Kategorien
Musik Leben

25 Jahre „Reload“

Die­ser Ein­trag ist Teil 8 von bis­her 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Tom Jones - Reload (abfotografiert von Lukas Heinser)

Zum ers­ten Mal von Tom Jones gehört habe ich, wie ver­mut­lich die meis­ten Men­schen mei­ner Gene­ra­ti­on, in „Mars Attacks!“, dem über­se­he­nen Meis­ter­werk von Tim Bur­ton. In dem Film grei­fen Mar­sia­ner die Erde an und sie tun das unter ande­rem in Las Vegas, wäh­rend Tom Jones auf der Büh­ne eines Casi­no-Hotels steht und – natür­lich – „It’s Not Unu­su­al“ singt. Jones spielt sich selbst, er wird im wei­te­ren Ver­lauf des Films mit Annet­te Bening und Janice Rive­ra zu den Tahoe-Höh­len flie­hen und, nach­dem die Mar­sia­ner besiegt sind und ein Fal­ke auf sei­nem Arm gelan­det ist, erneut „It’s Not Unu­su­al“ anstim­men. Eines der Top-10-Enden der Film­ge­schich­te. (Falls Ihr „Mars Attacks!“ noch nie gese­hen habt: Es ist, seit ich mit 13 im Kino war, einer mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­fil­me. Auch mehr als 25 Jah­re spä­ter muss ich immer noch sagen: 10/​10, ein Meis­ter­werk für alle Zei­ten. Guckt ihn Euch an!)

Für mei­ne Eltern und ihre Gene­ra­ti­on war Tom Jones damals im Wesent­li­chen eine etwas abge­half­ter­te Witz­fi­gur, nicht unähn­lich den ehe­ma­li­gen Schla­ger­stars, die bei Baum­artk­er­öff­nun­gen san­gen. Es waren die zyni­schen 1990er und die Qua­li­tä­ten, die es braucht, um Las Vegas resi­den­ci­es und Baum­artk­er­öff­nun­gen zu bestehen, wur­den allen­falls von Götz Als­mann gewür­digt. Da konn­te auch sein Mini-Come­back von 1994 nichts dran ändern, als er gemein­sam mit The Art Of Noi­se „Kiss“ von Prin­ce cover­te und mit sei­ner Ver­si­on für nicht weni­ge Kri­ti­ker das Ori­gi­nal über­traf.

Womög­lich war es eine Mischung aus 1990er-„Ironie“ und Teen­ager-Trotz, aber irgend­wie fand ich Tom Jones cool. Ent­spre­chend über­rascht war ich, als ich im Herbst 1999 in einem Elek­tronik­markt ein neu­es Album von ihm sah, gemein­sam mit Gast­stars wie The Car­di­gans, Rob­bie Wil­liams, Nata­lie Imbru­glia und Sim­ply Red, die mir natür­lich etwas sag­ten. Irgend­wie muss ich auch erkannt haben, dass es sich um jede Men­ge Cover­ver­sio­nen und Neu­ein­spie­lun­gen han­del­te, denn ich war ent­täuscht, dass „It’s Not Unu­su­al“ nicht dabei war, und so habe ich die CD zu die­sem Zeit­punkt nicht gekauft.

Doch dann kam der Auf­tritt bei „Wet­ten, dass ..?“: Nina Pers­son und die Jungs hat­ten sich trotz aller eige­nen Chart­erfol­ge ver­mut­lich nie vor­ge­stellt, ein­mal in die­ser selt­sa­men deut­schen Fern­seh­sen­dung, von der sich inter­na­tio­na­le Stars in first class loun­ges, Fes­ti­val-Back­stage-Berei­chen und bei Preis­ver­lei­hung fas­sungs­los erzäh­len, vor einem spre­chen­den Büh­nen­bild (ja, in der Tat: ein bren­nen­des Haus) einen Auf­tritt mit dem „Tiger“ zu absol­vie­ren, bei dem sie so tun, als wür­den sie gera­de ihre Ver­si­on von „Bur­ning Down The House“ live per­for­men. Ich kann­te das Ori­gi­nal von den Tal­king Heads nicht (und war, als ich es dann end­lich irgend­wann mal hör­te, nicht son­der­lich beein­druckt), aber die­ser Auf­tritt ließ mich direkt am dar­auf­fol­gen­den Mon­tag zu R&K in Dins­la­ken fah­ren und „Rel­oad“ doch noch kau­fen.

Das Album war für mich der Erst­kon­takt mit Acts wie The Divi­ne Come­dy, Baren­aked Ladies, Port­is­head, Cata­to­nia und Ste­reo­pho­nics und die ers­te CD in mei­ner Samm­lung, auf der The Car­di­gans und James Dean Brad­field von den Manic Streets Pre­a­chers zu hören waren – Acts, bei denen ich, wie auch bei Rob­bie Wil­liams, in der Fol­ge einen gewis­sen Hang zum Kom­plet­tis­mus ent­wi­ckeln soll­te. Es mach­te mich nicht nur mit „Bur­ning Down The House“ bekannt, son­dern auch mit Songs wie „All Mine“ (Port­is­head), „Never Tear Us Apart“ (INXS) und wahr­schein­lich auch „Lust For Life“ (Iggy Pop). Kurz­um: Es war ein Crash­kurs in Sachen Pop­kul­tur der vor­an­ge­gan­ge­nen Jahr­zehn­te und der Gegen­wart.

„Are You Gon­na Go My Way“ (Len­ny Kra­vitz) mit Rob­bie Wil­liams wirk­te nicht nur wegen des Titels wie die Über­ga­be eines Staf­fel­stabs. „Some­ti­mes We Cry“ von und mit Van Mor­ri­son, der als Ein­zi­ger einen sei­ner eige­nen Songs sang, rührt mich bis heu­te. James Dean Brad­field von den Manic Streets Pre­a­chers lie­fert bei „I’m Left, You’­re Right, She’s Gone“ (Elvis Pres­ley) eine der bes­ten Gesangs­leis­tun­gen sei­ner Kar­rie­re ab (Tom Jones schreibt, wenn ich das rich­tig erin­ne­re, in sei­ner Auto­bio­gra­phie, dass er Angst hat­te, ein Duett mit einem so begna­de­ten Sän­ger zu sin­gen, und ganz ehr­lich: Wenn Ihr kei­ne Gän­se­haut bekommt, wenn JDBs Stim­me zum ers­ten Mal in den Song rein­grätscht, kann ich Euch auch nicht hel­fen!). Selbst die Ideen, die auf dem Papier schlecht wir­ken, funk­tio­nie­ren im (hof­fent­lich weit auf­ge­dreh­ten) Laut­spre­cher: Soll­te man Iggy Pops „Lust For Life“ covern? Nein. Außer, wenn Chris­sie Hyn­de von The Pre­ten­ders und Tom Jones sin­gen. Dann unbe­dingt.

Dass ein Album mit 17 Tracks so sei­ne Län­gen hat, lässt sich schwer ver­mei­den: „Ain’t That A Lot Of Love“ mit fuck­ing Sim­ply Red? „She Dri­ves Me Cra­zy“ mit Zuc­che­ro? Ist doch schön, wenn Tom Jones so vie­le ange­sag­te Acts zum Mit­wir­ken bewe­gen konn­te!

Der gro­ße Hit, der zu einem spä­ten signa­tu­re song wer­den soll­te, war indes ein ande­rer: „Sex Bomb“, die ein­zi­ge Neu­kom­po­si­ti­on des Albums, aus der Feder des Han­no­ve­ra­ner Musik­pro­du­zen­ten Mousse T., der mit sei­nem Debüt-Hit „Hor­ny ’98“ bereits gezeigt hat­te, dass er stump­fes Rumpf-Gemumpf extrem cool und club­taug­lich klin­gen las­sen konn­te. Heu­te wür­de man anders dar­über den­ken, wenn ein 59-jäh­ri­ger Mann mit gefärb­tem Haupt­haar einer mut­maß­lich sehr viel jün­ge­ren Frau den Refrain „Sex­bomb, sex­bomb you’­re a sex­bomb /​ You can give it to me, when I need to come along /​ Sex­bomb, sex­bomb you’­re my sex­bomb /​ And baby you can turn me on“ ange­dei­hen las­sen woll­te, aber man muss Pop­kul­tur immer aus ihrem Zeit­geist lesen, wenn man sie irgend­wie ver­ste­hen will, und der Zeit­geist der aus­ge­hen­den 1990er Jah­re war eben so, dass ich ihn auf einer Web­site, die auch Min­der­jäh­ri­ge besu­chen kön­nen, schlecht aus­for­mu­lie­ren kann.

Ein­mal ange­fixt, tauch­te ich natür­lich in das Gesamt­werk des wali­si­schen Tigers ein – und, mei­ne Güte, waren da Hits, Hits, Hits! Gut: Die Mör­der­bal­la­de „Deli­lah“ wur­de in den letz­ten Jah­ren von Sport­ver­an­stal­tun­gen ver­bannt und auch die Sujets manch ande­rer Songs sind schlecht geal­tert, aber die­se Stim­me, die immer über irgend­wel­chen Sta­te-of-the-art-Arran­ge­ments schweb­te, lässt zumin­dest mich einen Tacken mehr durch­ge­hen las­sen als es bei ande­ren Acts der Fall wäre.

Tom Jones war – nach den Prin­zen 1994 – tat­säch­lich das zwei­te gro­ße Pop­kon­zert, das ich in mei­nem Leben besuch­te (im Mai 2000 mit mei­nen Eltern und mei­nem Bru­der in der Are­na Ober­hau­sen; das Kon­zert­pla­kat, das mein Vater auf dem Heim­weg von einem Maschen­draht­zaun abmon­tier­te, könn­te immer noch im Kel­ler mei­ner Eltern ste­hen) und auch wenn natür­lich kei­ner der „Reload“-Gäste dabei war, war es ein Erleb­nis. Jones leg­te in der wei­te­ren Fol­ge einen beein­dru­cken­den drit­ten (oder vier­ten oder fünf­ten) Kar­rie­re-Akt hin, indem er auf­hör­te, sei­ne Haa­re zu fär­ben, und begann, Folk- und Ame­ri­ca­na-Alben auf­zu­neh­men (ich habe im letz­ten Jahr zufäl­lig fest­ge­stellt, dass er eine Ver­si­on von „Char­lie Dar­win“ von The Low Anthem ver­öf­fent­licht hat!). Das hat­te Fol­gen, denn als ich ihn zum zwei­ten Mal live sah, spiel­te er die meis­ten sei­ner Klas­si­ker in kaum wie­der­zu­er­ken­nen­den Arran­ge­ments. Das Publi­kum wirk­te ein biss­chen ent­täuscht, aber mit damals schon 79 Jah­ren hat­te er sich das Recht erar­bei­tet, sei­ne Songs der­art zu dylani­sie­ren. Der über­ra­schen­de Ort die­ses über­ra­schen­den Auf­tritts: das Burg­thea­ter Dins­la­ken.

Tom Jones – Rel­oad
(Gut/​V2, 16. Sep­tem­ber 1999)
Apple Music
Spo­ti­fy
Ama­zon Music
Tidal

Kategorien
Musik Leben

25 Jahre „Performance And Cocktails“

Die­ser Ein­trag ist Teil 2 von bis­her 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.
Stereophonics - Performance And Cocktails (abfotografiert von Lukas Heinser)

Zum ers­ten Mal gehört habe ich von den Ste­reo­pho­nics auf „Rel­oad“, jenem Tom-Jones-Album von 1999, mit dem der „Tiger“ den drit­ten oder vier­ten Früh­ling sei­ner Kar­rie­re ein­lei­te­te, indem er mit jun­gen, ange­sag­ten Acts der Gegen­wart Songs cover­te, die alle­samt jün­ger waren als sei­ne eige­nen ers­ten Hits. (Das Album war auch mein Erst­kon­takt mit The Divi­ne Come­dy, Baren­aked Ladies, Cata­to­nia und Port­is­head und es ist mir genau gera­de auf­ge­fal­len, dass es eigent­lich unge­wöhn­lich ist, dass sich ein 16-Jäh­ri­ger das Spät­werk eines damals nur halb­her­zig als „Kult“ bezeich­ne­ten Croo­ners gekauft und dar­über zeit­ge­nös­si­sche Acts ken­nen­ge­lernt hat, aber ich war glü­hen­der Tom-Jones-Ver­eh­rer, seit ich ihn in „Mars Attacks!“ als nur halb­her­zig als „Kult“ zu bezeich­nen­de Ver­si­on sei­ner Selbst gese­hen hat­te.) Mit den Ste­reo­pho­nics sang der Wali­ser damals eine recht drän­gen­de Ver­si­on von Ran­dy New­mans „Mama Told Me Not To Come“, die bei mir so viel Ein­druck mach­te, dass ich mich der Band selbst in der Fol­ge­zeit näher­te.

Als wir im Juni 2000 mit unse­rem Latein­kurs eine Exkur­si­on nach Köln unter­nah­men und nach Besuch des Doms und des Römisch-Ger­ma­ni­schen Muse­ums noch Zeit zur frei­en Ver­fü­gung hat­ten, über­re­de­te ich mei­ne Freun­de, mit mir zum Saturn-Stamm­haus am Han­sa­ring zu lau­fen, um dort nach CDs zu gucken. Das war damals angeb­lich der größ­te Plat­ten­la­den Deutsch­lands mit zahl­rei­chen Eta­gen, Zwi­schen- und Kel­ler­ge­schos­sen, in denen es kein Tages­licht gab, und jedes Mal, wenn die S‑Bahn vor­bei­fuhr, vibrier­ten der Boden und die Rega­le vol­ler CDs und Schall­plat­ten. Und dort habe ich mir an jenem Tag die „Per­for­mance und Cock­tails“ der Ste­reo­pho­nics gekauft.

Wenn man erst­mal ca. 30 D‑Mark in ein Album inves­tiert hat­te, hör­te man es damals sehr inten­siv für die nächs­ten Mona­te — mei­ne CD-Samm­lung war ja auch noch im Auf­bau und so viel Aus­wahl hat­te ich gar nicht, wenn ich den gan­zen Tag Musik hören woll­te. Es wäre über­trie­ben zu behaup­ten, dass die Ste­reo­pho­nics damals zu mir gespro­chen hät­ten, aber ich moch­te die ener­ge­ti­schen Rock­songs, von denen es auf die­sem Album nur so wim­mel­te, und die etwas ruhi­ge­ren Mid­tem­po-Num­mern und Bal­la­den. Die Songs klan­gen alle, als hät­ten der Band beim Schrei­ben und Auf­neh­men ein biss­chen mehr als die übli­chen 230 Volt zur Ver­fü­gung gestan­den, und über die Stim­me von Sän­ger Kel­ly Jones konn­te man eigent­lich nicht schrei­ben oder spre­chen, ohne ein „Reib­ei­sen-“ davor zu set­zen. Wich­tig war mir aber auch, dass die Musik, die ich hör­te, in mei­ner Klas­sen­stu­fe ansons­ten eher unbe­kannt war — und die Ste­reo­pho­nics ver­kauf­ten im Ver­ei­nig­ten König­reich und vor allem in ihrer Hei­mat Wales zwar Sta­di­en aus, lie­fen in Deutsch­land aber weder bei Eins­li­ve noch bei Viva, was ich immer als gutes Zei­chen betrach­te­te.

So wur­de „Per­for­mance And Cock­tails“ zum Sound­track eines Som­mers; als ein­zel­ne Songs auf Mix­tapes und in vol­ler Län­ge in mei­nem Disc­man, zum Bei­spiel an die­sem einen Abend im Som­mer­ur­laub, als ich mit mei­ner Fami­lie ein Pick­nick am Strand von Dom­burg mach­te und die gan­ze Zeit einen Stöp­sel im Ohr hat­te. „The Bar­ten­der And The Thief“ hat mich gelehrt, wie man Upt­em­po-Num­mern schreibt, „I Stop­ped To Fill My Car Up“, wie man Geschich­ten erzählt. „Just Loo­king“ moch­te ich schon immer, aber ich habe erst mit zuneh­men­dem Alter ver­stan­den, wor­um es in die­sem Lied ging und wie sehr es von mir han­del­te: „There’s things I want /​ There’s things I think I want“, beginnt der Erzäh­ler, um sich dann zu fra­gen, was er eigent­lich will — und zwar vom Leben. Dane­ben ste­hen, beob­ach­ten, lächeln, spä­ter davon berich­ten, aber nie aktiv Teil des Gesche­hens sein (wol­len) — das hat lan­ge einen gro­ßen Teil mei­nes Lebens aus­ge­macht: „I’m just loo­king, I’m not buy­ing /​ I’m just loo­king, keeps me smi­ling“.

Ein paar Lebens­kri­sen und eine The­ra­pie spä­ter weiß ich heu­te sehr viel bes­ser, was ich will — und vor allem, was nicht. Wenigs­tens meis­tens. „You said that life is what you make of it /​ Yet most of us just fake“ soll nicht für mich gel­ten. Schon wegen die­ses kathar­ti­schen Songs mit­ten­drin wird „Per­for­mance And Cock­tails“ immer einen ganz beson­de­ren Platz in mei­nem Her­zen haben.


Ste­reo­pho­nics – Per­for­mance And Cock­tails
(V2 Music; 8. März 1999)
Apple Music
Spo­ti­fy
Ama­zon Music

Kategorien
Musik Digital

Word Gets Around

2010 scheint sich uner­freu­li­cher­wei­se als Jahr des gro­ßen Musi­ker­ster­bens in die Geschichts­bü­cher bren­nen zu wol­len: Stuart Cable, der frü­he­re Schlag­zeu­ger der Ste­reo­pho­nics, ist tot.

Wie mitt­ler­wei­le eigent­lich üblich, erreich­te mich die trau­ri­ge Nach­richt per Face­book.

Ich hät­te es aber auch zufäl­lig auf der Start­sei­te von – hold your breathBild.de erfah­ren kön­nen:

Stereophonics:
Ex-Drummer Stuart Cable ist tot

Nicht erfah­ren hät­te ich es hin­ge­gen (Stand 14.55 Uhr) auf den „News“-Seiten der Musik­zeit­schrif­ten „Visi­ons“, „Musik­ex­press“ und „Rol­ling Stone“. Aber was hät­te ich auch da gewollt?

Kategorien
Musik

The Class of ’99

New Radicals hören im ICE (Szene nachgestellt)

Heu­te vor zehn Jah­ren saß ich in einem Zug nach Ber­lin, hör­te „You Get What You Give“ von den New Radi­cals und damit begann dann mei­ne Musik­be­geis­te­rung (nach­zu­le­sen hier). ((Mir fiel gera­de erst auf, dass ich den Song ver­mut­lich nur des­halb im Bord­ra­dio gehört habe, weil ich den ursprüng­li­chen ICE ver­passt hat­te. Nach all die­sen Jah­ren stel­le ich fest, dass aus­ge­rech­net eine Regio­nal­bahn-Ver­spä­tung mein Leben ver­än­dert hat!))

In der Fol­ge­zeit fing ich an, Gitar­re zu ler­nen, in Bands zu spie­len, Fes­ti­vals zu besu­chen, über Musik zu schrei­ben und irgend­wann sogar Radio­sen­dun­gen dar­über zu mode­rie­ren. Am Jahr 1999 führt auch heu­te noch kein Weg dran vor­bei: Ein gro­ßer Teil mei­ner Lieb­lings­al­ben und ‑songs erschien in eben die­sem Jahr.

Mit ein wenig kul­tur­wis­sen­schaft­li­chem Über­mut könn­te man viel­leicht sogar das Fin de siè­cle bemü­hen um zu erklä­ren, war­um aus­ge­rech­net kurz vor dem Jahr­hun­dert­ende plötz­lich rei­hen­wei­se gro­ße Kunst ent­stand. Denn selbst wenn man zugu­te hält, dass 15, 16 immer ein beson­ders prä­gen­des Alter ist und Men­schen, die heu­te in die­sem Alter sind, ver­mut­lich in zehn Jah­ren das Glei­che über 2009 sagen wer­den: Vor zehn Jah­ren war eine gan­ze Rei­he von Bands und Künst­lern auf dem Höhe­punkt ihres Schaf­fens.

Da waren längst nicht nur die New Radi­cals mit ihrem ein­zi­gen Album: Ben Folds Five ver­aus­gab­ten sich mit ihrem Meis­ter­werk „The Unaut­ho­ri­zed Bio­gra­phy Of Rein­hold Mess­ner“ der­art, dass sie sich ein Jahr spä­ter auf­lös­ten; Tra­vis haben vie­le gute Alben auf­ge­nom­men, aber so dicht wie „The Man Who“ klang kei­nes mehr; Moby errich­te­te sich mit „Play“ sein eige­nes Denk­mal, von des­sen Lizen­sie­run­gen für Spiel­fil­me und Wer­be­spots er sich einen klei­nen Staat kau­fen könn­te. Und selbst, wenn ich eini­ge der ’99er Alben erst Jah­re ent­deck­te: Das war schon ein ganz beson­de­rer Jahr­gang.

Und damit Sie wis­sen, wovon zum Hen­ker ich eigent­lich rede, hier eine unsor­tier­te Lis­te von Alben aus besag­tem Jahr:

Tra­vis – The Man Who
Anspiel­tipp: Drift­wood
Ben Folds Five – The Unaut­ho­ri­zed Bio­gra­phy Of Rein­hold Mess­ner
Anspiel­tipp: Your Red­neck Past
New Radi­cals – May­be You’­ve Been Brain­wa­shed Too ((Dass das Album bereits im Okto­ber 1998 auf den Markt kam, ist ein Detail, durch das ich mir nicht mei­ne Geschich­te kaputt machen las­se.))
Anspiel­tipp: Flowers
Foo Figh­ters – The­re Is Not­hing Left To Lose
Anspiel­tipp: Next Year
Jim­my Eat World – Cla­ri­ty
Anspiel­tipp: Blis­ter
Ste­reo­pho­nics – Per­for­mance And Cock­tails
Anspiel­tipp: Just Loo­king
Moby – Play
Anspiel­tipp: Por­ce­lain
Red Hot Chi­li Pep­pers – Cali­for­ni­ca­ti­on
Anspiel­tipp: Scar Tis­sue
Toco­tro­nic – K.O.O.K.
Anspiel­tipp: Jack­pot
The Get Up Kids – Some­thing To Wri­te Home About
Anspiel­tipp: I’ll Catch You
Sigur Rós – Ágæ­tis Byr­jun
Anspiel­tipp: Svefn-G-Eng­lar
Wil­co – Sum­mer­tee­th
Anspiel­tipp: Nothing’severgonnastandinmyway(again)
3 Colours Red – Revolt
Anspiel­tipp: Beau­tiful Day
Blink-182 – Ene­ma Of The Sta­te
Anspiel­tipp: What’s My Age Again?
Blur – 13
Anspiel­tipp: Cof­fee And TV

Natür­lich erschie­nen danach noch vie­le groß­ar­ti­ge Alben (ein Jahr spä­ter bei­spiels­wei­se „Kid A“ von Radio­head und das Cold­play-Debüt „Parach­u­tes“), aber ein Jahr wie 1999 habe ich seit­dem nicht mehr erlebt.

Kategorien
Musik

Müssen alle mit

Wenn das Jahr so wei­ter geht, wird am Ende fast jeder mei­ner Lieb­lings­künst­ler ein neu­es Album ver­öf­fent­licht haben. Bereits erschie­nen sind ja schon die Alben von R.E.M., kett­car, Cold­play, Death Cab For Cutie, Sigur Rós und Niz­lo­pi, von Tra­vis gab es die (recht gelun­ge­ne) „J. Smith EP“, das Album dazu kommt im Herbst. Eben­falls bereits erschie­nen ist das Solo­de­büt von Jakob Dylan (The Wall­flowers).

Neue Alben ver­öf­fent­li­chen wer­den noch Ben Folds („Way To Nor­mal“, Sep­tem­ber – noch ohne deut­sches Label), Ste­reo­pho­nics (jetzt zu viert), Oasis („Dig Out Your Soul“, 6. Okto­ber), The Ver­ve („Forth“, 18. August), Star­sail­or („All The Plans“) und Tom­te (irgend­wann im Herbst).

Einen neu­en Song haben Bloc Par­ty ges­tern vor­ge­stellt. Er hört auf den Namen „Mer­cu­ry“ und klingt … etwas anstren­gend.

Das wird ganz schön hart für mög­li­che New­co­mer, sich bei mir über­haupt Gehör zu ver­schaf­fen.

Nach­trag, 23:55 Uhr: Ich hab Hotel Lights ver­ges­sen. Deren neu­es Album „Fire­cra­cker Peo­p­le“ erscheint im August in den USA.

Kategorien
Musik

What’s new to you?

Män­ner tun ja manch­mal merk­wür­di­ge Din­ge. Frau­en hei­ra­ten, zum Bei­spiel, oder acht­ein­halb Stun­den unter­wegs sein für 75 Minu­ten Kon­zert. Ich habe ges­tern letz­te­res gemacht und mir die Ste­reo­pho­nics ange­se­hen.

Erst muss man nach Köln fah­ren, was ja für sich genom­men schon schlimm genug ist, und dann steht man auch noch inmit­ten von ange­trun­ke­nen Bri­ten und alten Leu­ten, die aus­se­hen, als hät­ten sie eigent­lich zu Bryan Adams gehen wol­len, und wird mit dem Gesamt­werk der über­aus schreck­li­chen Band Live beschallt. Das aller­dings war, wie sich bald her­aus­stel­len soll­te, eine gute Vor­be­rei­tung auf die Vor­band Hero. Die ver­ein­ten näm­lich auf beein­dru­cken­de Wei­se so ziem­lich alles, was ich an Bands wie Sta­tus Quo, Bush, Simp­le Minds und INXS nicht aus­ste­hen kann, und hat­ten einen Sän­ger der aus­sah wie der von Right Said Fred. Danach lie­fen zum Glück die größ­ten Hits von The Clash.

Nach schier end­lo­sem und wie­der­hol­tem Gitar­ren­stim­men auf der Büh­ne (das ist so nicht Rock’n’Roll) gin­gen die Ste­reo­pho­nics nebst Zusatz­gi­tar­rist und ‑key­boar­der um Punkt 22:00 Uhr auf die Büh­ne. Da ich noch den letz­ten Zug nach Bochum erwi­schen muss­te, wuss­te ich schon, dass ich nicht das gan­ze Kon­zert wür­de sehen kön­nen. Das war aber erst mal egal, als die ers­ten Tak­te von „Bank Holi­day Mon­day“ erklan­gen und die Band los­leg­te wie ein Hau­fen jun­ger Hun­de.

Die Set­list war eine aus­ge­wo­ge­ne Zusam­men­stel­lung aus nahe­zu allen Schaf­fens­pe­ri­oden der Band, nur „You Got­ta Go The­re To Come Back“ blieb kom­plett außen vor. Am meis­ten gefei­ert wur­den die ganz neu­en Songs von „Pull The Pin“ und die Hits der ers­ten bei­den Alben – „Super­man“, „Devil“ und „Door­man“ von „Lan­guage. Sex. Vio­lence. Other?“ lie­fen irgend­wie ins Lee­re. Lei­der gab es nach dem furio­sen Auf­takt immer wie­der Hän­ger, „Pick A Part That’s New“ droh­te gar völ­lig aus­ein­an­der zu fal­len, so erschre­ckend lahm­ar­schig geriet der Refrain. „Traf­fic“ stand ähn­lich auf der Kip­pe, aber „Mr. Wri­ter“ und mein Pho­nics-Lieb­ling „Just Loo­king“ waren dafür makel­los.

Die Band war bes­tens gelaunt (ich glau­be, ich habe Kel­ly Jones vor­her noch nie lachen gese­hen) und ließ sich das auch nicht vom bis­wei­len etwas leb­lo­sen Publi­kum kaputt machen. Mit­sin­gen tut man in Deutsch­land halt nur bei Pur, kett­car und Oasis und groß Bewe­gen ging in der gut gefüll­ten und auf Sau­na­tem­pe­ra­tu­ren auf­ge­heiz­ten Live Music Hall auch nicht so gut. Zwi­schen „It Means Not­hing“, der ers­ten Sin­gle aus „Pull The Pin“, und dem Klas­si­ker „Local Boy In The Pho­to­graph“, der das regu­lä­re Set abschloss, gab es mit „My Own Worst Ene­my“ einen neu­en Song, der auch fürs nächs­te Album wie­der Mut macht: Die Ste­reo­pho­nics haben eben auf jedem Album eine Hand­voll wirk­lich guter Songs, wie es eine Kon­zert­be­su­che­rin auf dem Weg nach drau­ßen prä­zi­se zusam­men­fass­te.

Wegen des oben beschrie­be­nen Zeit­drucks (Kon­zer­te um 21:00 Uhr soll­ten unter der Woche ver­bo­ten wer­den), muss­te ich die Hal­le lei­der vor den Zuga­ben ver­las­sen. Wenn sich die Band an den Set­lis­ten der ande­ren Deutsch­land-Kon­zer­te ori­en­tiert hat, habe ich „Roll Up And Shi­ne“ und lei­der auch „Dako­ta“ ver­passt. Letz­te­res konn­te ich aber dank You­Tube heu­te früh noch nach­ho­len.

Mein ers­tes Ste­reo­pho­nics-Kon­zert seit sechs­ein­halb Jah­ren war ein biss­chen wie ein Tref­fen mit alten Freun­den: Man erin­nert sich gemein­sam an die schö­nen Zei­ten, als man noch jung war und durch die Gegend hüpf­te, hört inter­es­siert, was die ande­ren jetzt so machen, denkt sich zwi­schen­durch „Ich soll­te sowas nicht mehr machen“ und geht dann doch mit einem woh­li­gen Gefühl nach hau­se.

Set­list:

Kategorien
Musik

Listenpanik: Songs 2007

Nie­mand weiß so recht, war­um man sich aus­ge­rech­net immer den doch recht belie­bi­gen Zeit­raum eines Kalen­der­jah­res aus­sucht, um Lis­ten zu erstel­len von den Din­gen, die da waren und über die High­lights abstim­men zu las­sen. Aber es ist nun mal seit län­ge­rem so, dass im Dezem­ber zurück­ge­blickt, unver­gleich­li­ches ver­gli­chen und unbe­schreib­li­ches beschrie­ben wird. Und die­sem heid­ni­schen Brauch schlie­ße ich mich ger­ne an und eröff­ne mit der Lis­te mei­ner Songs Hym­nen des Jah­res:

1. Shout Out Louds – Tonight I Have To Lea­ve It
Der „Ach, das sind gar nicht The Cure?“-Song des Jah­res. Die Hym­ne des Hald­ern Pop Fes­ti­vals. Das Lied des Jah­res.

2. Kai­ser Chiefs – Ruby
Wie lang ist die Min­dest­halt­bar­keit für Mit­gröl­hym­nen? Erstaun­li­cher­wei­se doch schon fast ein gan­zes Jahr. Wenn man das Lied auch nach hun­dert Mal hören und im nüch­ter­nen Zustand noch gut fin­det, ist das schon die Sil­ber­me­dail­le wert.

3. Kili­ans – When Will I Ever Get Home
Let me intro­du­ce you to some fri­ends of mine. Gute Freun­de zu haben, die tol­le Musik machen, und sich mit ihnen über ihren Erfolg zu freu­en, ist das eine. Das ande­re ist, immer noch auf­rich­tig begeis­tert zu sein von einer mör­der­gu­ten Sta­di­on­rock-Hym­ne wie die Kili­ans die­se hier aus dem Ärmel geschüt­telt haben.

4. Wir Sind Hel­den – The Geek (Shall Inhe­rit)
Nicht, dass ich Wir Sind Hel­den nicht gene­rell für eine tol­le Band hal­ten wür­de, deren Auf­stieg ich seit bei­na­he dem ers­ten Tag mit Freu­den ver­fol­ge. Aber dass sie auf jedem ihrer guten bis sehr guten Alben immer noch einen Song drauf haben, der alle ande­ren um Mei­len über­ragt, macht sie noch ein biss­chen tol­ler. Nach „Denk­mal“ und „Wenn es pas­siert“ jetzt also „The Geek (Shall Inhe­rit)“, die Außen­sei­ter-Hym­ne des Jahr­zehnts.

5. Jus­ti­ce – D.A.N.C.E.
Viel­leicht der Kon­sens-Song des Jah­res: Ob Rocker, Hip-Hop­per oder Elek­tri­ker – auf „D.A.N.C.E.“ konn­ten sich (fast) alle eini­gen. Ein Tanz­bo­den­fül­ler son­der­glei­chen und ver­mut­lich eine der Num­mern, die man unse­ren Kin­dern in drei­ßig Jah­ren auf einem Sam­pler der „größ­ten Hym­nen der Nuller Jah­re“ im Tele­shop (bzw. des­sen Nach­nach­fol­ger) ver­kau­fen wird.

6. Just Jack – Starz In Their Eyes
Hip-Hop? Dis­co? Ein unglaub­lich gut gemach­ter Song mit einem sehr klu­gen Text und immensem Mit­wipp­f­ak­tor. Und jetzt las­sen Sie mich end­lich als Wer­be­tex­ter arbei­ten!

7. Mode­st Mou­se – Dash­board
Nach 14 Jah­ren Band­ge­schich­te gelang Mode­st Mou­se mit der ers­ten Sin­gle aus ihrem fünf­ten Album doch noch so etwas wie ein Durch­bruch. Mit die­ser Indiepop-Per­le, einem Ex-Schmitz an der Gitar­re und dem völ­lig über­dreh­ten Pira­ten-Video.

8. Bloc Par­ty – I Still Remem­ber
Bloc Par­ty haben mich mit ihrem Zweit­werk „A Weekend In The City“ so sehr über­zeugt, dass sie – so viel sei schon ver­ra­ten – zum zwei­ten Mal mein per­sön­li­ches Album des Jah­res stel­len. „I Still Remem­ber“ ist unter den alle­samt gro­ßen Songs der Plat­te der größ­te, weil er trotz des eher trau­ri­gen Tex­tes eine Eupho­rie ver­brei­tet, die einen für 3:50 Minu­ten alles ver­ges­sen lässt.

9. Tra­vis- Sel­fi­sh Jean
Wer hät­te gedacht, dass Tra­vis zehn Jah­re nach ihrem Debüt doch noch mal den Rock für sich ent­de­cken wür­den? Mit dem char­man­tes­ten „Lust For Life“-Ripoff seit … äh: „Lust For Life“ tan­zen sich die sym­pa­thischs­ten Schot­ten im Musik­ge­schäft in die Top 10.

10. Litt­le Man Tate – Euro­pean Lover
Wenn es die Kili­ans nicht gäbe, hät­ten Litt­le Man Tate gute Chan­cen auf mei­nen Titel „New­co­mer des Jah­res“. „Euro­pean Lover“ ist dabei der ein­gän­gigs­te, char­man­tes­te Song ihres Debüt­al­bums „About What You Know“.

11. Beat­steaks – Cut Off The Top
Zu den Beat­steaks muss man nicht mehr viel sagen, die haben immer schon fast alles rich­tig gemacht und mit „Lim­bo Mes­siah“ ist ihnen wie­der ein Top-Album gelun­gen. „Cut Off The Top“ besticht durch sei­nen trei­ben­den Beat und den phan­tas­ti­schen Mit­gr­öl-Refrain: „Dama­ge, dama­ge!“

12. Muff Pot­ter – Die Guten
War­um gibt es eigent­lich so vie­le gute deutsch­spra­chi­ge Songs über Bezie­hungs­en­den? Viel­leicht, weil es so vie­le deutsch­spra­chi­ge Songs über Bezie­hungs­en­den gibt und wenn man den gan­zen Müll von Revol­ver­held, Juli oder Sil­ber­mond weg­lässt, blei­ben eben die guten über. Oder, haha: „Die Guten“. Mit gewohnt tol­lem Text und schö­nen Jim­my-Eat-World-Gitar­ren errei­chen Muff Pot­ter ihre inzwi­schen schon tra­di­tio­nel­le Erwäh­nung auf mei­nen Bes­ten­lis­ten.

13. Rihan­na feat. Jay‑Z – Umbrel­la
Wenn ich an Kate­go­rien wie „Pein­lichs­tes Lieb­lings­lied“ glau­ben wür­de, stün­de die­ses Lied die­ses Jahr unan­ge­foch­ten auf Platz 1. Aber war­um soll­ten einem Lie­der, die man toll fin­det, pein­lich sein? Des­halb: „Umbrel­la“ ist ein tol­ler Song, der auch dann noch gut wäre, wenn Rihan­na eine dicke, alte Frau wäre. Punkt.

14. Babysham­bles – Deli­very
Wer Pete Doh­erty nur als Ex-Freund und Dro­gen­op­fer aus der Bou­le­vard­pres­se kennt, ist doof mag erstaunt sein, dass der Mann auch Musik macht – und zwar rich­tig gute. Mit der bes­ten Post-Liber­ti­nes-Sin­gle ever hat der Mann wie­der ein biss­chen an sei­nem Denk­mal gebaut, an des­sen Demon­ta­ge er sonst so eif­rig arbei­tet.

15. The Blood Arm – Sus­pi­cious Cha­rac­ter
Der Refrain des Jah­res: „I like all the girls and all the girls like me“, so lan­ge wie­der­holt, bis es der Dümms­te glaubt. Oder der Sän­ger selbst. Wenn man sol­che Rock­songs dann auch noch mit Kla­vie­ren auf­hübscht, kann man sich mei­ner Begeis­te­rung sicher sein.

16. Kate Nash – Foun­da­ti­ons
Irgend­wie schei­ne ich eine Schwä­che für Frau­en mit außer­ge­wöhn­li­chem bri­ti­schen Akzent zu haben. Was letz­tes Jahr Lily Allen war, ist die­ses Jahr Kate Nash. „Foun­da­ti­ons“ hat dar­über hin­aus einen char­man­ten Text, ein Kla­vier (s.o.) und ist sowie­so ein rund­her­um tol­ler Song.

17. The Wom­bats – Let’s Dance To Joy Divi­si­on
Erstaun­lich, dass es immer noch Bands gibt, die im Prin­zip genau die glei­che Musik wie alle ande­ren machen und trotz­dem viel, viel tol­ler sind. The Wom­bats sind so ein Fall einer mich über­ra­schen­der­wei­se begeis­tern­den Kapel­le, „Let’s Dance To Joy Divi­si­on“ eine äußerst gelun­ge­ne Sin­gle.

18. Lady Sove­reign – Love Me Or Hate Me
Dass die­ser Song in Deutsch­land kein Hit wur­de und Lady Sove­reign kein Star, hat mich dann doch über­rascht. Viel­leicht ist weib­lich, bri­tisch und rap­pen dann doch kei­ne Kom­bi­na­ti­on für „Bravo“-Leser. Scha­de eigent­lich, denn „Love Me Or Hate Me“ ist mein Hip-Hop-Song des Jah­res.

19. Stars – The Night Starts Here
Und hier die bei Cof­fee And TV am sträf­lichs­ten ver­nach­läs­sig­te Band des Jah­res: Stars. „In Our Bed­room After The War“ ist eine wahn­sin­nig gute Plat­te, die uns in der Lis­te der bes­ten Alben noch ein­mal recht weit vor­ne begeg­nen wird; „The Night Stars Here“ ist bes­ter orches­tra­ler Indiepop.

20. Maxï­mo Park – Girls Who Play Gui­tars
Maxï­mo Park waren neben Bloc Par­ty die span­nends­te Band der Class of 2005 und wie Bloc Par­ty haben auch sie die­ses Jahr ein über­zeu­gen­des Zweit­werk her­aus­ge­bracht. „Girls Who Play Gui­tars“ ist dabei noch einen Tacken bes­ser als die ande­ren Songs.

21. Bruce Springsteen – Radio Nowhe­re
Und hier der Alters­prä­si­dent mei­ner dies­jäh­ri­gen Bes­ten­lis­te, der Mann, den sie „Boss“ nen­nen. Wenn ich mit 56 noch Blog­ein­trä­ge schrei­be wie Bruce Springsteen Songs, wer­de ich mich sehr, sehr glück­lich schät­zen.

22. Mika – Grace Kel­ly
Wann fin­gen Mika und die­ser Song eigent­lich an zu ner­ven? Irgend­wann im Som­mer dürf­te es gewe­sen sein, wes­we­gen sich „Grace Kel­ly“ in der kon­ti­nu­ier­lich aktua­li­sier­ten Bes­ten­lis­te bestän­dig nach unten kämpf­te. Mit etwas Abstand betrach­tet ist das Lied dann aber immer noch ganz gut. Das kön­nen wir ja in zehn Jah­ren noch mal über­prü­fen.

23. Crow­ded House – Don’t Stop Now
Wen inter­es­sie­ren Led Zep­pe­lin, die vor 20 Mil­lio­nen Zuschau­ern hät­ten spie­len kön­nen? Das Come­back des Jah­res gelang Crow­ded House, die genau da wei­ter­ma­chen, wo sie vor elf Jah­ren auf­ge­hört haben: mit zeit­los-tol­len Pop­songs.

24. Toco­tro­nic – Imi­ta­tio­nen
Toco­tro­nic darf man jetzt wohl auch ruhi­gen Gewis­sens auf die Lis­te der Bands set­zen, die wohl nichts mehr falsch machen wer­den in ihrer Kar­rie­re. „Kapi­tu­la­ti­on“ ist wie­der ein her­aus­ra­gen­des, sehr klu­ges Album gewor­den, „Imi­ta­tio­nen“ eines der High­lights. „Dein gut ist mein gut /​ Dein schön ist mein schön.“

25. Ste­reo­pho­nics – Dai­sy Lane
Selbst auf ihren schwä­che­ren Alben hat­ten die Ste­reo­pho­nics immer min­des­tens einen Song, den ich noch gut fand. „Pull The Pin“ ist aber noch nicht mal ein schwa­ches Album. Das hyp­no­ti­sche „Dai­sy Lane“ ist den­noch das High­light der Plat­te und per­fekt geeig­net, die­se Lis­te zu beschlie­ßen.

Kategorien
Musik

Listenpanik 10/​07: Ein wenig unentschlossen

Eigent­lich mache ich die­se Bes­ten­lis­ten ja nur, damit ich am Ende des Jah­res weiß, wel­che Plat­ten und Songs ich bei diver­sen Jah­respolls, Abstim­mun­gen und Leser­um­fra­gen in die For­mu­la­re ein­tra­gen muss. Gucken wir also mal, was im Okto­ber so auf dem Schreib­tisch lie­gen- und im Ohr hän­gen­ge­blie­ben ist. Sie fin­den mich ein wenig unent­schlos­sen vor, man­ches Lob mag auch als Ver­riss durch­ge­hen und vice ver­sa. Bei eini­gen Punk­ten wer­de ich wohl Vor­wür­fe der Wan­kel­mü­tig­keit über mich erge­hen las­sen müs­sen. Aber egal: Man soll­te Musik mei­ne Mei­nung ja eh nicht so ernst neh­men.

Alben
1. Kate Nash – Made Of Bricks
Es wur­de auch mal lang­sam Zeit für eine „neue Lily Allen“, die alte ist schließ­lich schon seit mehr als einem Jahr dabei. Ja, Kate Nash ist tat­säch­lich erst 20 Jah­re alt und bas­telt ihre Songs zuhau­se am Lap­top zusam­men. Das an sich ist aber noch kei­ne Sen­sa­ti­on, lie­be Musik­jour­na­lis­ten! „Made Of Bricks“ ist auch kei­ne, aber den­noch ein über wei­te Stre­cken gutes, in eini­gen Momen­ten gar bril­lan­tes Album. So klingt im Jahr 2007 von Frau­en gemach­te Pop­mu­sik, wenn es wirk­lich um die Musik und nicht um Foto­stre­cken geht.

2. Radio­head – In Rain­bows
Hat­te ich nicht geschrie­ben, das neue Radio­head-Album sei sehr gut, gebe mir per­sön­lich aber nichts? Doch, das hat­te ich. Aber außer­halb der eige­nen vier Wän­de, in einer reg­ne­ri­schen, kal­ten Okto­ber­nacht, bekam ich dann doch plötz­lich eine Gän­se­haut bei „All I Need“. So ganz warm gewor­den mit „In Rain­bows“ bin ich immer noch nicht, aber es ist schon ein beein­dru­cken­des Album.

3. Jim­my Eat World – Cha­se This Light
Hat­te ich nicht geschrie­ben, das Album wäre eigen­schafts­los und „irgend­wie egal“? Natür­lich hat­te ich das. Aber irgend­ei­nen Grund muss es ja geben, dass ich „Cha­se This Light“ in den letz­ten Wochen trotz­dem bei­na­ge täg­lich gehört habe. Mög­li­cher­wei­se gefällt es mir also doch, obwohl es dafür eigent­lich gar kei­nen Grund gäbe. Aber man muss ja nicht immer für alles einen Grund haben.

4. Under­world – Obli­vi­on With Bells
Ich kann nicht über elek­tro­ni­sche Musik schrei­ben. Es wür­de wir­res Zeug dabei raus­kom­men mit ver­un­glück­ten Meta­phern und bedeu­tungs­lo­sen Wor­ten wie „plu­ckern“, „urban“ oder „sphä­risch“. Also schwär­me ich lie­ber davon, wie toll es ist, zu den Klän­gen von Under­worlds neu­er CD durch dunk­le Groß­städ­te zu lau­fen oder U‑Bahn zu fah­ren. „Obli­vi­on With Bells“ ist für mich die bes­te Elek­tro-Plat­te seit dem Pos­tal-Ser­vice-Debüt, aber was weiß ich von Elek­tro?

5. Man­do Diao – Never Seen The Light Of Day
Weil sie den Ver­trag mit ihrer Plat­ten­fir­ma mög­lichst schnell erfül­len woll­ten, haben Man­do Diao inner­halb von zwei Wochen mit Björn Ols­son von The Sound­track Of Our Lives ein Album ange­nom­men, das betont unkom­mer­zi­ell und ver­stö­rend sein soll. Die­se Vor­ge­schich­te zu ken­nen ist wich­tig, weil man ansons­ten hoch­gra­dig ver­wirrt sein könn­te. Her­aus­ge­kom­men ist eine erstaun­lich akus­ti­sche, melan­cho­li­sche, erwach­se­ne, mit­un­ter auch ein­fach kran­ke Plat­te, die in ihren bes­ten Momen­ten an die Shout Out Louds erin­nert, in ihren schwä­che­ren an die übli­chen Man­do-Diao-Num­mern.

Songs (inkl. You­Tube-Links)
1. Kate Nash – Foun­da­ti­ons
Wenn Sie mal gezwun­gen wer­den soll­ten, zu erklä­ren, war­um eng­lisch­spra­chi­ge Pop­mu­sik im Zwei­fels­fal­le bes­ser ist als deutsch­spra­chi­ge, ver­wei­sen Sie auf „Foun­da­ti­ons“: So einen char­man­ten Text über eine deso­la­te Bezie­hung wür­den Sil­ber­mond, Juli oder Yvonne Cat­ter­feld im Leben nicht hin­krie­gen. Und dann ist da noch die­ser groß­ar­ti­ge Refrain und die­ser wun­der­vol­le Akzent. Ver­wei­sen Sie ein­fach auf „Foun­da­ti­ons“, wenn Sie irgend­was im Bezug auf Pop­mu­sik erklä­ren sol­len.

2. Bruce Springsteen – Radio Nowhe­re
Sagen Sie nichts gegen Bruce Springsteen! Wirk­lich: Nichts!
Der gro­ße alte Mann (inzwi­schen auch schon 58) des ame­ri­ka­ni­schen Sta­di­on­rocks hat es nach wie vor raus und zeigt dem Nach­wuchs mal kurz, wie man eine cat­chy Radio-Sin­gle schreibt, die trotz­dem rich­tig gut ist.

3. Babysham­bles – Deli­very
Mensch­lich wäre es tra­gisch, wenn Pete Doh­erty wie­der rück­fäl­lig wür­de. Musi­ka­lisch aber auch, denn das neue Babysham­bles-Album, das er angeb­lich clean auf­ge­nom­men hat, ist ganz aus­ge­zeich­net gewor­den. „Deli­very“ ist bes­ser als alles, was die Babysham­bles bis­her ver­öf­fent­licht haben, der Song kommt sogar an die bes­ten Liber­ti­nes-Sachen her­an. Was will man mehr? Außer, dass Doh­erty sau­ber bleibt …

4. Ste­reo­pho­nics – Dai­sy Lane
Ein bezau­bern­des, vor sich hin schlur­fen­des Lied über all­täg­li­che Gewalt. Das deut­li­che High­light der auch ansons­ten recht gelun­ge­nen neu­en Ste­reo­pho­nics-Plat­te „Pull The Pin“.

5. Com­mon feat. Lily Allen – Dri­vin‘ Me Wild
Bevor sie knapp die Hälf­te ihres Kör­pers­ge­wichts abnahm und Unter­wä­sche-Model wur­de, war Lily Allen für etwa ein Jahr auch mal als Musi­ke­rin bekannt. Ver­mut­lich wird sie bald auf jedem zwei­ten Hip-Hop-Album als Gast­star zu hören sein, aber wenn das immer so … äh: char­mant klingt wie die Zusam­men­ar­beit mit dem Chi­ca­go­er Rap­per Com­mon, geht auch das völ­lig in Ord­nung.

Kategorien
Musik

Vom Ziehen und Jagen der alten Liebe

Musi­ka­lisch ist das Jahr 2007 für mich bis­her eine andau­ern­de Zeit­rei­se zurück in die Tage, als ich Rock­mu­sik für mich ent­deck­te. Zahl­rei­che Bands, die mich seit Beginn die­ses Jahr­zehnts (oder noch län­ger) beglei­ten, haben neue Alben ver­öf­fent­licht, dar­un­ter Tra­vis, Manic Street Pre­a­chers, Smas­hing Pump­kins, Foo Figh­ters und Wea­k­erthans, Radio­head und Crow­ded House. Dazu noch Air und The Ata­ris und bevor ich mich bis zu Joni Mit­chell und Bruce Springsteen rüber­han­gel, krieg ich mal bes­ser die Kur­ve und sage: Wirk­lich vie­le Bands.

In den letz­ten Wochen kamen noch zwei Bands mit ihrem jeweils sechs­ten Album dazu: Ste­reo­pho­nics mit „Pull The Pin“ am 12. Okto­ber und Jim­my Eat World mit „Cha­se This Light“ am letz­ten Frei­tag.

Ich hat­te es schon mal erwähnt: Mit den Ste­reo­pho­nics ver­bin­det mich eine ganz beson­de­re Hass­lie­be. Als die letz­ten bei­den Stu­dio­al­ben erschie­nen, konn­te ich damit über­haupt nichts anfan­gen und schrieb jeweils recht har­sche Ver­ris­se. Inzwi­schen habe ich mir bei­de Alben eini­ger­ma­ßen schön­ge­hört, zumin­dest habe ich auf bei­den noch Songs ent­de­cken kön­nen, die für mich inzwi­schen bei­na­he in einer Liga mit „A Thousand Trees“, „Traf­fic“ oder „Just Loo­king“ spie­len.

Auch „It Means Not­hing“, die Vor­ab­sin­gle aus „Pull The Pin“, brauch­te eini­ge Durch­läu­fe, aber sie wuchs mit jedem Mal und ist inzwi­schen auch in mei­nem Her­zen ange­kom­men – aller­dings nur auf Platz 2 hin­ter „Dai­sy Lane“. Bei­de Songs fol­gen der glei­chen Blau­pau­se, die auch schon „May­be Tomor­row“, „I’m Alright“ und „Rewind“ so unwi­der­steh­lich mach­ten: Hyp­no­ti­scher Breit­wand­rock in End­los­schlei­fe, U2 und Rol­lings­to­nes im Qua­drat. Dass „Dai­sy Lane“ nicht mal einen Refrain, son­dern nur ein lang­ge­zo­ge­nes „Bab­ad­a­ba­da ba ba ba“ hat, macht den Song eigent­lich nur noch schö­ner.

Aber auch auf der ande­ren Sei­te, dem deut­li­chen Rock­song, haben die Pho­nics end­gül­tig wie­der Boden unter den Füßen: „Bank Holi­day Mon­day“ mag ein biss­chen schlicht, „Ladyluck“ ein biss­chen zu kal­ku­liert Snow-Pat­ro­lig sein, aber allein ein Stamp­fer wie „Lose Ya“, der mit herr­lich schlich­tem Inhalt und grad­li­ni­gem Geschram­mel an die Anfangs­ta­ge der Band erin­nert, gleicht das wie­der aus.

Die Ste­reo­pho­nics wer­den wohl nie wie­der so gut sein wie auf ihren ers­ten bei­den Alben, aber nach den ins­ge­samt doch recht schwa­chen letz­ten Wer­ken ist ihnen mit „Pull The Pin“ end­lich mal wie­der ein Album gelun­gen, das man von beru­higt durch­hö­ren kann.

Durch­hö­ren kann man sicher­lich auch „Cha­se This Light“ von Jim­my Eat World, aller­dings fra­ge ich mich auch meh­re­ren Tagen des inten­si­ven Hörens, was man davon hat. Zwölf gefäl­li­ge Rock­songs, glatt­po­liert bis alles glit­zert und nichts mehr hän­gen bleibt – so kann­te man das Quar­tett aus Ari­zo­na eigent­lich gar nicht. Zwar hat­ten sie sich nach ihrem Über­al­bum „Cla­ri­ty“, das heu­te zu den Mei­len­stei­nen des Emo zählt, den etwas pop­pi­ge­ren Songs zuge­wen­det – die­se waren aber wenigs­tens ein­gäng­lich. „Futures“ vor drei Jah­ren gefiel nicht allen, aber ich moch­te es. Bei „Cha­se This Light“ bin ich mir immer noch nicht sicher.

Viel­leicht liegt es an Exe­cu­ti­ve Pro­du­cer Butch Vig, der seit mehr als zehn Jah­ren kein gutes Album mehr pro­du­ziert hat, viel­leicht liegt es am Song­wri­ting, dass Jim­my Eat World inzwi­schen wie Vega4, The Upper Room oder The Fee­ling klin­gen – oder min­des­tens wie Weezer ab dem grü­nen Album. Schlecht ist das Album des­halb nicht unbe­dingt, aber irgend­wie egal. „Let It Hap­pen“ und „Got­ta Be Somebody’s Blues“ wären auf frü­he­ren Alben Bei­werk gewe­sen, hier zäh­len sie schon zu den High­lights.

Das merk­wür­di­ge dar­an: Einer­seits tut es weh, eine ehe­mals so span­nen­de Band so zu hören, ande­rer­seits sind es die immer mal wie­der durch­schim­mern­den Über­res­te der alten Jim­my Eat World (bzw. die wach­ge­ru­fe­ne Erin­ne­rung an alte Groß­ta­ten), die das Album über­haupt erst hörens­wert machen. Ich weiß nicht, ob ich „Cha­se This Light“ als Werk einer ande­ren (neu­en) Band bes­ser fän­de – oder wirk­lich lang­wei­lig. „Here It Goes“ wäre ein char­man­ter Pop­song, wenn er von einer jun­gen bri­ti­schen Band käme, aber zu Jim­my Eat World pas­sen Hand­claps und „Hey, hey, hey!“-Chöre irgend­wie nur bedingt. Der Titel­track macht es deut­lich: Die Ideen, die sie auf „Cha­se This Light“ ver­ar­bei­tet haben, hat­ten Jim­my Eat World alle schon mal – und frü­her klan­gen sie bes­ser.

Eigent­lich ist es aber fast egal, wie „Pull The Pin“ und „Cha­se This Light“ klin­gen: Bei­de Bands ste­hen auf der Lis­te mei­ner Teenage-Lieb­lin­ge. Und so, wie man die Mäd­chen, für die man zu Schul­zei­ten schwärm­te, nie rich­tig doof fin­den kön­nen wird, so fin­det man halt auch bei Bands, die einen schon so lan­ge beglei­ten, immer irgend­was zum Mögen.

Kategorien
Musik

Listenpanik 09/​07: Sie sind wieder da-ha!

Wie mir erst sehr spät auf­fiel, gab es im Sep­tem­ber gar kei­ne Bes­ten­lis­te für den August. Das lag wohl dar­an, dass mir zwi­schen­zeit­lich mein Arbeits- und Musikab­spiel­ge­rät abhan­den gekom­men war. Egal, dann star­ten wir eben jetzt frisch in die neue Run­de mit einer neu­en, wie immer streng sub­jek­ti­ven Bes­ten­lis­te.

Dabei gibt es noch eine Neue­rung: Weil ich am Ende des Jah­res eh immer mei­ne liebs­ten Songs zusam­men­fas­se und das nicht zwangs­läu­fig Sin­gles sein müs­sen, wer­de ich ab jetzt hier die schöns­ten Songs des Vor­mo­nats vor­stel­len. Das hat meh­re­re Vor­tei­le: Die bes­ten Songs eines Albums erschei­nen nicht immer auch als Sin­gle, ich muss mich nicht mehr durch Lis­ten mit Sin­gle-VÖ-Daten quä­len und ich kann auch schon ruhi­gen Gewis­sens Songs nen­nen, die erst im Radio lau­fen, aber noch nicht als Sin­gle erschie­nen sind.

Jetzt aber wirk­lich los:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. The Wea­k­erthans – Reuni­on Tour
Über mei­nem Schreib­tisch hängt ein signier­tes Wea­k­erthans-Pos­ter, muss ich da noch mehr sagen?
Na gut: Die Kana­di­er waren natür­lich nie der­art „weg“, dass das Gere­de von einer „Reuni­on Tour“ gerecht­fer­tigt wäre. Trotz­dem sind sie jetzt eben wie­der da und machen naht­los da wei­ter, wo sie mit „Recon­s­truc­tion Site“ (dem ja auch kein Abriss vor­aus­ging) auf­ge­hört haben: Wun­der­schö­ner Indiepop mit Folk­ein­flüs­sen, lieb­li­chen Har­mo­nien und sehr klu­gen Tex­ten von John K. Sam­son. Ich habe das Gefühl, dies­mal ein paar mehr Beat­les-Ein­flüs­se erkannt zu haben, als man bei den Wea­k­erthans sonst erwar­ten wür­de, aber wel­cher Band hät­te sol­ches schon gescha­det?
Ich möch­te mich bereits jetzt fest­le­gen und sagen: Das Herbst­al­bum des Jah­res!

2. Kili­ans – Kill The Kili­ans
„Wie? Nicht auf der 1?!“ Zuge­ge­ben: Das wäre nach allem Thea­ter hier nahe­lie­gend gewe­sen. Aber ich will mal so fair sein und sagen, dass ich mir bei mei­ner Nähe zu der Band eh kein rich­ti­ges Urteil erlau­ben könn­te („objek­tiv“ wäre eh das denk­bar fal­sche Wort für Musik­be­spre­chun­gen). Also habe ich lie­ber den Wea­k­erthans den Vor­zug gege­ben, bei denen ich mir sicher bin, dass ich das Album lie­be. Lie­ben tue ich „Kill The Kili­ans“ natür­lich auch, aber eben eher so wie ein Geschwis­ter­kind, mit dem man zusam­men auf­ge­wach­sen ist.
Ich war immer etwas in Sor­ge, ob man die Live-Ener­gie die­ser Band auf Plat­te wür­de ban­nen kön­nen. Swen Mey­er hat es nicht ganz geschafft, aber er war klug genug, den Sound des­halb etwas zu polie­ren, damit es wirk­lich wie ein Album klingt und nicht wie ein miss­glück­ter Kon­zert­mit­schnitt. Klingt zu kom­pli­ziert? Dann hören Sie mal die ers­ten bei­den Tra­vis-Alben hin­ter­ein­an­der und Sie ver­ste­hen, wie ich das mei­ne.
Ansons­ten natür­lich: Gro­ßes Song­wri­ting, sau­be­re Arbeit, eigent­lich alles rich­tig gemacht. Nuff said!

3. Foo Figh­ters – Echo­es, Silence, Pati­ence & Grace
Will­kom­men im Monat der Lieb­lings­band-Ver­öf­fent­li­chun­gen!
Dave Grohl ist natür­lich die cools­te Sau im Rock­ge­schäft, dar­über muss man nicht dis­ku­tie­ren. Sei­ne Foo Figh­ters sind auch immer schon groß gewe­sen, aber bis auf „The­re Is Not­hing Left To Lose“ fand ich die Alben immer schwer durch­hör­bar. Das ändert sich jetzt mit dem neu­en Album, des­sen Namen ich jedes Mal nach­gu­cken muss: Hier stimmt das Gleich­ge­wicht von laut und lei­se, von Brett und Hym­ne.
Näher wer­den die Foo Figh­ters ihren Vor­bil­dern von Led Zep­pe­lin viel­leicht nie kom­men, was aber wohl auch ganz gut ist.

4. Kanye West – Gra­dua­ti­on
Ich habe kei­ne Ahnung, war­um ich in den letz­ten andert­halb Jah­ren eine sol­che Begeis­te­rung für Hip­Hop und R’n’B ent­wi­ckelt habe, aber viel­leicht liegt es ein­fach dar­an, dass man mit zuneh­men­dem Alter auf Schub­la­den­den­ken ver­zich­tet, und an der zuneh­men­den Qua­li­tät der ent­spre­chen­den Alben.
Neh­men wir Kanye West: Sam­pelt rotz­frech Daft Punk und Stee­ly Dan (Stee­ly Dan, mei­ne Damen und Herren!!!!1) und arbei­tet mit der neu­en Hip­Hop-Iko­ne Chris Mar­tin zusam­men. Allein aus den Zuta­ten muss jeder, der kein abso­lu­ter Voll­idi­ot ist, doch ein brauch­ba­res Album zusam­men­bau­en. Und da die­se Namen bei Mr. West wirk­lich nur die Spit­ze des Eis­bergs bil­den, ist „Gra­dua­ti­on“ ein wirk­lich gelun­ge­nes Album gewor­den.
Dass der Release des Albums einen Oasis-vs-Blur-mäßi­gen Show­down mit 50 Cent bedeu­te­te, könn­te natür­lich ein wei­te­rer Cool­ness-Fak­tor für mich sein …

5. The Robo­cop Kraus – Blun­ders And Mista­kes
The Robo­cop Kraus schrapp­ten irgend­wie immer haar­scharf an dem vor­bei, was man „Zeit­geist“ nennt. Das ist aber erstaun­li­cher­wei­se gar nicht schlimm, im Gegen­teil: Wür­den sie heu­te noch so abge­hack­te Rhyth­men und hart ange­schla­ge­ne Gitar­ren ver­wen­den wie vor zwei Jah­ren auf „They Think They Are The Robo­cop Kraus“, so wäre das erstaun­lich lang­wei­lig. Des­halb spie­len sie lie­ber – Ach­tung! – gut­ge­laun­ten Indiepop, den man zwar – fest­hal­ten! – von der Insel kennt, aber eben nicht aus Nürn­berg (mehr zum The­ma Pro­vinz und Rock fin­den Sie hier).
Außer­dem soll­te noch irgend­je­mand die­ses wirk­lich außer­ge­wöhn­lich char­man­te Cover-Art­work loben …

Songs (inkl. iTu­nes-Links)
1. Kili­ans – When Will I Ever Get Home
Da hat man eine Band fünf­zehn Mal live gese­hen, glaubt alle ihre Songs zu ken­nen, und dann legt man die CD zum ers­ten Mal ein und sieht sei­nem Unter­kie­fer gera­de noch dabei zu, wie er auf den Fuß­bo­den auf­schlägt. So und nicht anders klingt Sta­di­on­rock, der sich einen Scheiß um die Mul­ti­funk­ti­ons­are­nen die­ser Welt schert. Selbst U2 und die Ste­reo­pho­nics sehen gegen die­se Gitar­ren­wän­de alt aus – die haben aller­dings auch jeweils nur einen Gitar­ris­ten und nicht derer drei.
Das ist die Musik, die man hören will, wenn man nachts betrun­ken mit dem Fahr­rad nach Hau­se fährt: Arme aus­brei­ten, mit­sin­gen und dann gegen den Bord­stein fah­ren und auf die Fres­se flie­gen.

2. The Wea­k­erthans – Civil Twi­light
So müs­sen Alben begin­nen: Genug Schwung in den Stro­phen auf­neh­men und dann im Refrain zur gro­ßen Hym­ne öff­nen. Dazu ein Text, in dem es ums Gol­fen, Hol­ly­wood­schau­spie­le­rin­nen und Ris­se in Miets­häu­sern geht.
Hat­te ich schon erwähnt, wie sehr ich die Wea­k­erthans ver­eh­re?

3. Shout Out Louds – Impos­si­ble
Die Nicht­er­wäh­nung des groß­ar­ti­gen Albums „Our Ill Wills“ ist jetzt schon einer der gröbs­ten Schnit­zer der Lis­ten­pa­nik-Serie. Immer­hin „Tonight I Have To Lea­ve It“ hat­te ich abge­fei­ert, des­halb soll auch die zwei­te Sin­gle aus dem zwei­ten Shout-Out-Louds-Album ihre Wür­di­gung erfah­ren. Nicht zuletzt des­halb, weil die Lis­te der Pop­songs mit Xylo­phon-Beglei­tung immer noch viel zu kurz ist.

4. Ste­reo­pho­nics – It Means Not­hing
Aus mir selbst nicht ganz ver­ständ­li­chen Grün­den haben mich die Ste­reo­pho­nics auch nach sie­ben Jah­ren Fan­dom und meh­re­ren medio­kren Alben nicht los­ge­las­sen. „It Means Not­hing“ ist eine die­ser schlei­chen­den Num­mern vol­ler End­los­schlei­fen, die Kel­ly Jones seit ein paar Jah­ren so ger­ne schreibt. Der Song braucht Zeit, man muss ihn ziem­lich oft hören, bis einem (viel­leicht) die Schön­heit dahin­ter auf­fällt.
Sehr emp­feh­lens­wert beim S‑Bahn-Fah­ren im strö­men­den Regen.

5. Rihan­na – Don’t Stop The Music
Eigent­lich ist es zu spät, um die Bril­lanz des Über­hits „Umbrel­la“ zu wür­di­gen, oder auch nur das über­ra­schend ein­gän­gi­ge Album „Good Girl Gone Bad“ zu loben. Bei­de sind schon Mona­te alt, im schnell­le­bi­gen Musik­biz eine hal­be Ewig­keit. Aber weil mich bei­des so begeis­tert hat, dass ich das sogar öffent­lich zuge­be, woll­te ich noch irgend­was gutes über Frau und Musik schrei­ben und nut­ze die Gele­gen­heit, dass „Don’t Stop The Music“, ein eben­falls sehr gelun­ge­ner (wenn auch natür­lich nicht an „Umbrel­la“ her­an­rei­chen­der) Tanz­bo­den­stamp­fer, im Sep­tem­ber als Sin­gle ver­öf­fent­licht wur­de.

Kategorien
Musik

Have A Nice Day

In Eng­land und Wales ist soeben der Sum­mer Bank Holi­day zu Ende gegan­gen. Das nut­ze ich als scham- und sinn­lo­sen Auf­hän­ger, um dar­auf hin­zu­wei­sen, dass man auf der Sei­te von V2 Records den neu­en Ste­reo­pho­nics-Song „Bank Holi­day Mon­day“ kos­ten­los her­un­ter­la­den kann. Und zwar genau hier.

Die Ste­reo­pho­nics haben ja schon musi­ka­li­sche Höhen wie Tie­fen erlebt, aber irgend­wie bin ich die­ser Band immer treu geblie­ben und hat­te irgend­wann auch den größ­ten Schmu lieb­ge­won­nen. Des­we­gen bin ich auch gespannt, wie das neue Album „Pull The Pin“, das in Deutsch­land – *tadaa!* – an mei­nem Geburts­tag erschei­nen soll, wohl so klingt. Das recht old­schoo­lig rocken­de „Bank Holi­day Mon­day“ wird mit drauf sein, die Vor­ab-Sin­gle „It Means Not­hing“, die ein biss­chen lang­wei­li­ger hyp­no­ti­scher gera­ten ist, kann man jetzt schon bei MySpace hören.