

Einige dieser Songs wurden – wie heutzutage allgemein üblich – mit Handy- oder Digitalkameras aufgenommen und kurz danach bei YouTube hochgeladen. Dort blieben sie nicht allzu lange stehen: Sie wurden mit Hinweis auf Urheberrechtsverletzungen gelöscht, wie der Popkulturjunkie gestern in einem Eintrag dokumentierte.

Seine Überschrift ließ keinen Zweifel daran, wer hier der Schuldige sein müsste:

Sony hat das Internet immer noch nicht begriffen

In den Kommentaren ergoss sich schnell der übliche “Wir hier unten, die da oben”-Sermon von

ich finde das äußerst begrüßenswert wenn sich sony selbst ins bein schießt, je früher medienkonzerne aller art krepieren desto besser.

bis hin zu

Memo an mich selbst: Kauf von Sony Produkten meiden!

Als Christian Ihle höflich anfragte, ob es nicht viel einfacher sein könnte und weder Distelmeyer noch die Plattenfirma das Risiko eingehen wollten, dass die Leute die neuen Songs in schlechter Qualität hörten (weil das “den Buzz zerstören würde”), wurde diese Möglichkeit mit dem Hinweis abgebügelt, so schlecht sei die Qualität nun auch wieder nicht gewesen.

Ich hab heute einfach mal Jochen Distelmeyers Manager Oliver Frank nachgefragt, wie es denn zu der Löschung gekommen sei. Der sagte mir, er habe während der Tour beobachtet, dass immer mehr Mitschnitte aus den Konzerten hochgeladen wurden, und – “weil wir nicht so früh in den Wettbewerb ‘Wer stellt das wackeligste Video ins Netz?’ einsteigen wollten” – Distelmeyers Plattenfirma Sony Music gebeten, etwas dagegen zu unternehmen.

Oliver Frank meinte weiter, dass es nicht nur immer die “bösen Konzerne” seien, die Trends wie das Hochladen ganzer Konzerte skeptisch sehen, sondern häufig auch die Künstler selbst. Man käme sich vor den hochgereckten Kameras im Publikum ja manchmal vor wie vor einer Busladung Touristen.

Ich weiß, dass es vielen Künstlern gerade bei neuem Material ähnlich geht, und ich kann das verstehen: Man verbringt doch nicht Monate im Studio, damit die Hörer dann eine übersteuerte, verquatschte und womöglich noch nicht mal fehlerfreie Liveversion als ersten Eindruck bekommen.

[Zwischenruf: “Dann braucht man doch gar nicht mehr live zu spielen!”]

Äh, doch. Es ist ja was anderes, ob dreihundert Menschen so eine Version einmal hören, oder sich ein paar Tausend diese Version immer und immer wieder anschauen können.

Man kann das als Musiker natürlich auch anders sehen und wie Thees Uhlmann sagen: “Film das und stell das online!”, aber das ist ja dann eine bewusste Entscheidung des Künstlers:

Tomte – "der letzte große Wal" aufm Fest van Cleef 2008

Hier klicken, um den Inhalt von mediaservices.myspace.com anzuzeigen

(Ben Folds nutzt die YouTube-Mitschnitte seiner Konzerte ja bekanntlich, um aus wüsten Improvisationen Albumtracks zu zaubern.)

Ich finde es legitim, wenn ein Musiker wenigstens im Vorfeld einer Albumveröffentlichung versucht, die Kontrolle über seine Songs zu behalten. (Und Jochen Distelmeyer hat ja durchaus schon einen Song, der nicht die Single wird, zum Durchhören auf seine Website gestellt.) Nach der Veröffentlichung gehören die Songs ja sowieso den Menschen, wie Fran Healy so schön sagt — auch wenn manche das mit dem “gehören” vielleicht ein bisschen zu wörtlich nehmen.

Das Management von Jochen Distelmeyer hat übrigens angedeutet, dass die Löschung die letzte gewesen sein wird.

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Digital Gesellschaft

I love you, you pay my rant

Liebe PR-Futzis,

wir müssen reden. Habt Ihr eigentlich ‘nen Knall? Seit einigen Monaten erreichen mich Pakete, auf denen kein Absender steht ((Der Satz “Hoffentlich ist keine Bombe drin” von meinem Paketboten ist nur mittelwitzig.)) und in denen sich irgendwelcher Prött befindet. Eure Erwartung ist offenbar, dass ich darüber schreibe, was für einen crazy-verrückten Kram ich da ins Haus bekommen habe, und dass ich dann irgendwann nach Eurer Auflösung auch noch nachtrage, von welcher Firma der Mist kam. Sowas nennt man dann wohl “virales Marketing”, obwohl ich eigentlich immer dachte, Virals seien nicht planbar.

Es ist ja jedem Blogger ((Ich nehme an, Ihr schreibt einfach immer die ersten hundert Blogger an, die Ihr finden könnt.)) selbst überlassen, ob er über sowas schreiben will. Eine kurze Beschäftigung mit diesem Blog dürfte aber zeigen, dass wir hier eher nicht so auf PR stehen. Einzige Ausnahme: Ihr seid die Kilians — aber das wüsste ich.

Natürlich muss man als Blog-Betreiber damit rechnen, unverlangt E-Mails zu bekommen und in Newsletter eingetragen zu werden. Das ist auch nicht richtig höflich, aber okay, wenn es thematisch passt. ((Die Typen, die neulich einen Linktausch zum Thema “Kaffee” anleiern wollten, haben sich dieses Blog sicherlich die vollen anderthalb Sekunden angesehen, die man braucht, um das Impressum zu finden.)) In jedem Fall sind Spam-Mails bedeutend leichter zu entsorgen als Pakete, die wie ein “So trenne ich meinen Müll richtig”-Lernspiel für Grundschüler anmuten.

Im Moment kann ich mich übrigens nicht mal richtig über echte Geschenke von lieben Menschen freuen, da mein 20-m2-Zimmer schon bis zum Rand mit Kram gefüllt ist und mir beim Gedanken an den irgendwann dann doch mal anstehenden Umzug schon regelmäßig der Schweiß ausbricht. “Verbrauchswaren” braucht Ihr mir aber auch nicht zu schicken, denn wer will schon anonym versandte Lebensmittel?

Noch ein bisschen blöder wird so eine Aktion, wenn das Paket ausgerechnet am Samstagmorgen um Zehn nach Neun (lies: Mitten in der Nacht) zugestellt wird. Aber das wäre natürlich noch steigerbar: Wenn ich mit dem Bus nach Altenbochum fahren müsste, um in der Postagentur festzustellen, dass mir jemand ein Päckchen Sondermüll zugeschickt hat, würde ich vermutlich schlichtweg grün anlaufen und erst mal ein paar Autos durch die Gegend werfen.

Nehmt Euch ein Beispiel an den Musik-Promotern, Plattenfirmen und Nachwuchsbands dieses Landes, die in der Regel immer nett nachfragen, bevor sie einem was ins Haus schicken. Das ist schon aus ökonomischem Selbstschutz die tausendmal brillantere Idee und häufig ergeben sich daraus auch nette Kontakte. Als ich vor ein paar Monaten unaufgefordert ein Paket von einem namhaften deutschen Verlag bekam, mit dessen Presseabteilung ich zuvor schon mal zu tun gehabt hatte, war ich erst verwirrt. Aber die Auswahl der Bücher legte nahe, dass sich da jemand sehr genau mit diesem Blog beschäftigt haben muss, und ich war nicht mehr verwirrt, sondern gerührt. Entsprechend schlecht ist mein Gewissen, dass die Bücher noch immer ungelesen sind.

Jede Website bemüht sich heutzutage um personalisierte Werbung, die möglichst präzise auf die Interessen des einzelnen Besuchers zugeschnitten ist, aber Ihr ballert mit Schrotflinten auf Pfennigstücke. Genauso gut könnten Eure Kunden Geldscheine in die Luft werfen und was oben bleibt, ist gut investiert.

Überhaupt, liebe Firmen: Findet Ihr das eigentlich gut, diese Belästigung im Namen des Marketings? Einfach Leute anzurufen ist verboten, aber ihnen Krempel ins Haus zu schicken ist okay? Wisst Ihr, was Eure vermutlich überbezahlten PR-Strategen da machen? Habt Ihr das so in Auftrag gegeben? Und wenn Ihr diesen Text hier in Eurer Pressemappe findet (weil any PR ja bekanntlich good PR ist), habt Ihr dann nicht das Gefühl, dass da irgendwas irgendwo gewaltig schief gelaufen sein könnte?

Es ist das derbste PR-Klischee, aber solche Aktionen fallen einem doch nicht im nüchternen Zustand ein, oder? Die Krise ist erst eine, wenn sie auch bei den Hamburger und Düsseldorfer Koksdealern angekommen ist. Und mal ehrlich: Wer auf die Idee kommt, in einem Werbespot ausgerechnet den Titelsong von “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” zur Vermittlung eines positiven Lebensgefühls einzusetzen (wie gestern gesehen), der muss sich doch wohl ein eher legeres Verhältnis zu Betäubungsmitteln nachsagen lassen.

Genug der kalten Wut. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass ich von weiteren Care-Paketen aus der Werbehölle verschont werden möchte. Ich wäre glücklich, wenn Ihr Euch daran hieltet.

Mit freundlichen Grüßen und Dank im Voraus,

Lukas Heinser

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Politik Gesellschaft

Wahl-Mäander

Wahlzettel zur Europawahl 2009

Weil ich bei den letzten Wahlen postalisch abgestimmt habe, war ich vorhin erst zum zweiten Mal in meinem Leben in einem Wahllokal. Ich hatte mir extra ein Hemd angezogen, um bei der Wahrnehmung meiner staatsbürgerlichen Pflichten auch halbwegs würdevoll auszusehen. Denn mal ehrlich: Viel mehr als Wählen tue ich ja nicht für unsere Gemeinschaft.

Das Argument vieler Nichtwähler, sie wüssten ja gar nicht, worum es bei den Europawahlen geht, ist nur oberflächlich betrachtet zutreffend. Ich möchte jedenfalls mal den Wähler erleben, der weiß, was in einem Landtag oder einem Stadtrat passiert — und trotzdem geht man dafür zur Wahl.

* * *

Politik ist mir eine Mischung aus suspekt und egal. Die meisten Politiker sind für sich betrachtet sympathische Gesprächspartner und sagen kluge Sachen, aber in der Summe ist es wie mit dem Volk: Der Dümmste bestimmt das Niveau der ganzen Gruppe. Nun bin ich weit davon entfernt, Politiker mit einem stammtischigen “Die da oben machen doch eh, was sie wollen” verdammen zu wollen, aber wenn ich Leute wie den SPD-Superhardliner Dieter “Gewalt ist jung und männlich” Wiefelspütz in Mikrofone sprechen höre, überkommen mich schon schwere Zweifel an dem Wort “Volksvertreter”.

Was ich dabei auch immer wieder vergesse: Die Binsenweisheit, wonach nichts so heiß gegessen werde, wie es gekocht wird, ist nicht in der Gastronomie am zutreffendsten, ((Wie oft hat man sich schon böse den Gaumen an einer Suppe oder einer Bratwurst verbrannt?)) sondern in der Politik. Und: Anders als in der Fußballnationalmannschaft sind im Bundestag und Kabinett ja nicht die Besten ihres Fachs versammelt, sondern die, die sich in den Intrigensportvereinen, die wir “Parteien” nennen, nach oben gemeuchelt haben; die, die prominente Politiker in der Familie hatten; und die, die zufällig gerade in der Gegend herumstanden, als ein Posten besetzt werden musste. Zwar sollen sie eigentlich die Meinung ihrer Wähler vertreten, aber dieses Prinzip wird schon durch das alberne Listen-Wahlrecht in Deutschland ad absurdum geführt. Wo es keinerlei Bindung zwischen Wählern und Abgeordneten gibt, können die Bürger ihren Parlamentariern auch nur unzureichend auf die Finger klopfen. ((Ich habe zum Beispiel keine Ahnung, wie eigentlich meine Abgeordneten heißen — geschweige denn, was für Positionen sie vertreten.))

* * *

Gewiss: Man könnte selbst in die Politik gehen, aber man könnte seinen Müll auch selbst zur Deponie fahren oder sein Grillfleisch selbst erlegen. Ich habe da keinerlei Ambitionen, also muss ich mit dem leben, was (politisch) im Angebot ist.

Insofern nervt mich auch immer wieder das Gezetere in Blogs und bei Twitter, diese oder jene Partei sei wegen einer einzelnen Person oder Äußerung “unwählbar”. Natürlich scheiden dadurch schnell sämtliche existenten Parteien aus und man missachtet dabei eines der grundlegenden Ziele einer Demokratie: das Streben nach einem Kompromiss. ((Wobei einem da natürlich immer wieder Volker Pispers ins Gedächtnis kommt, der schon vor zehn Jahren fragte, ob das kleinere Übel wirklich immer so groß sein müsse.)) Perfektion wird man nirgends finden, weder bei Parteien noch bei Lebenspartnern. ((Zyniker würden an dieser Stelle fragen, ob es im Web 2.0 nicht übernatürlich viele Singles gebe.)) Und spätestens, wenn es zur Wahlwerbung kommt, wird man beide Augen zudrücken müssen.

“Unwählbar” aber ist ein kreischendes, absolutes Urteil, das damit in der langen Reihe von Schlagworten wie “Faschismus” und “Zensursula” steht und die Frage, warum sich eigentlich kaum ein Politiker für die Interessen der Netzgemeinde interessiere, von selbst beantwortet. Wäre ich Politiker und würde auf einer Wahlkampfveranstaltung von drei am Rande stehenden Nerds als “ahnungslos” und “Faschist” beschimpft, wäre mein Interesse an einem Dialog auch gedämpft. Insofern stehen viele – nicht alle – Diskutanten im Web 2.0 den von ihnen kritisieren Politikern in nichts nach, wenn sie nur auf Lautstärke 11 kommunizieren. Wenn sich zwei auf niedrigem Niveau begegnen, ist das nur noch technisch betrachtet ein Dialog auf Augenhöhe.

* * *

Ein einziges Mal hat es unsere Bundesregierung ((Ich habe es schon oft gesagt und wiederhole mich da gerne: Nach dem Stuss, den die große Koalition in den letzten vier Jahren verzapft hat, hat es meines Erachtens keine der beteiligten Parteien verdient, im Herbst weiterzuregieren. Aber solange FDP und Grüne gemeinsam keine Regierung stellen können oder wollen, werden wir wohl auch dort wieder mit einem kleineren Übel leben müssen.)) geschafft, dass ich mich gewissermaßen politisch engagiert habe und in einer E-Mail Verwandte, Freunde und Bekannte gebeten habe, sich das Thema “Internetsperren” doch bitte einmal genauer anzuschauen und sich gegebenenfalls an der Petition dagegen zu beteiligen. Aber Wut und Fassungslosigkeit scheinen mir auch kein besserer Antrieb zu sein als Angst und Panikmache auf der anderen Seite.

Parteien selbst sind mir in höchstem Maße suspekt, weil ihre Mitglieder zu einer Linientreue tendieren, die jeden Fußballfan staunend zurücklässt. Die Respektlosigkeit, mit der schon die Jugendorganisationen ((Dass die Mitgliedschaft in “Jugendorganisationen” von Parteien bis zu einem Alter von 35 Jahren möglich/verpflichtend ist, sagt eigentlich schon alles.)) den “politischen Gegner” behandeln, empfinde ich als höchst verstörend, und die Tatsache, dass wichtige Entscheidungen einfach nicht gefällt werden, weil die Anträge von der “falschen” Partei eingebracht wurden, lässt meinen Blutdruck wieder in gesundheitsgefährdende Bereiche steigen.

* * *

Statt Inhalten interessiert mich bei Wahlen seit jeher eher das Drumherum, vor allem die erste Prognose bei Schließung der Wahllokale. Bei der Bundestagswahl 1994 führte ich mit einem Mitschüler Wahlumfragen in unserer Klasse durch und präsentierte hinterher stolz die Hochrechnung für die Klasse 6c. Am Wahltag selbst hatte ich mir im Keller mit Tüchern und Pappen ein Hauptstadtstudio (natürlich Bonn) eingerichtet und präsentierte von 15 Uhr an im Halbstundentakt immer neue Vorhersagen. Rudolf Scharping wäre sicher ein interessanter Bundeskanzler gewesen.

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Digital

Hitler würde “Half-Life” spielen

Ich habe länger überlegt, ob ich das Folgende aufschreiben soll. Schließlich ist “Don Alphonso” der “Edel-Troll” der deutschsprachigen Blogosphäre. Ein Mann, dessen Texte ich in der Regel aus Sorge um meine Gesundheit ignoriere.

Andererseits ist dies hier das Fachblog für Nazi-Vergleiche, also muss ich wohl ran:

Dieser “Don Alphonso” hat, nachdem ihm die vielen, vielen, teils (mutmaßlich) unflätigen Kommentare auf einen seiner Texte zu bunt wurden, Folgendes geschrieben:

Ich habe das freundlicher gesagt, als ich es meine, denn in meinen Augen sind diese explizit Suchtkranken argumentativ auf dem gleichen Niveau wie die Altnazis bei uns in den Käffern.

Mit den “explizit Suchtkranken” meint er übrigens Menschen, die Computer spielen. Ob Altnazis jetzt auch suchtkrank seien müssen oder nur Computerspieler gleichzeitig krank und wie Nazis sind, lässt sich seinem Text nicht entnehmen. Wohl aber, dass der Vergleich kein einmaliger Ausrutscher war, denn ein paar Zeilen später wütet er:

Nun sind diese Art Gamer eine ganz besondere Gruppe Mensch, die, ähnlich wie die Gefolgschaft von Neoconaziseiten und extremistische Islamisten, keine Haftung in der Realität mehr haben.

Faszinierend, wie man eine ohnehin schon emotionale Debatte (in der ich Computerspiele weder für “schuldig” noch für komplett “unschuldig” halte) mit ein bisschen Arroganz, Dummheit und Schaum vor dem Mund noch ein wenig unsachlicher gestalten kann.

Dabei ist die ursprüngliche Kernfrage, warum Menschen, die anspruchsvolle Literatur lesen, so selten Amok laufen, gar nicht mal unspannend. Ich hätte sogar einen Erklärungsversuch: Aus den selben Gründen, warum so wenige Klassik- und Schlager-Hörer Amok laufen — sie sind schlichtweg älter.

Die wenigsten Jugendlichen haben ein Interesse daran, sich mit jahrhundertealter Literatur, Kunst und Musik zu beschäftigen. Zum einen, weil ihnen das alles in der Schule madig gemacht wurde, zum anderen, weil diese Dinge wenig mit ihrer Lebenssituation zu tun haben. Wenn man älter und ruhiger wird, beschäftigt man sich vielleicht irgendwann auch mit der sogenannten Hochkultur. Aber dann ist man (in der Regel) über die gefährliche Phase im Leben hinaus. Der Zusammenhang besteht also weniger zwischen Medienkonsum und Verhalten, sondern zwischen Alter (welches den Medienkonsum bedingt) und Verhalten. Überspitzt gesagt: Wenn wir etwas verbieten müssten, dann die Pubertät.

Davon ab könnte man auch noch das Fass mit den “Leiden des jungen Werthers” und den angeblichen Nachahmungstätern aufmachen, aber ein Goethe-Spezialist hat mir glaubhaft versichert, dass es keinen einzigen belegten Fall eines Werther-Selbstmords gibt.

[via Nerdcore]

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Digital Gesellschaft

You don’t know me at all

Achtung: Erhöhte Selbstreferentialität!

Ich weiß weder, wer Michael Arrington, noch, was Techcrunch ist. ((Und Sie sind bitte so anständig und schreiben jetzt nicht alle “Das ist doch … !”)) Aber dass er bei dem/der/dem DLD in München ((Da weiß ich auch nicht so ganz, was das ist aber das ist auch unerheblich.)) angespuckt wurde, das habe sogar ich mitbekommen.

Jeder Mensch weiß, dass man sowas nicht macht, und derjenige, der es getan hat, wird sich hoffentlich eine ordentliche Ohrfeige von seiner Mama einhandeln, wenn sie dahinter kommt. Andererseits hat er vermutlich sowieso genug Probleme.

Paul Carr, von dem ich ebenfalls nicht weiß, wer er ist und was er sonst so schreibt, hat für den Online-Auftritt des “Guardian” einen sehr lesenswerten Artikel geschrieben, in dem er seine eigenen Erfahrungen auf dem/der/dem DLD und bei ähnlichen Ereignissen beschreibt. Wie die Leute auf ihn zukommen und ihn für irgendwelche Gehässigkeiten loben, die er mal geschrieben oder getwittert hat, und ihn fragen, ob er diese Veranstaltung und jene Person morgen auch wieder öffentlich schlachten würde.

Und obwohl mir diese Welt – wie oben oft genug angemerkt – fremd ist, kamen mir Carrs Schilderungen seltsam vertraut vor.

Wenn ich hier mal etwas vorstelle, was mir wirklich gefällt, fallen die Reaktionen bescheiden aus: ein Kommentar oder gar keiner. Wenn ich mich ein bisschen über Symbolfotos von dpa lustig mache, gibt’s deutlich mehr.

Natürlich habe ich in den letzten drei Wochen jede Menge schwachsinniger Obama-Anbiederungen aufgeschrieben. Zum einen, weil ich einmal damit angefangen hatte und ich alle Beispiele auf die eine oder andere Art bemerkenswert fand, zum anderen, weil unsere Leser mich mit Einsendungen überhäuft haben. Als ich die Postkarte in meinem Briefkasten fand, war ich gleichermaßen belustigt von der idiotischen Karte und gerührt von der Geste, dass ein mir unbekannter Mensch mir sowas einfach weitergeleitet hat.

Ich habe schon ernsthaft überlegt, ob ich über Blog-Beiträge wie die zum dpa-Symbolbild oder den ganzen Obamas vielleicht “Achtung, irrelevant!” schreiben sollte, damit ja niemand glaubt, dahinter stecke mehr als mein schlichter Wunsch, das kurz aufzuschreiben.

Wir haben Coffee And TV vor fast zwei Jahren als Gruppenblog gestartet, ((Und es ist immer noch eines, auch wenn die Autoren weniger geworden sind und ich am häufigsten schreibe.)) in dem es um alles gehen sollte, was uns interessiert. Ich wollte Musik, Filme und Bücher, die mir gefallen, mit möglichen Lesern teilen und vor Sachen warnen, die mir persönlich nicht so gefallen. Dass das Thema Medien immer mehr Platz einnahm, lag daran, dass ich mich immer stärker damit beschäftigt habe und mir viele Dinge aufgefallen sind, die mich mitunter empört haben ((Wobei ich von niemandem erwarte, dass er meine Empörung teilen muss.)) oder die ich erwähnenswert fand, weil sie lustig, merkwürdig oder auch einfach nur gut waren. Dass es mehr Platz braucht, wenn man über bizarre Stille-Post-Spielchen und Ungereimtheiten bei der Recherche schreibt, als wenn man eben einen guten Text empfehlen will, ((Beachten Sie dazu die Rubrik “Lesetipps” in der rechten Spalte dieses Blogs.)) liegt wohl in der Natur der Sache.

Natürlich ist es etwas hinderlich, dass hier im Blog kurze Quatsch-Beiträge und längere Gedankengänge, die mir wichtig sind, völlig gleichberechtigt übereinander stehen. Hier gibt es keine Aufmacher und keine “Kurz notiert”-Spalte und das mag ich eigentlich auch. Ich vertraue darauf, dass die Leser merken, was mir wichtig ist und was nicht, und ich bin mir sicher, dass das bei den meisten auch ganz gut gelingt.

Als ich am Montag die Meldung der “Berliner Zeitung” zum Atommülllager Asse verlinkte und mit dem spontanen Gedanken, der mir beim Hören der Meldung gekommen war, anreicherte, dachte ich, dass die drastischen Worte, die ich hier im Blog sonst nie benutze, für sich sprechen und meiner Resignation gegenüber unserer Bundesregierung Ausdruck verleihen würden. Stattdessen erfuhr ich aus den Kommentaren, ((Natürlich von einem anonymen Kommentator.)) dass dieses Blog “von sinnloser Polemik, Hochnäsigkeit, pseudo-politischen Anmaßungen und Klugscheißerei” lebe.

Da fragte ich mich schon: Mache ich auf Sie wirklich den Eindruck eines arroganten, blasierten Menschen, der nie weiß, worüber er schreibt und sowieso nur austeilen will?

Falls ja, würde ich nämlich sofort aufhören mit diesem Blog.

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Digital

Barack Obama und Lukas Heinser können es

(Nicht erschrecken, ich bin’s nur.)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, den Eierlikör kurz zur Seite zu stellen, sich vielleicht eine Wunderkerze vom Vorrat für morgen abzuzwacken und sich von den Plätzen zu erheben. Applaus für den Stargast des heutigen Abends: Howard Carpendale!

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Ich kenn ihn aus dem Fernsehn Internet
Seit über einem Jahr
Am Anfang war ich skeptisch
Doch am Ende war mir klar
Wenn einer etwas ändert bloggt
Dann ist es sicher er
Und ich hätt auch mit geschrien getrackbackt
Wenn ich dabei gewesen wär

Yes We Can

Es war die Nacht der Nächte
Und ich war bis morgens wach
Und ich wünschte mir nichts mehr als dass
dieser schwarze schmale Mann es schafft
Ich wär gern dabei gewesen
So wie tausende zwei oder drei mit ihm
Und ich hätt mit ihnen allen
In den Himmel das Twitter rein geschrien

Yes We Can

Jawohl, er hat es geschafft: Lukas Heinser ist mit dem Goldenen Blogger 2008 ausgezeichnet worden. Er wurde in der großen Publikumsabstimmung zum “Besten Blogger deutsch” gewählt. Frau Franzi und die Herren Knüwer und Fiene übergaben den traditionsreichen Preis gestern Abend im Rahmen einer glanzvollen Sofarunde mit Konferenzschaltung.

Lukas Heinser nahm die Würdigung gefasst und äußerlich gelassen auf. Vermutlich weiß er, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt. Dass er die vielen Hoffnungen, die in ihn gesetzt werden, nicht enttäuschen darf.

Aber wenn Sie die Kraft aufbringen, oben im YouTube-Fenster auf “Replay” zu klicken, wissen Sie, dass man alles kann, wenn man nur an sich glaubt.

Lukas: Ich hab immer an dich geglaubt.

(Schluchzend ab.)

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Politik Gesellschaft

(Not) My Generation

“Welt Debatte” ist ein Angebot, das ich bisher eher vom Hörensagen kannte. Ich kann mich auf welt.de nicht lange aufhalten, weil ich es für eines der schlimmsten dieser klickhurenden Monster halte, die sich notdürftig das Mäntelchen “Onlinejournalismus” übergeworfen haben, und mich die dortigen Leserkommentare immer wieder tief in meinem Glauben an die Wichtigkeit der Meinungsfreiheit erschüttern.

Wenn also irgendjemand bei “Welt Debatte” irgendwas schreibt, kriege ich das höchstens über Umwege mit. So auch im Fall von Gideon Böss, der dort bloggt. Herr Böss ist der gleiche Jahrgang wie ich, womit die Gemeinsamkeiten im Großen und Ganzen auch schon genannt wären. Dass es Konservative in meinem Alter gibt, überrascht mich immer ein bisschen, aber das ist ja nicht weiter schlimm, verschiedene Meinungen sollen wir alle haben und wir sollen sie alle frei äußern können, ohne uns dafür gegenseitig an die Gurgel zu springen, nur so wird’s was mit der Diskussionskultur.

Herr Böss macht es einem indes schwer mit dem Nicht-Gurgelspringen, hat er doch offenbar die Henryk-M.-Broder-Schule für Polemik und Rechercheschwäche besucht, was seinen Positionen ein bisschen die Schlagkraft nimmt.

Vergangene Woche hat er über einen Besuch des früheren iranischen Präsidenten Mohammad Chatami gebloggt und diesen Mann, der als der erste Reformer in einem wichtigen politischen Amt im Iran gilt, eine “Galionsfigur des iranisch-islamistischen Terrors” genannt.

Überhaupt seien deutsche Universitäten viel zu links:

Irgendwie ist die organisierte Studentenschaft immer entweder religiös, antikapitalistisch oder globalisierungskritisch und werterelativistisch ist sie sowieso.

Nun wäre es natürlich eine spannende Frage, warum sich Herr Böss, der anscheinend studiert hat, dann nicht für seine Interessen in der Studentenschaft organisiert hat. Es wäre auch spannend, sich durch die Kommentare zu kämpfen, aber das haben mir meine Ärzte und Schreiner verboten: Herz, Zähne und Tischplatten sind nicht unendlich belastbar.

Gestern hat er dann nachgelegt und mal so richtig derbe mit seiner (ungenannten) Uni abgerechnet:

Mein Vorschlag wäre, zuerst einmal alles aus der Uni zu verbannen, was mit Wissenschaft nichts zu tun hat. Der ganze Gender-Quatsch zum Beispiel. Ich musste dreimal im Verlauf des Studiums solche Kurse besuchen. Da lernte ich, dass es eine gesellschaftliche Konstruktion ist, dass es nur zwei Geschlechter gibt. In Wahrheit gibt es mehr, wobei die genaue Zahl nicht klar ist.

Herr Böss vertritt also noch nicht mal ein konservatives Weltbild, er vertritt ein schwarz-weißes Weltbild: wichtig vs. unwichtig, Mann vs. Frau, gut vs. böse, rechts vs. links. Da ist man mit dem Weltsortieren schneller fertig und hat mehr vom Tag.

Und dann brodert es nur so aus ihm hinaus:

Noch eine Nummer härter wird es bei den Hardcore-Feministinnen, für die Kinder, die von ihrem Vater vergewaltigt wurden, genauso traumatisiert sind wie Holocaust-Überlebende (der Versuch, die Leidensgeschichte der Juden als Blaupause für die Unterdrückung der Frauen zu missbrauchen, gehört mit zum geschmacklosesten des Feminismus Made by Alice Schwarzer). Wir lernen also, dass ein Kind zwei Elternteile hat: eine liebende Mutter und Auschwitz.

Vergewaltigte Kinder taugen für Herrn Böss also gerade noch zur schalen (und inkohärenten) Pointe. Ich sehe eine große Zukunft für ihn im deutschen Geifergewerbe.

Und weil ich mich keine Minute länger mit Herrn Böss’ missglücktem Versuch einer Debatte befassen will, verweise ich stattdessen auf diese kluge Replik von Martin Spindler, der all das in Worte fasst und untermauert, was ich selber nur rausgegeifert gekriegt hätte.

[via rivva]

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Trau, schau wem

Mit manchen Geschichten ist es wie mit alten Pullovern: Man zieht an einem losen Faden und am Ende hat man das ganze Teil aufgeribbelt.

Am Dienstag wurde David Harnasch das seltene Glück zuteil, als Blogger wohlwollend von “Spiegel Online” porträtiert worden zu sein. Er betreibt seit vergangenem November das Blog “Bildschirmarbeiter”, in dem er das aktuelle TV-Programm kritisiert und parodiert. Mir war das Blog bis vor wenigen Stunden gänzlich unbekannt, seine technorati authority (die freilich nichts über die Qualität aussagt) lag vor dem SpOn-Artikel bei 42.

Harnasch nimmt sich spannenden Themen an, wie in seinem aktuellsten Beitrag vom 6. August. Was “Frontal 21” da gemacht hat, ist wirklich mindestens sehr merkwürdig, Harnaschs Beitrag finde ich persönlich aber weder spannend noch lustig (falls die Verkleidung lustig sein sollte), sein anfängliches ÖR-Bashing nur peinlich. Aber das ist letztlich Geschmackssache – viele Leute werden ja auch unsere Videos nicht lustig finden.

Jan-Philipp Hein, der das große “Bildschirmarbeiter”-Porträt geschrieben hat, folgt darin einer Prämisse, die er in der Einleitung vorstellt:

Fernsehen spielt online fast keine Rolle. Wenige Blogger arbeiten sich am ehemaligen Leitmedium ab – einer aber mit viel Witz und exzessivem Aufwand. Ansonsten gilt TV online vielleicht einfach nicht mehr als kritikwürdig.

Ich sehe das anders. Da wäre ja zum Beispiel der “Fall Bankhofer”, in dem sich der WDR wegen des “Anscheins auf Schleichwerbung” von dem sympathischen “Gesundheitsexperten” trennte, nachdem zwei Blogs die Geschichte angestoßen hatten.

Zugegeben: neben dem Fernsehlexikon, Stefan Niggemeier (bei dem man aber auch ganz froh ist, wenn er nicht jedes Mal genannt wird, wenn der Begriff “Blogger” fällt), medienpiraten.tv und dem Wortvogel, der sich des Themas immer mal wieder von der Macher-Seite annimmt, fallen mir auch nicht mehr soooo viele Fernseh-Blogs ein. “Fast keine Rolle” sieht für mich aber trotzdem anders aus.

In der “SpiegelKritik” stolperte ich dann über diesen Eintrag zu Heins Artikel, den ich auch in meinen aktuellen “Klickbefehl” aufnahm: Timo Rieg schrieb da, Hein und Harnasch seien einander durch die “Achse des Guten” verbunden – Harnasch ist Autor jenes “publizistischen Netzwerks”, das sich gerne mit dem Untergang des Abendlandes und dem angeblichen “Klimaschwindel” befasst, und für das Hein schon dreimal als Gastautor gearbeitet habe. Außerdem betrieben sie gemeinsam das “Netzwerk Gegenrecherche”, schreibt Rieg.

Gefälligkeitsjournalismus unter alten Kumpels bei “Spiegel Online”? Ein ziemliches Ding, wenn dem so wäre.

Allein: So wie’s aussieht, ist dem nicht so. Jan-Philipp Hein erklärte mir gegenüber, dass er David Harnasch “vor zwei, drei Wochen” erstmalig kontaktiert habe – um eben genau jenes Porträt über ihn für “Spiegel Online” zu schreiben. Über die “Achse des Guten” hätten die beiden bisher keinerlei Kontakt gehabt und was dort an Gastbeiträgen von Hein veröffentlicht wurde, seien alle jeweils Zweitverwertungen aus anderen Medien gewesen.

Über “Bildschirmarbeiter” habe er geschrieben, weil er das Blog “originell” finde, sagt Hein, und mit dem “Netzwerk Gegenrecherche” habe der Kollege Harnasch nur insofern zu tun, als der einmal darauf verlinkt habe.

Und – hier kommen wir auf den Pullover-Satz vom Anfang zurück, der Sie dort sicherlich ziemlich verwirrt hat – statt über mögliche Mauscheleien bei “Spiegel Online” zu schreiben, saß ich plötzlich an einem Artikel, der sich mit der haarsträubenden Recherche (bzw. Nicht-Recherche) bei “SpiegelKritik” auseinandersetzen muss. Jan-Philipp Hein nannte den dortigen Artikel, in dem sich Timo Rieg auch noch als Mitglied des “Netzwerks Recherche” zu erkennen gibt, “bedenklich” und “unmöglich” und auch bei “Spiegel Online” war man darüber alles andere als glücklich.

Timo Rieg erklärte mir auf Nachfrage, er wolle seinen Artikel in der “SpiegelKritik” als “Rezension einer Rezension” verstanden wissen.

PS: Was man aber wohl ruhigen Gewissens als kontraproduktiv bewerten kann, ist die Tatsache, dass David Harnasch wenige Tage vor der Veröffentlichung seines Porträts bei “Spiegel Online” einen Blog-Eintrag mit folgenden Worten begann:

Auch wenn ich momentan guten Grundes wegen nicht über SPON lästern sollte, […]

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Digital Fernsehen

Klickbefehl (14)

Da mögen Fans noch so sehr darauf schwören, die “Lindenstraße” sei heute ja eine ganze andere als vor 20 Jahren. Humorvoll, selbstironisch und dergleichen. In Wahrheit ist die Kleinbürger-Soap immer noch ein Panoptikum der Piefigkeit. Wie fast alle Soaps sind ihre Kulissen vollgestellt mit uninspirierten Charakteren und zugeschüttet mit grauenhaften Dialogzeilen der Sorte: “Ah, meine Umweltplakette, endlich!”

Markus Brauck rechnet im “Spiegel” mit der “Lindenstraße” ab. Dazu gibt es eine Bildergalerie, die dem Wort “Graustufen” eine ganz neue Bedeutung zukommen lässt. (Bitte markieren Sie sich diesen Tag im Kalender: ich empfehle eine Bildergalerie bei “Spiegel Online”!)

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Das ist die wohl ungewöhnlichste Meldung des Tages: Die ARD kauft RTL die Serie “Die Anwälte” ab – also die Serie, die RTL Anfang des Jahres nach nur einer Folge, die mit 10,8 Prozent Marktanteil die Erwartungen nicht erfüllen konnte. aus dem Programm genommen hat. Fortan diente die Serie als Musterbeispiel für fehlendes Vertrauen der Sender in die eigenen Produktionen.

DWDL.de berichtet über das überraschende Comeback einer Serie, die (also deren erste Folge) ich eigentlich ganz gut fand und deren Absetzung mein Verhältnis zu RTL nachhaltig gestört hat.

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Einfacher wäre zu sagen: Ich mag ihn. Ich freue mich, dass ich neben dem Mitglied der „Achse des Guten“ auch schon drei Mal dort als Gastautor auftreten durfte und dass wir nun gemeinsam ein Netzwerk Gegenrecherche starten.

Timo Rieg erläutert in der “Spiegelkritik” die Hintergründe zu einem sehr, sehr merkwürdigen “Spiegel Online”-Artikel über einen der angeblich ganz wenigen deutschen TV-Blogger.

Warum diese Geschichte nur mit äußerster Vorsicht zu genießen ist (wenn überhaupt), erzähle ich Ihnen später steht hier.

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Einen Vorschlag zur Güte hatte Broder abgelehnt. Er werde sich keinen “Maulkorb” verpassen lassen, “weil sonst Antisemiten entscheiden dürften, was Antisemitismus ist”. Nun befanden die Richter, Broders Vorwurf habe die Grenze zur Schmähkritik überschritten, weil “im konkreten Kontext der Äußerung die Diffamierung der Klägerin, nicht die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund” gestanden hätte.

Henryk M. Broder stand mal wieder vor Gericht und die “taz” versucht zu erklären, was los war.

Patrick Bahners hatte vor einigen Wochen in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” ebenfalls über den Prozess geschrieben und Broders Lebenswerk damals beeindruckend zusammengefasst:

Seine preisgekrönte publizistische Strategie der verbalen Aggression nutzt den Spielraum der Meinungsfreiheit, um ihn einzuschränken: Kritiker Israels sollen eingeschüchtert werden.

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Weitere Linktipps können Sie übrigens seit Neuestem dem delicious-Account von Coffee And TV entnehmen. Und falls ich endlich rauskriege, wie ich den dazugehörigen Feed hier in die Sidebar eingebaut kriege, wird das alles viel praktischer und übersichtlicher.