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Musik

Mixtape 9/24

Anderthalb Jahre lang, über 36 Ausgaben, haben wir bei Spotify unsere kleine Musiksendung veröffentlicht, die genauso hieß wie dieses Blog hier: Coffee And TV. Dann hat der böse, ausbeuterische Tech-Konzern die Möglichkeit abgeschafft, eine solche … nun ja: Radiosendung im Internet zu produzieren.

Ich habe ein bisschen gebraucht, um zu überlegen, wie wir weitermachen, denn es gehört ja zu meinen tiefsten Überzeugungen, dass Schönheit geteilt gehört — und Ihr sollte ja weiter hören können, was ich gerade so höre. Die nächstgelegene Idee ist natürlich eine Playlist — vorerst erstmal weiter bei Spotify, weil der Absprung von so einem Streamingdienst ungefähr so kompliziert ist wie ein Umzug mit drei Kindern und fünf Haustieren ins Ausland, aber auch bei Tidal, wo ich gerade ein Probe-Abo abgeschlossen habe, und die Musik wirklich hundert Mal besser klingt (außerdem kriegen die Künstler*innen mehr Geld).

Und weil eine Befragung auf Instagram ergab, dass Ihr gerne nicht nur Songs hintereinander hören, sondern auch Informationen und Meinungen dazu lesen wollt, habe ich jetzt ca. zwei Arbeitstage damit zugebracht, diesen Blog-Eintrag hier zusammenzubauen. (Wenn Ihr meine Arbeit finanziell unterstützen wollt, könnt Ihr meinen Newsletter abonnieren und dafür Geld bezahlen!)

Also dann: Herzlich willkommen zum ersten CTV-Mixtape!

Manic Street Preachers – Decline & Fall

Ich bin jetzt seit fast 25 Jahren Fan der Manic Street Preachers; sie haben mich durch die Oberstufenzeit begleitet und politisiert. Ihr letztes richtig gutes Album ist jetzt auch schon vierzehn Jahre alt — und dann ballern die plötzlich so eine Single raus: eine Piano-Hook wie bei ABBA, Gitarren wie bei Guns ‘n’ Roses und eine Gesangsmelodie, die ungefähr so eingängig ist wie ein gelungenerer Schlager.

Der Text handelt davon, im Angesicht einer verfallenden Welt die kleinen Wunder zu feiern — vielleicht ein bisschen fatalistisch für eine Band, die die meiste Zeit ihrer Karriere die sozialistische Weltrevolution anzetteln wollte, aber in Zeiten, in denen sich so viele immer radikaler äußern, ist es auch auf eine Art radikal, das Gegenteil zu tun. Und wenn es darum geht, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen, bin ich natürlich dabei! Der beste Song einer Band „von früher“ seit Jahren!

Ider – You Don’t Know How To Drive

Wir waren bei Coffee And TV schon große Fans von Ider, bevor das britische Elektropop-Duo überhaupt 2019 sein Debütalbum „Emotional Education“ veröffentlicht hatte. Der Bildspender für den Titel dieser Single ist die männliche Unfähigkeit, sich im Straßenverkehr zu orientieren, aber immer gute Ratschläge zu geben — und das ist nur die erste Strophe, denn die burns werden danach noch viel, viel gemeiner.

„I wanna throw your shit in the middle of the street / Really make a big scene and burn your red SG / Delete the files of your solo EP, yeah no ones gonna hear it now“, singen Megan Markwick und Lily Somerville im Refrain und vielleicht muss man ein paar Musiker im Bekanntenkreis haben, um die Tiefe und Schärfe dieser Zeilen voll würdigen zu können, aber lasst es mich so sagen: Das hier ist die nukleare Option — aber sehr, sehr lustig!

Ider haben gerade ihr drittes Album „Late To The World“ angekündigt, das am 21. Februar 2025 erscheinen soll. Ende März spielen sie in Hamburg, Berlin und Köln.

Christian Lee Hutson – After Hours

Seit dem Release Anfang Juli liege ich meiner gesamten peer group in den Ohren, dass sie sich bitte, unbedingt, keine Zeit zu Warten, diesen Song anhören sollen. Nein: müssen!

„After Hours“ klingt, als würde ich es seit 25 Jahren kennen, aber ich kann nicht genau sagen, an was mich Stimme und Musik erinnern: Nick Drake? Nein. The Weakerthans? Auch nicht. Vor allem war Christian Lee Hutson vor 25 Jahren gerade acht und hat (hoffentlich, denn das Wort „fuck“ kommt auch drin vor) noch nicht solche Songs geschrieben. Refrains gibt’s keine, dafür Strophen, die sich frei assoziativ von Spätis im Himmel über die Schauspielerin Catherine O’Hara bis zur Feststellung „The good stuff is behind a paywall“. Das Album „Paradise Pop. 10“ erscheint am 27. September und ich bin sehr gespannt!

Anna Erhard – Not Rick

Stellt Euch einen jungen, weiblichen Werner Herzog vor, der einen cleveren, aber nicht zu cleveren Text rezitiert, in dem es unter anderem um den legendären Musikproduzenten Rick Rubin geht, während im Hintergrund die Band Cake ein Mashup von Becks besten Songs, die nicht „Loser“ heißen, spielt. Okay, ich bin nicht hilfreich.

Ihr müsst mir einfach glauben, dass dieser Song von Anna Erhard, die in der Schweiz aufgewachsen ist und jetzt in Berlin lebt, einige der besten Indierock-Trends der letzten vier Jahrzehnte enthält. Oder besser: es hören!

Pete Yorn – Real Good Love

Pete Yorn war der Soundtrack der letzten Monate vor meinem Abi — und zwar gleich doppelt: zum einen war er in den Jahren 2000 bis 2002 auf gefühlt jedem zweiten Soundtrack-Album von „Dawson‘s Creek“ bis „Spider-Man“ dabei (so versuchten Major-Labels damals, ihre Acts groß zu machen), zum anderen war sein Debüt-Album „Musicforthemorningafter“ damals ein treuer Begleiter.

Es wurde keine enge, dauerhafte Beziehung (sein gemeinsames Album mit Scarlett Johansson hab ich bis heute nie gehört), aber wenn er neue Musik veröffentlicht, höre ich immer wieder gerne rein. (Und im Gegensatz zu Ryan Adams, dem anderen großen liebestrunkenen Troubadour jener Tage, hat er sich, soweit ich weiß, nichts zu Schulden kommen lassen.) Sein neues Album „The Hard Way“ ist kein Meisterwerk, über das man in zehn Jahren noch begeistert sprechen wird, aber es kann die Zeit zwischen „Nicht mehr Sommer“ und „Noch nicht Herbst“ untermalen wie eine akustische Übergangsjacke. Und so eine solide Freundschaft ist doch auch viel wert!

PRONOUN – In The Still

Vielleicht gar nicht so doof, das eigene Musikprojekt nach der vielleicht polarisierendsten Wortgattung aller Zeiten zu benennen. Alyse Vellturo beschreibt sich selbst als „Brooklyn-based indie label manager by day, bedroom artist by night“ und „In The Still“ ist mein Erstkontakt mit ihrem Schaffen.

Wenn Jimmy Eat World und The Pains Of Being Pure At Heart eine gemeinsame Tochter hätten und die dann mit ihren Freundinnen von britischen 80er-Jahre-Bands (und zwar nicht Pet Shop Boys oder Wham!, sondern The Cure und New Order) inspirierte Musik machen würde, dann könnte das Ergebnis so klingen.

Japandroids – Chicago

Für alle, die immer schon Bruce Springsteen und Hüsker Dü geliebt haben, gibt es das kanadische Duo Japandroids. Ihr zweites Album „Celebration Rock“ aus dem Jahr 2012 ist eines der am passendsten betitelten Alben aller Zeiten und bevor ich für „Lucky & Fred“ oder meine kleine ESC-Show auf die Bühne gegangen bin, hab ich immer ihren Songs „Fire’s Highway“ gehört, um angemessen pumped für einen Abend vor Live-Publikum zu sein.

Nach sieben Jahren Pause haben sie im Juli für Oktober ihr viertes Album „Fate & Alcohol“ angekündigt, das gleichzeitig ihr letztes sein soll. Wenn man sich bei einer Band keine Sorgen machen muss, dass sie mit einem Knall gehen werden, dann bei Japandroids. Sorry, baby, we call it like we see it in Chicago!

Suzan Köcher’s Suprafon – Living In A Bad Place

Bringen wir‘s kurz hinter uns: Ja, das ist die Band, während deren Auftritt der Attentäter auf dem Solinger Stadtfest seine furchtbare Tat beging. Das war natürlich ein grausamer Zufall und die denkbar beschissenste Art, um Gegenstand nationaler Berichterstattung zu werden, von daher freut es mich sehr, dass die Vier schon eine Woche später die Kraft hatten, wieder auf einer Bühne zu stehen und zu bestehen.

„Living In A Bad Place“ ist ein groovender Americana-Stampfer, der an die späten Cardigans oder Brandi Carlisle erinnert, aber gleichzeitig auch eindeutig Suzan Köcher’s Suprafon ist (wie schon in Sendung Nr. 35 zu hören). Im Oktober erscheint das Album „In These Dying Times“ und das mag jetzt zynisch klingen, aber: Wenn diese ganze Scheiße dazu führt, dass jetzt ein paar mehr Menschen eine gute Band kennen und hören, ist das allemal besser, als wenn deswegen Grenzen geschlossen und Menschenrechte geschliffen werden. (Das war jetzt politisch. Blame the Manic Street Preachers!)

The Killers – Bright Lights

Wenn ich alle Fakten zusammentrage, sind The Killers vermutlich meine Lieblingsband unter all jenen, die noch aktiv sind. Ich denk da nur auch nicht immer dran.

Und dann kam Anfang August eine neue Single raus und ich hab sie mir extra aufgehoben, um sie abends, bei Sonnenuntergang auf unserem Campingplatz, zum ersten Mal zu hören. Es ist natürlich kein „Mr. Brightside“ oder „When You Were Young“, es ist nichtmal ein „Caution“ (obwohl es erstaunlich danach klingt). Es ist nur ein Lebenszeichen einer Band, die es auch nach 20 Jahren noch schafft, mir mit jedem neuen Album eine kleine Freude zu bereiten — und das ist doch auch viel wert!

Bess Atwell – Where I Left Us

Ich merke, dass ich immer weniger Alben höre — gerade, weil ich so ungern Alben anmache, wenn ich weiß, dass ich sie nicht komplett hören kann. Wenn ich 20 bis 30 Minuten brauche, bis das Abendessen fertig ist, reicht das nicht — gerade, wenn ich erstmal zehn Minuten brauche, um überhaupt Musik auszusuchen, während das Nudelwasser schon kocht. Deshalb habe ich Bess Atwells drittes Album „Light Sleeper“ auch noch nicht gehört (auch nicht die zwei davor), obwohl es von Aaron Dessner von The National produziert wurde, der seit Taylor Swifts „Folklore“ ja der Mann ist, der melancholisch-schwelgende Popsongs junger Frauen den letzten Grobschliff gibt.

„Where I Left Us“ ist da aber auch gar nicht drauf, sondern Teil neuen Materials, das die Engländerin aktuell veröffentlicht. Wenn all ihre Songs so eine herbstliche Kuscheldecken-Fluffigkeit haben, muss ich aber wirklich mal in ihre Alben reinhören!

The Deadnotes – Reservoir

Ich vertraue meinen Buddies vom Grand Hotel van Cleef ja erstmal blind — ein Vertrauen, das sie sich vor zwei Jahrzehnten mit kettcar, Tomte, Marr und Death Cab For Cutie eher leichtfüßig erarbeitet haben (war natürlich trotzdem eine Menge Energie und Geld, die in solche Releases gegangen ist), das durch gemeinsame Kilians-Zeiten noch enger wurde und das sie in den letzten Jahren mit Veröffentlichungen von Pale, Mariyaka, Fjørt und Arxx weiter gestützt haben.

Wenn meine Buddies also eine Band signen, die schon zwei Alben in Eigenregie veröffentlicht hat, dann höre ich mir das natürlich aufmerksam an: „Reservoir“ ist ein Hauch The Killers, Nightmare Of You und Hellogoodbye, also Rockmusik mit Synthesizern — und das Grand Hotel van Cleef hat mal wieder recht gehabt.

Alex The Astronaut – Cold Pizza

„I Think You’re Great“ von Alex The Astronaut war einer der ersten Songs, die ich gehört habe, nachdem im März 2020 der erste Covid-Lockdown ausgerufen worden war — und es sollte mein Song eines sehr, sehr speziellen Jahres werden.

Ich weiß nicht viel über Alex The Astronaut und habe auch nicht viele ihrer anderen Songs gehört. Aber wenn man einen Song nach dem besten Essen der Welt benennt, kann das alles schon mal nicht so falsch sein — und tatsächlich ist „Cold Pizza“ ein charmanter kleiner Indierock-Schunkler.

Clipping – Run It

Daveed Diggs kennt Ihr alle als Marquis de Lafayette und Thomas Jefferson aus „Hamilton“ (Ihr kennt „Hamilton“ nicht? Oh. Ändert das! Sofort!) Er ist aber auch Mitglied der experimentellen Hip-Hop-Band Clipping, über die ich nicht viel mehr weiß, als dass Daveed Diggs dort Mitglied ist und sie eine zeitlang mal für das Haldern Pop Festival 2023 angekündigt waren, bis sie wieder aus dem Line-Up verschwanden.

Jetzt habe ich zum ersten Mal einen Song von Clipping gehört und ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich mich inzwischen wieder vollständig davon erholt habe, aber „Run It“ ist schon ein beeindruckender Track, der ein bisschen klingt, als wäre man mit dem Geräusch im Kopf aufgewacht, das ein 56k-Modem beim Einwählen macht.

Joy Oladokun – I’ Miss The Birds

Wenn ich noch so was küren würde wie ein Album des Jahres, wäre es letztes Jahr „Proof Of Life“ von Joy Oladokun gewesen, wie ich in unserer 2023-Sendung schon erzählt habe. Seitdem hat sie in regelmäßigen Abständen neue Songs veröffentlicht, die allesamt wunderbar sind.

In „I’d Miss The Birds“ singt sie davon, dass sie Nashville, die Hauptstadt der amerikanischen Musikindustrie, verlassen und aufs Land ziehen will. Zwar würde sie die Vögel vermissen, für die die Stadt auch berühmt ist, aber selbst die Vögel wüssten ja, wann es Zeit ist zu gehen.

„I’d Miss The Birds“ wird auf „Observations From A Crowded Room“ enthalten sein, Joy Oladokuns fünftem Album, das sie selbst produziert hat und das am 18. Oktober erscheinen soll.

New Radicals – Lost Stars

„You Get What You Give“ von New Radicals ist ein Song, der mein Leben in ein „Davor“ und „Danach“ teilt. Zum ersten Mal seit meiner eher kindlichen Die-Prinzen-Phase war ich Fan einer Band — die sich wenige Wochen, nachdem ich ihr Album gekauft hatte, auflöste. Ihr Sänger Gregg Alexander hat seitdem zahlreiche Hits für andere Acts geschrieben (die ich, inkl. Demos, alle auf meiner Festplatte habe), aber die Band tauchte erst zur Amtseinführung von Joe Biden ganz überraschend wieder in der Öffentlichkeit auf. 

Jetzt gibt es zum ersten Mal seit 25 Jahren neue Songs — wobei „neu“ dabei ein bisschen umgedeutet werden muss, denn es handelt sich um die eigenen New-Radicals-Versionen von „Murder On The Dancefloor“ (bekannt geworden durch Sophie Ellis-Bextor) und „Lost Stars“ (aus dem Film „Begin Again“). Gregg Alexander hat in einem offenen Brief an Kamala Harris’ Ehemann Doug Emhoff, der offenbar ein ebenso großer Fan der Band ist wie ich, erklärt, dass es sich nicht um ein „Comeback“ handle, sondern um einen Versuch, die Demokraten im Wahlkampf zu unterstützen. Das verleiht diesen vielleicht etwas obskuren Songs eine Aura von gesellschaftlicher Bedeutung und Hoffnung und macht mich noch glücklicher, sie hören zu dürfen. Ich habe sogar zum ersten Mal seit neun Jahren einen Song im iTunes Store gekauft!

Briskeby – The First Time

Weiter geht’s mit „Opa erzählt vom Frieden“! Briskeby waren die erste Vorband, die ich jemals bei einem Konzert gesehen habe: Im Herbst 2000 im Vorprogramm von a-ha in der Arena Oberhausen und ich war sofort schwer verknallt in ihre Sängerin Lise Karlsnes. Der Zufall will es, dass ich ein paar Monate später meine allererste Musikrezension jemals für plattentests.de über „Jeans For Onassis“, das Debütalbum der Band, geschrieben habe — das Album hatte also immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen und ich habe meinen Text nur deshalb verlinkt, denn es ist grauenhaftes Gewäsch von einem Teenager, der noch weit davon entfernt war, seine Stimme gefunden zu haben, nicht besser gemacht von einer Redaktion, die auf knackige Überschriften und Oneliner aus war, und können wir bitte überhaupt ganz grundsätzlich mal aufhören, Kunst irgendwie auf einer Skala („5/10“) quantifizieren zu wollen?!

Briskeby, jedenfalls, haben danach weiter Musik gemacht, die komplett an mir vorbeiging: Ihr letztes Album ist aus dem Jahr 2005, was fast 20 Jahre her ist, die letzte Single von 2015. Und jetzt sind sie wieder da, mit einem Song, der „Like The First Time“ heißt und auch so klingt: Es ist exakt der gleiche groovende, leicht angerockte skandinavische Elektropop zwischen Cardigans und Annie — und was ist so falsch daran?! Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich zwar immer noch Wert darauf lege, Chappell Roan, Charli XCX und Sabrina Carpenter grob zu kennen (und: Mein Gott, ist „Espresso“ ein Meisterwerk!), aber ich überlasse ihre Musik gerne den jungen Leuten, denn die haben ja sonst – Hashtag Klimakrise, Hashtag Rentenkasse, Hashtag Austeritätspolitik – sonst gar nichts.

Bon Iver – Speyside

Und plötzlich war da noch ein neuer Song von Bon Iver: Nur Justin Vernon und seine Gitarre, wie damals in der legendären Waldhütte, als er „For Emma, Forever Ago“ aufnahm (was auch schon wieder ewig her ist). Die ganzen Elektrospielereien der letzten Alben: verschwunden; das Duett mit Taylor Swift: woanders (aber tief in unseren Herzen); die einzige weitere Zutat nur die Bratsche von Rob Moose, die dem ganzen den Anstrich von weiter, amerikanischer Landschaft verleiht.

Am 18. Oktober wird „Sable“, eine EP mit „Speyside“ und zwei weiteren Songs erscheinen. Dann wissen wir, ob Bon Iver full circle gegangen sind. Solange reicht aber auch die Schönheit dieses Songs.

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25 Jahre „Hallo Endorphin“

Dieser Eintrag ist Teil 9 von bisher 9 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschienen jede Menge Alben, die für unsere Autor*innen prägend waren. Zu ihrem 25. Jubiläum wollen wir sie der Reihe nach vorstellen.

...But Alive - Hallo Endorphin (abfotografiert von Lukas Heinser)

Dafür, dass ich in den 1990er Jahren in einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen bin, fehlt ein wichtiges, eigentlich natürliches, Puzzleteil in meiner Popkultur-Sozialisation: Deutschpunk. Zwischen der ZDF-Hitparaden-Welt meiner Großeltern und dem WDR-2-Pop-Internationalismus meiner Eltern (plus BAP und Grönemeyer) war kein Platz vorgesehen für Fehlfarben, EA 80 oder Wohlstandskinder und auch nicht für WIZO, Dackelblut oder Die Goldenen Zitronen. Natürlich fanden Die Toten Hosen und Die Ärzte im Musikfernsehen und im Radio statt, aber beide Bands haben mich bis heute nie interessieren können (um das mal diplomatisch auszudrücken). Ich meine: Ich lebe seit 20 Jahren in Bochum und hab diesen Sommer zum ersten Mal Die Kassierer live gesehen!

Insofern waren mir auch …But Alive kein Begriff, als im Spätsommer/Herbst 2002 plötzlich alle über kettcar sprachen. Deren Sänger, so lernte ich, hieß Marcus Wiebusch und hatte zuvor bei eben jenen …But Alive und bei Rantanplan gesungen. Und weil kettcar für mich mit „Du und wieviel von Deinen Freunden“ ein Tor in eine neue Welt aufgestoßen hatten (die zu einer jahrzehntelangen Freundschaft zu ihnen, Thees Uhlmann und ihrem Label Grand Hotel van Cleef führen sollte), es aber noch nicht mehr als dieses Debütalbum gab, brauchte ich ein Jahr später Methadon.

„Hallo Endorphin“ war das vierte und letzte Album von …But Alive gewesen und in gewisser Weise das Bindeglied zu kettcar: Musikalisch und textlich schon recht weit von dem eher klassischen Punkrock entfernt, mit dem die Band angefangen hatte. Zwar ging es in manchen Texten immer noch gegen alles, vor allem gegen gleichaltrige Spießer, Pop-Akademiker und Lifestyle-Linke, aber anderes war weniger konkret ausformuliert. Themen wie Selbstermächtigung schauten genauso vorbei wie Trennungen. Über „Entlassen (Vor der Winterpause)“ und „Erinnert sich jemand an Kalle ‘del Haye“, in denen Marcus Fußball als Bildspender für eine gescheiterte Beziehung und entfremdete Freundschaften habe ich ein paar Jahre später in meinem Germanistik-Studium eine ganze Hausarbeit geschrieben.

Hatte das kettcar-Debüt meinen Stehsatz für Liedzitate, die ich im Alltag und in eigenen Texten unterbringen konnte, eigentlich schon bis unter das Dach gefüllt, erwies sich „Hallo Endorphin“ (allein der Albumtitel!) als weiterer Steinbruch für Referenzen. Schon der Song „Beste Waffe“ hat mich auf Jahre mit Formulierungen für Internetforen und ähnliche Orte versorgt: „Und da steht Thomas Helmer — oh nee, doch nicht, sah nur so aus“, „Klar kannst Du Dich mal melden, halt nur nicht bei mir“, „Musikgeschmack wird überbewertet“.

Weil ich mir die …But Alive-Diskografie umgekehrt chronologisch erschlossen habe, blieb „Hallo Endorphin“ immer das Album dazwischen: Der Drumcomputer-Anfang von „Vergiss den Quatsch“ nimmt „Deiche“ vorweg, ein kurzes Gitarrensolo in „Friedlich“ und eine Keyboard-Melodie in „Entlassen (Vor der Winterpause)“ täuschen schon mal die spätere „Landungsbrücken raus“-Hook an. Den Sprechgesang würde Marcus erst auf den späteren kettcar-Alben wieder auspacken, dafür bekommt man bei „Selbstmitleid sells“ noch mal Uptempo-Punkrock und bei „Weniger als 5 Sekunden“ etwas, was man eigentlich nur als Nu-Metal-Energie beschreiben kann — was ja 1999 noch nicht so lachhaft war wie zwei, drei Jahre später.

Wenn ich recht überlege, knallten kettcar und Tomte in ein sehr kurzes Zeitfenster, in dem ich mich überhaupt für deutschsprachige Musik interessieren und erwärmen konnte: Was mit Tom Liwas „St. Amour“ und ein bisschen Nachhol-Programm von Tocotronic und Die Sterne im Jahr 2000 begann, endete eigentlich schon wieder 2005 mit dem zweiten Wir-Sind-Helden-Album. Dass es Marcus Wiebusch mit kettcar geschafft hat, auch 2024 mit „Gute Laune ungerecht verteilt“ ein Album zu veröffentlichen, das zu meinen Highlights des Jahres zählt, und sich die Band seit 2017 eigentlich permanent selbst übertrifft, kann ich ihnen also gar nicht hoch genug anrechnen. Neun und zehn und raus!

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…But Alive – Hallo Endorphin
(B.A. Records/Indigo, 20. September 1999)
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Musik Leben

25 Jahre „Reload“

Dieser Eintrag ist Teil 8 von bisher 9 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschienen jede Menge Alben, die für unsere Autor*innen prägend waren. Zu ihrem 25. Jubiläum wollen wir sie der Reihe nach vorstellen.

Tom Jones - Reload (abfotografiert von Lukas Heinser)

Zum ersten Mal von Tom Jones gehört habe ich, wie vermutlich die meisten Menschen meiner Generation, in „Mars Attacks!“, dem übersehenen Meisterwerk von Tim Burton. In dem Film greifen Marsianer die Erde an und sie tun das unter anderem in Las Vegas, während Tom Jones auf der Bühne eines Casino-Hotels steht und – natürlich – „It’s Not Unusual“ singt. Jones spielt sich selbst, er wird im weiteren Verlauf des Films mit Annette Bening und Janice Rivera zu den Tahoe-Höhlen fliehen und, nachdem die Marsianer besiegt sind und ein Falke auf seinem Arm gelandet ist, erneut „It’s Not Unusual“ anstimmen. Eines der Top-10-Enden der Filmgeschichte. (Falls Ihr „Mars Attacks!“ noch nie gesehen habt: Es ist, seit ich mit 13 im Kino war, einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Auch mehr als 25 Jahre später muss ich immer noch sagen: 10/10, ein Meisterwerk für alle Zeiten. Guckt ihn Euch an!)

Für meine Eltern und ihre Generation war Tom Jones damals im Wesentlichen eine etwas abgehalfterte Witzfigur, nicht unähnlich den ehemaligen Schlagerstars, die bei Baumartkeröffnungen sangen. Es waren die zynischen 1990er und die Qualitäten, die es braucht, um Las Vegas residencies und Baumartkeröffnungen zu bestehen, wurden allenfalls von Götz Alsmann gewürdigt. Da konnte auch sein Mini-Comeback von 1994 nichts dran ändern, als er gemeinsam mit The Art Of Noise „Kiss“ von Prince coverte und mit seiner Version für nicht wenige Kritiker das Original übertraf.

Womöglich war es eine Mischung aus 1990er-„Ironie“ und Teenager-Trotz, aber irgendwie fand ich Tom Jones cool. Entsprechend überrascht war ich, als ich im Herbst 1999 in einem Elektronikmarkt ein neues Album von ihm sah, gemeinsam mit Gaststars wie The Cardigans, Robbie Williams, Natalie Imbruglia und Simply Red, die mir natürlich etwas sagten. Irgendwie muss ich auch erkannt haben, dass es sich um jede Menge Coverversionen und Neueinspielungen handelte, denn ich war enttäuscht, dass „It’s Not Unusual“ nicht dabei war, und so habe ich die CD zu diesem Zeitpunkt nicht gekauft.

Doch dann kam der Auftritt bei „Wetten, dass ..?“: Nina Persson und die Jungs hatten sich trotz aller eigenen Charterfolge vermutlich nie vorgestellt, einmal in dieser seltsamen deutschen Fernsehsendung, von der sich internationale Stars in first class lounges, Festival-Backstage-Bereichen und bei Preisverleihung fassungslos erzählen, vor einem sprechenden Bühnenbild (ja, in der Tat: ein brennendes Haus) einen Auftritt mit dem „Tiger“ zu absolvieren, bei dem sie so tun, als würden sie gerade ihre Version von „Burning Down The House“ live performen. Ich kannte das Original von den Talking Heads nicht (und war, als ich es dann endlich irgendwann mal hörte, nicht sonderlich beeindruckt), aber dieser Auftritt ließ mich direkt am darauffolgenden Montag zu R&K in Dinslaken fahren und „Reload“ doch noch kaufen.

Das Album war für mich der Erstkontakt mit Acts wie The Divine Comedy, Barenaked Ladies, Portishead, Catatonia und Stereophonics und die erste CD in meiner Sammlung, auf der The Cardigans und James Dean Bradfield von den Manic Streets Preachers zu hören waren — Acts, bei denen ich, wie auch bei Robbie Williams, in der Folge einen gewissen Hang zum Komplettismus entwickeln sollte. Es machte mich nicht nur mit „Burning Down The House“ bekannt, sondern auch mit Songs wie „All Mine“ (Portishead), „Never Tear Us Apart“ (INXS) und wahrscheinlich auch „Lust For Life“ (Iggy Pop). Kurzum: Es war ein Crashkurs in Sachen Popkultur der vorangegangenen Jahrzehnte und der Gegenwart.

„Are You Gonna Go My Way“ (Lenny Kravitz) mit Robbie Williams wirkte nicht nur wegen des Titels wie die Übergabe eines Staffelstabs. „Sometimes We Cry“ von und mit Van Morrison, der als Einziger einen seiner eigenen Songs sang, rührt mich bis heute. James Dean Bradfield von den Manic Streets Preachers liefert bei „I’m Left, You’re Right, She’s Gone“ (Elvis Presley) eine der besten Gesangsleistungen seiner Karriere ab (Tom Jones schreibt, wenn ich das richtig erinnere, in seiner Autobiographie, dass er Angst hatte, ein Duett mit einem so begnadeten Sänger zu singen, und ganz ehrlich: Wenn Ihr keine Gänsehaut bekommt, wenn JDBs Stimme zum ersten Mal in den Song reingrätscht, kann ich Euch auch nicht helfen!). Selbst die Ideen, die auf dem Papier schlecht wirken, funktionieren im (hoffentlich weit aufgedrehten) Lautsprecher: Sollte man Iggy Pops „Lust For Life“ covern? Nein. Außer, wenn Chrissie Hynde von The Pretenders und Tom Jones singen. Dann unbedingt.

Dass ein Album mit 17 Tracks so seine Längen hat, lässt sich schwer vermeiden: „Ain’t That A Lot Of Love“ mit fucking Simply Red? „She Drives Me Crazy“ mit Zucchero? Ist doch schön, wenn Tom Jones so viele angesagte Acts zum Mitwirken bewegen konnte!

Der große Hit, der zu einem späten signature song werden sollte, war indes ein anderer: „Sex Bomb“, die einzige Neukomposition des Albums, aus der Feder des Hannoveraner Musikproduzenten Mousse T., der mit seinem Debüt-Hit „Horny ’98“ bereits gezeigt hatte, dass er stumpfes Rumpf-Gemumpf extrem cool und clubtauglich klingen lassen konnte. Heute würde man anders darüber denken, wenn ein 59-jähriger Mann mit gefärbtem Haupthaar einer mutmaßlich sehr viel jüngeren Frau den Refrain „Sexbomb, sexbomb you’re a sexbomb / You can give it to me, when I need to come along / Sexbomb, sexbomb you’re my sexbomb / And baby you can turn me on“ angedeihen lassen wollte, aber man muss Popkultur immer aus ihrem Zeitgeist lesen, wenn man sie irgendwie verstehen will, und der Zeitgeist der ausgehenden 1990er Jahre war eben so, dass ich ihn auf einer Website, die auch Minderjährige besuchen können, schlecht ausformulieren kann.

Einmal angefixt, tauchte ich natürlich in das Gesamtwerk des walisischen Tigers ein — und, meine Güte, waren da Hits, Hits, Hits! Gut: Die Mörderballade „Delilah“ wurde in den letzten Jahren von Sportveranstaltungen verbannt und auch die Sujets manch anderer Songs sind schlecht gealtert, aber diese Stimme, die immer über irgendwelchen State-of-the-art-Arrangements schwebte, lässt zumindest mich einen Tacken mehr durchgehen lassen als es bei anderen Acts der Fall wäre.

Tom Jones war – nach den Prinzen 1994 – tatsächlich das zweite große Popkonzert, das ich in meinem Leben besuchte (im Mai 2000 mit meinen Eltern und meinem Bruder in der Arena Oberhausen; das Konzertplakat, das mein Vater auf dem Heimweg von einem Maschendrahtzaun abmontierte, könnte immer noch im Keller meiner Eltern stehen) und auch wenn natürlich keiner der „Reload“-Gäste dabei war, war es ein Erlebnis. Jones legte in der weiteren Folge einen beeindruckenden dritten (oder vierten oder fünften) Karriere-Akt hin, indem er aufhörte, seine Haare zu färben, und begann, Folk- und Americana-Alben aufzunehmen (ich habe im letzten Jahr zufällig festgestellt, dass er eine Version von „Charlie Darwin“ von The Low Anthem veröffentlicht hat!). Das hatte Folgen, denn als ich ihn zum zweiten Mal live sah, spielte er die meisten seiner Klassiker in kaum wiederzuerkennenden Arrangements. Das Publikum wirkte ein bisschen enttäuscht, aber mit damals schon 79 Jahren hatte er sich das Recht erarbeitet, seine Songs derart zu dylanisieren. Der überraschende Ort dieses überraschenden Auftritts: das Burgtheater Dinslaken.

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Tom Jones – Reload
(Gut/V2, 16. September 1999)
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Gesellschaft Digital Leben

Bitte werfen Sie eine Münze ein!

Zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft der Herren ging eine Schalte des britischen „Sky Sports“-Reporters Kaveh Solhekol viral, in der dieser ein gewisses Unverständnis über die Zustände im Spielort Gelsenkirchen zum Ausdruck brachte. Sky Sports nahm das Video recht schnell wieder offline, ich habe bis heute keine Kopie davon finden können, aber die Berichterstattung (inkl. backlash und zu erwartender trauriger Repliken lokaler Medien und Persönlichkeiten) war enorm. Neben der tristen Innenstadt hatte Solhekol auch bemängelt, dass man fast nirgendwo mit Karte (gemeint war: mit Kreditkarte) zahlen könne.

Nun war ich aus offensichtlichen Gründen lange nicht in Gelsenkirchener Gastronomien unterwegs, aber für die Nachbarstadt Bochum kann ich berichten: Hier kann man inzwischen fast in allen Cafés, Eisdielen, Bäckereien und Bratwurstbuden mit Kreditkarte zahlen, idealerweise per Apple Pay — Handy dranhalten, fertig! Es ist – neben der völligen Abwesenheit von Terminen – eine der wenigen guten Sachen, die uns die COVID-19-Pandemie gebracht hatte: Der Alltag ist inzwischen derart durch-digitalisiert, dass sich Bochum fast wie Schweden, England oder weite Teile der Niederlande anfühlt, was die Ankunft in der Gegenwart angeht. Man kann sogar Eintrittskarten für die Bochumer Freibäder vorab online kaufen (was wir erst erfahren haben, nachdem wir 20 Minuten in der Mittagssonne in einer Kassenschlange gestanden hatten, aber: nun gut)!

Kaveh Solhekol und die angereisten Fußball-Fans sollten sich glücklich schätzen, wenn sie nicht auf Gebieten mit der deutschen Interpretation des Konzepts „Digitalisierung“ in Kontakt gekommen sind, die über das Bezahlen von Essen und Getränken hinausgehen.

Ich fühle mich wie ein Fensterrentner, der mit einem Behördenschreiben in die Kamera des Fotografen der Lokalzeitung wedelt, aber die RTL-Verbrauchersendung „Wie bitte?!“ wurde vor 25 Jahren eingestellt, von daher müsst Ihr jetzt mit meinen länglichen, anekdotischen Empörungen leben:

Ende April wurden im Bochumer Stellwerk Kupferkabel geklaut. Um irgendwie zur Arbeit nach Köln zu kommen, nahm ich ein Taxi zum Essener Hauptbahnhof und schickte die Quittung über 65 Euro gut gelaunt an die Deutsche Bahn. Weil angeblich noch Unterlagen fehlten, bekam ich ein Anschreiben per Post, auf das ich auch nur per Post antworten konnte (die Unterlagen waren frei verfügbar im Internet einzusehen, ich habe sie also ausgedruckt und physisch verschickt), und vier Wochen später eine Ablehnung, weil angeblich weitere Unterlagen fehlten, nach denen die DB Dialog GmbH am Anfang gar nicht gefragt hatte. Ich habe also mit der Hotline telefoniert, wo die freundliche, aber auch etwas hilflose Mitarbeiterin und ich in rund zehn Minuten immerhin das Rätsel lösen konnten, was mit „Fehlende Angaben und Belege“ eigentlich gemeint sei (ich konnte die Angaben überraschend per Telefon übermitteln), und bekam dann gestern ein Schreiben der Bahn, dass die Bearbeitung meines Falls noch ein bisschen dauern könne. Die bezaubernden Begründungen: Hochwasser und eine „angespannte Betriebsqualität“, was natürlich einerseits perfekt zu einem Konzern passt, der einen regelmäßig mit Sprachneuschöpfungen wie „Verzögerungen im Betriebsablauf“ erfreut, andererseits kaum etwas anderes bedeuten kann als: „Für uns ist alle siebte oder achte Stunde, wir gehen komplett auf dem Zahnfleisch, die Einsparungen werden uns alle töten, bitte helfen Sie uns!“

Anderes Beispiel: Die Deutsche Post hatte zwei Briefe verloren/nicht zugestellt, in denen die Firma Congstar mir eine SIM-Karte zustellen wollte (das ist noch mal ein eigenes Thema für sich, einigen wir uns auf: die Adressierung war missverständlich). Man kann, wenn man ein bisschen danach sucht, bei der Post online eine sog. „Briefermittlung“ beauftragen und bekommt dann auch eine Bestätigung per E-Mail — alles fein. Bis ich dann – passenderweise am gleichen Tag wie den letzten Brief der Deutschen Bahn – zwei Briefe der Post im Briefkasten hatte. Darin, jeweils: Ein Schreiben mit der Bestätigung, dass ich eine Briefermittlung beauftragt hatte inkl. Entschuldigung und Bitte um Geduld, auf der Rückseite ein Vordruck, den ich nutzen könne, falls der vermisste Brief inzwischen angekommen sei — und ein Rückumschlag, mit dem ich den Vordruck dann postalisch zurück an die Deutsche Post schicken könnte.

Am Ende sind es vermutlich wieder die immer gleichen Gründe aus der Bürokratiehölle („Dokumentenechtheit“, „Datenschutz“, „Haben wir immer schon so gemacht“), aber es ist ja nicht nur die fehlende Digitalisierung, die mich hier verzweifeln lässt: Da wurden fünf Din-A-4-Blätter bedruckt, zwei kleine Rückantwort-Kuverts in größere Briefumschläge gesteckt und das alles wurde quer durch Deutschland transportiert. Am Ende vielleicht immer noch umweltschonender als ein AI-Chatbot, aber eben doch nicht wirklich ökologisch. Und während ich annehme, dass die Deutsche Post ihre eigenen Briefe kostenlos zustellt, zahlt die Bahn auf alle Fälle Porto — bzw. natürlich nicht die Bahn selbst, sondern wir alle, indem wir immer teurer werdende Bahntickets kaufen.

Wir schreiben das Jahr 2024, 95 Prozent der Deutschen nutzen das Internet „zumindest selten“, selbst bei den Personen über 70 sind es 80 Prozent. Das größte außeramerikanische Softwareunternehmen, die Nummer 3 der Welt, kommt aus Deutschland und es gibt sicherlich auch jede Menge Software-Firmen, die Lösungen anbieten, die für alle Beteiligten Vorteile bieten.

Ich kann es selbst kaum fassen, dass ich die folgenden Worte, die auch in einen FDP-Mitgliedsantrag passen könnten, schreibe, aber: Sobald man sich nur einen Schritt von gewinnorientierten Unternehmen entfernt, die in einem echten Wettbewerb am Markt bestehen müssen, muss in diesem Land immer noch (fast) alles ausgedruckt werden. (Keine Angst, ich werde natürlich nicht und auf gar keinen Fall in die FDP eintreten. Die stellt ihre Kompetenz im Bundesministerium für Digitales und Verkehr ja selbst am Besten unter Beweis.)

Und es ist ja nicht so, dass die Deutsche Bahn ein besonderes Herz für jene Leute zeigen würde, die sich ohne Smartphone durchs Leben bewegen: Die Bahncard gibt es zum Beispiel nur noch digital. Es sind diese mixed signals, die alles noch schlimmer machen.

Die gute Nachricht, natürlich: Immerhin lebe ich nicht in Gelsenkirchen.

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Musik

Die (vorerst) letzte Sendung: Bochum Total 2024, neue Musik von Fontaines D.C., Blush Always

Der verbrecherische Tech-Konzern Spotify nimmt uns die Möglichkeit, eine kleine Musiksendung für Euch zu machen, wieder weg. 

Wir wollen die letzte Ausgabe von Coffee And TV in dieser Form nutzen, um auf das Bochum Total 2024 zurückzublicken, Euch ein paar neu entdeckte Acts vorzustellen — und natürlich, um mit einem Knall zu gehen.

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Alle Songs:

  • The Sixsters – Same Kid
  • Trille – Ich mag Dich (und Du mich auch)
  • UMME BLOCK – 25 Hours
  • The Bottom Line – Over And Over
  • Stina Holmquist – I Do
  • Fontaines D.C. – Favourite
  • Blush Always – My Mum’s Birthday
  • Blur – Coffee & TV

Shownotes:

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Musik

Neue Musik von Disclosure, James Blake, Ezra Collective, Something Corporate

In Bochum ist der Sommer ausgebrochen. Deshalb geht Lukas auf die Suche nach dem Sommerhit des Jahres 2024 und macht Euch ein paar Vorschläge: Neue Songs von Disclosure, James Blake und Ezra Collective, dazu der erste neue Song von Something Corporate – eine von Lukas’ absoluten Lieblingsbands – seit Jahrzehnten und vieles mehr.

Die Sendung ist also gut gefüllt wie ein Glas Melonenbowle mit ganzen Früchten!

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Alle Songs:

  • Disclosure – She’s Gone, Dance On
  • The Boy From The South – Space Party
  • Suzan Köcher’s Suprafon – Seventeen
  • James Blake – Thrown Around
  • Ezra Collective feat. Yazmin Lacey – God Gave Me Feet For Dancing
  • Balu Brigada – So Cold
  • OneDa – Set It Off
  • Andrew McMahon In The Wilderness feat. Something Corporate – Death Grip

Alle Songs:

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Musik

Sounds Like Sugar Festival, neue Musik von Nada Surf, Eels

Am Samstag hat unsere Redaktion einen Betriebsausflug zum Sounds Like Sugar Festival in Herne gemacht. Von da bringt Lukas viel neue Musik mit, es gibt aber auch ein Wiederhören mit Bands wie Nada Surf und Eels, die ihn schon sein halbes Leben begleiten.

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Alle Songs:

    • Loki – The Girl With No Eyes
    • Maryaka – Part Of You
    • Zimmer90 – What Love Is
    • Philine Sonny feat. Miya Folick – Shame
    • Nada Surf – In Front Of Me Now
    • Aurora – To Be Alright
    • Eels – If I’m Gonna Go Anywhere
    • Jean Seizure – Don’t Tell Me I’m Going To Hell

Shownotes: 

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Musik

Lukas’ Lieblingslieder

Heute möchte Lukas einfach mal die Schönheit der Popkultur feiern. Deshalb spielt er nur Lieblingslieder. Welche genau, das wusste er während der Aufzeichnung auch noch nicht.

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Alle Songs:

  • Alex The Astronaut – I Think You’re Great
  • R.E.M. – Find The River
  • Carly Rae Jepsen – Call Me Maybe
  • Travis – Driftwood
  • Rae Morris – Do It
  • The Postal Service – Such Great Heights
  • Gordi – All The Light We Cannot See
  • The Killers – Mr. Brightside

Shownotes:

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Musik Leben

25 Jahre „The Man Who“

Dieser Eintrag ist Teil 7 von bisher 9 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschienen jede Menge Alben, die für unsere Autor*innen prägend waren. Zu ihrem 25. Jubiläum wollen wir sie der Reihe nach vorstellen.

Travis - The Man Who (abfotografiert von Lukas Heinser)

Ein allerletztes Mal habe ich die Single zuerst gehört. Denn das war ja früher so: Man kannte einen Song aus dem Radio (oder Musikfernsehen, um nicht ganz so alt zu erscheinen) und wenn man dann beschlossen hatte, vergleichsweise viel Geld in die CD zu investieren, fing das Album meist mit einem Song an, den man (noch) gar nicht kannte. Man wollte ja aber endlich den verkaufsfördernden Hit hören, dessentwegen man den Weg zum Plattenladen auf sich genommen hatte. Mit dem Fahrrad. An einem Samstagvormittag im Januar. In Dinslaken.

Ich weiß noch, wie ich auf der Couch im Wohnzimmer meiner Eltern lag (dem Dreisitzer an der Innenwand, nicht dem Zweisitzer an der Außenwand, in case you’re wondering) und Track 7 ausgewählt hatte: „Why Does It Always Rain On Me?“, diese überlebensgroße Charlie-Brown-Verliererhymne, die natürlich direkt zu einem 16-jährigen sprach, der sich irgendwie nie so ganz dazugehörig fühlte. Und danach dann das Album von vorne.

Travis waren einen Monat zuvor – sorry, wenn ich mich da wiederhole – Teil der „Rolling Stone Roadshow“ gewesen und mit Ben Folds Five und Gay Dad durch Deutschland getourt. (Ich weiß quasi nichts über Gay Dad. Ich habe, seit wir im Jahr 2005 die CD-Schränke bei CT das radio aufgeräumt haben, sogar ihr 1999er Album „Leisure Noise“ im Regal stehen, aber in all den Jahren nie gehört. Wenn man überlegt, welche Bedeutung Ben Folds Five und Travis in der Folge in meinem Leben einnehmen sollten, ist es eigentlich wahlweise ein Wunder oder eine Schande, dass Gay Dad als fünftes Rad am Wagen derart an den Rand gedrängt wurden. Ich verspreche Euch jetzt einfach mal, dass ich zum 25. Jahrestag des verhängnisvollen, nicht besuchten Konzerts in der Live Music Hall am 29. November zum ersten Mal bewusst Gay Dad hören und hier darüber schreiben werde!) „Why Does It Always Rain On Me?“ kannte ich von Viva 2, obwohl ich das damals gar nicht gucken konnte, und ich mochte die Mischung aus unverkennbarer Lebensenergie (der Rhythmus!) und Traurigkeit (alles andere).

Stellte sich raus: Mit seinem hüpfbaren Rhythmus war der Song noch der klare upper auf dem Album. Alle anderen Songs schleppten sich eher dahin, krochen oder taumelten. Selbst der einzige objektive Rocksong auf „The Man Who“, der hidden track „Blue Flashing Light“, dreht sich schwindlig auf der Stelle und handelt davon, dass jemand allein zuhause sitzt, während alle anderen feiern gehen. Wer weiß, wie ich das Album gefunden hätte, wenn ich es bei Veröffentlichung im Mai 1999 gehört hätte — in den grauen ersten Wochen des Jahres 2000 passte es jedenfalls perfekt zum Wetter und dem Millenniumskater, der sich über die Welt gelegt hatte: Die Zukunft hatte ganz eindeutig und ausweislich des Kalenders begonnen, aber alles war immer noch wie zuvor. Das Theodor-Heuss-Gymnasium in Dinslaken war kein Ort, an dem Optimismus und Zuversicht (oder auch nur irgendetwas anderes als genereller Weltschmerz) gedeihen und aufblühen konnten.

Ich hatte gerade im Januar (genauer: am 7., als ich mir bei einem Ausflug nach Essen den Soundtrack zu „Absolute Giganten“ gekauft hatte) begonnen, abends zum Einschlafen Musik auf meinem Discman zu hören. Nicht etwa ganze Alben, sondern drei Songs, sauber kuratiert. „The Man Who“ bot sehr viele dieser Songs. Noch heute kommt eine ganze Welle sehr spezifischer Emotionen hoch, wenn das Intro von „Driftwood“, die ersten Takte von „Turn“ oder das Gitarrensolo aus „As You Are“ erklingen. Es ist wieder Anfang 2000 und ich war vor ein paar Tagen mit meinem Papa und meinen Freunden in die Großstadt (Duisburg) gefahren, um im dortigen Arthouse-Kino „Ghost Dog“ von Jim Jarmusch oder „The Million Dollar Hotel“ von Wim Wenders zu sehen — Filme, die im Kern schon irgendwie lebensbejahend sind, aber in erster Linie schwelgerisch, melancholisch, langsam und rätselhaft. (Und falls sich jemand gefragt hat: Natürlich habe ich an meinem 17. Geburtstag um kurz nach Mitternacht „Why Does It Always Rain On Me?“ gehört, dessen titelgebende Frage ja weitergeht: „Is it because I lied when I was seventeen?“)

„Everyday I wake up alone because / I’m not like all the other boys“, singt Fran Healy zu Beginn von „As You Are“ und diese Zeile sollte mir in den kommenden Jahren so etwas wie Mantra und Trost werden, steter Begleiter beim Melodramatisch-unglücklich-verliebt-Sein, Die Leiden des jungen Heinsers. (Alter Vatter, was bin ich froh, dass diese Zeiten vorbei sind! Kinder, wenn Ihr glaubt, dass Euer Leben nur mit einem anderen Menschen an Eurer Seite „gut“ und „richtig“ werden kann: Sucht Euch Hilfe! Ihr werdet geliebt, Ihr seid liebenswert, aber die Existenz oder Nichtexistenz einer Zweierbeziehung ist in diesem Kontext eben genau: zweitrangig.)

Vielleicht wäre ich auch ohne „The Man Who“ auf die Idee gekommen, Musik zu machen, Schlagzeug in einer Band zu spielen, mir selbst Gitarre beizubringen und eigene Songs zu schreiben. Die hätten aber zumindest sehr anders geklungen, denn Travis waren, was traurig-antriebslose Songs in G-Dur betrifft, ein großer Einfluss. Weil ich wusste, dass die Bandmitglieder Joni Mitchell so sehr lieben, habe ich mit 18 angefangen, Joni Mitchell zu hören. Ich hatte sogar so einen faux hawk wie Fran Healy (oder wahlweise David Beckham)! Chris Martin hat mal gesagt, dass es ohne Travis kein Coldplay gegeben hätte, aber den vier Schotten jetzt die Schuld an der weiteren Entwicklung seiner Kapelle zu geben, wäre auch üble Nachrede.

Im Juni 2001 erschien der Nachfolger „The Invisible Band“, der heute eigentlich einen noch größeren Stellenwert bei mir hat. Als wir erstmal schnelles Internet hatten, habe ich alle, wirklich alle B-Seiten, die Travis jemals auf ihren Singles veröffentlicht hatten, zusammengesammelt und sicherlich öfter gehört als große Teile ihres Spätwerks. („Die B-Seiten britischer Gitarrenbands zwischen 1994 und 2002 sind besser als alles, was nach 2005 von der Insel kam“ ist ein immer noch nicht geschriebener, aber in regelmäßigen Abständen namhaften deutschen Publikationen angebotener Text von mir.) Ich habe Travis zwischen Sommer 2001 und Dezember 2016 sieben Mal live gesehen (einmal sogar tatsächlich am gleichen Abend wie Ben Folds) und ein paar Mal kurz gesprochen; im September könnte ein achtes Mal hinzukommen. Ihre letzten Alben haben mich gar nicht mehr interessiert, aber wenn einem eine Band mal so wichtig war, versucht man es ja doch immer wieder.

Und irgendeine besondere Beziehung muss es immer noch geben: Ich hätte diesen Text hier eigentlich gestern schon schreiben wollen, aber nicht die Zeit gefunden. Da hätte aber auch die Sonne geschienen. Heute passt hingegen alles: Der VfL Bochum ist so gut wie abgestiegen und es regnet. Weil ich mit 17 gelogen habe.

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Travis – The Man Who
(Independiente; 24. Mai 1999)
Apple Music
Spotify
Amazon Music

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Musik

Neue Musik von Travis, The Decemberists, Maro, Ider

Lukas blickt kurz zurück auf den 69. Eurovision Song Contest, wo schon wieder ein Song gewonnen hat, den wir in unserer ESC-Vorschau nicht gespielt hatten: „The Code“ von Nemo aus der Schweiz.

Dann gibt es neue Songs von Maro, The Decemberists, Amilli, Ider — und den ersten interessanten Travis-Song seit langer Zeit.

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Alle Songs:

  • Nemo – The Code
  • Maro feat. Nesaya – Lifeline
  • Blush Always feat. Brockhoff – Bigger Picture
  • The Decemberists feat. James Mercer – Burial Ground
  • Amilli – Four Days
  • Ider – Girl
  • Travis – Raze The Bar
  • Carpool – Can We Just Get High?

Shownotes:

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Musik Leben

25 Jahre „Play“

Dieser Eintrag ist Teil 6 von bisher 9 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschienen jede Menge Alben, die für unsere Autor*innen prägend waren. Zu ihrem 25. Jubiläum wollen wir sie der Reihe nach vorstellen.

Moby - Play (abfotografiert von Lukas Heinser)

Am Anfang waren die Songs. Ich weiß gar nicht, welche alle als Single ausgekoppelt wurden und wo ich sie vielleicht gehört habe — am Ende ist es auch egal, denn „Play“ ging ja auch deshalb in die Geschichtsbücher ein, weil es das erste komplett durchlizenzierte Album war: Jeder einzelne Track wurde für (mindestens) einen Werbespot, einen Film und/oder eine Serie verwendet. Im Radio und in Cafés laufen die Songs eh immer noch rauf und runter, als seien sie Teil des dortigen Sound-Designs. (Selbst als ich vergangene Woche dem Deutschlandfunk Kultur ein Interview zum ESC in Malmö gegeben habe, lief vor dem Gespräch irgendein Song aus diesem Album. Es zahlt ein bisschen auf meine hier aufgestellte Muzak-These ein, dass ich nicht sagen kann, welcher, aber ich bin mir absolut sicher, dass es einer von diesem Album war.)

Gekauft hab ich „Play“ von Moby auch erst etwa anderthalb Jahre nach dem Release — obwohl diese Songs damals schon allgegenwärtig schienen. Das Konzept, Musik zu „besitzen“ ist im Jahr 2024 ja nicht nur Nachgeborenen schwer zu vermitteln, sondern fast allen, aber es war eben unabdingbar, 30,99 D-Mark für diese CD zu bezahlen, sie im Rucksack auf dem Rücken mit dem Fahrrad vom R&K-Markt nach Hause zu fahren und dann ins DVD-Rom-Laufwerk des Computers zu schieben, um sie über die PC-Boxen abzuspielen. Opa erzählt vom Frieden.

Obwohl ich die vorherigen Hit-Singles von Moby schon aus „Hit-Clip“, von 1Live und von „Bravo Hits“ kannte, umwehte diese Musik etwas Erwachsenes, ja, regelrecht: Kosmopolitisches. So, dachte ich damals, klingt Dinslaken nicht. Der Big Beat von „Bodyrock“ und „Machete“, die Blues- bzw. Gospel-Samples von „Honey“ und „Run On“, die Kaffeehaus-Electronica von „7“ und „Down Slow“ — so etwas kannte man in der Kleinstadt nur aus dem Fernsehen. (Heute hat Dinslaken seine eigenen Hipster-Szenen und -Kneipen und diese Entwicklung ist durchaus zu begrüßen, bremst sie doch die Gentrifizierung in den Großstädten wenigstens minimal ab.)

Moby selbst war bekannt als der knuffige, ausgesucht freundliche, manchmal ein ganz kleines bisschen nervende Veganer mit der Glatze. Womöglich hätte man ahnen können, dass bei ihm nicht alles im Lot war und er mit psychischen Problemen, Alkohol und anderen Drogen kämpfte; „Play“ war ein eher melancholisches Party-Album, vor allem in der zweiten Hälfte. Und allein die Songtitel: „Why Does My Heart Feel So Bad?“, „Natural Blues“, „My Weakness“. Aber als schwermütiger 17-jähriger Individualist bezieht man das alles natürlich ausschließlich auf sich selbst und denkt nicht mal an den Künstler.

„Play“ war da schon lange ein unfassbarer weltweiter Erfolg und alle Labels, die das Album abgelehnt hatten, hatten sich vielleicht kurz geärgert. Moby, dessen Output bis dahin eher eklektisch gewesen war, hatte seine Nische gefunden und liefert seitdem verlässlich den Soundtrack zu Werbespots, Serien, Filmen und Leben.

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Moby – Play
(Mute/PIAS; 17. Mai 1999)
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Amazon Music

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Musik Fernsehen

Eurovision-Vorschau 2024

It’s the most wonderful time of the year: In Malmö findet der 68. Eurovision Song Contest statt und unser Team wagt eine kleine Vorschau. Selma Zoronjić und Lukas Heinser sprechen über ihre persönlichen Favoriten, die unterschiedlichsten Arten von Folklore und die besten Songs für Ü50-Parties.

Dann begrüßen sie special guest Thorsten Schorn, der dieses Jahr erstmalig den ESC kommentieren wird, und sprechen mit ihm über Kindheitsträume, langwierige Verletzungen und sein Selbstverständnis als deutscher Kommentator.

Einen besonderen Blick in die Kommentatorenkabine beim ESC gibt es auch dieses Jahr wieder auf Lukas’ Instagram-Account.

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Alle Songs:

  • Alyona Alyona and Jerry Heil – Teresa & Maria (Ukraine)
  • Aiko – Pedestal (Tschechien)
  • Joost Klein – Europapa (Niederlande)
  • Ladaniva – Jako (Armenien)
  • Saba – Sand (Dänemark)
  • Bambie Thug – Doomsday Blue (Irland)
  • Olly Alexander – Dizzy (Vereinigtes Königreich)
  • Nebulossa – Zorra (Spanien)
  • Isaak – Always On The Run (Deutschland)

Der ESC im deutschen TV:

Dienstag, 7. Mai, 21 Uhr: 1. Halbfinale auf One und in der ARD-Mediathek

Donnerstag, 9. Mai, 21 Uhr: 2. Halbfinale auf One und in der ARD-Mediathek

Samstag 11. Mai, 20.15 Uhr: Warm-Up, Grand Final und Aftershow-Show im Ersten, bei One und in der ARD-Mediathek