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Dieser Text soll wütend machen

Ich habe ange­fan­gen, einen Text zu ver­fas­sen. Unglaub­lich, was dann pas­sier­te.

Man weiß ja eigent­lich, dass eine Sache pop­kul­tu­rell durch ist, wenn die Par­odien dar­auf anfan­gen, einem mas­siv auf den Sack zu gehen. ((Das ist in der Regel der Moment, in dem Radio­sen­der anfan­gen, die betref­fen­de Sache in ihr „Comedy“-Repertoire auf­zu­neh­men.)) Die Num­mer mit dem „Hef­tig­style“ ist also eigent­lich durch.

Der „Hef­tig­style“ ist benannt nach dem „sti­lis­ti­schen“ Vor­bild heftig.co, einer Inter­net­sei­te, die es sich zum Ziel gesetzt hat, bun­te Mel­dun­gen von ande­ren, inter­na­tio­na­len Trash-Por­ta­len zusam­men­zu­klau­ben, die­se grob ins Deut­sche zu über­set­zen und mit plum­pen Anrei­ßer­tex­ten in Sozia­len Netz­wer­ken zu streu­en. Unge­fähr alles, was man über die­se Web­site wis­sen muss, die vom guten Anstand über die Prin­zi­pi­en des Kapi­ta­lis­mus bis hin zum gerings­ten sprach­li­chen Emp­fin­den ein­fach alles belei­digt, hat der Herm schon vor drei Mona­ten auf­ge­schrie­ben. In mei­nen eige­nen Social-Net­work-Feeds tau­chen Mel­dun­gen von „Hef­tig“ auf­fal­lend sel­ten auf, was ich sehr gut fin­de, aber die Seu­che greift um sich – immer mehr (meist eben­falls unse­riö­se) Inter­net­por­ta­le beteasern ihre Arti­kel in „Heftig“-Manier. Einen gro­ben Über­blick über die­se Höl­le lie­fert der inzwi­schen schon wie­der etwas ver­waist erschei­nen­de tumb­lr „hef­tig­style“.

For­mu­lie­run­gen wie „Die­ser Elf­me­ter­schüt­ze möch­te beson­ders ange­ben. Doch was dann folgt, ist ein­fach zum Lachen.“ machen mich so unfass­bar aggres­siv wie sonst nur trop­fen­de Was­ser­häh­ne über Edel­stahl­spü­len. Ich brauch­te ein paar Wochen mit mir und mei­nen Gefüh­len um zu begrei­fen, war­um das so ist. Dann wur­de mir klar: Es ist die völ­li­ge Bevor­mun­dung des Lesers. Er soll schon vor der Lek­tü­re des gan­zen (meist lächer­lich kur­zen) Arti­kels wis­sen, wie er zu reagie­ren hat – im kon­kre­ten Fall Lachen. Mal davon ab, dass die wenigs­ten als beson­ders lus­tig ange­prie­se­nen Geschich­ten die ent­stan­de­ne Erwar­tungs­hal­tung erfül­len kön­nen, ist das für mich auf eine Art aus­ge­präg­te Men­schen­ver­ach­tung. Es ist irgend­wie noch schlim­mer als Fast-Food-Ver­pa­ckung, auf die groß „Lecker!“ gedruckt ist, es ist die maxi­ma­le Unter­for­de­rung des Rezi­pi­en­ten.

Das Law-and-Order-For­mat „Ach­tung Kon­trol­le“ auf Kabel Eins arbei­tet mit den glei­chen rhe­to­ri­schen Mit­teln, wenn die lai­en­schau­spie­lern­den Poli­zis­ten oder Steu­er­fahn­der eben­so leb- wie lieb­los Satz­kon­struk­tio­nen able­sen, die unge­fähr so gehen: „Ich habe den Mann dann noch mal auf­ge­sucht und was ich dann sah, hat mich wirk­lich über­rascht.“ Dar­auf folgt die nach­ge­stell­te Sze­ne, in der der Ord­nungs­hü­ter den Mann noch ein­mal auf­sucht und dann etwas sieht, was ihn wirk­lich über­rascht. Nor­mal ent­wi­ckel­te Fünf­jäh­ri­ge wür­den die­sen Ablauf kor­rekt ver­ste­hen und ein­ord­nen, aber für die angeb­lich erwach­se­nen Zuschau­er, die die Macher die­ser Sen­dung offen­bar für lern­be­hin­der­te Matsch­kar­tof­feln auf dem hei­mi­schen Sofa hal­ten, wird das schön erklärt – und nach der Wer­be­pau­se noch mal vom Off-Spre­cher wie­der­holt.

Klar, wir Aka­de­mi­ker könn­ten uns jetzt schön zurück­leh­nen und sagen: „Das ist halt Trash-TV fürs Trash-Volk. Bil­dungs­fer­ne Schich­ten, Hartz IV, Dosen­bier – die sind halt doof.“ Also genau das, was sich die Pro­du­zen­ten sol­cher TV-Sen­dun­gen in all ihrer Über­heb­lich­keit – und der dar­aus fol­gen­den Men­schen­ver­ach­tung – auch den­ken. Aber ich wei­ge­re mich, das zu glau­ben. Bil­ly Wil­der hat mal gesagt, ((Sinn­ge­mäß, ich fin­de das Zitat lei­der auf die Schnel­le nicht mehr wie­der, es ist aber irgend­wo im Wil­der-Buch von Hell­muth Kara­sek zu fin­den.)) man dür­fe den Zuschau­er nicht unter­schät­zen bzw. unter­for­dern, er sei schlau genug, eins und eins selb­stän­dig zusam­men­zu­zäh­len.

Bei „Tages­schaum“ hat­ten wir spa­ßes­hal­ber mal das Mis­si­on State­ment „Wir wol­len den Zuschau­er auf meh­re­ren Ebe­nen über­for­dern“ for­mu­liert – und die­ses Ver­spre­chen sicher­lich auch oft genug ein­ge­löst. ((Und, klar: Unse­re Quo­ten konn­ten nicht mit denen von „Ach­tung Kon­trol­le“ mit­hal­ten.)) Ich habe erst mit der Zeit begrif­fen, dass es beim Fern­se­hen wirk­lich außer­ge­wöhn­lich ist, gewis­se Fak­ten als bekannt vor­aus­zu­set­zen und den Zuschau­er vor allem mal eige­ne Schlüs­se zie­hen zu las­sen. Man kann ja heu­te kaum noch eine Nach­rich­ten­sen­dung schau­en, in denen Auf­nah­men von hun­gern­den Kin­dern, ver­trie­be­nen Men­schen oder den Aus­wir­kun­gen von Natur­ka­ta­stro­phen nicht als „schlim­me Bil­der“ anmo­de­riert wer­den – ganz so, als wäre das Publi­kum nicht selbst in der Lage, das Gezeig­te als schlimm ein­zu­ord­nen.

Womög­lich bin ich da allei­ne, aber ich füh­le mich von sol­chen Erklä­run­gen immer bevor­mun­det – genau­so übri­gens wie von den meis­ten Auf­lö­sun­gen in Kri­mis. Da haben die Autoren im ers­ten und zwei­ten Akt schön ihre Fähr­ten gelegt und Hin­wei­se gege­ben, ((Inzwi­schen muss man ja schon froh sein, wenn das noch halb­wegs natür­lich geschieht und nicht irgend­wel­che Ein­blen­dun­gen auf­pop­pen, auf denen „Ach­tung! Die­se Infor­ma­ti­on wird gleich noch wich­tig!“ steht.)) und dann wird im drit­ten Akt noch mal eine Rück­blen­de abge­feu­ert, damit auch der größ­te Depp (aus Sicht der Macher: der Zuschau­er an sich) begreift, was ambach ist.

Ich möch­te hier noch mal in Betracht zie­hen, dass ich der ein­zi­ge Mensch auf der Welt bin, dem es so geht, aber ich den­ke bei Fil­men oder Roma­nen lie­ber „Das habe ich jetzt nicht ver­stan­den, da hät­te ich bes­ser auf­pas­sen müs­sen, mein Feh­ler!“ als „Ja-haaa! Ich hab’s ver­stan­den!“. Ich weiß noch, wie wütend ich beim Sehen von Quen­tin Taran­ti­nos „Ing­lou­rious Bas­ter­ds“ an einer Stel­le wur­de: In einer Gast­stät­te hat­te sich ein Bri­te als Deut­scher aus­ge­ge­ben, tadel­lo­ses Deutsch gespro­chen und war doch auf­ge­flo­gen. Er hat­te beim Bestel­len von drei Glä­sern Scotch den Zeige‑, Mit­tel- und Ring­fin­ger hoch­ge­hal­ten – ein ech­ter Deut­scher wür­de die Zahl Drei aber mit Dau­men, Zei­ge- und Mit­tel­fin­ger anzei­gen. Man sieht in der Sze­ne, wie August Diehl Micha­el Fass­ben­ders Fin­ger anstarrt und sein Gehirn rat­tert. Selbst wenn man nicht mit den kul­tu­rel­len Unter­schie­den des fin­ger-coun­tings ver­traut ist, gehen an die­ser Stel­le qua­si alle Sire­nen an und der Satz „Hier stimmt etwas nicht, Ihr seid auf­ge­flo­gen!“ läuft in Lauf­schrift über Diehls Stirn. ((Damit wir uns nicht falsch ver­ste­hen: August Diehl macht in die­sem Film einen phan­tas­ti­schen Job. Ich fand ihn fast noch bes­ser als Chris­toph Waltz.)) Und trotz­dem hielt Taran­ti­no (womög­lich: hiel­ten die Pro­du­zen­ten) es für not­wen­dig, die Sache mit den Fin­gern spä­ter noch ein­mal im Dia­log auf­zu­lö­sen. Damit auch der Letz­te begreift, war­um die Tar­nung auf­ge­flo­gen ist.

Man hört ja immer wie­der davon, dass vie­le Men­schen, allen vor­an natür­lich Schul­kin­der, nicht mehr in der Lage sei­en, ein­fa­che Tex­te sinn­ent­neh­mend zu lesen. Klar: Wenn ich dar­an gewöhnt bin bzw. wer­de, dass eine über­ra­schen­de Wen­dung als sol­che gekenn­zeich­net wird oder dass trau­ri­ge Musik anschwillt, wenn etwas trau­ri­ges pas­siert, dann wird es schwie­rig, wenn sich plötz­lich der Asphalt vor mir auf­tut und der Tage­bruch nicht „Über­ra­schung!“ schreit und die Musik aus­bleibt, wenn der Hams­ter stirbt. Da bedarf es schon ein biss­chen Vor­wis­sen und Trans­fer­leis­tung, um das von sel­ber auf die Ket­te zu krie­gen.

Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker wür­den jetzt erklä­ren, dass es Wunsch und Auf­trag von Regie­rung und/​oder Wer­be­kun­den sei, das Volk dumm zu hal­ten, aber ich fürch­te, die Erklä­rung ist wie so oft viel ein­fa­cher, also schlim­mer: Irgend­wel­che Con­trol­ler haben in irgend­wel­chen Umfra­gen her­aus­ge­fun­den, wie man mit noch weni­ger eige­nem Auf­wand noch mehr Leu­te errei­chen kann, die sich schon so sehr dar­an gewöhnt haben, für Toast­brot gehal­ten zu wer­den, dass es sie gar nicht mehr auf­regt.

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Das „Zeit Magazin“ schreibt sich um Kopf und Fuß

Frü­her war die Welt noch klar auf­ge­teilt: In der Tages­zei­tung am Früh­stücks­tisch und der Wochen­zei­tung oder dem Maga­zin im Ohren­ses­sel infor­mier­te man sich über Poli­tik, Wirt­schaft und Kul­tur (letz­te­re zumeist mit dem etwas hoch­nä­si­gen Prä­fix „Hoch“) und wenn man beim Arzt oder dem Fri­seur auf die Ver­rich­tung war­te­te, blät­ter­te man mit spit­zen Fin­gern in den soge­nann­ten Illus­trier­ten und las skan­da­lö­se Geschich­ten aus dem ver­meint­li­chen Pri­vat­le­ben von angeb­li­chen Pro­mi­nen­ten, die einem zumeist unbe­kannt und egal waren. Als ich in mei­ner Schul­zeit regel­mä­ßig zur Kran­ken­gy­mastik muss­te, war ich bes­tens über die Gescheh­nis­se der deut­schen Schla­ger­sze­ne infor­miert.

Heut­zu­ta­ge ist es schwer, irgend­wo hin­zu­le­sen, ohne mit skan­da­lö­sen Geschich­ten aus dem ver­meint­li­chen Pri­vat­le­ben von angeb­li­chen Pro­mi­nen­ten behel­ligt zu wer­den. „Spie­gel Online“ hat den Irr­sinn per­fek­tio­niert, belang­lo­se Mel­dun­gen nach­zu­er­zäh­len, die in ame­ri­ka­ni­schen Klatsch­blogs stan­den und deren Prot­ago­nis­ten, zumeist irgend­wel­che ame­ri­ka­ni­schen Tee­nie- oder Rea­li­ty-Stars, den eige­nen deut­schen Lesern zunächst umständ­lich vor­ge­stellt wer­den müs­sen.

Als die Ehe­leu­te Gwy­neth Palt­row (Oscar-Preis­trä­ge­rin) und Chris Mar­tin (Cold­play-Sän­ger) das Ende ihrer Bezie­hung mit einem Blog­ein­trag unter der Über­schrift „Con­scious Uncou­pling“ öffent­lich gemacht haben, war das vie­len the­ma­tisch sonst eher anders auf­ge­stell­ten Medi­en eine kul­tur­wis­sen­schaft­li­che Betrach­tung der Kon­zep­te „Ehe“ und „Tren­nung“ wert.

Im „Zeit“-Magazin gibt es eine Rei­he, die sich „Über das ech­te Leben“ nennt und sich unter dem augen­zwin­kern­den Rubrum „Gesell­schafts­kri­tik“ mit dem Pri­vat­le­ben von Pro­mi­nen­ten aus­ein­an­der­setzt. Der Blick­win­kel ist dabei – „Zeit“ halt – von oben her­ab, was schon des­halb ein biss­chen witz­los ist, weil ja selbst die schrot­tigs­ten Bou­le­vard­res­te­ram­pen die Objek­te ihrer Betrach­tun­gen nicht mehr umschwär­men, son­dern am liebs­ten ver­spot­ten, ger­ne auch post­hum.

Die­se Woche darf Peter Dau­s­end, im unech­ten Leben poli­ti­scher Kor­re­spon­dent der „Zeit“ in Ber­lin, ran. Er wid­met sich den Gerüch­ten, dass die Schau­spie­le­rin Uma Thur­man („Kill Bill“, „Pulp Fic­tion“) und der Regis­seur Quen­tin Taran­ti­no („Kill Bill“, „Pulp Fic­tion“) seit Neu­es­tem ein Paar sein sol­len (vgl. die übli­chen Klatsch­pos­til­len Bild.de, Bunte.de, Gala.de und Stern.de).

Er beginnt mit der Beschrei­bung einer Sze­ne aus „Kill Bill“, in der Uma Thur­mans nack­te Füße zu sehen sind, und doziert:

Nun muss man wis­sen, dass Quen­tin Taran­ti­no, der Kill Bill-Regis­seur, eine Vor­lie­be für Frau­en­fü­ße im All­ge­mei­nen und für die von Uma Thur­man im Beson­de­ren hat. Sie sei­en die schöns­ten, so hat er mal gesagt, die er je gese­hen habe.

Wer sich ein biss­chen inten­si­ver mit dem Werk Taran­ti­nos aus­ein­an­der­ge­setzt hat, weiß davon eben­so wie von dem Umstand, dass Thur­man für ihn lan­ge Jah­re das war, was daher­ge­lau­fe­ne Bil­dungs­bür­ger­feuil­le­to­nis­ten als „Muse“ bezeich­nen. ((In den letz­ten Jah­ren scheint die­se inspi­rie­ren­de Son­der­rol­le ein wenig auf den Schau­spie­ler Chris­toph Waltz über­ge­gan­gen zu sein, was man ein­fach mal im Hin­ter­kopf behal­ten soll­te, wenn man den Rest von Dau­s­ends Aus­füh­run­gen liest.))

Quen­tin Taran­ti­no und Uma Thur­man sind jetzt ein Paar, 21 Jah­re nach­dem sie zusam­men Pulp Fic­tion gedreht haben. Das erscheint auf den ers­ten Blick ganz wun­der­bar, zeigt es doch, dass der still lie­ben­de Mann immer auf ein Hap­py End hof­fen darf.

Das klingt auf den ers­ten Blick bei­na­he roman­tisch, kriegt dann aber doch ganz schnell die Kur­ve ins Gehäs­si­ge:

Wenn dann das Objekt der Begier­de einen Mil­li­ar­där aus Genf oder was ähn­lich Lang­wei­li­ges abschießt, muss man nur noch den eige­nen Über­gangs­part­ner ver­ab­schie­den – und schon kann man bis ans Lebens­en­de glück­lich sein.

Dass sich außer einem soge­nann­ten „Insi­der“ im bri­ti­schen Klatsch­ma­ga­zin „Clo­ser“ noch nie­mand zu den Gerüch­ten um Thur­man und Taran­ti­no geäu­ßert hat, ficht Dau­s­end nicht an. Ihm geht es um ganz ande­re Gerüch­te:

Ja, natür­lich gibt es Gerüch­te. Dass Taran­ti­no und Thur­man das Paar­sein nur simu­lie­ren, um für Vor­ab-PR zu sor­gen. Denn Taran­ti­no, so raunt man sich zu, möch­te dem­nächst den zwei­ge­teil­ten Kill Bill unter dem Titel Kill Bill: The Who­le Bloo­dy Affair als vier­stün­di­ges Gesamt-Rache­epos in die Kinos brin­gen.

Für einen kur­zen Moment scheint es, als hät­te Dau­s­end erkannt, wie egal das alles ist. Mit­ten in sei­nem Text schim­mert mono­li­thisch das Man­tra des Bou­le­vard­jour­na­lis­mus:

Ob die Gerüch­te nun stim­men oder nicht, spielt kei­ne Rol­le.

Aber er muss ja sei­ne merk­wür­di­ge Kolum­ne fül­len und tritt des­halb aufs Gas­pe­dal – und dahin, wo’s sonst noch weh tut:

Wir geben den bei­den sowie­so kei­ne Chan­ce. Unter­wür­fi­ge Bewun­de­rung, lie­bes­tol­les Hin­ter­her­he­cheln, hün­di­sche Unter­wer­fung, wie es Män­nern nach lan­gem Schmach­ten eigen ist – dafür hat der Star sei­ne Fans, nicht sei­nen Part­ner.

Wenn schon die Bezie­hungs­exper­ten vom renom­mier­ten deut­schen „Zeit Maga­zin“ den bei­den kei­ne Chan­ce geben, kön­nen die’s natür­lich gleich blei­ben las­sen – immer vor­aus­ge­setzt, es gibt über­haupt etwas, was sie blei­ben las­sen könn­ten.

Aber Frau­en­ver­ste­her Dau­s­end scheint sich ja eh bes­tens aus­zu­ken­nen:

Thur­man wird einen glücks­be­seel­ten Taran­ti­no nicht lan­ge ertra­gen. Wir freu­en uns jetzt schon auf den Film, mit dem der blut­ver­sprit­zen­de Rache­en­gel Taran­ti­no den Lie­bes­trot­tel in sich über­win­det und das Schei­tern sei­nes Lebens­trau­mes ver­ar­bei­tet. Und haben ein wenig Angst um Umas Füße.

Das ver­meint­lich pri­va­te Glück frem­der Men­schen als Witz­vor­la­ge für eine lau­ni­ge Kolum­ne. Das ist das „Zeit Maga­zin“.

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Literatur Digital

Die Arroganz der Jungen, die Ignoranz der Alten

Wir müs­sen dann lei­der noch mal auf „Axolotl Road­kill“ zurück­kom­men, das lite­ra­ri­sche Hype-The­ma der Stun­de. Nicht, dass ich das Buch inzwi­schen gele­sen hät­te, aber: Das von der Lite­ra­tur­kri­tik auf Laut­stär­ke 11 gefei­er­te Werk von Hele­ne Hege­mann (17) weist in etli­chen Pas­sa­gen erstaun­li­che Ähn­lich­keit mit einem ande­ren Buch auf.

Deef Pir­ma­sens hat in sei­nem Blog Die Gefühls­kon­ser­ve eine Gegen­über­stel­lung von Text­stel­len aus „Axolotl Road­kill“ und aus dem Buch „Stro­bo“ des Ber­li­ner Blog­gers Airen ver­öf­fent­licht, das im ver­gan­ge­nen Jahr erschie­nen war. Um es vor­sich­tig aus­zu­drü­cken: Da kommt schon Eini­ges an Auf­fäl­lig- und Ähn­lich­kei­ten zusam­men.

Als gelern­ter Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler ste­he ich die­sen Ent­hül­lun­gen etwas schul­ter­zu­ckend gegen­über: Mon­ta­gen und Inter­tex­tua­li­tät gibt es seit kurz nach Erfin­dung der Schrift­spra­che – Georg Büch­ners Novel­le „Lenz“ ist knapp zur Hälf­te aus Auf­zeich­nun­gen des Pfar­rers Johann Fried­rich Ober­lin über­nom­men, Johann Wolf­gang von Goe­the hat sich mehr als ein­mal mas­siv von ande­ren Tex­ten inspi­rie­ren las­sen. Auf den Platz in der Lite­ra­tur­ge­schich­te hat­te das für die bei­den Her­ren kei­ne Aus­wir­kun­gen, aber über den ent­schei­det nahe­lie­gen­der­wei­se die Nach­welt und nicht der Zeit­ge­nos­se. Über­haupt gilt ja, was Oscar Wil­de zuge­schrie­ben wird, der gemei­ne Pop-Kon­su­ment (also ich) aber erst seit Toco­tro­nic weiß: „Talent bor­rows, geni­us ste­als“.

Als jemand, der mit dem Schrei­ben von Tex­ten sei­nen Lebens­un­ter­halt zu erwirt­schaf­ten ver­sucht, sehe ich es natur­ge­mäß kri­ti­scher, wenn jemand (mut­maß­lich) gutes Geld mit Inhal­ten ver­dient, die zumin­dest zu einem nicht ganz uner­heb­li­chen Teil aus dem Werk eines Ande­ren stam­men.

Die Gren­zen zwi­schen Zitat und Dieb­stahl geis­ti­gen Eigen­tums sind flie­ßend – der Unter­schied zwi­schen den Groß-Zitie­rern Quen­tin Taran­ti­no und Die­ter Wedel besteht letzt­lich auch nur dar­in, dass Taran­ti­nos Fil­me cool sind und Wedels spie­ßig. Und dass die Über­nah­me bestimm­ter Wor­te oder gan­zer Text­pas­sa­gen noch mal ein biss­chen was ande­res ist als das zufäl­li­ge Wie­der-Erstel­len einer bereits kom­po­nier­ten Melo­die (man erin­ne­re sich nur an die rund tau­send Songs, von denen Cold­play ihr „Viva La Vida“ samt und son­ders abge­pinnt haben sol­len), lässt sich einer­seits mit den unter­schied­li­chen Mate­ri­al­la­gen (zehn­tau­sen­de Wör­ter vs. zwölf Töne) erklä­ren, ist aber ande­rer­seits auch nur Geschmacks- und Defi­ni­ti­ons­sa­che.

Man könn­te also Hele­ne Hege­mann und Die­ter Wedel zu Peter Slo­ter­di­jk und Rüdi­ger Safran­ski ins „Phi­lo­so­phi­sche Quar­tett“ set­zen und eine Stun­de lang über Blues-Moti­ve und Bas­tard­pop, Wil­liams Shake­speare und Hei­ner Mül­ler dis­ku­tie­ren las­sen und hät­te am Ende viel­leicht ein biss­chen Erkennt­nis­ge­winn oder wenigs­tens was zum drü­ber auf­re­gen. Man wür­de sich womög­lich dar­auf eini­gen, dass Zita­te, Remi­xe und Mas­hups Teil unse­rer (Pop-)Kultur sind, es aber nur höf­lich wäre, wenigs­tens sei­ne Quel­len zu benen­nen und nicht Ander­erleuts Gedan­ken als eige­ne aus­zu­ge­ben.

Aber das sind phi­lo­so­phi­sche und kul­tur­wis­sen­schaft­li­che Gedan­ken all­ge­mei­ner Art. Der „Fall Hege­mann“ dage­gen ist lei­der der Super-GAU der öffent­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung, weil er sich genau an der (lei­der immer noch von vie­len Men­schen auf bei­den Sei­ten ima­gi­nier­ten) Ver­wer­fung zwi­schen ana­lo­ger und digi­ta­ler Welt ereig­net hat: Da hat also so eine Ber­li­ner Künst­ler­toch­ter abge­schrie­ben – und zwar bei einem Blog­ger! Hur­ra, der Klas­sen­kampf beginnt erneut, auf die Bar­ri­ka­den!

Jetzt krie­gen die Lite­ra­tur­kri­ti­ker, denen man sicher vie­les vor­wer­fen kann, ernst­haft um die Ohren gehau­en, sie hät­ten ja mal Goo­geln kön­nen.

Goo­geln. Einen Roman! Dabei erzählt Deef Pir­ma­sens, dem die gan­zen text­li­chen Par­al­le­len als Ers­tem auf­ge­fal­len waren, im Inter­view mit sueddeutsche.de, dass ihm bei der Lek­tü­re von „Axolotl Road­kill“ bestimm­te Wor­te bekannt vor­ge­kom­men sei­en – weil er „Stro­bo“ gele­sen hat­te. Beim Erken­nen von unge­nann­ten Quer­ver­wei­sen hilft es also offen­bar immer noch, das Ori­gi­nal zu ken­nen. Dass lan­ge Zeit nie­man­dem auf­ge­fal­len ist, dass eine ande­re Text­stel­le aus dem Song „Fuck U“ von Archi­ve über­nom­men wur­de, spricht dann eben lei­der nicht für die Popu­la­ri­tät der Band.

Der Kampf der Wel­ten endet in Sät­zen wie die­sen:

In Wirk­lich­keit scheint sich als Abwehr­hal­tung des Feuil­le­tons her­aus­zu­kris­tal­li­sie­ren: Es ist nicht so schlimm, von einem weit­ge­hend unbe­kann­ten Medi­um aus dem Web geklaut zu haben – Hege­mann kann zur Not noch als Tran­skri­bis­tin vom Inter­net ins Buch gefei­ert wer­den.

Es ist jener pas­siv-aggres­si­ve Ton, gepaart mit dem Hin­weis, dass das Inter­net immer noch etwas ande­res sein soll als der Rest der Welt, der den genau­so ver­bohr­ten Men­schen im Kul­tur­be­trieb dann wie­der als Vor­la­ge dient, wenn es dar­um geht, über die Mecke­rei­en und das merk­wür­di­ge Selbst­be­wusst­sein (bzw. offen­sicht­lich des­sen Feh­len) der Blog­ger zu läs­tern. Ich fra­ge mich, ob die Geschich­te in der deutsch­spra­chi­gen Netz­welt genau­so hohe Wel­len geschla­gen hät­te, wenn der „beraub­te“ Autor nicht gleich­zei­tig Blog­ger wäre, und lie­fe­re mir die Ant­wort gleich selbst: „Ver­mut­lich nicht“. Statt sich also auf den kon­kre­ten Vor­gang zu kon­zen­trie­ren, wird mal wie­der das übel rie­chen­de Fass „wir Blog­ger gegen die Nichts­bli­cker bei den Tot­holz­me­di­en“ auf­ge­macht und es grenzt an ein Wun­der, dass sich die „#fail„s bei Twit­ter bis­her in Gren­zen hal­ten.

Der Ver­le­ger von „Stro­bo“ klingt da im Gespräch mit Spree­blick wesent­lich ent­spann­ter. Der glei­che Ver­le­ger übri­gens, der mun­ter erzählt, wann Vater Hege­mann das Buch für sei­ne Toch­ter gekauft hat:

Wäh­rend Hege­mann sagt, dass sie das Buch nicht ken­ne, kann der Ver­lag SuKuL­Tur einen Beleg vor­wei­sen, aus dem her­vor­geht, dass Carl Hege­mann den Roman Airens am 28. August 2009 über Ama­zon Mar­ket­place bestellt und an sei­ne Toch­ter Hele­ne hat lie­fern las­sen.

[via otterstedt.de]

Wenn’s um die gute eige­ne Sache geht, ist das mit dem Daten­schutz – sonst die Domä­ne der Netz­ge­mein­de – offen­bar auch nicht mehr ganz so wich­tig.

Die Über­schrift die­ses Ein­trags, übri­gens, die stammt von Vir­gi­nia Jetzt!