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Musik

Podcast: Episode 5

Bochum, das musi­ka­li­sche Zen­trum der Bun­des­re­pu­blik: Jana von Janou erzählt uns, was es mit dem neu­en Song „Boy Is Bro­ken“ auf sich hat, dann hören wir Phi­li­ne Son­ny, unse­re Bot­schaf­te­rin beim SXSW. Außer­dem hat Lukas neue Musik von Meet Me @ The Altar, King Prin­cess und Kendrick Scott mit­ge­bracht, wir schwel­gen in Erin­ne­run­gen und tan­zen zum Oscar-prä­mier­ten „Naa­tu Naa­tu“.

Alle Songs:

  • Janou – Boy Is Bro­ken
  • Phi­li­ne Son­ny – Same Light
  • Meet Me @ The Altar – Thx 4 Not­hin’
  • Death Cab For Cutie – I Miss Stran­gers (Acou­stic)
  • Tra­vis – Flowers In The Win­dow (Live)
  • Kaa­la Bhai­ra­va, M. M. Keer­ava­ni, Rahul Sip­li­gunj – Naa­tu Naa­tu
  • Kendrick Scott – One Door Clo­ses, Ano­ther Opens
  • King Prin­cess – The Bend

Show notes:

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Digital Film

Don’t mention the war

1940 sag­te Gene­ral­feld­mar­schall Wil­helm Kei­tel über den deut­schen Dik­ta­tor Adolf Hit­ler, des­sen Armee gera­de Frank­reich und die BeNe­Lux-Staa­ten über­rannt hat­te, die­ser sei der „größ­te Feld­herr aller Zei­ten“. Nach der ver­hee­ren­den Nie­der­la­ge in der Schlacht um Sta­lin­grad mach­te die­se For­mu­lie­rung in der deut­schen Bevöl­ke­rung mit eher sar­kas­ti­scher Kon­no­ta­ti­on die Run­de und Hit­ler wur­de in Anleh­nung an den Abkür­zungs­wahn, der Deut­sche seit Jahr­hun­der­ten umtreibt, zum „GröFaZ“ erklärt.

Man darf davon aus­ge­hen, dass die For­mu­lie­rung – anders als das „Tau­send­jäh­ri­ge Reich“ – die Jahr­zehn­te über­dau­ert hat, denn im Novem­ber 2007 sag­te der dama­li­ge Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Wolf­gang Schäub­le auf dem Höhe­punkt der öffent­li­chen Dis­kus­si­on um die sog. Vor­rats­da­ten­spei­che­rung laut „taz“:

„Wir hat­ten den ‚größ­ten Feld­herrn aller Zei­ten‘, den GröFaZ, und jetzt kommt die größ­te Ver­fas­sungs­be­schwer­de aller Zei­ten“

Schäub­le schaff­te es damit in mei­ne Lis­te der Nazi-Ver­glei­che, die es damals zu einer gewis­sen Popu­la­ri­tät in der deut­schen Blogo­sphä­re brach­te, spä­ter mit Ergän­zun­gen in Dani­el Erks Buch „So viel Hit­ler war sel­ten“ für die Nach­welt fest­ge­hal­ten wur­de und inzwi­schen auch schon 15 Jah­re alt ist.

Man könn­te also schluss­fol­gern, dass die For­mu­lie­rung „größ­ter Irgend­was aller Zei­ten“ in Deutsch­land mit einer gewis­sen Vor­sicht ver­wen­det wer­den soll­te. Beson­ders, wenn es um Deutsch­land geht. Oder Krieg.

Und damit kom­men wir zur gest­ri­gen Bericht­erstat­tung von Bild.de über die Oscar-Ver­lei­hung und den deut­schen Anti­kriegs­film „Im Wes­ten nichts Neu­es“:

Holen wir heute unseren größten Oscar aller Zeiten?

Das ist kom­po­si­to­risch schon nah an der Per­fek­ti­on (wenn man unter „Per­fek­ti­on“ auch Din­ge ver­steht wie eine über­lau­fen­de Toi­let­te, die die gan­ze Woh­nung in Mit­lei­den­schaft zieht): der Sol­dat mit Stahl­helm; das fröh­lich dumm­stol­ze Stammtisch-„Wir“, das „Bild“ immer her­vor­holt, wenn gera­de Fuß­ball-WM ist oder ein Papst gewählt wird; die For­mu­lie­rung an sich – und natür­lich das Gold drum­her­um.

Im Arti­kel fasst der Bild.de-Autor sei­ne Ein­drü­cke vom Film so zusam­men:

Die Regie geni­al. Die Kame­ra anbe­tungs­wür­dig. Das Sze­nen­bild: Ein­fach nur krass.

„Okay“, hät­te ich gesagt. „Das pas­siert, wenn man Berufs­ein­stei­ger um die 25 Tex­te schrei­ben lässt: Die Spra­che ist etwas umgangs­sprach­li­cher und sie ver­wen­den aus Ver­se­hen For­mu­lie­run­gen, für die ihnen im ent­schei­den­den Moment die Gold­waa­gen-App auf dem Smart­phone fehlt.“

Stellt sich raus: Der Text ist von Bild.de-Redakteur Ralf Pör­ner. Und der müss­te inzwi­schen 60 sein.

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Musik

Podcast: Episode 4

Im Bochu­mer Schnee­ge­stö­ber baut Lukas sein musi­ka­li­sches Lager­feu­er auf, an das Ihr Euch alle kuscheln könnt: Nach einer etwas aus­ufern­den, sehr per­sön­li­chen Rück­schau auf das aller­letz­te Pale-Kon­zert ver­gan­ge­ne Woche in Köln spielt Lukas neue Songs von Nia Archi­ves, Free­kind und Maro und den deut­schen Bei­trag zum ESC 2023. Von herz­er­wär­mend bis Klein­holz ist also alles dabei!

Alles Songs:

  • Pale – Some­day You Will Know
  • Kili­ans – Fight The Start
  • Nia Archi­ves – Con­ve­ni­en­cy
  • Free­kind – Good Vibra­ti­ons
  • Scowl – Ope­ning Night
  • Lord Of The Lost – Blood & Glit­ter
  • Maro – Em por­ta tran­ca­da
  • Rufus Wain­w­right feat. Bran­di Car­li­le – Down In The Wil­low Gar­den

Show­no­tes:

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Musik

Goodbye Trouble

Ges­tern war ich auf einer Trau­er­fei­er. Und auf einem Klas­sen­tref­fen. Und auf dem ers­ten (indoor) Kon­zert seit drei Jah­ren. Pale hat­ten zum One-Night-Only-Kon­zert ins Köl­ner Glo­ria gebe­ten und die Indie-Crowd, die vor 20 Jah­ren auf Visi­ons-Par­tys Smirn­off Ice getrun­ken hat­te, war geschlos­sen ange­tre­ten — mit Müt­zen über dem lich­ter wer­den­den Haar, ohne Trai­nings­ja­cken mit Städ­te­na­men drauf und mit nur einem Bier in der Hand, denn man muss ja noch fah­ren und die Kin­der wer­den so früh wach.

Die ers­te Wel­le der Eksta­se schwappt schon hoch, als das Licht für die Vor­band aus­geht. Pale hat­ten vage „Gäs­te“ und „Freun­de“ ange­kün­digt und so geht es als kol­lek­ti­ve Selbst­be­stä­ti­gung durch, als wir sehen, dass es wirk­lich Thees Uhl­mann ist, der da auf die Büh­ne schlurft. Doch – behold! – er ist nicht allei­ne, mit ihm kommt Mar­cus Wie­busch raus. Das macht Sinn, sind doch das letz­te Pale-Album 2006 und das jetzt aber wirk­lich aller­letz­te Pale-Album 2022 beim Grand Hotel van Cleef erschie­nen, dem Label, das die bei­den 2002 gegrün­det hat­ten und des­sent­we­gen wir uns alle ken­nen und gute Musik hören. „Gebt dem Nach­wuchs eine Chan­ce“, scherzt Thees, dann spie­len die bei­den sechs Songs aus dem gro­ßen kett­car/­Tom­te/­Thees-Uhl­mann-Werk. Wir hät­ten auch 20 genom­men, aber sie sind ja nur als Warm-Up hier und brin­gen das Glo­ria erfolg­reich auf Betriebs­tem­pe­ra­tur. Lei­der auch buch­stäb­lich.

Vor dem Pale-Konzert (Foto: Lukas Heinser)

Dann leuch­tet der Pale-Schrift­zug über der Büh­ne auf und die Band (oder das, was von ihr übrig ist) betritt unter einem der dicks­ten Auf­tritts­ap­plau­se, die ich je erlebt habe, das Schein­wer­fer­licht. Nach dem ers­ten Song sagt Sänger/​Gitarrist Hol­ger Kochs, er habe sich in den letz­ten Tagen eine lan­ge Ansa­ge aus­ge­dacht und wie­der ver­wor­fen, denn wir wüss­ten ja eh alle, war­um wir da sind: „Für Chris­ti­an!“

Chris­ti­an Dang-anh war der Gitar­rist von Pale, „der ein­zi­ge rich­ti­ge Musi­ker inner­halb der Band“, wie die ande­ren selbst sagen. 2019, zehn Jah­re nach der Auf­lö­sung der Band, wur­de bei ihm ein Gehirn­tu­mor dia­gnos­ti­ziert, was die Mit­glie­der auf die Idee brach­te, wie­der gemein­sam Musik zu machen. Schlag­zeu­ger und Hol­gers Bru­der Ste­phan Kochs hat­te mit einer eige­nen schwe­ren Erkran­kung zu kämp­fen, dann kam die Pan­de­mie und im Früh­jahr 2021 ist Chris­ti­an lei­der gestor­ben.

Aus die­sen Ses­si­ons und Erfah­run­gen ist „The Night, The Dawn And What Remains“ ent­stan­den, das wirk­lich aller­letz­te Album, des­sen Songs heu­te Abend alle zur Auf­füh­rung kom­men — neben den gan­zen Hits, natür­lich, wobei mir irgend­wann auf­fällt, dass es fal­se memo­ry mei­ner­seits war, zu glau­ben, ich hät­te die Musik der Band „schon damals“ „immer viel“ gehört.

Zwi­schen den Songs sagt Hol­ger so vie­le klu­ge Sachen über das Leben und die Gegen­wart, die man genie­ßen und fei­ern sol­le, dass ich mir den­ke, dass ich mir die alle mer­ken wer­de. Jetzt könn­te ich natür­lich nichts mehr davon zitie­ren, aber das ist total egal, weil ich ja WEISS, dass er Recht hat.

Sie spie­len „Man Of 20 Lives“ für Ste­phan, der heu­te nur im Publi­kum ist. Zu „Big­ger Than Life“ wer­den im Hin­ter­grund alte Vide­os und Bil­der von Chris­ti­an pro­ji­ziert und ich den­ke mal wie­der, wie so oft, über Musik: „This is my church /​ This is whe­re I heal my hurts“. (Maxi Jazz von Faithl­ess ist übri­gens im Dezem­ber auch gestor­ben.) Hol­ger singt – „auch wenn’s pathe­tisch klingt“ – „Wake Up!“ für sei­ne Kin­der und ich ste­he da inmit­ten einer wild zusam­men­ge­wür­fel­ten Grup­pe alter Freun­de und Bekann­ter, jetzt sind wir alle Väter, und ich muss mich gar nicht umgu­cken, weil ich weiß, dass wir gera­de alle Trä­nen in den Augen haben. Das Publi­kum weiß auch, wann Hol­ger Unter­stüt­zung gebrau­chen kann, und umarmt ihn mit lan­gem, fre­ne­ti­schen Applaus. Das Glo­ria ist heu­te ein ein­zi­ger gro­ßer Lie­bes­kreis. (Roc­co Clein ist jetzt auch schon 19 Jah­re tot.)

Beim Pale-Konzert (Foto: Lukas Heinser)

„Still You Feel“, eine Hym­ne auf die Musik, die einem Zuhau­se ist, nach­dem man die furcht­ba­re Hei­mat­stadt ver­las­sen hat, ist auf dem Album ein Duett mit Simon den Har­tog von den Kili­ans. (Auf dem Pop­kul­tur-Altar auf dem Album­co­ver steht ein Mix­tape namens „Home­town Mix“, des­sen B‑Seite mit „Dins­la­ken 2002“ beschrif­tet ist — Simons und mei­ner alten Hei­mat­stadt und mei­nem Abi-Jahr. Ich bin mir auch nach Mona­ten noch nicht sicher, was das mit mir macht.) Und natür­lich kommt Simon, den Hol­ger als sei­ne Lieb­lings­stim­me in Deutsch­land bezeich­net, auch auf die Büh­ne im Glo­ria. Und er bleibt noch für einen zwei­ten Song: „Fight The Start“ von den Kili­ans. Ich habe die­sen Song min­des­tens 30 Mal live gehört, im Publi­kum, beim Sound­check, neben der Büh­ne — zuletzt vor neun Jah­ren, ein paar Leben her, und ich bin sehr froh, dass mir die gan­ze emo­tio­na­le Bedeu­tung die­ses Moments nicht schon ges­tern Abend auf­ge­fal­len ist, son­dern erst jetzt. Durch­at­men.

„Some­day You Will Know“ („The last song of a band that alre­a­dy play­ed its final show“) wird auf dem Album von einem Saxo­fon-Solo von Ste­ve Nor­man von Span­dau Bal­let gekrönt — und es ist jetzt wirk­lich kei­ne gro­ße Über­ra­schung mehr, dass auch er heu­te Abend hier ist und mit­spielt. (Tat­säch­lich wäre es auch nur kon­se­quent gewe­sen, wenn zum abschlie­ßen­den The-Jam-Cover „Town Cal­led Mali­ce“ Paul Wel­ler zur Band hin­zu­ge­sto­ßen wäre. Oder Noel Gal­lag­her. Oder John Len­non, becau­se why the fuck not?) Etwas über­ra­schen­der ist schon, dass auch er für einen zwei­ten Song bleibt und wir so in den Genuss kom­men, „Gold“ von Span­dau Bal­let auch ein­mal live zu hören. You’­ve got the power to know you’­re indes­truc­ti­ble!

Er habe unter­schätzt, wie viel 27 Songs sind, meint Hol­ger lachend vor den letz­ten Zuga­ben, als er das Publi­kum bit­tet, ger­ne etwas lau­ter mit­zu­sin­gen. Drei Stun­den ste­hen sind auch schon ziem­lich anstren­gend, den­ke ich. Und drei Stun­den Rück­weg vom Club zum eige­nen Bett haben sich frü­her auch nicht so schlimm ange­fühlt. Aber wer hät­te gedacht, damals, als man anfing, Musik als etwas wahr­zu­neh­men, was mehr ist als das, was im Radio zwi­schen den Poli­tik-Bei­trä­gen läuft, dass sie einem mal so viel bedeu­ten und einen durch schwe­re Zei­ten (und groß­ar­ti­ge!) beglei­ten wür­de, dass sie mal zu Freund­schaf­ten füh­ren wür­de und zu Aben­den wie die­sem?

This is how it feels when not­hing can ever make you stop /​ This is how it feels when nothing’s wrong.

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Musik

Podcast: Episode 3

Es ist eines der wich­tigs­ten Releases des bis­he­ri­gen Jah­res in Deutsch­land: „Glas“, das Debüt­al­bum von Nina Chuba. Lukas ver­rät Euch, wie er es fin­det, und spielt einen neu­en Song von sei­nem gro­ßen Hel­den Andrew McMa­hon. Dazu LoFi-Indie von Sid­ney Gish, Brit­pop von Inha­ler und Dre­am­house von Elder­brook feat. Vin­ta­ge Cul­tu­re. Ein Blu­men­strauß vol­ler musi­ka­li­scher Füll­hör­ner!

Alle Songs:

  • Nina Chuba – Frei­tag
  • Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness – Nobo­dy Tells You When You’re Young
  • Sid­ney Gish – Film­ing School
  • Two Blinks, I Love You – Car­ne­gie Hall
  • Voi­id – Free Kit­ten
  • Inha­ler – If You’re Gon­na Break My Heart
  • Elder­brook feat. Vin­ta­ge Cul­tu­re – Talk It Over
  • Mad­die Zahm – Step On Me
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Musik

Podcast: Episode 2

Ganz knapp zu spät für die ers­te Fol­ge hat Ben Folds sein ers­tes Album seit acht Jah­ren ange­kün­digt. Des­halb begin­nen wir unse­re zwei­te Sen­dung natür­lich mit der Vor­ab-Sin­gle „Win­slow Gar­dens“. Außer­dem singt P!nk auf ihrem neu­en Album zusam­men mit den schwe­di­schen Söder­berg-Schwes­tern von First Aid Kit, es gibt neue Songs von Kele­la, Bar­rie und Caro­li­ne Pol­a­chek und Lukas darf „Fucked Up“ im (ist doch qua­si) Radio sagen.

Alle Songs:

  • Ben Folds – Win­slow Gar­dens
  • Dar­ren Jes­see – Love And Thanks
  • Kele­la – Hap­py Ending
  • P!nk feat. First Aid Kit – Kids In Love
  • Bar­rie – Unho­ly Appe­ti­te
  • Caro­li­ne Pol­a­chek – Pret­ty In Pos­si­ble
  • Fucked Up – Lords Of Ken­sing­ton
  • Brad Mehl­dau – Here, The­re And Ever­y­whe­re
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Musik

Podcast: Episode 1

Vor zwei­ein­halb Jah­ren hat Spo­ti­fy ange­kün­digt, dass sie bald ein Fea­ture aus­rol­len wür­den, mit dem man eige­ne Musik-Pod­casts erstel­len kann. Man müss­te dafür nur Mode­ra­tio­nen auf­neh­men und mit Songs kom­bi­nie­ren, die bei Spo­ti­fy ver­füg­bar sind — fer­tig! Ich hat­te zu die­sem Zeit­punkt seit etwa 13 Jah­ren (so lang muss es damals unge­fähr her­ge­we­sen sein, dass ich zum ers­ten Mal „All Songs Con­side­red“ von NPR Music gehört hat­te) dar­auf gewar­tet, einen eige­nen Musik-Pod­cast star­ten zu kön­nen, der gleich­zei­tig legal und bezahl­bar ist (ers­te­res ermög­licht die GEMA seit eini­gen Jah­ren mit einem eige­nen Tarif, der zwei­te­res aus­schließt) und war ent­spre­chend sto­ked: Zwei Tage rann­te ich wie high durch mei­ne Woh­nung, war völ­lig begeis­tert und plan­te schon mal die ers­ten zwan­zig, drei­ßig Aus­ga­ben.

Dann pas­sier­te: nichts. Im letz­ten Som­mer habe ich noch mal kurz dar­an gedacht, aber ich befürch­te­te schon, dass das Fea­ture den Weg aller wirk­lich sinn­vol­len Web-Anwen­dun­gen (der Goog­le Rea­der, der Komm-Küs­sen-But­ton bei jetzt.de, die Cen­ten­ni­al-Bulb-Web­cam) gegan­gen und ver­schwun­den sei. Dann schrieb mir vor zwei Wochen eine Freun­din, es gebe jetzt bei Spo­ti­fy die Mög­lich­keit, Pod­casts mit Musik zu ver­öf­fent­li­chen, und das sei doch etwas, was gut zu mir pas­sen wür­de.

Nun, ladies and gen­tle­men und alle in-bet­ween: Hier ist „Cof­fee And TV“, der Pod­cast!

In der ers­ten Fol­ge spie­le ich u.a. neue Songs von Amil­li, The Hold Ste­ady und Mar­ya­ka und obwohl ich ein biss­chen aus der Übung war, hat es wahn­sin­nig Spaß gemacht, nach ca. 16 Jah­ren mal wie­der eine Musik­sen­dung zu mode­rie­ren. Also mach ich das jetzt öfters. Lei­der kann man den Pod­cast aus den oben beschrie­ben Grün­den nur auf Spo­ti­fy hören und wenn man kein zah­len­der Pre­mi­um-Mem­ber ist, gibt es auch nur 30-sekün­di­ge Aus­schnit­te und nicht die gan­zen Songs zu hören, aber ich fin­de, es ist bedeu­tend bes­ser als nichts!

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Musik

Acts des Jahres 2022

Der ers­te Monat 2023 ist fast rum, schnell noch eben die Acts des Jah­res 2022 in eine ordent­li­che Lis­te packen:

10. Sudan Archi­ves
Schon der Name, unter dem Britt­ney Deni­se Parks Musik macht, macht neu­gie­rig: Sudan Archi­ves, das klingt erst­mal nach field recor­dings, nach Eth­no­lo­gie und world music. Ja, aber: Die Art, wie sie Ein­flüs­se aus afri­ka­ni­scher Musik, Elek­tro­nik und Hip-Hop mischt und zwi­schen­durch noch auf ihrer Gei­ge spielt, ist nur eine (wenn man so will: aka­de­mi­sche) Ebe­ne ihres Sounds. Vor allem flirrt, klopft und groovt ihre Musik; oft pas­siert vie­les gleich­zei­tig und doch bleibt noch viel Platz in den Arran­ge­ments, um zu atmen. „Natu­ral Brown Prom Queen“ (Stones Throw Records; Apple Music, Spo­ti­fy, Band­camp) heißt ihr zwei­tes Album und der Titel kommt schon ange­mes­sen breit­schult­rig daher: Wer women of color im Jahr 2022 noch an den Rand drän­gen woll­te, ist bei Sudan Archi­ves an der fal­schen Adres­se (natür­lich auch gene­rell; diver­si­ty exists, get used to it). „I’m not avera­ge“ wie­der­holt sie im Qua­si-Titel­track „NBPQ (Top­less)“ und beschreibt dar­in, wie es ist, aus­ge­grenzt und kri­tisch beäugt zu wer­den und die­ses Anders-Sein zu einer Art Mar­ken­zei­chen umzu­wid­men. „Natu­ral Brown Prom Queen“ ist also ein Album, das sowohl bei sorg­fäl­ti­ger Beschäf­ti­gung auf der inhalt­li­chen Ebe­ne funk­tio­niert, als auch ein­fach gut als Sound­track des eige­nen Lebens funk­tio­niert – und das ist ja immer super, wenn sowas mög­lich ist!

9. Janou
Ich fin­de es ja immer stark, wenn Men­schen ihr Ding durch­zie­hen: Ich ken­ne Jana von Janou jetzt schon mehr als zehn Jah­re und habe erlebt, wie sie rumo­ren­de Bochu­mer Knei­pen zum Schwei­gen brach­te, indem sie ihre Stim­me zur Akus­tik­gi­tar­re erhob. Seit eini­gen Jah­ren ist Janou ein Duo mit star­ken elek­tro­ni­schen Ein­flüs­sen und die­se gan­zen Sounds las­sen ihre aus­drucks­star­ke Stim­me noch mehr strah­len. Nach eini­gen Sin­gles erschien 2022 mit „Flu­id Ground“ (Skip A Beat; Apple Music, Spo­ti­fy) die ers­te EP, die Bock auf mehr macht: Wenn im ope­ning cut „Down“ kurz eine Erin­ne­rung an „She Dri­ves Me Cra­zy“ von den Fine Young Can­ni­bals durch­schim­mert, wenn „Lonely Boy“ von den Black Keys mit Geneh­mi­gung der Band zu „Lonely Boy (Girl)“ umge­wid­met wird, „Soli­tu­de“ ein Licht in der Dun­kel­heit anzün­det oder „Rose­ma­ry“, mein per­sön­li­cher Som­mer­hit 2022 (s.a. die Songs des Jah­res), Bochum nach LA oder Miami ver­legt. Wo sind die Radio­sen­der, die sowas auf Rota­ti­on neh­men?!

8. Maro
Ich habe es im letz­ten Jahr in jedem Inter­view gesagt und ich wie­der­ho­le es ger­ne: Der Euro­vi­si­on Song Con­test hat nur noch wenig mit dem frea­ki­gen musi­ka­li­schen Par­al­lel­uni­ver­sum zu tun, als das er über Jahr­zehn­te galt. Er ist nicht mehr nur die jähr­li­che Leis­tungs­schau der Büh­nen­tech­nik-Indus­trie, son­dern auch ein … nun ja: ernst­zu­neh­men­des Musik­fes­ti­val, bei dem man Acts ent­de­cken kann, die einem die hei­mi­sche Musik­pres­se und der Spo­ti­fy-Algo­rith­mus jetzt eher nicht vor­ge­stellt hät­te. So auch Maria­na Sec­ca aus Por­tu­gal, die als Maro (gespro­chen: Maru) groß­ar­ti­ge Musik macht: Ihr ESC-Bei­trag „Sau­da­de, Sau­da­de“ (s.a. die Songs des Jah­res) ist auf ihrem letzt­jäh­ri­gen Album „Can You See Me?“ (Sec­ca Records; Apple Music, Spo­ti­fy) gar nicht ver­tre­ten, dafür Songs wie das hyp­no­ti­sche „Am I Not Enough For Now?“, das schläf­ri­ge „We’­ve Been Loving In Silence“ oder „Like We’­re Wired“, das klingt wie ein Son­nen­auf­gang. Inhalt­lich bil­det das Album die Gefühls­welt einer Frau Mit­te Zwan­zig ab, mit all den gro­ßen Erwar­tun­gen und Ent­täu­schun­gen, die auch Liz Phair, Fio­na Apple oder Tori Amos vor 30 Jah­ren schon besun­gen haben; musi­ka­lisch steht vor allem Maros Stim­me im Vor­der­grund, aber dahin­ter span­nen die Gitar­ren, Kla­vie­re und Drum­com­pu­ter einen wei­ten Raum auf. Und wenn man denkt, das klingt jetzt schon alles sehr ähn­lich, kommt mit­ten­drin das por­tu­gie­sisch-spra­chi­ge Duett „Juro Que Vi Flo­res“. Das nächs­te Album hat Maro für die­ses Jahr schon ange­kün­digt.

7. Phi­li­ne Son­ny
Irgend­wie hat man es ja bei all dem neu­en Elend schon fast ver­ges­sen, aber in den Jah­ren 2020 und 2021 (und ein Stück weit auch noch 2022) gab es in Euro­pa eine Pan­de­mie, die das öffent­li­che Leben weit­ge­hend zum Erlie­gen gebracht hat­te. Als nach zwei Jah­ren Zwangs­pau­se im letz­ten Som­mer die Musik­fes­ti­vals zurück­kehr­ten, habe ich mich zum ers­ten Mal rich­tig aufs Bochum Total gefreut: end­lich wie­der Live­mu­sik, fuß­läu­fig vor der eige­nen Haus­tür, por­ti­ons­ge­recht fürs eige­ne Kind und ein guter Anlass, um end­lich mal wie­der die eige­nen Freund*innen zu tref­fen. Genia­ler­wei­se hat­te auch noch ein fel­low nerd eine Spo­ti­fy-Play­list gebaut, mit der man sich im Vor­feld auf das Fes­ti­val vor­be­rei­ten konn­te, weil einem die meis­ten Namen ja doch noch nichts sagen. Als ich zu den Songs von Phi­li­ne Son­ny kam, war ich als Ers­tes über­rascht, dass ein Act, der so nach Welt­for­mat klingt, tat­säch­lich beim Bochum Total spielt. Dann stell­te ich fest, dass Phi­li­ne Son­ny aus Unna stammt, was jetzt – selbst von Bochum aus betrach­tet – eher das Gegen­teil der gro­ßen, wei­ten Welt ist. So klingt das also, wenn man mit The War On Drugs, Ryan Adams, Bright Eyes und Lucy Dacus auf­ge­wach­sen ist und die­se Musik ganz doll fühlt (oder zumin­dest klingt es so, als wäre Phi­li­ne Son­ny mit die­ser Musik auf­ge­wach­sen). Die ers­te EP „Lose Yours­elf“ (Might­kil­lya; Apple Music, Spo­ti­fy) haut den Pflock auf alle Fäl­le schon mal sehr fest in den Boden und jetzt, wo Phi­li­ne Son­ny in Bochum wohnt und zum legen­dä­ren show­ca­se fes­ti­val South By Sou­thwest ein­ge­la­den wur­de, wür­de ich sagen: sky’s the limit.

6. Anaïs Mit­chell
Manch­mal fra­ge ich mich schon, wie bestimm­te Acts so lan­ge an mir vor­bei­ge­hen konn­ten. Dann füh­le ich mich kurz schlecht und neh­me ich mir vor, noch mehr Musik zu hören, aber dann den­ke ich auch wie­der: „Das hier ist kein Wett­be­werb und Musik fin­det einen eh immer im rich­ti­gen Moment!“ 2022 war also der rich­ti­ge Moment, um Anaïs Mit­chell nach 18 Jah­ren und eini­gem „Ich hab davon gehört/​gelesen“ in mein Leben zu las­sen – recht­zei­tig zum ach­ten, selbst­be­ti­tel­ten Album (BMG; Apple Music, Spo­ti­fy). Ich hab das bei Musik, die irgend­wie mit Folk zu tun hat, immer, dass ich mir beim Hören wei­te Land­schaf­ten vor­stel­le (was ja auch Sinn die­ses Gen­res ist), aber bei die­sem Album ist es beson­ders stark: es klingt wie ein road trip durch Gegen­den, die man am Bes­ten schnell hin­ter sich lässt, auf der Suche nach dem gro­ßen Glück und dem Ort, wo man sei­ne Plä­ne ver­wirk­li­chen kann. Es erin­nert mich aber auch an Hem, k.d. lang und Bon Iver und es gibt nicht viel bes­se­res, was ich über Musik sagen kann.

5. Lou Tur­ner
Noch mehr Indie-Folk: Auf ihrem drit­ten Album „Micro­c­os­mos“ (Lou Tur­ner; Apple Music, Spo­ti­fy, Band­camp) setzt sich Lou Tur­ner unter den Ein­drü­cken der Pan­de­mie mit der Fra­ge aus­ein­an­der, was es bedeu­tet, „unter­wegs“ und „zuhau­se“ zu sein. Es geht um die Welt, die im Lock­down gleich­zei­tig klei­ner und grö­ßer wur­de, als Spa­zier­gän­ge durch die eige­ne Nach­bar­schaft plötz­lich die neu­en Rei­sen waren. Dabei ori­en­tiert sie sich u.a. an Joni Mit­chells Album „Heji­ra“ (das sie in „Emp­ty Tame And Ugly“ auch nament­lich erwähnt) und das alles, Musik und Lyrics, sind wirk­lich wun­der­bar.

4. Kof­fee
Gut: Den Künst­ler­na­men fin­den wir hier im Blog natür­lich schon mal grund­sym­pa­thisch. Auch Kof­fees Kar­rie­re ist eng mit der COVID-19-Pan­de­mie ver­bun­den: Als gefei­er­te Nach­wuchs­künst­le­rin wur­de sie 2020 erst­mal aus­ge­bremst, die Sin­gle „Lock­down“ wur­de im sel­bi­gen zum Hit. „Gifted“ (Pro­mi­sed Land; Apple Music, Spo­ti­fy) ist ihr Debüt-Album und gilt offi­zi­ell als Reg­gae. Ich habe dafür alle Vor­ur­tei­le, die ich gegen­über dem Gen­re hat­te (auch bzw. vor allem Dank sei­nes stu­den­ti­schen Publi­kums in Deutsch­land), über Bord gewor­fen und mich im Früh­jahr 2022, als die „Nor­ma­li­tät“ so lang­sam, aber sicher zurück­kam, sehr an die­sem Album erfreut. Im ope­ning cut „x10“ läuft Bob Mar­leys „Redemp­ti­on Song“ ein­fach im Hin­ter­grund und auch wenn das natür­lich vor allem als Ehr­er­wei­sung gemeint ist, zeigt es auch: Die­ses Album ist etwas ande­res.

3. Bülow
Alter ist ja etwas, was man unge­fähr nie gescheit ein­schät­zen kann: Als Kind und Teen­ager sind Musiker*innen halt alle irgend­wie „älter“ und die, mit denen man auf­ge­wach­sen ist, wer­den immer älter blei­ben. Dann kom­men plötz­lich Men­schen, die signi­fi­kant jün­ger sind als man selbst, und man denkt: „Woher kön­nen die das denn schon alles?“ Naja: Geor­ge Har­ri­son war 20, als das ers­te Beat­les-Album raus­kam, Beck war bei „Loser“ auch nur ein paar Jähr­chen älter und Conor Oberst ist mit zwölf schon mit eige­nen Songs auf­ge­tre­ten. Also: Megan Bülow ist Ende Dezem­ber 23 gewor­den und macht pro­fes­sio­nell Musik, seit sie 16 ist. Das klang immer schon gut, aber ihre EP „Boo­ty Call“ (Uni­ver­sal; Apple Music, Spo­ti­fy) zeigt ihre Stär­ken noch­mal bes­ser als alle bis­he­ri­gen Releases: fünf Songs, etwas über 13 Minu­ten – maxi­mal ver­dich­te­ter Indie-Pop zwi­schen besag­ten Beck und Conor Oberst, mit gro­ßer Schnodd­rig­keit, nach­klin­gen­der teenage angst und einem gene­rell star­ken nine­ties vibe. Hören jun­ge Men­schen noch Alben? Neh­men jun­ge Acts noch wel­che auf? Ich fänd’s stark!

2. King Prin­cess
Das gro­ße Auf­re­ger-The­ma in den US-Medi­en waren Ende des Jah­res die „Nepo babies“, also jun­ge Men­schen, die – so das Nar­ra­tiv – auf­grund ihrer Abstam­mung einen leich­te­ren Ein­stieg ins Berufs­le­ben und bes­se­re Auf­stiegs­chan­cen haben. Sicher­lich ein ernst­haf­tes Pro­blem, aber gera­de die media­le Fokus­sie­rung auf die Unter­hal­tungs­bran­che nahm der Kri­tik auch ein biss­chen den Wind aus den Segeln: Wenn Du unter Künstler*innen auf­wächst, ist es halt wahr­schein­lich, dass Du selbst ein gewis­ses Inter­es­se an Kunst und Kul­tur ent­wi­ckelst. Dazu kom­men dann eben noch Talent und Kon­tak­te, also: check your pri­vi­le­ge, aber so what?! (Dass deut­sche Medi­en sich vor allem um eine Nach­er­zäh­lung einer ame­ri­ka­ni­schen Debat­te bemüh­ten, aber nicht für eine Sekun­de auf die Idee kamen, dass The­ma auf Deutsch­land her­un­ter­zu­bre­chen, spricht ent­we­der für oder gegen sie – ich bin mir da noch unsi­cher.) Mikae­la Straus, jeden­falls, tauch­te auf die­ser Lis­te der nepo babies auch auf, weil ihr Vater recor­ding engi­neer ist und ihr Ur-Urgroß­va­ter (!) Isi­dor Straus einer der Besit­zer von Macy’s war, bevor er mit sei­ner Frau beim Unter­gang der „Tita­nic“ (bekann­ter­ma­ßen im Jahr 1912) ums Leben kam. Ja, inter­es­san­te Fuß­no­te, aber viel inter­es­san­ter ist doch nun wirk­lich die Musik, die Mikae­la (Jahr­gang 1998) als King Prin­cess ver­öf­fent­licht: kra­chen­der Indie-Pop mit gro­ßen Melo­dien und klu­gen Tex­ten. Mit elf hat­te sie einen Plat­ten­ver­trag abge­lehnt, weil sie die krea­ti­ve Kon­trol­le nicht abge­ben woll­te, und das scheint sich aus­ge­zahlt zu haben: „Hold On Baby“ (Zelig Records; Apple Music, Spo­ti­fy) ist ihr zwei­tes Album und man ahnt, dass es auf einem Major-Label even­tu­ell etwas anders klin­gen wür­de. Inhalt­lich geht es um Bezie­hungs­span­nun­gen in der Pan­de­mie, um Freund­schaf­ten, gen­der iden­ti­ty und Selbst­zwei­fel im Sex Shop. Mit Mark Ron­son, Ethan Grus­ka, Aaron Dess­ner, Bryce Dess­ner und Tobi­as Jes­so Jr. haben eini­ge der aktu­ell nam­haf­tes­ten Pro­du­zen­ten am Album mit­ge­wirkt und der clo­ser „Let Us Die“ ist einer der letz­ten Song, auf dem Tay­lor Haw­kins von den Foo Figh­ters vor sei­nem viel zu frü­hen Tod getrom­melt hat. Kurz­um: Es gibt viel zu ent­de­cken und zum Nach­den­ken und das mag ich ja immer, wenn man Musik hören, aber ihr auch zuhö­ren kann. Bei pas­sen­dem Ver­kehrs­auf­kom­men „reicht“ das Album genau von mei­nem Eltern­haus bis zu unse­rer Haus­tür und in jedem nor­ma­len Jahr hät­ten King Prin­cess und „Hold On Baby“ den Spit­zen­platz mei­ner Rang­lis­te belegt, aber 2022 war auch in die­ser Hin­sicht kein nor­ma­les Jahr.

1. Pale
Ich hab die Geschich­te jetzt schon ein paar Mal erzählt: Pale hat­ten sich eigent­lich 2009 auf­ge­löst. Dann wur­de 2019 bei ihrem ehe­ma­li­gen Gitar­ris­ten Chris­ti­an ein Gehirn­tu­mor dia­gnos­ti­ziert, was die Mit­glie­der auf die Idee brach­te, wie­der gemein­sam Musik zu machen. Schlag­zeu­ger Ste­phan hat­te mit einer eige­nen schwe­ren Erkran­kung zu kämp­fen, dann kam die Pan­de­mie und im Früh­jahr 2021 ist Chris­ti­an lei­der gestor­ben. Man muss die­se Geschich­te ken­nen, um zu ver­ste­hen, was „The Night, The Dawn And What Remains“ (Grand Hotel van Cleef; Apple Music, Spo­ti­fy), das fina­le Album, das aus all dem doch noch ent­stan­den ist, eigent­lich ist: eine ein­zi­ge Fei­er des Lebens, der Freund­schaft und der Musik. Vom instru­men­ta­len Ope­ner „Whe­re­ver You Will Go“, der an U2 und Stars erin­nert und die Tür schon mal ent­spre­chend weit auf­macht, über die Sin­gles „New York“ (s.a. Songs des Jah­res), „Man Of 20 Lives“ (für Ste­phan) und „Big­ger Than Life“ (für Chris­ti­an) bis zum Schluss­ak­kord von „Some­day You Will Know“ zele­briert die­ses Album das Trotz­dem, das Über­le­ben, das Zurück­blei­ben und auch die Trau­er. Es ist wie ein Ben­ga­lo auf einer Beer­di­gung. Und dann taucht mit­ten­drin plötz­lich Simon den Har­tog auf. Der ehe­ma­li­ge Sän­ger der Kili­ans hat zwar fast eine gan­ze Deka­de nicht gesun­gen, aber auf „Still You Feel“ kuschelt sich sei­ne alt­be­kann­te, jung geblie­be­ne Reib­ei­sen­stim­me plötz­lich an die von Pale-Sän­ger Hol­ger Kochs und gemein­sam sin­gen sie über gro­ße Gefüh­le, Musik und Hei­mat­städ­te. Ich wuss­te selbst nicht, wie drin­gend ich genau das gebraucht hat­te, aber: Jun­ge, war ich glück­lich, als ich das Lied zum ers­ten Mal gehört habe! Klar, dass die Songs zu mei­nem täg­li­chen Beglei­ter wur­den, als ich nach dem Tod mei­ner Omi mit mei­ner eige­nen Trau­er, mei­nen Erin­ne­run­gen und vor allem aber auch mei­ner alles über­la­gern­den Lie­be für alles und alle klar­kom­men muss­te. Klar, dass so ein Album natür­lich wie­der beim GHvC erschei­nen muss­te. Klar, dass so ein Album sei­nen ganz eige­nen Platz auf mei­nem pri­va­ten Pop­kul­tur-Altar bekom­men muss – und wie krass ist es da bit­te, dass das Album­co­ver einen Pop­kul­tur-Altar zeigt, auf dem (neben einer Aus­ga­be von „Per Anhal­ter durch die Gala­xis“) ein Mix­tape namens „Home­town Mix“ steht, des­sen B‑Seite (nur auf der Vinyl-Ver­si­on zu ent­zif­fern) mit „Dins­la­ken 2002“ beschrif­tet ist?! Eben. It is the last stop that tells you a lot about whe­re you came from and what you have got.

Pale - The Night, The Dawn And What Remains (Albumcover)

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Musik

Songs des Jahres 2022

Ich brau­che tra­di­tio­nell immer ein biss­chen län­ger, um mei­ne Songs des Jah­res zusam­men­zu­stel­len, aber ich fin­de das bes­ser, als das Jahr schon im Novem­ber ein­pa­cken zu wol­len; hier ist mein Blog mit mei­nen Regeln und außer­dem ist ja noch Janu­ar. Also: Hier sind – Stand jetzt – mei­ne Lieb­lings­lie­der des Jah­res 2022!

25. Death Cab For Cutie – Here To Fore­ver
Ben Gib­bards Lyrics sind ja mit­un­ter so spe­zi­fisch, dass sie schon zum Meme tau­gen. Das muss natür­lich nicht schlecht sein, im Gegen­teil:

In every movie I watch from the ’50s
There’s only one thought that swirls
Around my head now
And that’s that ever­yo­ne the­re on the screen
Yeah, ever­yo­ne the­re on the screen
Well, they’­re all dead now

Damit hat er ein­mal mehr einen Gedan­ken aus­for­mu­liert, den ich so oder so ähn­lich selbst schon oft hat­te. Und wenn Du dann am Tag nach dem Tod Dei­ner Groß­mutter im Wohn­zim­mer des Groß­el­tern­hau­ses stehst, auf einem Regal die Fotos all der Groß­tan­ten und ‑onkel, dann knal­len die­se Zei­len noch mal ganz neu in die offe­ne Wun­de: Die sind jetzt alle tot. Das neue Death-Cab-Album „Asphalt Mea­dows“ hat mich irgend­wie nicht so rich­tig abge­holt, aber die­ser Song wird immer Teil mei­ner Geschich­te sein.

24. Nina Chuba – Wild­ber­ry Lil­let
Ich bin jetzt in einem Alter, wo es zuneh­mend schwer wird, mit den jun­gen Leu­ten Schritt zu hal­ten – vor allem, wenn man kei­nen Bock hat, sich chi­ne­si­sche Spio­na­ge-Soft­ware aufs Han­dy zu laden. Ich habe die­ses Lied also erst rela­tiv spät in einem prä­his­to­ri­schen Medi­um namens Musik­fern­se­hen ent­deckt, aber mir war sofort klar, war­um das ein Hit ist: Die­se Hook, die gekonnt auf der Gren­ze zwi­schen „ein­gän­gig“ und „ner­vig“ hüpft; die­se Lyrics, die im klas­sischs­ten Sin­ne das durch­spie­len, was wir musi­cal thea­ter kids den „I Want“-Song nen­nen, und dabei sowohl im Dicke-Hose-Rap („Ich will Immos, ich will Dol­lars, ich will flie­gen wie bei Mar­vel“) abschöp­fen, als auch fast rüh­rend kind­lich („Will, dass alle mei­ne Freun­de bei mir woh­nen in der Stra­ße“) daher­kom­men; die­se fröh­lich-rum­pe­li­ge Pip­pi-Lang­strumpf-Hal­tung, mit der wie­der mal eine neue Gene­ra­ti­on ihren Teil vom Kuchen ein­for­dert – oder hier gleich die gan­ze Bäcke­rei („Ich hab‘ Hun­ger, also nehm‘ ich mir alles vom Buf­fet“). Und mit­ten­drin eine Zei­le, die man als immer jugend­li­chen Trotz lesen kann – oder als wahn­sin­nig trau­ri­gen Fata­lis­mus: „Ich will nicht alt wer­den“. Wenn man den Song feuil­le­to­nis­tisch nase­rümp­fend neben den „Fri­days For Future“-Aktivismus legt, wird man fest­stel­len, dass die Jugend (Nina Chuba ist da mit 24 gera­de noch im rich­ti­gen Alter für den Song) ganz schön wider­sprüch­lich sein kann: „We’­re the young gene­ra­ti­on, and we’­ve got some­thing to say“ hat­ten die Mon­kees ja schon 1967 gesun­gen – und dar­über hin­aus nichts zu sagen gehabt, wäh­rend zeit­gleich mal wie­der eine Zei­ten­wen­de aus­brach.

23. Har­ry Styl­es – As It Was
Damit hät­te jetzt auch nie­mand rech­nen kön­nen, dass aus­ge­rech­net „Take On Me“ von a‑ha mal zu einem der prä­gends­ten Ein­flüs­se auf eine neue Gene­ra­ti­on Pop­mu­sik wer­den wür­de: Schon „Blin­ding Lights“ von The Weeknd war von der legen­dä­ren Key­board-Hook … sagen wir mal: „inspi­riert“ und auch „As It Was“ kann eine gewis­se Ver­wandt­schaft nicht bestrei­ten. Aber ers­tens bit­te nichts gegen a‑ha und zwei­tens pas­siert hier in 2:47 Minu­ten (wäh­rend die Kino­fil­me immer län­ger wer­den, wer­den die Pop­songs immer kür­zer – die Men­schen haben ja auch nicht unend­lich viel Zeit) so viel, dass man kaum hin­ter­her kommt. Und über Har­ry Styl­es muss man ja eh nichts mehr sagen. ((Außer: Hat er jetzt eigent­lich Chris Pine ange­spuckt?))

22. The Natio­nal feat. Bon Iver – Weird Good­byes
„What your favo­ri­te sad dad band says about you“ titel­te McSweeney’s im Janu­ar 2022, dabei war der Witz da schon min­des­tens vier­ein­halb Jah­re alt. The Natio­nal und Bon Iver sind natür­lich auf bei­den Lis­ten und wenn sie nicht gera­de mit Tay­lor Swift Musik machen, machen sie die halt gemein­sam (dass Aaron Dess­ner von The Natio­nal und Jus­tin Ver­non von Bon Iver auch noch gemein­sam bei Big Red Machi­ne spie­len, ver­wirrt an die­ser Stel­le zwar nur, ich muss es aber erwäh­nen, weil sonst mei­ne Mit­glied­schaft in der „Musikjournalisten-Nerds“-Unterabteilung des Bochu­mer „Sad Dad“-Clubs in Gefahr wäre). So wie bei die­sem Song, der nicht Teil des neu­en The-Natio­nal-Albums sein wird, das inzwi­schen ange­kün­digt wur­de und „First Two Pages of Fran­ken­stein“ (man ahnt eine etwas umständ­li­che Refe­renz, die da irgend­wo als Witz im Hin­ter­grund lau­ert) heißt. Es ist trotz­dem ein schö­ner Song! Und die Band ver­kauft inzwi­schen „Sad Dad“-Merchandise.

21. Rae Mor­ris – No Woman Is An Island
Rae Mor­ris ist der ers­te und bis­her ein­zi­ge Act, der schon zwei Mal mei­ne Lis­te der „Songs des Jah­res“ ange­führt hat: 2012 und 2018. Rech­ne­risch wäre sie also erst 2024 wie­der dran, was ja auch gut sein kann. „No Woman Is An Island“ ist natür­lich auch nicht schlecht, ich hab nur eben 20 Songs (von ca. 4.000 gehör­ten) gefun­den, die ich 2022 bes­ser fand als die­se leicht thea­tra­li­sche (im Sin­ne von Büh­nen­auf­füh­rung, nicht im Sin­ne von über­trie­ben) Femi­nis­mus-Bal­la­de.

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Gesellschaft Literatur Musik

Tied To The 90’s

„It’s hard to explain the soft dif­fe­ren­ces bet­ween life in the 2020s and life in the 1990s to any per­son who did not expe­ri­ence both of tho­se peri­ods as an adult“, schreibt Chuck Klos­ter­man auf Sei­te 6 sei­nes Buchs über die Neun­zi­ger und auch wenn ich das Jahr­zehnt nur als Kind bzw. Teen­ager mit­er­lebt habe, war ich schon mit dem glei­chen Bei­spiel kon­fron­tiert, das er einen Absatz spä­ter bringt: Erklärt mal einem Acht­jäh­ri­gen, war­um man frü­her Musik nicht ein­fach bei Spo­ti­fy gehört hat, son­dern CDs kau­fen muss­te!

„The Nineties“ von Chuck Klosterman (Foto: Lukas Heinser)

Anders als die alber­nen „Weißt Du noch?“-Paraden im deut­schen Fern­se­hen, in denen sich irgend­wel­che Halb-Pro­mis schen­kel­klop­fend dar­an erin­nern, dass es Songs, Trends und Ereig­nis­se tat­säch­lich gege­ben hat, setzt Klos­ter­man alles in Bezug zuein­an­der: Poli­tik, Gesell­schaft, Sport und natür­lich Pop­kul­tur reflek­tie­ren bei ihm immer ein­an­der und sie reflek­tie­ren ihre Zeit, denn, auch das wird im Buch immer wie­der deut­lich: Man kann die Ver­gan­gen­heit nicht durch die Bril­le der Gegen­wart erklä­ren.

Erwart­ba­rem stellt er längst Ver­ges­se­nes gegen­über; er hat sich durch zeit­ge­nös­si­sche Medi­en und Stu­di­en gefres­sen und alles zu einem wahn­sin­nig guten Buch zusam­men­ge­mixt, das zwar (wie er selbst sagt) kei­ne wis­sen­schaft­li­che Publi­ka­ti­on ist, aber auch Nach­ge­bo­re­nen hel­fen dürf­te, jenes Jahr­zehnt zu ver­ste­hen, das zwi­schen Ende des Kal­ten Krie­ges und 9/​11 eine Zeit rela­ti­ver Ruhe dar­stell­te und in dem die Wahr­neh­mung der Welt noch nicht frag­men­tiert war. Eine Zeit, in der „das Inter­net“ zwar schon exis­tier­te, aber kei­ne bedeu­ten­de Rol­le spiel­te, und in dem Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten und Nach­rich­ten­sen­der als voll­kom­men aus­tausch­bar gal­ten.

Klos­ter­man ist ohne­hin einer mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings-Autoren und total prä­gend für mei­ne Arbeit und mei­nen Blick auf die Welt. „The Nine­ties“ wirkt, als habe jemand, der sehr viel mehr weiß als ich, ein Buch über mich geschrie­ben: über Nir­va­na und „The Matrix“, über VHS-Rekor­der und die Prä­si­dent­schaft von Bill Clin­ton. Es ist ein Buch, bei dem ich trau­rig war, als es zu Ende war, und in dem ich woh­nen möch­te!

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Abschied von Omi

Ich weiß noch, wie ich im Febru­ar 2006 mit einer Kol­le­gin unter­wegs war, sie einen offen­bar unspek­ta­ku­lä­ren Anruf bekam, aber hin­ter­her sag­te: „Jedes Mal, wenn mei­ne Mut­ter anruft, den­ke ich, es ist was mit Omma!“ Damit fass­te sie etwas in Wor­te, was ich auch schon unter­be­wusst gedacht hat­te, und was ich seit­dem immer wie­der dach­te, wenn mein Han­dy anzeig­te, dass mei­ne Eltern anrie­fen.

Ich weiß im Gegen­satz dazu nicht so genau, wann das ange­fan­gen hat, dass ich an Weih­nach­ten und den Geburts­ta­gen mei­ner Groß­el­tern dach­te: „Ich fahr mal lie­ber nach Dins­la­ken; wer weiß, wie oft wir das noch zusam­men fei­ern?“, aber auch das muss jetzt über zehn Jah­re her sein.

Drei Anru­fe hat­te ich schon bekom­men (alle auf dem Fest­netz­te­le­fon): im Juli 2012, als mein ent­frem­de­ter Groß­va­ter gestor­ben war, ein Mann, den ich zuletzt Mit­te der 1990er Jah­re gese­hen hat­te und den ich in der Stadt nicht erkannt hät­te, wenn wir uns begeg­net wären; im August 2017, als mei­ne Groß­mutter müt­ter­li­cher­seits nach einer Ope­ra­ti­on im Kran­ken­haus starb, zu der sie sich mit den Wor­ten ver­ab­schie­det hat­te, es wäre nicht schlimm, wenn das jetzt schief gin­ge, wir bräuch­ten nicht trau­rig zu sein, es sei dann auch gut gewe­sen; Ende Dezem­ber 2017, 96 Stun­den nach­dem wir mit unse­rem Groß­va­ter väter­li­cher­seits noch ein­mal Weih­nach­ten gefei­ert und geahnt hat­ten, dass es das letz­te Mal sein wür­de, aber noch an ein letz­tes gemein­sa­mes Oster­fest geglaubt hat­ten.

Aber eine Groß­mutter war ja immer noch da, so wie sie immer dage­we­sen war: Omi, von der wir zwölf Enkel­kin­der wirk­lich fast immer nur als Omi spra­chen — so als gäbe es nur eine ein­zi­ge auf der Welt; die ande­ren beka­men ihren Namen ange­hängt, aber „Omi Sig­rid“ sag­ten wir wirk­lich sel­ten, es war doch eh klar, von wem wir spra­chen.

Mit jedem Geburts­tag und jedem Weih­nachts­fest sank – die tro­cke­nen Zah­len betrach­tet – die Wahr­schein­lich­keit, dass wir in einem Jahr noch ein­mal gemein­sam fei­ern kön­nen wür­den. In den Seu­chen­jah­ren 2020 und ’21 schaff­ten wir es immer­hin, ihren Geburts­tag auf der Ter­ras­se zu fei­ern; mit Mas­ken und Abstand, aber auch mit Sekt, so wie es sich gehör­te. 2020 saßen wir an Weih­nach­ten vor dem Tablet und wink­ten nach Dins­la­ken, in der Hoff­nung, dass die Phar­ma­in­dus­trie schnell genug sein wür­de, damit wir eine geimpf­te Omi noch ein­mal in den Arm neh­men könn­ten. Viel­leicht sogar zu Weih­nach­ten. Und auch wenn es 2021 kei­ne Fei­er in ihrem engs­ten Fami­li­en­kreis (Stand damals: 43 Per­so­nen) mehr gab, weil es ein­fach zu viel gewe­sen wäre und sie in gro­ßen Grup­pen nicht mehr gescheit zuhö­ren konn­te, so waren wir im Lau­fe der Fei­er­ta­ge doch fast alle noch mal bei ihr im Wohn­zim­mer, aßen Leb­ku­chen, die sie selbst­ver­ständ­lich selbst aus der Küche geholt hat­te, denn davon wür­de sie sich nie­mals abbrin­gen las­sen, und genos­sen das Geschenk, allen Wid­rig- und Wahr­schein­lich­kei­ten zum Trotz, noch ein­mal Weih­nach­ten mit Omi ver­brin­gen zu dür­fen.

Im Juni wur­de Omi – für uns Enkel­kin­der: plötz­lich; für ihre Kin­der, die sie Tag für Tag besuch­ten und umsorg­ten: abseh­bar – schwä­cher. Auf ein­mal schien die ent­schei­den­de Fra­ge, ob wir es noch mal an ihr Bett nach Dins­la­ken schaf­fen wür­den; ihr eine Son­nen­blu­me hin­stel­len könn­ten; noch ein­mal mit ihr spre­chen und uns bedan­ken kön­nen wür­den. Wir konn­ten. Es wur­den noch eini­ge Son­nen­blu­men und Gesprä­che und Ende August saß sie an ihrem 96. Geburts­tag wie selbst­ver­ständ­lich auf der Ter­ras­se, ließ Gesän­ge und Lob­prei­sun­gen eher wider­wil­lig über sich erge­hen, freu­te sich über neu­ge­bo­re­ne Uren­ke­lin­nen und fast 80-jäh­ri­ge Nich­ten, die zu Besuch gekom­men waren, und erhob natür­lich das obli­ga­to­ri­sche Glas Sekt.

Luki und Omi

Wenn ich in den letz­ten Jah­ren die Todes­an­zei­gen in der Zei­tung stu­dier­te (was ich aus einer Mischung aus „Memen­to mori“ und „Ich könn­te ja jeman­den ken­ne“ regel­mä­ßig tue), ver­gin­gen inzwi­schen manch­mal gan­ze Mona­te, ohne dass auch nur eine ein­zi­ge ver­stor­be­ne Per­son älter als Omi gewe­sen wäre. In die Nach­rich­ten schaff­ten es immer­hin Bet­ty White, Queen Eliza­beth II und Ange­la Lans­bu­ry, die alle­samt älter waren (wenn auch zum Teil nur weni­ge Mona­te). Ein­ge­denk der Welt­la­ge erschien es mir irgend­wann zumin­dest theo­re­tisch mög­lich, dass wir uns nie von Omi ver­ab­schie­den müs­sen wür­den, son­dern ein­fach alles vor ihr endet.

Nun: Der Anruf kam am Abend des 25. Okto­ber 2022. Nach Tagen, an denen sie nicht mehr geges­sen und getrun­ken hat­te, war Omi – man soll die­se For­mu­lie­rung in der Gegen­wart von Kin­dern ver­mei­den, denn Tote sind tot, sie kön­nen nicht wie­der auf­wa­chen; aber hier trifft sie dann eben doch mal in einem weni­ger als 50% meta­pho­ri­schen Sin­ne zu – fried­lich ein­ge­schla­fen.

Ich glau­be, es war Thees Uhl­mann, der mal gesagt hat, dass man ver­su­chen soll­te, Denk­mä­ler für die Men­schen zu errich­ten, denen sonst kei­ne Denk­mä­ler gebaut wer­den. Also habe ich bei Insta­gram ver­sucht, in Wor­te zu fas­sen, was Omi, ihre Süßig­kei­ten, ihre Hilfs­be­reit­schaft und Nächs­ten­lie­be und ihr Glau­be für mich bedeu­tet haben und immer bedeu­ten wer­den. Ich hab bei ihrem Beer­di­gungs­kaf­fee­trin­ken eine klei­ne Anspra­che gehal­ten, in der ich ver­sucht habe, ihr Leben (oder wenigs­tens die 39 Jah­re, die ich mit ihr ver­brin­gen durf­te) zu wür­di­gen. Ich wuss­te vor­her schon: Ich könn­te ein Buch schrei­ben über Omi, unse­re Fami­lie und das Ruhr­ge­biet, des­sen Geschich­te so eng mit der unse­rer Fami­lie ver­wo­ben ist. Und damit fan­ge ich jetzt an!

Die­ser Text erschien ursprüng­lich in mei­nem News­let­ter „Post vom Ein­hein­ser“, für den man sich hier anmel­den kann.

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Woher kennen wir uns?

Seit Jah­ren sam­meln wir Kon­tak­te auf Social Media — zum Teil von Men­schen, die wir schon lan­ge im ech­ten Leben ken­nen, zum Teil, weil man sich bei Pro­jek­ten oder in ande­ren Zusam­men­hän­gen ken­nen­ge­lernt hat und das „Fol­gen“ oder „Anfreun­den“ den Aus­tausch von Visi­ten­kar­ten ersetzt hat. Manch­mal sind es auch Wild­frem­de, die man erst im Lau­fe der fol­gen­den Inter­ak­tio­nen ken­nen­lernt.

In mei­nem neu­en Pod­cast „Woher ken­nen wir uns?“ unter­hal­te ich mich mit die­sen „Freund*innen“, um her­aus­zu­fin­den, wie gut wir uns eigent­lich ken­nen, was sie beruf­lich machen, und wel­che Rol­le Sozia­le Medi­en in ihrem Leben spie­len.

In der ers­ten Fol­ge spre­che ich mit Sus­an Link, die sonst das „ARD-Mor­gen­ma­ga­zin“ und den „Köl­ner Treff“ mode­riert. Wir unter­hal­ten uns über Auf­steh­zei­ten und über Din­ge, die man müde nicht tun soll­te. Sie erzählt, dass sie ursprüng­lich Kri­mi­nal­kom­mis­sa­rin wer­den woll­te und wie sie statt­des­sen beim Radio gelan­det ist; was Social Media mit Haus­wän­den gemein hat und was in den Inter­view-Hand­werks­kas­ten gehört — denn von ihr möch­te ich ler­nen, wie man so Inter­views über­haupt führt.

Als Bonus erzäh­len wir uns gegen­sei­tig Back­stage-Infor­ma­tio­nen über Micky Bei­sen­herz und Peter Urban.

„Woher kennen wir uns?“, Folge 1 mit Susan Link

„Woher ken­nen wir uns?“ erscheint ab heu­te Frei­tags auf Apple Pod­casts, Spo­ti­fy, allen ande­ren gän­gi­gen Pod­cast-Por­ta­len und auf mei­ner Web­site. Der Pod­cast wur­de geför­dert durch ein Künst­ler­sti­pen­di­um im Rah­men der NRW-Coro­na-Hil­fen.