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Songs des Jahres 2022

Ich brau­che tra­di­tio­nell immer ein biss­chen län­ger, um mei­ne Songs des Jah­res zusam­men­zu­stel­len, aber ich fin­de das bes­ser, als das Jahr schon im Novem­ber ein­pa­cken zu wol­len; hier ist mein Blog mit mei­nen Regeln und außer­dem ist ja noch Janu­ar. Also: Hier sind – Stand jetzt – mei­ne Lieb­lings­lie­der des Jah­res 2022!

25. Death Cab For Cutie – Here To Fore­ver
Ben Gib­bards Lyrics sind ja mit­un­ter so spe­zi­fisch, dass sie schon zum Meme tau­gen. Das muss natür­lich nicht schlecht sein, im Gegen­teil:

In every movie I watch from the ’50s
There’s only one thought that swirls
Around my head now
And that’s that ever­yo­ne the­re on the screen
Yeah, ever­yo­ne the­re on the screen
Well, they’­re all dead now

Damit hat er ein­mal mehr einen Gedan­ken aus­for­mu­liert, den ich so oder so ähn­lich selbst schon oft hat­te. Und wenn Du dann am Tag nach dem Tod Dei­ner Groß­mutter im Wohn­zim­mer des Groß­el­tern­hau­ses stehst, auf einem Regal die Fotos all der Groß­tan­ten und ‑onkel, dann knal­len die­se Zei­len noch mal ganz neu in die offe­ne Wun­de: Die sind jetzt alle tot. Das neue Death-Cab-Album „Asphalt Mea­dows“ hat mich irgend­wie nicht so rich­tig abge­holt, aber die­ser Song wird immer Teil mei­ner Geschich­te sein.

24. Nina Chuba – Wild­ber­ry Lil­let
Ich bin jetzt in einem Alter, wo es zuneh­mend schwer wird, mit den jun­gen Leu­ten Schritt zu hal­ten – vor allem, wenn man kei­nen Bock hat, sich chi­ne­si­sche Spio­na­ge-Soft­ware aufs Han­dy zu laden. Ich habe die­ses Lied also erst rela­tiv spät in einem prä­his­to­ri­schen Medi­um namens Musik­fern­se­hen ent­deckt, aber mir war sofort klar, war­um das ein Hit ist: Die­se Hook, die gekonnt auf der Gren­ze zwi­schen „ein­gän­gig“ und „ner­vig“ hüpft; die­se Lyrics, die im klas­sischs­ten Sin­ne das durch­spie­len, was wir musi­cal thea­ter kids den „I Want“-Song nen­nen, und dabei sowohl im Dicke-Hose-Rap („Ich will Immos, ich will Dol­lars, ich will flie­gen wie bei Mar­vel“) abschöp­fen, als auch fast rüh­rend kind­lich („Will, dass alle mei­ne Freun­de bei mir woh­nen in der Stra­ße“) daher­kom­men; die­se fröh­lich-rum­pe­li­ge Pip­pi-Lang­strumpf-Hal­tung, mit der wie­der mal eine neue Gene­ra­ti­on ihren Teil vom Kuchen ein­for­dert – oder hier gleich die gan­ze Bäcke­rei („Ich hab‘ Hun­ger, also nehm‘ ich mir alles vom Buf­fet“). Und mit­ten­drin eine Zei­le, die man als immer jugend­li­chen Trotz lesen kann – oder als wahn­sin­nig trau­ri­gen Fata­lis­mus: „Ich will nicht alt wer­den“. Wenn man den Song feuil­le­to­nis­tisch nase­rümp­fend neben den „Fri­days For Future“-Aktivismus legt, wird man fest­stel­len, dass die Jugend (Nina Chuba ist da mit 24 gera­de noch im rich­ti­gen Alter für den Song) ganz schön wider­sprüch­lich sein kann: „We’­re the young gene­ra­ti­on, and we’­ve got some­thing to say“ hat­ten die Mon­kees ja schon 1967 gesun­gen – und dar­über hin­aus nichts zu sagen gehabt, wäh­rend zeit­gleich mal wie­der eine Zei­ten­wen­de aus­brach.

23. Har­ry Styl­es – As It Was
Damit hät­te jetzt auch nie­mand rech­nen kön­nen, dass aus­ge­rech­net „Take On Me“ von a‑ha mal zu einem der prä­gends­ten Ein­flüs­se auf eine neue Gene­ra­ti­on Pop­mu­sik wer­den wür­de: Schon „Blin­ding Lights“ von The Weeknd war von der legen­dä­ren Key­board-Hook … sagen wir mal: „inspi­riert“ und auch „As It Was“ kann eine gewis­se Ver­wandt­schaft nicht bestrei­ten. Aber ers­tens bit­te nichts gegen a‑ha und zwei­tens pas­siert hier in 2:47 Minu­ten (wäh­rend die Kino­fil­me immer län­ger wer­den, wer­den die Pop­songs immer kür­zer – die Men­schen haben ja auch nicht unend­lich viel Zeit) so viel, dass man kaum hin­ter­her kommt. Und über Har­ry Styl­es muss man ja eh nichts mehr sagen. ((Außer: Hat er jetzt eigent­lich Chris Pine ange­spuckt?))

22. The Natio­nal feat. Bon Iver – Weird Good­byes
„What your favo­ri­te sad dad band says about you“ titel­te McSweeney’s im Janu­ar 2022, dabei war der Witz da schon min­des­tens vier­ein­halb Jah­re alt. The Natio­nal und Bon Iver sind natür­lich auf bei­den Lis­ten und wenn sie nicht gera­de mit Tay­lor Swift Musik machen, machen sie die halt gemein­sam (dass Aaron Dess­ner von The Natio­nal und Jus­tin Ver­non von Bon Iver auch noch gemein­sam bei Big Red Machi­ne spie­len, ver­wirrt an die­ser Stel­le zwar nur, ich muss es aber erwäh­nen, weil sonst mei­ne Mit­glied­schaft in der „Musikjournalisten-Nerds“-Unterabteilung des Bochu­mer „Sad Dad“-Clubs in Gefahr wäre). So wie bei die­sem Song, der nicht Teil des neu­en The-Natio­nal-Albums sein wird, das inzwi­schen ange­kün­digt wur­de und „First Two Pages of Fran­ken­stein“ (man ahnt eine etwas umständ­li­che Refe­renz, die da irgend­wo als Witz im Hin­ter­grund lau­ert) heißt. Es ist trotz­dem ein schö­ner Song! Und die Band ver­kauft inzwi­schen „Sad Dad“-Merchandise.

21. Rae Mor­ris – No Woman Is An Island
Rae Mor­ris ist der ers­te und bis­her ein­zi­ge Act, der schon zwei Mal mei­ne Lis­te der „Songs des Jah­res“ ange­führt hat: 2012 und 2018. Rech­ne­risch wäre sie also erst 2024 wie­der dran, was ja auch gut sein kann. „No Woman Is An Island“ ist natür­lich auch nicht schlecht, ich hab nur eben 20 Songs (von ca. 4.000 gehör­ten) gefun­den, die ich 2022 bes­ser fand als die­se leicht thea­tra­li­sche (im Sin­ne von Büh­nen­auf­füh­rung, nicht im Sin­ne von über­trie­ben) Femi­nis­mus-Bal­la­de.

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Songs des Jahres 2021

Und ein sozi­al­kri­ti­sches Schlag­zeug­so­lo spä­ter ist es soweit: Making dis­co a thre­at again!

Ich habe wie­der ein biss­chen län­ger gebraucht, aber ich möch­te auf kei­nen Fall sein wie Spo­ti­fy und Musik­zeit­schrif­ten, die schon zwi­schen Okto­ber und Niko­laus auf ein Jahr zurück­schau­en. Sowas braucht ja auch Zeit und muss sich erst mal set­zen – und dann muss man sich sel­ber erst mal set­zen, Songs in eine Rei­hen­fol­ge brin­gen, die einem in die­ser einen Mil­li­se­kun­de die rich­ti­ge erscheint, obwohl es natür­lich völ­lig absurd ist, Musik in irgend­ei­ne Rang­lis­te zu brin­gen.

Jeden­falls: Hier sind wir! Und hier sind sie: Mei­ne Top-25-Songs eines immer noch etwas müh­sa­men Jah­res!

25. Chi­ca­go Sin­fo­ni­et­ta – Dances In The Cane­bra­kes (Arr. W.G. Still for Orches­tra) : No. 3, Silk Hat And Wal­king Cane
Ich habe beschlos­sen, dass ich die Regeln für mei­ne Lis­te selbst bestim­men kann, also gehen auch Klas­sik-Songs! „Dances In The Cane­bra­kes“ ist eigent­lich ein Kla­vier­werk der Schwar­zen US-Kom­po­nis­tin Flo­rence Pri­ce (1887–1953), das hier für Orches­ter arran­giert wur­de und auf dem Album „Pro­ject W: Works by Diver­se Women Com­po­sers“ erschien – und zwar schon 2019. Da mir die­ser Umstand aber genau gera­de eben erst auf­ge­fal­len ist und mich das Stück bis dahin so sehr durch mein Jahr 2021 beglei­tet hat­te, dass ich es zwi­schen­zeit­lich als the­me in dem Film, der mein Leben ist, wahr­ge­nom­men habe, ist mir das alles egal! Es ist ein groß­ar­ti­ges Werk mit einem beein­dru­cken­den Hin­ter­grund, also stei­gen wir ein­fach hier­mit ein!

24. Aaron Lee Tas­jan – Up All Night
Auch wenn ich es nicht für mög­lich gehal­ten hät­te, gab es 2021 doch wie­der ein paar Aben­de, an denen ich ange­mes­sen alko­ho­li­siert den Heim­weg aus der Innen­stadt ange­tre­ten habe. Es war stets der per­fek­te Umstand, um die­sen Que­er-Folk-Power-Pop-Song in einer Laut­stär­ke zu hören, die einem Apple Health dann hin­ter­her wie­der vor­wurfs­voll um die Ohren haut.

23. Adam Levi­ne – Good Mood
Ich sage ja immer, dass es kei­ne pein­li­chen Lieb­lings­lie­der geben kann, aber der Sän­ger von Maroon 5, der den Titel­song zum „Paw Patrol“-Kinofilm singt – das ist schon eine schwe­re Hypo­thek, die man sich selbst gegen­über erst mal recht­fer­ti­gen muss!
Tat­säch­lich hat­te ich zuerst den Refrain als Wer­be­pau­sen-Ein­lei­tungs­mu­sik bei Fuß­ball-Über­tra­gun­gen gehört und sofort geliebt, weil ich sei­ne maxi­ma­le New-Radi­cals-Haf­tig­keit moch­te. In Wahr­heit hat der Songs nichts mit den New Radi­cals zu tun (anders als die Songs, die Adam Levi­ne in dem sehr char­man­ten Film „Begin Again“ und dem dazu­ge­hö­ri­gen Sound­track singt), aber das war dann auch schon egal. Kei­nen Song habe ich 2021 auf dem Fahr­rad im Fit­ness­stu­dio öfter gehört als „Good Mood“ und wenn Ihr bei die­sem Groo­ve nicht mit hoch­spe­zia­li­sier­ten Hun­de­wel­pen durch die Woh­nung tan­zen wollt, kann ich Euch auch nicht hel­fen!

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Acts des Jahres 2021

Hey, wie war denn Euer Jahr 2021 so? Genau. Mit Kon­zer­ten und Fes­ti­vals war das ja alles noch so eine Sache, aber Musik war natür­lich trotz­dem da – und gera­de zu Beginn des Jah­res, als alles noch so rich­tig schei­ße war (könnt Ihr Euch noch erin­nern, dass wir im April eine Aus­gangs­sper­re hat­ten?!), hat sie getrös­tet und ver­bun­den.

Nach­dem ich zu Beginn des letz­ten Jah­res groß­spu­rig ver­kün­det hat­te, nie wie­der eine „Alben des Jahres“-Liste zu ver­öf­fent­li­chen, weil man­che Acts gar kei­ne Alben mehr ver­öf­fent­li­chen und ande­re gleich zwei, brauch­te ich irgend­ei­ne ande­re Kate­go­rie, in der ich zu Beginn des nächs­ten Jah­res (ach, komm: is noch Anfang 2022!) Namen sor­tie­ren und mir erläu­tern­de Tex­te aus den Fin­gern sau­gen kön­nen wür­de.

Herz­lich Will­kom­men also bei mei­ner ers­ten „Acts des Jahres“-Liste, die es mir ermög­licht, ein biss­chen über den Tel­ler­rand hin­aus­zu­schau­en:

10. Månes­kin
Dass Ita­li­en irgend­wann noch mal den ESC gewin­nen wür­de, hat­te in den letz­ten zehn Jah­ren deut­lich in der Luft gele­gen. Dass sie es mit einer Rock­band tun wür­den, die klingt und aus­sieht, als wären ihre Mit­glie­der die letz­ten 45 Jah­ren ein­ge­fro­ren gewe­sen, nicht unbe­dingt – aber es hat dann auch nicht wei­ter über­rascht. Womit nun wirk­lich nicht zu rech­nen gewe­sen war: Dass die­se ESC-Sieger*innen zwei Wochen nach dem Song Con­test noch nicht ver­ges­sen waren; dass „I Wan­na Be Your Slave“, die zwei­te Sin­gle aus ihrer EP „Tat­ro d’i­ra – Vol. 1“ (RCA/​Sony; Apple Music, Spo­ti­fy), in der sie rela­tiv offen unge­fähr alle sexu­el­len Spiel­ar­ten durch­de­kli­nie­ren, ein noch grö­ße­rer Hit wer­den wür­de, der im Radio läuft und von deut­schen Grund­schul­kin­dern begeis­tert mit­ge­sun­gen wird; dass die­se Band mit einer vier Jah­re alten Cover­ver­si­on die welt­wei­ten Spo­ti­fy-Charts anfüh­ren wür­de; dass sie bei Jim­my Fallon und „Satur­day Night Live“ auf­tre­ten und für die rele­van­tes­ten Musik­fes­ti­vals bei­der­seits des Atlan­tiks gebucht wer­den wür­den.
Kurz­um: So etwas hat­te es in der 65-jäh­ri­gen Geschich­te des ESC (über die Ende Febru­ar ein sehr lesens­wer­tes Buch erscheint) noch nicht gege­ben. Die Band hat den ESC ins 21. Jahr­hun­dert kata­pul­tiert (wor­auf wir bei der neu­en Bun­des­re­gie­rung noch war­ten) und ist neben­bei die ers­te mir bekann­te Rock­band seit vie­len, vie­len Jah­ren, die der­art durch­star­tet.
So. Und jetzt stel­len Sie sich bit­te vor, Sie hät­ten zwei Wochen lang jeden Mor­gen zehn Meter von die­sen soon to be-Mega­stars ent­fernt gefrüh­stückt und wären nicht ein­mal auf die Idee gekom­men, nach einem gemein­sa­men Sel­fie zu fra­gen!

9. Weezer
Was Tay­lor Swift kann, kön­nen Weezer schon lan­ge: Zwei Alben in einem Jahr zu ver­öf­fent­li­chen pas­siert der Band jeden­falls nicht zum ers­ten Mal. Im Sep­tem­ber 2019 hat­ten sie ihr 14. Album „Van Weezer“ (Crush Music/​Atlantic; Apple Music, Spo­ti­fy) ange­kün­digt, das im Mai 2020 erschei­nen soll­te. Wie so vie­les ande­re wur­de auch der Release die­ses Albums ver­scho­ben – das Tri­but an die gro­ßen Hair-Metal-Bands (das durch den zwi­schen­zeit­li­chen Tod von Eddie van Halen eine zusätz­li­che Ebe­ne erreicht hat­te) erschien im Mai 2021 und war okay, aber nicht atem­be­rau­bend.
Inter­es­san­ter war „OK Human“ (Crush Music/​WEA; Apple Music, Spo­ti­fy), das zwei­te Album, das Weezer zwi­schen der Fer­tig­stel­lung und dem ver­spä­te­ten Release von „Van Weezer“ auf­ge­nom­men hat­ten (was es so gese­hen zu ihrem 15. Album macht, chro­no­lo­gisch aber natür­lich „Van Weezer“ nach hin­ten drängt und somit offi­zi­ell Nr. 14 ist – aber die Beat­les hat­ten „Abbey Road“ ja auch nach „Let It Be“ auf­ge­nom­men und vor die­sem ver­öf­fent­licht).
Es wur­de ohne elek­tri­sche Gitar­ren, aber mit einem 32-köp­fi­gen Orches­ter ein­ge­spielt, was ihm den Sound eines Unplug­ged-Albums (oder von Ben Folds‘ „So The­re“) ver­leiht, nur dass es zwölf brand­neue Songs sind und kei­ne neu ein­ge­spiel­ten Hits. Es klingt also wär­mer, ent­hält aber ansons­ten klas­si­sche unwi­der­steh­li­che Weezer-Melo­dien und cle­ve­re Tex­te über das Leben in Zei­ten von Gen­tri­fi­zie­rung, Smart­phones und unzäh­li­gen Zoom-Calls. Wenn „New Yorker“-Cartoons Musik wären, wären sie die­ses Album!

8. Dan­ger Dan
Ich hat­te natür­lich noch nie bewusst irgend­was von der Anti­lo­pen Gang gehört, als sich mein hal­ber Freun­des­kreis über­schlug, ich müs­se jetzt unbe­dingt die­se ZDF-Sen­dung schau­en, in der ein Mann namens Dan­ger Dan, der Mit­glied besag­ter Hip-Hop-Band sei, gemein­sam mit Thees Uhl­mann durch die Gegend zie­he und am Kla­vier sei­ne neu­en Solo-Songs spie­le. Ooooo­kay! Nicht alle Songs haben mich abge­holt, aber „Lauf davon“ ist natür­lich ein Meis­ter­werk der Melan­cho­lie; gleich­zei­tig Punk und Roman­tik, als hät­te sich Rio Rei­ser mit Igor Levit zusam­men­ge­tan. „Das ist alles von der Kunst­frei­heit gedeckt“ war mir erst einen Tacken zu Jan-Böh­mer­mann-Twit­ter-iro­nisch, aber die drit­te und vier­te Stro­phe haben mich mit offe­nem Mund vor dem Fern­se­her sit­zen las­sen: Wie er da mit Ken Jeb­sen, Jür­gen Elsäs­ser, Alex­an­der Gau­land, AfD, ras­sis­ti­schen Poli­zis­ten abrech­net, so etwas hat­te ich im Pop sel­ten gehört.
Und dann kam „Eine gute Nach­richt“ raus: Ein unend­lich poe­ti­sches, kom­plett unpein­li­ches Lie­bes­lied; eines der bes­ten, das je geschrie­ben wur­de – und das auf Deutsch!
Zum Album, das auch „Das ist alles von der Kunst­frei­heit gedeckt“ (Anti­lo­pen Geld­wä­sche; Apple Music, Spo­ti­fy) heißt, habe ich ein gespal­te­nes Ver­hält­nis – man­che Lie­der sind mir zu „lus­tig“, auf gan­ze Län­ge ist es mir ein biss­chen zu mono­ton, aber das ist eigent­lich egal: Schreibt mal drei Songs, die so unter­schied­lich rein­hau­en, und dann reden wir wei­ter!

7. Big Red Machi­ne
Beim ers­ten Album war Big Red Machi­ne noch die Mini-Super­group von Jus­tin Ver­non (Bon Iver) und Aaron Dess­ner (The Natio­nal) gewe­sen, in der Zwi­schen­zeit hat­ten die bei­den mit Tay­lor Swift für deren Meis­ter­wer­ke „Folk­lo­re“ und „Ever­mo­re“ zusam­men­ge­ar­bei­tet und so kam die Prä­si­den­tin des Pop fürs zwei­te Album „How Long Do You Think It’s Gon­na Last?“ (Jagjaguwar/​37d03d; Apple Music, Spo­ti­fy) zum Gegen­be­such vor­bei und traf dort unter ande­rem auf Anaïs Mit­chell, die Fleet Foxes (was ist eigent­lich aus denen gewor­den?!), Sharon van Etten, Ben Howard und ande­re, die gemein­sam mit Ver­non und erstaun­lich viel Dess­ner, der zuvor noch nicht groß als Sän­ger in Erschei­nung getre­ten war, melan­cho­lisch-hym­ni­sche Lie­der anstimm­ten. (Dass es sich die Band erlau­ben kann, den gemein­sa­men Song mit Micha­el Sti­pe gar nicht erst aufs Album zu packen, sagt schon viel aus!)
Nun läuft ein Album bei so vie­len Stim­men schnell Gefahr, eher nach Mix­tape zu klin­gen, aber was heißt hier „Gefahr“?! Wenn es ein so stim­mungs­vol­les, in sich geschlos­se­nes Mix­tape ist, wer wür­de sich da beschwe­ren?!

6. The Wall­flowers
Ich hat­te nicht damit gerech­net, dass die Wall­flowers neun Jah­re nach ihrem letz­ten Album (das neben einer The-Clash-Hul­di­gungs-Sin­gle nicht so rich­tig viel zu bie­ten hat­te) und nach dem Aus­stieg der letz­ten Band­mit­glie­der, die nicht Jakob Dylan hie­ßen, über­haupt noch mal ein Album auf­neh­men wür­den. Doch nach ein paar Vor­ab-Sin­gles war „Exit Wounds“ (New West Records/​LLC; Apple Music, Spo­ti­fy) da und schloss eigent­lich naht­los an ihr 25 Jah­re altes Erfolgs­al­bum „Brin­ging Down The Hor­se“ an: Ame­ri­ca­na-Musik über die ganz gro­ßen The­men, bei vier Songs gran­di­os unter­stützt durch Shel­by Lyn­ne.
Es ist Musik für Män­ner in Chucks und Karo­hem­den, die lang­sam, aber sicher auf die 40 zuge­hen (oder schon lan­ge dar­über hin­aus sind), aber in Zei­ten wie die­sen ist es toll, Musik zu haben, die wie ein gro­ßer Bru­der oder ein jun­ger Onkel zu einem kommt und sagt: „Hier ist ein Bier für Dich, mein Pick-Up-Truck steht vor der Tür – jetzt fah­ren wir in den Son­nen­un­ter­gang, schna­cken ein biss­chen und alles wird gut!“

5. Wild Pink
Es war wenig über­ra­schend „All Songs Con­side­red“, wo ich erst­mals auf die Musik von Wild Pink traf. „A Bil­li­on Litt­le Lights“ (Roy­al Moun­tain Records; Apple Music, Spo­ti­fy), das drit­te Album der New Yor­ker Band, erwies sich als die per­fek­te Früh­lings­mu­sik: ein biss­chen pas­tel­lig-opti­mis­tisch, ein biss­chen schläf­rig-melan­cho­lisch; zwi­schen Joshua Radin, Rogue Wave und Stars; orga­nisch, mit gele­gent­li­chen Coun­try-Gitar­ren und cle­ve­ren Tex­ten.
Vor zwölf, drei­zehn Jah­ren wäre sol­che Musik bei „Scrubs“ oder in iPod-Wer­be­spots gelau­fen, heu­te hört man sie allen­falls noch auf dem Hald­ern-Pop-Fes­ti­val – wenn es denn statt­fin­det.

4. Vanes­sa Peters
Lus­tig, wie man 2021 Musik ent­deckt: Insta­gram hat­te mir im Früh­jahr das Video zu einem Song namens „Cra­zy­ma­ker“ als Wer­bung aus­ge­spielt und ich hab den Song sofort auf mei­ne Play­list gepackt. Im Herbst hab ich dann mal nach­ge­schaut, was die Sän­ge­rin dahin­ter noch so macht.
Hin­ter dem Namen „Vanes­sa Peters“ ver­mu­te­te ich – deutsch aus­ge­spro­chen – erst mal eine Frau, die in irgend­ei­ner frü­hen DSDS-Staf­fel mal den drit­ten Platz belegt hat­te und/​oder mal Vor­letz­te beim ESC wur­de (man kann ihn aber bequem ame­ri­ka­nisch aus­spre­chen, denn sie stammt aus Texas), und das Roy-Lich­ten­stein-für-Arme-Cover ihres Albums „Modern Age“ (Idol Records; Apple Music, Spo­ti­fy) hat mich zunächst auch etwas abge­schreckt.
Ober­fläch­li­cher Scheiß, denn die Musik ist toll: Als hät­ten Aimee Mann, Suzan­ne Vega und Kath­le­en Edwards eine Super­group gegrün­det. Sehr ame­ri­ka­nisch, obwohl die back­ing band kom­plett aus Ita­lie­nern besteht.

3. Emi­ly Scott Robin­son
Ich hat­te noch nie von Emi­ly Scott Robin­son gehört, als ihr drit­tes Album „Ame­ri­can Siren“ (Oh Boy Records; Apple Music, Spo­ti­fy) – natür­lich – bei „All Songs Con­side­red“ vor­ge­stellt wur­de. Das bit­ter­sü­ße Tren­nungs­lied „Let ’Em Burn“, das dort lief, reprä­sen­tiert das Album als Pia­no­bal­la­de musi­ka­lisch einer­seits nicht so rich­tig, ande­rer­seits passt es aber auch per­fekt in die­ses Album mit sei­nen oft redu­zier­ten Coun­try- und Folk­songs mit klu­gen und gesell­schafts­kri­ti­schen Tex­ten.
Es ist das Album, das Kacey Mus­gra­ves 2021 lei­der nicht gemacht hat, es erin­nert an Lori McKen­na und Hem und es ist ein­fach wun­der­schön!

2. Meet Me @ The Altar
Hat jemand „que­er POC all-girl pop-punk band“ gesagt? Count me in!
Natür­lich war es auch wie­der „All Songs Con­side­red“, wo ich zum ers­ten Mal von Meet Me @ The Altar gehört habe. Musi­ka­lisch kann man sie als Teil des 2000er-Revi­vals, irgend­wo zwi­schen blink-182 und Para­mo­re, Taking Back Sun­day und Avril Lavi­gne, anse­hen (und sie sind eine der weni­gen jun­gen Bands, die beim gro­ßen Zu-schön-um-wahr-zu-sein-Emo/­Pop-Punk-Fes­ti­val „When We Were Young“ in Las Vegas spie­len wer­den), aber die Tex­te sind irgend­wie reflek­tier­ter als die unse­rer dama­li­gen Mit­gr­öl-Hym­nen.
Das ist die Ener­gie, die ich im ver­gan­ge­nen Jahr gebraucht habe! Nach ihrer EP „Model Citi­zen“ (Fue­led By Ramen; Apple Music, Spo­ti­fy) hat die Band für 2022 ein Album ange­kün­digt, was bei so jun­gen Leu­ten dann doch über­ra­schend ist. Und schön.

1. Sir Simon & Bur­kini Beach
„Hä? Hast Du jetzt zwei Acts auf Platz 1 gepackt, Lukas?!“
Jau. We make up the rules as we go along.
Aber der Rei­he nach: Sir Simon ist natür­lich Simon Front­zek, der unter die­sem Namen schon 2008 und 2011 zwei ganz tol­le Indiepop-Alben ver­öf­fent­licht hat­te, seit­dem aber nichts eige­nes mehr. Er spielt seit 2019 in der Band von Thees Uhl­mann – und zwar zusam­men mit Rudi Mai­er ali­as Bur­kini Beach. Als sie 2020 über­ra­schend viel Zeit hat­ten, haben die bei­den ein­fach zusam­men zwei Alben geschrie­ben und auf­ge­nom­men: eben eins für Simon („Repeat Until Fun­ny“, Com­fort Noi­se; Apple Music, Spo­ti­fy) und eins für Rudi („Best Wes­tern“, Com­fort Noi­se; Apple Music, Spo­ti­fy). Die sind im August am glei­chen Tag erschie­nen und der letz­te Song auf bei­den Alben ist jeweils – und ich bin mir sehr sicher, dass es die­se genia­le, eigent­lich total nahe­lie­gen­de Idee in der Musik­ge­schich­te bis­her noch nie gege­ben hat – „Not Coming Home“, ein Duett zwi­schen den bei­den.
Man kann die­se Alben also kaum getrennt von­ein­an­der beur­tei­len – und das muss man auch gar nicht, denn sie sind bei­de wun­der­schön gewor­den und haben mich ab August durchs Jahr getra­gen. „Repeat Until Fun­ny“ klingt, um mal mei­nen bes­ten Freund zu zitie­ren, ein biss­chen wie ein bis­her unver­öf­fent­lich­tes Wea­k­erthans-Album, „Best Wes­tern“ wie eins von Death Cab For Cutie (und wir mei­nen nicht, dass es wie ein Abklatsch klingt, son­dern dass da zwei Men­schen, die Musik wirk­lich lie­ben und ver­in­ner­licht haben, im Äther der Musik ihre eige­nen Spra­chen und Stimm­la­gen gefun­den haben und die­se jetzt mit uns tei­len). Auch die Tex­te sind wirk­lich sehr klug und lus­tig, was ja bei deut­schen Acts, die auf Eng­lisch sin­gen, jetzt auch nicht unbe­dingt immer der Fall ist. Also: Ja, es sind wirk­lich zwei gute Alben und weil man sie nicht tren­nen kann, ste­hen sie bei­de hier vor­ne! („Vor­ne“ im sonst eher unge­bräuch­li­chen Sin­ne von „ganz am Ende des Tex­tes“, aber eben auf Platz 1. Hier muss die­ser Blog-Ein­trag enden.)

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Songs des Jahres 2020

Hier Ein­stiegs­text: Was für ein Jahr, Musik als Trost und Eska­pis­mus, streng sub­jek­tiv, Stand 16:04, viel Spaß!

25. Janou – Sweet Love
Was für ein Geschenk das ist, talen­tier­ten Men­schen dabei zuse­hen zu dür­fen, wie sie ihre Kunst ver­fei­nern! Ich ken­ne Janou jetzt schon seit fast zehn Jah­ren und habe erlebt, wie sie rumo­ren­de Knei­pen zum Schwei­gen brach­te, wenn sie ihre Stim­me zur Akus­tik­gi­tar­re erhob. Seit eini­ger Zeit bekommt sie dabei elek­tro­ni­sche Unter­stüt­zung und gleich die aller­ers­te Sin­gle des Duos klingt, als hät­te sie 1994 auf der „Pro­tec­tion“ von Mas­si­ve Attack die­ses merk­wür­di­ge „Light My Fire“-Cover erset­zen sol­len:

24. Hol­ly Hum­ber­stone – Deep End
Der Nach­teil, wenn einem Spo­ti­fy ein­fach so ein Lied vor­schlägt, in das man sich dann ver­liebt, ist ja, dass man ihn manch­mal ein Jahr lang hört, ohne irgend­et­was über die Per­son zu wis­sen, die ihn singt. Ande­rer­seits haben wir ja im Stu­di­um gelernt, Bio­gra­phie vom Werk zu tren­nen, und so kön­nen Formatradio-Moderator*innen ger­ne aus dem Wiki­pe­dia-Bei­trag von Hol­ly Hum­ber­stone vor­le­sen (als ob!) – ich blei­be ein­fach ganz ergrif­fen von die­sem tod­trau­ri­gen, aber irgend­wie auch opti­mis­ti­schen Song:

23. love­ly­the­band – Loneli­ne­ss For Love
Erin­nern Sie sich noch, als The Kil­lers neu waren und wahl­wei­se dafür geschol­ten oder geprie­sen wur­den, dass sie wie Joy Divi­si­on, New Order und Duran Duran klan­gen? Ich freue mich, Ihnen mit­tei­len zu kön­nen, dass wir es alle geschafft haben, so alt zu wer­den, dass jun­ge Bands wie The Kil­lers klin­gen! love­ly­the­band ist nun wirk­lich kein beson­ders gelun­ge­ner Band­na­me, ich habe kei­ne Ahnung, wie der Rest ihres Schaf­fens klingt, aber die­ser 80’s pop song (und beson­ders sein Syn­the­si­zer-Riff) ist schon sehr chic:

22. Dar­lings­ide – Green + Ever­green
„Fish Pond Fish“, das aktu­el­le Album von Dar­lings­ide, hat es knapp nicht in mei­ne Top 10 geschafft – ich möch­te es aber den­noch allen ans Herz legen, die opu­lent arran­gier­ten Folk-Pop lie­ben, bei dem trotz­dem kein Ton zu viel ist. Wer Fleet Foxes oder The Low Anthem mag, wird auch Dar­lings­ide zu schät­zen wis­sen!

21. Jacob Col­lier feat. Maha­lia and Ty Dol­la $ign – All I Need
Der Name Jacob Col­lier ist mir im letz­ten Jahr immer wie­der in unter­schied­lichs­ten Zusam­men­hän­gen unter­ge­kom­men: Als Song­wri­ter für u.a. Cold­play; als Tes­ti­mo­ni­al, das in den Wer­be­blö­cken auf CNN erzählt, wel­che Aus­wir­kun­gen der Lock­down auf Musiker*innen hat; und als Gast in US-Late-Night-Shows. Ob er auch in Deutsch­land im Radio läuft? Kei­ne Ahnung, ich hör ja kaum wel­ches (eine kur­ze Recher­che ergab aller­dings, dass er zumin­dest inner­halb der letz­ten Woche nicht auf 1Live gespielt wur­de). „All I Need“ ist ein R’n’B-Song, der immer wie­der Haken schlägt und in Rich­tun­gen geht, die man einen Beat zuvor nicht erwar­tet hät­te. Cool, mit Ver­wei­sen auf die Musik­ge­schich­te und eige­nem Sound. Zuge­ge­ben: Das ist zu viel fürs deut­sche For­mat­ra­dio!

20. Agnes Obel – Island Of Doom
„Kate Bush“. Da wir das jetzt hin­ter uns haben, kön­nen wir uns ganz auf die­sen … nun ja: äthe­ri­schen Pop­song ein­las­sen, in dem die Stim­me von Agnes Obel in vie­len Schich­ten über ein tän­zeln­des Kla­vier weht. Ein­fach mal durch­at­men war 2020 gar nicht so leicht, die­ser Song konn­te dabei hel­fen. Und: Ja, so coo­le Sachen bekom­men Sie im ARD-Mor­gen­ma­ga­zin zu sehen, für das ich unter ande­rem arbei­te!

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Musik

Alben des Jahres 2020

Okay, ich bin spät dran – ande­rer­seits hat 2021 ja nicht am 1. Janu­ar begon­nen, son­dern fast drei Wochen spä­ter. Und: Ja, ich hat­te letz­tes Jahr schon gesagt, dass ich viel­leicht nie wie­der eine Lis­te mit den „Alben des Jah­res“ machen wür­de, weil das For­mat Album zuneh­mend an Bedeu­tung ver­liert; weil man­che Acts zum Bei­spiel gar kei­ne Alben mehr machen – oder Leu­te wie Tay­lor Swift halt gleich zwei, von denen man dann auch irgend­wie nicht so recht weiß, wie man die­se behan­deln soll. Aber es war so ein selt­sa­mes Jahr, dass ein wenig Rück­be­sin­nung auf Alt­be­währ­tes psy­cho­lo­gisch sinn­voll sein kann.

Wald voller Bäume

Also dann: Zum wirk­lich aller­letz­ten Mal – mei­ne liebs­ten Alben eines Kalen­der­jah­res!

10. Sev­da­li­za – Shab­rang (Spo­ti­fy, Apple Music)
Der Musik von Sev­da­li­za bin ich zum ers­ten Mal im Febru­ar 2020 bei „All Songs Con­side­red“ begeg­net und erst­mal abge­taucht in die­se etwas unge­wohn­ten Klang­wel­ten. Als dann im August das zwei­te Album der ira­nisch-nie­der­län­di­schen Musi­ke­rin erschien, war „unge­wohnt“ kei­ne Kate­go­rie mehr, in der irgend­je­mand gedacht hat. Das Inter­net bezeich­net die Musik als „Elec­tro­nic, alter­na­ti­ve R&B, trip hop, expe­ri­men­tal pop, avant-pop“, aber manch­mal hilft es ja, sich Sachen ein­fach anzu­hö­ren und dar­auf ein­zu­las­sen.

9. Vis­tas – Ever­y­thing Chan­ges In The End (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wenn Ste­phen Thomp­son von NPR, ein Mann, dem ich in Sachen Musik blind ver­traue, sagt, dass er seit lan­gem kein Album mehr gehört habe, das so vie­le poten­ti­el­le Hits ent­hal­te; das klin­ge wie eine Mischung aus den Pro­clai­mers, Andrew W.K. und Foun­ta­ins Of Way­ne und das eines sei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­al­ben des Jah­res sein wer­de, dann höre ich mir das natür­lich an: „Ever­y­thing Chan­ges In The End“ von Vis­tas war dann tat­säch­lich eine ein­zi­ge Samm­lung gro­ßer, vor Freu­de fast plat­zen­der Power-Pop-Hym­nen – in Sachen Span­nungs­bo­gen und Abwechs­lung war das ein biss­chen öde, aber nach­dem der Som­mer 2020 fast aus­schließ­lich in unse­rem eige­nen Gar­ten statt­fand, den­ke ich bei die­sen Songs eben nicht an Nach­mit­ta­ge im Stadt­park, Fes­ti­val-Besu­che (gut: ich bin eh zu alt für die­sen Quatsch!) und abend­li­che Heim­we­ge in kur­zen Hosen, son­dern an den Teil des Gar­tens hin­ter der Gara­ge, den Teil des Gar­tens neben der Kel­ler­trep­pe und – total cra­zy – den Aus­flug zu Fuß zum Ede­ka.

8. Bruce Springsteen – Let­ter To You (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wenn man ein Album von Bruce Springsteen in sei­ne Jah­res-Top-10 packt, kann man eigent­lich als nächs­tes an der Leser­charts-Wahl des deut­schen „Rol­ling Stone“ teil­neh­men, sich mit Leder­ja­cke auf ein Motor­rad set­zen und schon mal den Ter­min für die nächs­te Vor­sor­ge-Unter­su­chung beim Haus­arzt machen! Aber wenn uns 2020 eines gelehrt hat, dann: Weni­ger Zynis­mus, bit­te! (Und mehr Vor­sor­ge-Unter­su­chun­gen!) Was kön­nen ich und motor­rad­fah­ren­de Rock­ma­ga­zin-Leser über 60 denn dafür, dass der Boss auch nach all den Jah­ren so gute Alben aus dem Ärmel sei­ner Leder­ja­cke schüt­telt? Fast das gan­ze „Let­ter To You“ ist eine Fei­er von Musik, Opti­mis­mus und Durch­hal­te­ver­mö­gen und es ist etwas über­ra­schend, dass die Songs schon vor dem gan­zen Scheiß geschrie­ben (drei sogar vor fast 50 Jah­ren) und mit der E Street Band auf­ge­nom­men wur­den.

7. Tou­ché Amo­ré – Lament (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wer woll­te 2020 nicht am Liebs­ten ein­fach nur Schrei­en? Jere­my Bolm macht genau das – und er ist sehr gut dar­in. Irgend­wie waren die ers­ten vier Alben von Tou­ché Amo­ré an mir vor­bei­ge­gan­gen, obwohl sie eigent­lich genau mein Ding hät­ten sein müs­sen. Jetzt aber: „Lament“. Musik, die klingt, als wür­de ich sie schon seit 20 Jah­ren im Her­zen tra­gen, als hät­te ich dazu schon in abge­ranz­ten Clubs auf der Tanz­flä­che gestan­den, mei­ne Fäus­te geballt, die Unter­ar­me ange­win­kelt und dann sehr laut und emo­tio­nal mit­ge­brüllt. Ich ver­spre­che, ich wer­de es nach­ho­len, sobald es mög­lich ist!

6. Cir­ca Waves – Sad Hap­py (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wo wir gera­de vom For­mat Album spra­chen: „Sad Hap­py“ kam in zwei Tei­len her­aus – „Hap­py“ im Janu­ar 2020, als die Welt, wie wir sie kann­ten, noch exis­tier­te, und man ange­sichts von sie­ben groß­ar­ti­gen Songs schon mal nach Tour­da­ten Aus­schau gehal­ten hat; „Sad“ an jenem 13. März, in des­sen Ver­lauf Schu­len und Kin­der­gär­ten geschlos­sen, die Bun­des­li­ga aus­ge­setzt und gene­rell die vor­he­ri­ge Nor­ma­li­tät völ­lig abge­schal­tet wur­de. Nach der eupho­ri­schen, ener­gie­ge­la­de­nen ers­ten Hälf­te pass­te der 2. Teil zur neu­en Wirk­lich­keit (so, wie natür­lich alles plötz­lich irgend­ei­ne Bedeu­tung hat­te): Ein biss­chen mehr Melan­cho­lie, ein biss­chen mehr Syn­the­si­zer, ein biss­chen mehr Akus­tik­gi­tar­ren. Die ers­ten sie­ben Songs waren plötz­lich eine Erin­ne­rung an eine ande­re Welt, das gan­ze Album blieb toll.

5. Dar­ren Jes­see – Remo­ver (Spo­ti­fy, Apple Music)
Dar­ren Jes­see beglei­tet mich mehr als mein hal­bes Leben: Erst als Schlag­zeu­ger, Back­ground-Sän­ger und Gele­gen­heits-Song­wri­ter bei mei­ner ewi­gen Lieb­lings­band Ben Folds Five, dann als Sän­ger und Haupt-Band­mit­glied von Hotel Lights, wo ich ein paar Mal mit ihm im E‑Mail-Aus­tausch stand, um die Musik der Band bei CT das radio zu spie­len und sonst­wie in Euro­pa popu­lär zu machen. „Remo­ver“ ist Dar­ren Jes­sees zwei­tes Solo­al­bum und zählt mit zum Bes­ten, was er je her­aus­ge­bracht hat: Ein ein­fa­ches, redu­zier­tes Folk-Pop-Album zwi­schen Elliott Smith und Mon­ta, Neil Young und Wil­co. Songs wie „Along The Out­skirts“ und „Never Gon­na Get It“ füh­len sich an wie die kraft­vol­le Umar­mung eines alten Freun­des (wenigs­tens glau­be ich das, was weiß ich, wie sich Umar­mun­gen anfüh­len?!).

4. Kath­le­en Edwards – Total Free­dom (Spo­ti­fy, Apple Music)
2014 hat­te sich Kath­le­en Edwards nach vier groß­ar­ti­gen Alben und aus­zeh­ren­den Tou­ren durch die hal­be Welt aus dem Musik­ge­schäft zurück­ge­zo­gen und in ihrer Hei­mat einen Cof­fee Shop namens „Quit­ters“ auf­ge­macht. Nach Jah­ren der Stil­le und des Milch­auf­schäu­mens kehr­te sie im ver­gan­ge­nen Jahr zurück und sang auf „Total Free­dom“ zum Glück wie­der wun­der­schö­ne, etwas melan­cho­li­sche Alter­na­ti­ve-Folk-Songs über zwi­schen­mensch­li­che Bezie­hun­gen, das Leben und den Aus­stieg aus dem Busi­ness. Ich bin 2020 wirk­lich nicht viel Auto gefah­ren, aber wenn ich mich an unbe­schwer­te Stun­den auf der Auto­bahn erin­ne­re, dann mit die­sem Album.

3. HAIM – Women In Music Pt. III (Spo­ti­fy, Apple Music)
Natür­lich hie­ßen die ers­ten bei­den Alben von HAIM nicht „Women In Music“, aber es war schon ein klu­ger, klei­ner Gag der Schwes­tern-Band, das drit­te Werk so zu benen­nen, ist es doch im bes­ten Sin­ne eine kon­se­quen­te Fort­set­zung: Es groovt, die Drums schep­pern ein biss­chen und die Stim­men von Este, Dani­elle und Ala­na Haim har­mo­nie­ren. Man hat das Gefühl, das eige­ne Leben wür­de ein biss­chen gla­mou­rö­ser und kre­di­bi­ler, wenn man die­se Musik hört – Rosé­wa­ve eben! Für mich war „Women In Music Pt. III“ der Sound­track zu einem Sams­tag­vor­mit­tag im Juni, den ich beruf­lich bedingt in Ham­burg ver­brach­te und an dem ich zwei Stun­den bei Son­nen­schein (Ham­burg!) durchs Schan­zen­vier­tel spa­zier­te, was sich trotz Mas­ken­pflicht in den Geschäf­ten so sehr wie Urlaub anfühl­te wie wenig ande­res in 2020.

2. Gor­di – Our Two Skins (Spo­ti­fy, Apple Music)
Alle, wirk­lich alle Songs, die Sophie Pay­ten ali­as Gor­di vor­ab ver­öf­fent­licht hat­te, hat­ten es auf mei­ne Vor­auswahl-Lis­te für die Songs des Jah­res geschafft und lie­ßen Gro­ßes erwar­ten. „Our Two Skins“ ent­täusch­te nicht: Vom zag­haf­ten, ganz zer­brech­li­chen „Aero­pla­ne Bath­room“ über das tän­zeln­de „Sand­wi­ches“ bis zu den schwel­ge­ri­schen „Vol­ca­nic“ (bei dem man am Deut­lichs­ten hört, dass es mit dem Pro­du­zen­ten Chris Mes­si­na und dem Label Jag­ja­gu­war eini­ge Gemein­sam­kei­ten mit Bon Iver gibt) und “Extra­or­di­na­ry Life“ folgt hier wirk­lich ein unwahr­schein­li­cher Hit auf den nächs­ten. „Our Two Skins“ klingt, wie sich tie­fes Durch­at­men (was wir ja jetzt Dank der 2020 ent­deck­ten Yoga-Vide­os und Medi­ta­ti­ons-Apps alle regel­mä­ßig machen) anfühlt!

1. Tay­lor Swift – Folk­lo­re (Spo­ti­fy, Apple Music)
Schon als ich „Folk­lo­re“ zum ers­ten Mal gehört habe, wuss­te ich, dass es eine beson­de­re Bezie­hung sein wür­de zwi­schen mir und die­sem Album. Tay­lor Swift hat­te es im 1. Lock­down geschrie­ben und auf­ge­nom­men, kei­ne 24 Stun­den vor Ver­öf­fent­li­chung ange­kün­digt – und schon beim ers­ten Hören war klar, dass sie gemein­sam mit ihren Co-Song­wri­tern und Pro­du­zen­ten Aaron Dess­ner (The Natio­nal, Big Red Machi­ne) und Jack Anton­off damit schlicht­weg ein Meis­ter­werk geschaf­fen hat­te. Waren Tay­lor Swift mit moderns­ter, auf­wen­digs­ter Pro­duk­ti­on schon zahl­rei­che instant clas­sics gelun­gen, so kata­pul­tier­te sie der eher redu­zier­te Sound von „Folk­lo­re“ in noch höhe­re Höhen. End­lich han­del­ten die Tex­te mal nicht mehr nur davon, wie es ist, Tay­lor Swift zu sein, son­dern sie erzähl­ten klei­ne Geschich­ten – wobei, was heißt da „klein“?! „The Last Gre­at Ame­ri­can Dynasty“ ist eine gre­at Ame­ri­can novel in 3:51 Minu­ten; „Bet­ty“ der bes­te Song, der je dar­über geschrie­ben wur­de, wie es ist, ein 17-jäh­ri­ger Jun­ge zu sein (Sor­ry, Tra­vis!); „August“ klingt so sorg­los, wie sich der gleich­na­mi­ge Monat im Nach­hin­ein fast anfühl­te; „Epi­pha­ny“ bringt mich immer noch zum Heu­len (oder zumin­dest dazu, tief durch­zu­at­men) und das Tren­nungs-Duett „Exi­le“ mit Jus­tin Ver­non von Bon Iver ist sowie­so ein Lied, das einem ein­fach jedes Mal den Ste­cker zieht.
Seit Juli wache ich jeden Mor­gen mit einem neu­en Ohr­wurm auf – und es sind wirk­lich alle 16 Songs von „Folk­lo­re“ dabei (wahl­wei­se gemein­sam oder anstel­le des täg­li­chen „Hamilton“-Ohwurms). Die­ses Album hat mich durch die zwei­te Jah­res­hälf­te beglei­tet wie sonst nur mein Kind und mei­ne engs­ten Freund*innen. Etwa ab Sep­tem­ber war klar, dass „Folk­lo­re“ mein Album des Jah­res wer­den wür­de – und dann hau­te Tay­lor Swift im Dezem­ber, wie­der mit mini­ma­ler Vor­war­nung, ein­fach noch ein Album raus! „Ever­mo­re“ hät­te mit sei­nen Kol­la­bo­ra­tio­nen mit HAIM, The Natio­nal und aber­mals Bon Iver bes­te Chan­cen gehabt, eben­falls in mei­nen Top 10 zu lan­den, aber ich hat­te ja schon „Folk­lo­re“. I think, I’ve seen this film befo­re. And I loved all of it.

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Songs des Jahres 2019

Machen wir’s schnell: Hier sind also 25 Songs, die ich ges­tern Abend um 21:57:26 in exakt die­ser Rei­hen­fol­ge für die bes­ten des zurück­lie­gen­den Jah­res hielt!

25. Loyle Car­ner – Loo­se Ends
Ich kom­me ja gene­rell deut­lich bes­ser mit bri­ti­schem Hip Hop klar als mit ame­ri­ka­ni­schem (oder deut­schem, haha­ha), aber Loyle Car­ner ist wirk­lich beson­ders gut, weil sein Sound so unglaub­lich tight und orga­nisch groo­vend ist, wäh­rend er trau­ri­ge Geschich­ten erzählt.

24. J.S. Ondara – Ame­ri­can Dream
Über das Album hab ich schon bei mei­nen Alben des Jah­res geschrie­ben, hier also der Ope­ner. Was ist der ame­ri­ka­ni­sche Traum in Zei­ten, in denen man mit den USA vor allem einen wahn­sin­ni­gen Rea­li­ty-TV-Star ver­bin­det, der irgend­wie zum Prä­si­den­ten wur­de? Hier klingt es fast nach einem Fie­ber­traum:

23. Mag­gie Rogers – Light On
Die gro­ße Fra­ge bei Mag­gie Rogers Debüt­al­bum war natür­lich: Wür­de sie es schaf­fen, nach „Alas­ka“ wei­te­re gro­ße Songs zu schrei­ben? „Light On“ beant­wor­tet die­se Fra­ge ziem­lich ein­deu­tig mit „Ja!“ (Bin ich der Ein­zi­ge, der im Refrain einen Hauch von „Shut Up And Dance“ hört?!)

22. Bet­ter Obli­vi­on Com­mu­ni­ty Cen­ter – Dylan Tho­mas
Wenn Phoe­be Bridgers und Conor Oberst eine Indie-Folk-Super­group grün­den, ist das allei­ne natür­lich schon mal super. Wenn dabei auch noch sol­che Songs rum­kom­men: Umso bes­ser!

21. Bear’s Den – Only Son Of The Fal­ling Snow
Ich bin ja immer ver­gleichs­wei­se spät mit mei­nen Bes­ten­lis­ten: Vie­le Leu­te und Redak­tio­nen ver­öf­fent­li­chen ihre bereits Anfang Dezem­ber. Sie haben dann womög­lich die Drei-Song-Ep ver­passt, die Bear’s Den am Niko­laus­tag ver­öf­fent­licht haben – und damit die­sen wun­der­vol­len Folk­song!

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Alben des Jahres 2019

Alben spie­len bekannt­lich kei­ne Rol­le mehr – das Medi­um der Zukunft heißt Stream (oder eben halt Kas­set­te)! Ich gebe zu, dass ich letz­tes Jahr zwar wahn­sin­nig vie­le Alben gehört habe, um sie für das inzwi­schen lei­der ein­ge­stell­te „JWD“-Magazin zu bespre­chen (Guten Tag, suchen Sie zufäl­lig noch einen Musik­ko­lum­nis­ten?!), aber in die aller­meis­ten nicht mehr rein­ge­hört habe, nach­dem mei­ne Rezen­si­on fer­tig war.

Dafür habe ich ca. eine Mil­li­on Songs gehört (zu deren bes­ten wir dann als nächs­tes kom­men), aber auch jede Men­ge EPs, die irgend­wie streng genom­men kei­ne Alben sind, weil sie nur fünf bis sie­ben Songs ent­hal­ten, wobei man mit sie­ben Songs auch schon ein Album sein kann und … Puh.

Viel­leicht ist es also das letz­te Mal, dass ich mich im Janu­ar hin­set­ze, um eine Lis­te zusam­men­zu­stel­len, die in die­ser Form nur weni­ge Mil­li­se­kun­den gül­tig ist und hin­ter dem 2. Platz eigent­lich auch aus­ge­wür­felt sein könn­te. Aber heu­te war es noch mal soweit und hier sind sie nun: Mei­ne zehn liebs­ten Alben des Jah­res 2019!

10. Julia Jack­lin – Crus­hing (Spo­ti­fy, Apple Music)
Was bei Julia Jack­lins Zweit­werk vor allem auf­fällt: Wie viel Raum die gan­zen Indie-Folk-Songs hier haben! Die ruhi­gen, weil sie so spär­lich instru­men­tiert sind, die lau­te­ren, weil sie ihn sich ein­fach neh­men. Gleich­zei­tig sind sie einem als Hörer*in wahn­sin­nig nahe (aber nur so nahe, dass ich es auch noch ertra­gen kann). Ein Album, das sich die Auf­merk­sam­keit holt, die es ver­dient.

9. Ider – Emo­tio­nal Edu­ca­ti­on (Spo­ti­fy, Apple Music)
Am Ende geht es in den aller­meis­ten Lie­dern ja eini­ger­ma­ßen deckungs­gleich um fol­gen­de The­men: die eige­nen Gefüh­le, die Gefüh­le ande­rer, Bezie­hun­gen und war­um sie nicht funk­tio­niert haben, das Leben und was man dar­aus macht. So gese­hen erfin­den auch Ider das Rad nicht neu, aber wie Megan Mar­wick und Lily Somer­ville da in ihren Elek­tro-Indie-Pop-Songs über all die­se The­men sin­gen, das ist schon sehr, sehr gut!

8. Car­ly Rae Jep­sen – Dedi­ca­ted (Spo­ti­fy, Apple Music)
Seit sie 2012 for­der­te, man sol­le sie viel­leicht anru­fen, kommt Car­ly Rae Jep­sen alle paar Jah­re mit einer Hand­voll per­fek­ter Pop­songs um die Ecke, die wie für mich gemacht wir­ken. Auch auf ihrem vier­ten Album gibt es wie­der ein­gän­gi­ge Melo­dien und Groo­ves und Tex­te, mit denen sich Teen­ager und Thir­ty­so­me­things iden­ti­fi­zie­ren kön­nen (letz­te­re füh­len sich wegen die­ses 80er-Sounds, der manch­mal bei­na­he ein biss­chen Gefahr läuft, ein Tacken zu viel des Guten zu sein, auch woh­lig an die eige­ne Kind­heit erin­nert). Wie viel Spaß das alles macht, beweist die Queen of Rosé­wa­ve auch bei ihrem Auf­tritt hin­ter Bob Boi­lens Schreib­tisch beim Tiny Desk Con­cert.

7. Craig Finn – I Need A New War (Spo­ti­fy, Apple Music)
Inter­es­san­te Tak­tik: Im April ein Solo­al­bum raus­brin­gen, im August dann eines mit der Haupt­band (das wie­der­um zur Hälf­te aus Songs besteht, die man in den Jah­ren zuvor schon als Sin­gles raus­ge­bracht hat­te), im Okto­ber dann schon wie­der eine neue Solo-Sin­gle. Kei­ne Ahnung, ob wir uns Craig Finn als Work­aho­lic, als Getrie­be­nen oder als glück­li­chen Men­schen vor­stel­len müs­sen – 2019 war er immer­hin gut beschäf­tigt und hat neben dem bes­ten Hold-Ste­ady-Album seit „Stay Posi­ti­ve“ eben auch sein viel­leicht bis­her bes­tes Solo­al­bum ver­öf­fent­licht. Um wirk­lich zu ver­ste­hen, was hier text­lich pas­siert, hilft es, mit Craig Finns Gesamt­werk ver­traut zu sein, das meh­re­re Bands und Jahr­zehn­te umspannt und eher mit Fort­set­zungs­ro­ma­nen als mit Lyrik zu ver­glei­chen ist, aber man kann sich auch ein­fach von der Musik trei­ben las­sen und sei­nem Sprech­ge­sang als eine Art wei­te­res Instru­ment zuhö­ren.

6. Mag­gie Rogers – Heard It In A Past Life (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wenn Joni Mit­chell, Neneh Cher­ry, Suzan­ne Vega und Don­na Sum­mer gemein­sam ein Mäd­chen auf­ge­zo­gen hät­ten, wäre das zwar ein grif­fi­ges Bild für leicht hilf­lo­se Musik­jour­na­lis­ten, beschrie­be aber noch nicht annä­hernd, was hier, auf einem der sehn­lichst erwar­te­ten Debüt­al­ben des letz­ten Jah­res, eigent­lich genau los ist. Die Gren­zen zwi­schen „orga­nisch klar“ und „elek­tro­nisch ver­spielt“ ver­schwim­men eben­so wie die zwi­schen Melan­cho­lie und Eupho­rie, Folk und Dis­co, Tag und Nacht.

5. Loyle Car­ner — Not Waving, But Drow­ning (Spo­ti­fy, Apple Music)
Den Album­ti­tel ken­nen Men­schen mit pop cul­tu­re over­ex­po­sure natür­lich schon aus „Rea­dy For Drow­ning“ von den Manic Street Pre­a­chers, aber wer wuss­te schon, dass auch das nur eine Refe­renz auf ein Gedicht der Autorin Stevie Smith war? Eben! Bei Loyle Car­ner gibt’s das Gedicht im Titel­track zu hören, an ande­rer Stel­le spricht sei­ne Mut­ter und wer sich von so etwas nicht abschre­cken lässt, wird ein sen­sa­tio­nel­les Hip-Hop-Album ent­de­cken, wie gemacht für Men­schen, die behaup­ten, mit Hip Hop nichts anfan­gen zu kön­nen: Groo­ves wie auf 50 Jah­re alten Soul-Plat­ten, domi­nan­te Kla­vier- und Blä­ser­klän­ge, klu­ge und nach­denk­li­che Tex­te – wenn die Kids dem­nächst im Eng­lisch-Unter­richt Loyle Car­ner durch­neh­men, kann das nur für alle von Vor­teil sein!

4. Bon Iver – i,i (Spo­ti­fy, Apple Music)
Was mit Jus­tin Ver­non in einer ein­sa­men Wald­hüt­te begann, ist inzwi­schen ein gro­ßes Künstler*innen-Kollektiv mit Mul­ti­me­dia-Shows. Wie­der zugäng­li­cher als beim etwas rät­sel­haf­ten (und natür­lich trotz­dem sehr, sehr guten) letz­ten Album „22, A Mil­li­on“ kom­bi­nie­ren Bon Iver auf „i,i“ (klar, dass es auch dies­mal kein „nor­ma­ler“ Titel sein kann!) die Sounds der bis­he­ri­gen drei Alben zu einem dröh­nen­den, knar­zen­den, groo­ven­den, flir­ren­den, hym­ni­schen, dich­ten, atmen­den, umar­men­den Gesamt­werk, das man viel­leicht immer noch nicht ganz ver­steht, von dem man sich aber auf merk­wür­di­ge Art ver­stan­den fühlt.

3. J.S. Ondara – Tales Of Ame­ri­ca (Spo­ti­fy, Apple Music)
Ich fin­de ja, dass es nur sel­ten nötig ist, die Bio­gra­phie eines Künst­lers zu ken­nen, um sich sei­nem Werk zu nähern. Im Fall von J.S. Ondara soll­te man aber viel­leicht wis­sen, dass der jun­ge Mann in Kenia auf­wuchs, nach einer Dis­kus­si­on dar­über, ob „Kno­cking On Heaven’s Door“ von Guns ’n’ Roses oder jemand ande­rem sei, Bob Dylan für sich ent­deck­te und, nach­dem er des­sen Gesamt­werk in sich auf­ge­so­gen hat­te, beschloss, in des­sen Hei­mat Min­ne­so­ta aus­zu­wan­dern. Was für eine gran­dio­se Geschich­te (bei der es, neben­bei bemerkt, auch nicht ganz so wich­tig ist, ob er schon eine Tan­te in Min­ne­so­ta woh­nen hat­te, bei der er unter­kom­men konn­te – Pop­kul­tur ist kei­ne Poli­tik, sie ist der ein­zi­ge Ort, an dem Fak­ten eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spie­len dür­fen!), die aller­dings auch nicht viel wert wäre, wenn die Musik doof wäre. Das ist sie auf „Tales Of Ame­ri­ca“ aller­dings ganz und gar nicht: Es ist ein gran­dio­ses Folk-Album, dem man das Jahr 2019 jetzt nicht wirk­lich anhört!

2. Liz­zo – Cuz I Love You (Spo­ti­fy, Apple Music)
Der Ope­ner „Cuz I Love You“ ist noch kei­ne zehn Sekun­den alt, da hat man schon einen guten Ein­druck von dem bekom­men, wozu Liz­zo und ihre Musiker*innen in der Lage sind – es fol­gen aber noch jede Men­ge wei­te­re Gele­gen­hei­ten, sich von die­ser Frau und ihrem Album kom­plett umhau­en zu las­sen. Big-Band-Sound, Hip Hop, Funk, Rock: kann sie alles! „Cra­zy, sexy, cool, baby /​ With or wit­hout make­up /​ Got not­hing to pro­ve /​ But I’ma show you how I do“ singt sie und macht es dann „like a girl“ – was in die­sem Fall natür­lich bedeu­tet: mit har­ter Arbeit, einem biss­chen Wut im Bauch und ganz viel Spaß. Mei­ne Fres­se, was macht die­ses Album Bock!

1. Thees Uhl­mann – Jun­kies und Sci­en­to­lo­gen (Spo­ti­fy, Apple Music)
Ich hat­te ja ehr­lich gesagt nicht mehr mit viel gerech­net, als Thees Uhl­mann sein drit­tes Solo­al­bum ankün­dig­te: zu groß und alles über­strah­lend waren die Tom­te-Plat­ten „Hin­ter all die­sen Fens­tern“ und „Buch­sta­ben über der Stadt“ für mich gewe­sen, zu wenig hat­te ich mit den Solo-Sachen anzu­fan­gen gewusst. Und dann hör­te ich zum ers­ten Mal „Jun­kies und Sci­en­to­lo­gen“ und war völ­lig umge­hau­en: Dass die ers­ten vier Songs eines Albums durch­weg geni­al sind, kennt man ja viel­leicht von „Hot Fuss“ von den Kil­lers, fünf von „Cla­ri­ty“ von Jim­my Eat World, aber acht Mega­hits hin­ter­ein­an­der, das hat noch nicht mal „Lon­don Cal­ling“ von The Clash („Jim­my Jazz“, puuuuuh!)! Und auch danach sackt das Level nur mini­mal ab, um aber wie­der auf aller­höchs­tem Niveau zu enden – die bes­te Stel­le des Albums: Die­ses gebrüll­te „Ich fra­ge Dich“ in „Immer wenn ich an Dich den­ke, stirbt etwas in mir“, 80 Sekun­den vor Album-Ende! Was bis dahin alles pas­siert: Hym­nen auf Ste­phen King, Avic­ci, Katy Per­ry und Han­no­ver, Gedan­ken wie „Wie ein Sonn­tag­abend nach einer Land­tags­wahl“ oder „Ich bin der Fah­rer, der die Frau­en nach Hip­Hop Video­drehs nach Hau­se fährt“ und so viel mehr Zei­len, die man mit erho­be­ner Faust laut­stark mit­sin­gen will. Ein Album, das sich anfühlt wie nach Hau­se zu kom­men, wie drei Der­by­sie­ge in einer Woche, wie end­lich mit der Frau, die man seit zehn Jah­ren toll fand, zu knut­schen (ver­mu­te ich mal – ich hab ihre Num­mer an Sil­ves­ter end­lich gelöscht) – aber das habe ich ja im Sep­tem­ber schon auf­zu­schrei­ben ver­sucht. Geni­al!

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Songs des Jahres 2018

Die Alben hat­ten wir schon, kom­men wir nun zu den Songs des Jah­res 2018. Da ich neben mei­nen Haupt­quel­len für neue Musi­kent­de­ckun­gen, „All Songs Cosi­de­red“ und Radio­eins, auch wie­der auf die (meist sehr guter) „Das könn­te Dir gefallen“-Funktion von Spo­ti­fy und diver­se Zufalls­fun­de gesetzt habe, ist es wie­der eine eher eklek­ti­sche Lis­te, bei der ich nicht zu jedem Lied son­der­lich viel sagen könn­te.

Auch ist es eigent­lich eine absur­de Idee, die­se Songs irgend­wie gewich­ten und sor­tie­ren zu wol­len – eigent­lich ist spä­tes­tens ab Posi­ti­on 10 die Rei­hen­fol­ge ziem­lich will­kür­lich, wes­we­gen man die Lis­te auch wie­der sehr schön im Shuff­le-Modus hören kann.

Aber ich dach­te mir: Nach fünf­jäh­ri­ger Baby­pau­se ist mein Sohn inzwi­schen so alt, dass er eige­ne Rang­lis­ten erstel­len könn­te, ((Sei­ne Num­mer 1, ver­mut­lich: ent­we­der „Afri­ca“ von Weezer oder „Solo“ von Clean Ban­dit und Demi Lova­to, was übri­gens auch mein „Pein­lichs­tes Lieb­lings­lied des Jah­res“ sein dürf­te.)) und weil ich ja auch wie­der beruf­lich viel mehr über Musik schrei­be, neh­me ich mir jetzt 25 Songs und erklä­re die zu einer (wie immer nur 0,3 Mil­li­se­kun­den lang exakt gül­ti­gen) Hit­pa­ra­de.

Lukas, stop voting now!

25. Catch Fire – Petrifac­tion
Auto­ra­dio ist schwie­rig, weil es in NRW natür­lich kaum hör­ba­re Radio­sen­der mit Musik gibt. Aber in wei­ten Tei­len der Bochu­mer Innen­stadt emp­fan­ge ich halb­wegs gut CT das radio, mei­nen Hei­mat­sen­der, dem ich auf ewig ver­bun­den sein wer­de. Und da lief die­ser Song: Heu­len­de Gitar­ren­licks, häm­mern­de Drums, Geschrei und „Why does ever­y­thing that I touch turn to stone?“ – ich war sofort wie­der 19, die dun­kel getön­ten Haa­re fie­len mir in Sträh­nen ins Gesicht und ich woll­te an irgend­ei­nem Fluss ste­hen und bedeu­tungs­schwer aufs Was­ser star­ren. Es gibt ihn noch, den guten Emo!

24. The Fratel­lis – I’ve Been Blind
The Fratel­lis, waren das nicht die­se Indie-One-Hit-Won­der zu einer Zeit, als ich noch in der Musik­re­dak­ti­on von CT das radio tätig war? Was wol­len die denn 13 Jah­re spä­ter wie­der (und was haben sie in der Zwi­schen­zeit gemacht)? Nun, war­ten wir bis zum Refrain, der „Kno­wing Me, Kno­wing Me“ von ABBA in eine Mitgröhl­hym­ne für Stu­den­ten­knei­pen, Frei­tags­mor­gens um halb zwei, das letz­te Bier in die Luft gereckt, trans­fe­riert. Wo war die­ser Song, als ich jung war?

23. Hozier feat. Mavis Stap­les – Nina Cried Power
Wie wirkt die­ser Song wohl auf Men­schen, die die gan­zen Refe­ren­zen und das gan­ze name che­cking nicht ver­ste­hen? Nun: Die jun­gen Leu­te haben es mil­lio­nen­fach gestreamt und auf ihren Radio­sen­dern gehört, also wohl eben­falls gut. Aber wie soll man sich auch die­sem Groo­ve und die­ser Hym­ne über Hym­nen wider­set­zen? Extra-Respekt dafür, sich so durch die­sen Song zu croo­nen und dann das Spot­light auf Mavis Stap­les zu rich­ten, deren Stim­me natür­lich noch unge­fähr zehn mal wirk­mäch­ti­ger ist! (Übri­gens der ein­zi­ge Song, auf den Barack Oba­ma und ich uns letz­tes Jahr eini­gen konn­ten.)

22. Geor­ge Fitz­Ge­rald – Burns
Ich gebe zu, soeben zum ers­ten Mal gegoo­gelt zu haben, wer Geor­ge Fitz­Ge­rald eigent­lich ist (wobei die Infor­ma­tio­nen da auch nicht üppig sind). Aber die­ser hyp­no­tisch pum­pen­de Elek­tro-Song hat mich seit Mit­te März durch das Jahr beglei­tet. Sind das alles Stim­men? Syn­the­si­zer? Egal! Vor mei­nem geis­ti­gen Auge fah­ren U‑Bahnen durch nächt­li­che Groß­städ­te und alles ist cool und auf­re­gend.

21. Brand New Fri­end – Seat­belts For Aero­pla­nes

You’­re like a seat­belt on an air­plane with me late­ly
You’­re more for making me feel safe than for actu­al safe­ty
And for every sin­gle moment that you made me feel ama­zing
The­re were seve­ral other times that I felt kin­da hazy
But I know I was never your ever­y­thing, but
I hope I was some­thing, so come on

Das ist exakt die Musik, die ich in 2:42 Minu­ten von einer Trup­pe 19-bis-23-Jäh­ri­ger hören möch­te, die ein Demo auf­ge­nom­men hat­ten, das dann „ver­se­hent­lich“ zum offi­zi­el­len Album erklärt und für den Nor­t­hern Ire­land Music Pri­ze nomi­niert wur­de.

20. Oh Pep! – Truths
Bron­ze bei mei­nen Alben des Jah­res und ein Song, der die­ses Album wun­der­bar zusam­men­fasst: melan­cho­lisch und zer­brech­lich, aber auch druck­voll und mit hin­ter­grün­di­gem Text.

19. Aria­na Gran­de – No Tears Left To Cry
Schon für sich genom­men sind die­se drei Songs, die sich hier irgend­wie zu einem ver­ei­ni­gen, ja ein ech­tes Fest. Wenn man dann auch noch mit­denkt, dass hier eine Frau strah­len­den Opti­mis­mus ver­brei­tet, ein Jahr, nach­dem nach Abschluss ihres Kon­zerts in Man­ches­ter bei einem Bom­ben­an­schlag 22 Men­schen getö­tet und mehr als 500 ver­letzt wur­den, jagt einem das schon eine ganz schö­ne Gän­se­haut den Rücken run­ter. So muss man aus so einer Geschich­te erst mal wie­der raus­kom­men! One love!

18. Chil­dish Gam­bi­no – This Is Ame­ri­ca
„Wel­che Rol­le spielt das Musik­vi­deo noch im Jahr 2018, wo nie­mand mehr Musik­fern­se­hen guckt und auch You­Tube eher zur Hin­ter­grund­be­rie­se­lung genutzt wird?“ – „Nun, las­sen Sie mich so ant­wor­ten:

Ein poli­tisch-kul­tu­rel­les Gesamt­kunst­werk, das her­me­neu­tisch in tau­sen­de Ein­zel­tei­le zer­legt wer­den konn­te, und bei dem man sich den Song, nach­dem man das Video ein­mal gese­hen hat, nicht mehr ohne vor­stel­len kann. Offe­ne Mün­der, der Wahn­sinn!

17. MILCK – Black Sheep
MILCK, ali­as Con­nie Lim, wur­de 2017 berühmt mit „Quiet“, der inof­fi­zi­el­len Hym­ne des „Women’s March“. „Black Sheep“ könn­te man ent­spre­chend als inof­fi­zi­el­le Hym­ne der „It Gets Bet­ter“-Bewe­gung bezeich­nen: eine Lie­bes­er­klä­rung an alle, die anders sind, aus­ge­grenzt wer­den und sich allei­ne füh­len. „Don’t let anyo­ne turn your uni­que into flaws /​ Yeah, you know that I love you the way that you are“. Hach!

16. Res­to­ra­ti­ons – St.
Am Tag nach mei­ner Geburts­tags­fei­er ging ich, nach­dem ich alles so weit auf­ge­räumt und gespült hat­te, im strah­len­den Son­nen­schein die­ses unend­li­chen Som­mers spa­zie­ren und hör­te bei „All Songs Con­side­red“ die­sen Song. Ich habe dann noch ein paar Umwe­ge genom­men, um direkt das gan­ze (24-minü­ti­ge) Album zu hören. Anschlie­ßend muss­te mei­ne Musik­ko­lum­ne im „JWD“-Magazin noch mal geän­dert wer­den, denn „LP5000“ muss­te natür­lich sofort mit ins Heft!

15. Janel­le Monáe – I Like That

A litt­le cra­zy, litt­le sexy, litt­le cool
Litt­le rough around the edges, but I keep it smooth
I’m always left of cen­ter and that’s right whe­re I belong
I’m the ran­dom minor note you hear in major songs

Wer braucht noch Musik­jour­na­lis­mus bei die­ser Selbst­be­schrei­bung?

14. Toco­tro­nic – Unwie­der­bring­lich
Zwei Wochen nach der Beer­di­gung mei­nes Groß­va­ters saß ich mit mei­nem Sohn in sei­nem son­nen­durch­flu­te­ten Kin­der­zim­mer und hör­te zum ers­ten Mal das neue Toco­tro­nic-Album „Die Unend­lich­keit“. Nach einem lan­gen Kam­mer­mu­sik-Intro sang Dirk von Lowtzow „Dein Tod war ange­kün­digt /​ Das Leben ging dir aus /​ Unwie­der­bring­lich /​ Schlich es aus dir hin­aus“. Ich saß da, hör­te, biss mir auf die Unter­lip­pe und war unwie­der­bring­lich an die­ses Lied ver­lo­ren. Was da lyrisch abgeht, ist intel­lek­tu­ell kaum zu fas­sen, das knallt direkt in die Magen­gru­be!

13. Paen­da – Paper-Thin
Was haben die Öster­rei­cher eigent­lich im Trink­was­ser, dass sie uns jetzt – obwohl nur ein Zehn­tel der Ein­woh­ner­zahl Deutsch­lands – seit Jah­ren vor­ma­chen, wie Pop­mu­sik noch mal geht? Und damit mei­ne ich nicht nur Wan­da und Bil­der­buch (und Fal­co, hoho­ho), son­dern auch weit­ge­hend unbe­kann­te Juwe­le wie die Wie­ne­rin Gabrie­la Horn ali­as Paen­da, die sich mit ihrem viel­schich­ti­gen Elek­tro­pop hier irgend­wo zwi­schen Shura, Robyn und Sia ein­reiht.

12. Mit­ski – Nobo­dy
Bei man­chen Lie­dern kann ich exakt erklä­ren, war­um ich sie lie­be, bei ande­ren eher gar nicht. Aber ver­mut­lich passt hier ein­fach alles exakt rich­tig zusam­men: vom Text über die Instru­men­tie­rung und den Beat bis zur all­ge­mei­nen Anmu­tung, die dann im ent­schei­den­den Moment mehr als nur einen Hauch an „Love­fool“ von den Car­di­gans erin­nert.

11. Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness – House In The Trees
Es brauch­te knapp 13 Sekun­den. Andrew McMa­hon hat­te noch gar nicht ange­fan­gen zu sin­gen, da wuss­te ich schon, dass ich die­sen Song lie­ben wür­de: Das Intro, das ein biss­chen an „Sky High“ von Ben Folds Five erin­nert, die The-War-On-Drugs-Gitar­ren – und dann die­ser Text von Freund­schaf­ten, die irgend­wann ein­fach nicht mehr die sel­ben sind. Andrew McMa­hon hat­te ein­mal mehr einen Song geschrie­ben, der direkt zu mir sprach – ja, mehr noch: der sich anfühl­te, als hät­te ich ihn schrei­ben kön­nen, wenn ich nur mehr Talent hät­te und mir ein biss­chen Mühe geben wür­de.

10. Mar­te­ria & Cas­per – Cham­pi­on Sound
Deutsch­spra­chi­ger Hip­hop ist für mich wirk­lich schwie­rig: ent­we­der so stumpf, men­schen- und frau­en­ver­ach­tend dumm und von allen guten Geis­tern ver­las­sen wie die Rap­per-Kari­ka­tu­ren Kol­le­gah und Cil­lit Bang, oder so egal geal­tert wie die Über­le­ben­den der ers­ten Wel­le in den 1990er Jah­ren (Fan­ta Vier, Fet­tes Brot, Beg­in­ner). Aber es gibt ja noch Cas­per und Mar­te­ria: Als die „Cham­pi­on Sound“ vor­leg­ten, die­ses feis­te Brett, das den „Wir sind die Coolsten“-Gestus mit so viel Witz, Lie­be zum Detail und dickem Blä­ser­satz erträg­lich mach­te, dach­te ich, dass sie mit ihrem gemein­sa­men Album alles in den Schat­ten stel­len wür­den. Ganz so über­mä­ßig gut war „1982“ dann lei­der doch nicht, aber die­ser Song: mei­ne deutsch­spra­chi­ge Nr. 1, wie ich schon jetzt ver­ra­ten möch­te.

9. Metric – Now Or Never Now
Erin­nert sich noch jemand an Bris­ke­by, die­ses nor­we­gi­sche Mini-One-Hit-Won­der, das vor … puh: 18 Jah­ren mal kurz­zei­tig als nächs­tes gro­ßes Ding gehan­delt wur­de? Nun, Metric klin­gen auf „Now Or Never Now“, als hät­ten sie der Band ein Denk­mal set­zen wol­len – was ja nun echt absurd wäre, weil Metric ja nun wirk­lich genug eige­nes Renom­mee mit­brin­gen. Aber weil ich das Bris­ke­by-Debüt damals moch­te, hat mich die­ser Song irgend­wie schwer abge­holt. Und dass der Song in der Album­ver­si­on vol­le fünf Minu­ten braucht, bis er sei­ne Hook (und Titel­zei­le) erreicht, macht ihn auch noch mal ein biss­chen tol­ler!

8. The Go! Team – Semicir­cle Song
Blä­ser und Drum­li­ne, die noch fet­ter sind als bei Mar­te­ria & Cas­per, Gesang, bei dem man drei­mal nach­gu­cken muss, ob man da nicht gera­de die Jack­son 5 hört, und Men­schen, die ihre Stern­zei­chen auf­zäh­len – völ­lig nor­ma­le Zuta­ten für einen Song, den man eigent­lich nur lie­ben kann. Und da: ein Glo­cken­spiel!

7. Leo­ni­den – Kids
„Again“, ist, wie gesagt, ein sehr, sehr Album. Und „Kids“ ist der bes­te unter einer gan­zen Rei­he sehr guter Songs. Fuck it all, we kil­led it tonight!

6. DJ Koze – See­ing Ali­ens
Die „Exten­ded Breakth­rough Listen“-Version dau­ert 8:17 Minu­ten und wird dabei an kei­ner Stel­le lang­wei­lig. Irgend­wo zwi­schen Buri­al und Under­world sta­peln sich hier irgend­wel­che Sounds über einem trei­ben­den Beat, der immer mal wie­der ein- und aus­gef­a­det wird, wes­we­gen der gan­ze Track mehr nach einer Zug- oder Auto­fahrt klingt, bis sich dann der eigent­li­che Song her­vor­schält, der es schafft, gleich­zei­tig völ­lig frisch zu klin­gen und so, als wür­de man ihn bereits seit 25 Jah­ren ken­nen.

5. Chris­ti­ne And The Queens – 5 Dol­lars
Defi­ni­tiv Rosé­wa­ve, defi­ni­tiv que­er, also defi­ni­tiv ein Song nach mei­nem Geschmack!

4. Meg Myers – Numb
Wenn man in einem Semi­nar erklä­ren müss­te, wie man einen Song auf­baut, emp­feh­le ich „Numb“: vor­sich­tig rein­groo­ven, lang­sam stei­gern, dann alle Tore öff­nen und alles in einer fina­len Refrain-Zei­le kul­mi­nie­ren las­sen, die das Fes­ti­val-Publi­kum im Zwei­fels­fall auch bei 2 Pro­mil­le noch mit­brül­len kann. Ach, für die­sen Song müss­te man das Bizar­re-Fes­ti­val wie­der auf­er­ste­hen las­sen!

3. Hay­ley Kiyo­ko – Curious
Sie wol­le nur wis­sen, ob es was Erns­tes sei, singt Hay­ley Kiyo­ko und ihr „If you let him touch ya, touch ya, touch ya, touch ya, touch ya, touch ya /​ The way I used to, used to, used to, used to, used to, used to“ lässt fer­ne Erin­ne­run­gen an eine der dra­ma­tischs­ten Fra­gen der Pop­ge­schich­te wach wer­den: „Does it feel the same /​ When she calls your name?“ („The Win­ner Takes It All“, natür­lich). Dass da eine Frau singt, der neue Part­ner der/​des Besun­ge­nen aber ein Mann ist, ver­wirrt höchs­tens altern­de Englischlehrer*innen, die bei die­sem Musik­vi­deo einen roten Kopf bekom­men: It’s 20GAYTEEN, remem­ber?

2. Big Red Machi­ne – Hym­no­stic
Wir unter­bre­chen die­se Gale­rie jun­ger Frau­en kurz für zwei nicht mehr gaaa­anz so jun­ge Män­ner (37 und 42, oh, ver­dammt!): Jus­tin Ver­non (Bon Iver, Vol­ca­no Choir, The Shou­ting Matches, usw. usf.) und Aaron Dess­ner (The Natio­nal) haben gemein­sam ein Album auf­ge­nom­men, das die Zeit bis zu den neu­en Alben von Bon Iver und The Natio­nal wun­der­bar über­brückt. Und das mit „Hym­no­stic“ eine lang­sam vor sich hin gos­peln­de Sin­gle hat, die die Son­ne in jeder noch so tie­fen Nacht auf­ge­hen lässt.

1. Rae Mor­ris – Do It
Was zu erwar­ten war: Im März hat­te ich mich in „Do It“ ver­liebt und seit­dem nichts unver­sucht gelas­sen, den Song zum Som­mer­hit des Jah­res 2018 zu pushen. Das hat auf offi­zi­el­ler Ebe­ne nicht geklappt, aber mein Sohn singt begeis­tert den Refrain mit und was will man da noch mehr ver­lan­gen? Ein Song, ein Video, ein Album, wo nahe­zu alles stimmt und des­halb – die Sta­tis­ti­ker unter Ihnen hat­ten schon auf­ge­regt in ihren Unter­la­gen gewühlt – gehen die Aus­zeich­nun­gen für „Album des Jah­res“ und „Song des Jah­res“ erst­mals seit zwölf Jah­ren („Buch­sta­ben über der Stadt“ und „New York“ von Tom­te – und wer mich ein biss­chen kennt, weiß, wel­che Fuß­stap­fen das sind!) wie­der an ein und den­sel­ben Act. Herz­li­chen Glück­wunsch, Rae Mor­ris!

(Wei­te­rer sta­tis­ti­scher fun fact: Rae Mor­ris ist damit der ers­te Act über­haupt in der 18-jäh­ri­gen Geschich­te mei­ner per­sön­li­chen Bes­ten­lis­ten, der zum zwei­ten Mal den Titel „Song des Jah­res“ ein­fah­ren konn­te. Wow!)

Und hier sind alle 60 Songs in einer prak­ti­schen Spo­ti­fy-Play­list, die sehr, sehr gut ist:

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Alben des Jahres 2018

In Groß­bri­tan­ni­en ist der Absatz von CDs im ver­gan­ge­nen Jahr um 23% ein­ge­bro­chen. Wenn das in Deutsch­land ähn­lich aus­se­hen – und die Zah­len des ers­ten Halb­jah­res deu­ten dar­auf hin – trifft mich sicher­lich eine Mit­schuld, denn so weni­ge CDs gekauft wie im letz­ten Jahr habe ich bestimmt seit 20 Jah­ren nicht mehr.

Dafür habe ich (auch weil ich end­lich mal wie­der rich­tig musik­jour­na­lis­tisch tätig bin) so viel Musik gehört wie seit vie­len Jah­ren nicht mehr – und zwar über Spo­ti­fy, was sich für mich immer noch so anfühlt, wie an die­sen Hör­sta­tio­nen, die es frü­her im Saturn gab, kurz in die CD rein­zu­hö­ren, die man in der Hand hält, ohne die Hül­le öff­nen zu müs­sen.

Ich bin, wie schon mal ange­deu­tet, medi­al kon­ser­va­tiv: Ich mag linea­res Fern­se­hen, weil ich mich dort nur zwi­schen knapp 80 Sen­dern (rea­lis­ti­scher­wei­se für mich: zwölf) ent­schei­den muss und nicht zwi­schen zehn­tau­sen­den Strea­ming-Ange­bo­ten. ((Ich nut­ze gera­de einen Monat lang Net­flix, weil ich „Springsteen on Broad­way“ sehen woll­te, und ich fin­de die­se gan­ze Platt­form so schlimm, dass ich fast schon Angst vor gro­ßen, roten „N„s habe, wenn ich sie irgend­wo sehe.)) Ich lese Tex­te am Liebs­ten auf Papier, weil ich dann hin­ter­her wenigs­tens noch unge­fähr weiß, was drin stand. Und ich habe mei­ne Musik und Fil­me ger­ne auf klei­nen sil­ber­nen Schei­ben, die kaputt gehen kön­nen, wenn sie in die Hän­de von Klein­kin­dern gera­ten oder 30 Jah­re rum­ste­hen.

Und selbst, wenn im letz­ten Jahr nur weni­ge CDs zu mei­ner Samm­lung hin­zu­ge­kom­men sind, glau­be ich immer noch an die Idee des Albums, also eines in sich geschlos­se­nen Werks, bei dem die ein­zel­nen Stü­cke in einer Rei­hen­fol­ge ste­hen, die die Künstler*innnen kurz vor der Ver­öf­fent­li­chung als defi­ni­tiv erach­tet haben – wes­we­gen es mich auch wahn­sin­nig macht, wenn auf „Spe­cial Edi­ti­ons“ zum x. Jubi­lä­um eines Albums plötz­lich die Rei­hen­fol­ge oder gar die Aus­wahl der Songs geän­dert wer­den.

Lan­ge Rede, kur­zer Sinn: Hier sind mei­ne 10 Alben des Jah­res 2018!

10. Hay­ley Kiyo­ko – Expec­ta­ti­ons (Spo­ti­fy, Apple Music)
Am 1. Janu­ar 2018 rief Hay­ley Kiyo­ko via Twit­ter das Jahr „20GAYTEEN“ aus – und tat danach alles, damit sich ihre Vor­her­sa­ge bewahr­hei­tet. Ihr Debüt­al­bum „Expec­ta­ti­ons“ ist zu wei­ten Tei­len Rosé­wa­ve in Rein­form und damit genau das, was ich in die­sem unend­li­chen Som­mer hören woll­te!

9. Toco­tro­nic – Die Unend­lich­keit (Spo­ti­fy, Apple Music)
Viel, viel, viel zu sel­ten gehört: Ange­kün­digt als „Kon­zept­al­bum“ und „Auto­bio­gra­phie in 12 Kapi­teln“ (das Album ent­hält 16 Titel) durf­te man vor­ab ein biss­chen besorgt, aber auch gespannt sein. Toco­tro­nic haben alle Erwar­tun­gen pul­ve­ri­siert und ein Werk (ja: ein Werk!) vor­ge­legt, das in so vie­le Rich­tun­gen geht, in so vie­len Far­ben schil­lert und doch genau die Essenz die­ser Band wie­der­gibt.

8. Res­to­ra­ti­ons – LP5000 (Spo­ti­fy, Apple Music)
24 Minu­ten, sie­ben Songs – mehr braucht es nicht für ein beein­dru­cken­des Album, das Geschich­ten aus einem Ame­ri­ka erzählt, das ver­wirrt und gespal­ten ist. Mit heu­len­den Gitar­ren, Rock’n’Roll-Ges­ten und Pathos, mit Bruce Springsteen im Tank und The Gas­light Anthem, The Hold Ste­ady und Japan­dro­ids im Rück­spie­gel (wo die Din­ge ja immer fer­ner erschei­nen, als sie in Wirk­lich­keit sind).

7. Clue­so – Hand­ge­päck I (Spo­ti­fy, Apple Music)
Da hät­te ich jetzt auch nicht unbe­dingt mit gerech­net: Dass Clue­so ein Album raus­bringt, das mich so abholt und mit­nimmt. Dar­über, wie es ist, unter­wegs zu sein und an zuhau­se zu den­ken, über die Welt und die eige­ne Rol­le dar­in – sehr redu­ziert und sehr anrüh­rend. Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re schwärm­te von „Clue­sos ‚Sea Chan­ge‘ “, mich hat es in sei­ner Wirk­mäch­tig­keit an Tom Liwas „St. Amour“ erin­nert. (Fun fact: Clue­so ist inzwi­schen ziem­lich genau so alt wie Tom Liwa, als der „St. Amour“ auf­ge­nom­men hat. Uff!)

6. Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness – Upsi­de Down Flowers (Spo­ti­fy, Apple Music)
Okay, okay: Andrew McMa­hon ist mir so nahe wie sonst nur Ben Folds, kett­car und R.E.M. (und viel­leicht noch ein, zwei Dut­zend ande­re Acts), aber nach dem letz­ten Album „Zom­bies On Broad­way“ hat­te ich ehr­lich gesagt nicht mehr mit viel gerech­net. Umso erfreu­ter war ich, dass sich „Upsi­de Down Flowers“ als Rück­kehr zu alten Höhen ent­pupp­te. Viel­leicht habe ich das Album nach sei­nem Erschei­nen im Novem­ber ein biss­chen über­do­siert, aber: Es ist auch wirk­lich gut!

5. Meg Myers – Take Me To The Dis­co (Spo­ti­fy, Apple Music)
Sie moch­ten Gar­ba­ge, Hole, Fio­na Apple, Gar­ba­ge, Tori Amos und Skunk Anan­sie und sind trau­rig, dass die 1990er Jah­re vor­bei sind? Ver­zwei­feln Sie nicht: Zie­hen Sie sich Ihr Holz­fäl­ler­hemd an, legen Meg Myers‘ zwei­tes Album auf und dre­hen die Laut­stär­ke hoch! So viel Druck, so viel Inti­mi­tät und so ver­dammt klu­ge Tex­te! (Letzt­lich also auch irgend­wie für Leu­te, denen Tay­lor Swifts „Repu­ta­ti­on“ nicht kon­se­quent genug war.)

4. Leo­ni­den – Again (Spo­ti­fy, Apple Music)
Da hät­te ich jetzt auch nicht mit gerech­net: Dass aus Deutsch­land noch mal ein rich­tig gutes Indie­rock-Album kommt – auf Eng­lisch! 32 Minu­ten, zehn Songs, aber Ideen für knapp 50: Auf „Again“ pas­siert so viel, dass man eigent­lich Buch füh­ren müss­te – was lei­der nicht geht, weil das Album so sehr groovt. Ich scheue mich nicht, Leo­ni­den in der Tra­di­ti­on der ganz gro­ßen deut­schen Indiero­cker wie Pale und Miles zu sehen. Viel­leicht klappt’s ja dies­mal mit dem gro­ßen Erfolg!

3. Oh Pep! – I Wasn’t Only Thin­king About You… (Spo­ti­fy, Apple Music)
Irgend­wo zwi­schen Folk und Indie­rock ruht das zwei­te Album des aus­tra­li­schen Frau­en­du­os Oh Pep! (Fun Fact: Pepi­ta Emme­richs [Vio­li­ne, Man­do­li­ne] hat in der Ver­fil­mung von „Wo die wil­den Ker­le woh­nen“ die gro­ße Schwes­ter von Max gespielt – und man muss ja alle Men­schen, die irgend­et­was mit die­sem abso­lut wun­der­vol­len Film zu tun hat­ten, eigent­lich schon des­halb toll fin­den!) Ich höre Melan­cho­lie, Trost, Anflü­ge von Sar­kas­mus und Wut und zehn gran­dio­se Songs.

2. DJ Koze – Knock Knock (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wäh­rend die meis­ten Alben hier auf mei­ner Lis­te die Halb­stun­den-Mar­ke nicht signi­fi­kant über­schrei­ten, ist „Knock Knock“ eher unkna­cki­ge 78 Minu­ten lang. So viel Zeit brau­chen die Tracks aber auch, um sich auf­zu­bau­en, aus­zu­brei­ten und die Hörer*innen ein­zu­wi­ckeln wie in eine war­me Decke. Mit illus­tren Gäs­ten wie Rói­sín Mur­phy, José Gon­za­les und Kurt Wag­ner hat DJ Koze ein abwechs­lungs­rei­ches Album zusam­men­ge­baut, das auch schon 20 Jah­ren alt sein könn­te – was hier aus­drück­lich als Kom­pli­ment gemeint ist.

1. Rae Mor­ris – Someone Out The­re (Spo­ti­fy, Apple Music)
Wenn ich im März begeis­tert bin, kann sich das auch mal bis in den Dezem­ber hal­ten: Rae Mor­ris hat mit ihrem zwei­ten Album ein­fach mein Album des Jah­res auf­ge­nom­men – leicht, ver­spielt, melan­cho­lisch, humor­voll, warm­her­zig und sexy. Kurz­um: Wäre die­ses Album ein Mensch, wäre es der per­fect crush.

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Songs des Jahres 2017

Fro­hes Neu­es Jahr!

Ja, ich weiß, das ist jetzt alles ein biss­chen her, aber ich war zwi­schen­durch zum Bei­spiel zwei Wochen off­line und auch sonst immer mal wie­der ver­hin­dert.

Seit unge­fähr Mit­te Dezem­ber woll­te ich end­lich mal wie­der eine Jah­res­bes­ten­lis­te ver­öf­fent­li­chen, aber das war gar nicht so ein­fach.

Anders als frü­her war die Sache näm­lich viel schwie­ri­ger, weil ich die Lis­te anders als frü­her bei Spo­ti­fy ange­legt habe – und damit natür­lich viel mehr Aus­wahl hat­te als in iTu­nes. Außer­dem ist die­se „Dein Mix der Woche“-Funktion sehr gut und hat mir tat­säch­lich fast jede Woche meh­re­re Songs vor­ge­schla­gen, von denen ich sonst ver­mut­lich nie gehört hät­te.

Ehr­lich gesagt weiß ich des­halb über vie­le der Songs auch gar nicht so viel: Manch­mal habe ich mir die dazu­ge­hö­ri­gen Alben ange­hört (manch­mal auch öfter), aber nicht immer.

JEDENFALLS: Ich woll­te die 93 Songs, die ich an Sil­ves­ter bei­sam­men hat­te, eigent­lich auf 50 ein­damp­fen, aber das hät­te jetzt noch mal fünf Wochen dau­ern kön­nen.

Des­we­gen jetzt hier: Ohne gro­ße Erklä­run­gen, auch ohne ech­te Rei­hen­fol­ge (na ja: die zehn ers­ten Songs sind schon unge­fähr die zehn bes­ten, aber man kann das auch super im Shuff­le-Modus hören) – 60 Songs, die mir 2017 gut gefal­len haben!

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Songs des Jahres 2013

Das neue Jahr ist auch schon wie­der zehn Tage alt, da wird es Zeit, die Alt­las­ten von 2013 abzu­tra­gen. In die­sem Fall: Mei­ne Songs des Jah­res. Die Aus­wahl ist wie immer völ­lig sub­jek­tiv, die Rei­hen­fol­ge im Moment ihrer Erstel­lung schon ver­al­tet und ver­mut­lich hab ich eh wie­der das Wich­tigs­te ver­passt.

25. Bos­se – Schöns­te Zeit
Ja, ja: Das ist schon sen­ti­men­ta­ler Quatsch, Kurt Cobain hul­di­gen zu wol­len mit so einem ver­gleichs­wei­se bana­len Pop­song, der im Text viel zu expli­zit durch dekli­niert, was er aus­drü­cken will. Aber was für ein Pop­song das dann eben doch ist! Und die­ses per­len­de Kla­vier, das die Instru­men­tal­stel­len zu einem der im Gebrauchs­fern­se­hen meist gespiel­ten Wer­ke des Jah­res gemacht hat! Doch, ich blei­be dabei: Ich mag die­sen Song!

24. Junip – Line Of Fire
Ich weiß defi­ni­tiv zu wenig über José Gon­zá­lez und sei­ne Band Junip, die zwar seit Jah­ren immer wie­der am äuße­ren Sicht­feld mei­nes Radars auf­tau­chen, aber es – außer mit Gon­zá­lez‘ Ver­si­on von „Heart­beats“ von The Kni­fe – nie wirk­lich in mei­ne Play­lis­ten geschafft haben. Aber die­sem hyp­no­ti­schen Song und vor allem dem dazu­ge­hö­ri­gen Video konn­te ich mich nicht ent­zie­hen. Wenn ich mehr Zeit mit dem Lied und dem dazu­ge­hö­ri­gen Album ver­bracht hät­te, wären bei­de ver­mut­lich deut­lich wei­ter oben in mei­ner Lis­te.

23. Elvis Cos­tel­lo & The Roots – Walk Us Upt­own
Die Idee, einen der viel­sei­tigs­ten Musi­ker der letz­ten Jahr­zehn­te mit einer der bes­ten Hip-Hop-Bands kol­la­bo­rie­ren zu las­sen, hat­te ein biss­chen was vom Clash der Kul­tu­ren. Schon beim Ope­ner stellt sich aber raus: Die Kom­bi­na­ti­on ist gar nicht so exo­tisch, son­dern eigent­lich erstaun­lich nahe­lie­gend. Wenn man nicht um die Hin­ter­grün­de wüss­te, wäre es ein­fach ein extrem coo­ler, tigh­ter Song.

22. Pet Shop Boys – Love Is A Bour­geois Con­s­truct
Bei Künst­lern, die schon seit Jahr­zehn­ten dabei sind, hat es immer eine gewis­se Wider­sprüch­lich­keit, wenn man ihnen nach­sagt, ein neu­er Song hät­te schon vor Jah­ren ver­öf­fent­licht wer­den kön­nen. Klar: „Love Is A Bour­geois Con­s­truct“ hät­te wun­der­bar auf „Very“ gepasst, die poli­ti­schen Anspie­lun­gen und See­manns­chö­re inklu­si­ve. Aber immer wie­der bricht das Arran­ge­ment auf und es kom­men Sounds zum Vor­schein, die man so zumin­dest bei den Pet Shop Boys noch nie gehört hat.

21. Bas­til­le – Pom­peii
Hur­ra, noch eine Indie­band mit Gitar­ren und Syn­the­si­zern! Geh mir weg! Dann aber: Die­se gran­dio­sen „Eh-oh“-Chöre (nicht zu ver­wech­seln mit „Alles nur geklaut“ von den Prin­zen) und vor allem die­ses Getrom­mel! Luft­gi­tar­re macht bei die­sem Lied kei­nen Sinn, Luft­ge­trom­mel bei aus­rei­chen­dem Sicher­heits­ab­stand durch­aus. Und man freut sich ja inzwi­schen schon über jeden Slot, der im Radio von etwas ande­rem als Robin Thi­c­ke oder den (Un)Toten Hosen besetzt wird!

20. Andrew McMa­hon – After The Fire
Ich bin da kein Stück objek­tiv: Andrew McMa­hon (Ex-Some­thing Cor­po­ra­te und Ex-Jack’s Man­ne­quin) ist für mich ein per­sön­li­cher Held. Mit sei­nen Tex­ten spricht er mir seit zehn Jah­ren aus der See­le und wahr­schein­lich hat es auch etwas damit zu tun, dass wir fast gleich alt sind. Jeden­falls: Sei­ne Solo-Debüt-EP „The Pop Under­ground“ ist mit ziem­li­cher Sicher­heit kei­ne musi­ka­li­sche Offen­ba­rung, aber sie ent­hält vier wun­der­ba­re Pop­songs (hier auch wie­der das Motiv: Chö­re und Trom­meln!) und „After The Fire“ ist mit sei­nem groo­ven­den Refrain der bes­te davon und muss des­halb die Top 20 eröff­nen.

19. Cold War Kids – Mira­cle Mile
Da zeich­net sich ein Mus­ter ab: Schon wie­der Chö­re und Trom­meln! Und natür­lich ein häm­mern­des Kla­vier. Mit ordent­lich Schwung star­ten die Cold War Kids in ihr Album „Dear Miss Lonely­he­arts“. Da schep­pern ganz viel Eupho­rie und Lebens­freu­de mit und dann fasst der Song die gan­zen Lebens­rat­ge­ber und Feuil­le­ton­tex­te der letz­ten Jah­re ganz sim­pel zusam­men: „Get out­side, get all over the world /​ You learn to love what you get in return /​ It may be a pro­blem and it may be peace of mind /​ But you have to slow down and brea­the one breath at a time /​ So ya come up for air“. Hal­lo!

18. Lily Allen – Hard Out Here
Lily Allen, die mir liebs­te Pop-Prin­zes­sin der letz­ten Jah­re, ist zurück. Das allein wäre schon ein Grund zu fei­ern, aber dann haut sie auch noch ein femi­nis­ti­sches Mani­fest aus, das dar­über hin­aus auch noch so ein char­mant schun­keln­der Pop­song ist. Natür­lich kön­nen wir über das Video dis­ku­tie­ren und über die Fra­ge, ob man Feu­er (oder in die­sem Fall eher: die Gül­le, die „Blur­red Lines“ von Robin Thi­c­ke nun mal ist und auf die Allens Video anspielt) mit Feu­er (Gül­le) bekämp­fen muss. Aber die Dis­kus­si­on ver­schafft dem The­ma „Sexis­mus im Pop“ noch mal mehr Auf­merk­sam­keit und tut dem Song kei­nen Abbruch.

17. Blau­d­zun – Ele­phants
Um ehr­lich zu sein, weiß ich qua­si gar nichts über die­sen nie­der­län­di­schen Sän­ger. Ich muss­te sogar sei­ne Natio­na­li­tät gera­de noch mal nach­schla­gen und habe auch sein Album „Hea­vy Flowers“ nur ein­mal gehört. Aber „Ele­phants“ hat mich von Anfang an begeis­tert, seit ich den Song zum ers­ten Mal bei „All Songs Con­side­red“ gehört habe. Auch hier wie­der: viel zeit­ge­nös­si­sches Getrom­mel, was nahe­legt, dass man „Ele­phants“ noch mal in der Wer­bung irgend­ei­nes Unter­hal­tungs­elek­tronik­her­stel­lers hören wird. Falls nicht: ein­fach auf „Repeat“ drü­cken.

16. Josh Rit­ter – Joy To You Baby
Josh Rit­ter hat mit „The Beast In Its Tracks“ das auf­ge­nom­men, was Musik­jour­na­lis­ten und emp­find­sa­me Hörer ein „Tren­nungs­al­bum“ nen­nen. Ganz vie­le Songs an die Adres­se der alten Flam­me, inkl. der Ver­si­che­rung, dass die neue Lie­be nur „in einem bestimm­ten Licht“ so aus­se­he wie die alte. Das alles kul­mi­niert in „Joy To You Baby“, das im Spek­trum „Wut/​Gelassenheit“ den gegen­über­lie­gen­den Platz von Ben Folds Fives „Song For The Dum­ped“ besetzt und damit das ver­söhn­lichs­te Abschieds­lied seit … äh … seit „Die Guten“ von muff pot­ter. ist. So unge­fähr.

15. Tra­vis – Whe­re You Stand
Liegt das an mei­ner neu­en Ste­reo­an­la­ge, oder wur­den 2013 die Bäs­se und Schlag­zeu­ge deut­lich wei­ter nach vor­ne gemischt als vor­her? Im Prin­zip auch egal, denn spre­chen wir über die­ses Lied, den Titel­track von Tra­vis‘ sieb­tem Album. Da ist wirk­lich alles drin, was man von Tra­vis erwar­tet, vor allem aber: viel Melan­cho­lie und Trost. Ein eher unspek­ta­ku­lä­rer Song, ver­gli­chen mit vie­len Hits der Band, aber das passt zu Tra­vis, die es sich in der Nische zwi­schen den über­gro­ßen Bands Radio­head (von denen Tra­vis beein­flusst wur­den) und Cold­play (die von Tra­vis beein­flusst wur­den) bequem gemacht haben.

14. Moby feat. Way­ne Coy­ne – The Per­fect Life
Wer ein­mal auf einem Kon­zert der Fla­ming Lips war, weiß, wie man auch als erwach­se­ner Mensch noch Eupho­rie bis in Kin­der­ge­burts­tags­sphä­ren hoch­schrau­ben kann. Also eine gute Wahl, dass sich Moby für die­se Endor­phin-Über­do­sis Fla­ming-Lips-Sän­ger Way­ne Coy­ne dazu hol­te, mit dem er dann im Video durchs son­nen­durch­flu­te­te LA mar­schiert. Und was für ein schö­nes Lie­bes­lied sie dabei sin­gen! Hach!

13. Mara­thon­mann – Die Stadt gehört den Bes­ten
Seit dem Ende von muff pot­ter. und Schrott­gren­ze und der Revol­ver­held-Wer­dung von Jupi­ter Jones ist der Platz für lau­te, hei­se­re Emo­tio­nen in mei­nem Musik­spek­trum unbe­setzt. Ich weiß, es gäbe da Dut­zen­de gute Bands, aber kei­ne von denen hat mich bis­her so gekickt, wie es jetzt Mara­thon­mann getan haben. Ich traf auf die­se Hym­ne in ihrem natür­li­chen Lebens­raum: einer von Piet Klo­cke mode­rier­ten Abend­sen­dung auf WDR 5. Ich fin­de es etwas ver­stö­rend, dass ich bei der Zei­le „Und wir steh’n auf uns’­ren Brü­cken“ aus­ge­rech­net die Köl­ner Hohen­zol­lern­brü­cke vor Augen habe, aber ande­rer­seits habe ich die in die­sem Jahr etli­che Male mit dem Zug über­quert und zwei­tens gibt es in Bochum auch gar nicht so vie­le Brü­cken, die ich mir hier pathe­tisch vor­stel­len könn­te. Ein wun­der­ba­res Brett mit ganz viel „Wir gegen den Rest der Welt“-Poesie und eine Hom­mage an Städ­te und Freun­des­krei­se.

12. Rhye – Open
Nach 20 Uhr kann man auch auf Eins­li­ve fei­ne Musik ent­de­cken. Mein Erst­kon­takt mit „Open“ fand jeden­falls beim Spü­len im Rah­men der Sen­dung „Plan B“ statt. Die Mode­ra­to­rin erklär­te mir vor­ab, was ich so direkt nicht geahnt hät­te, näm­lich dass die nun fol­gen­de Stim­me einem Mann namens Mike Milosh gehö­re. Ste­phen Thomp­son von NPR Music – der Mann, dem ich in Musik­fra­gen am Aller­meis­ten ver­traue – schrieb über den Song: „cat­chy but subt­le, soni­cal­ly rich but unclut­te­red, sexy but never vul­gar“. Im Fern­se­hen gehört „Open“ schon jetzt zum fes­ten Reper­toire der Lie­bes­ak­t­an­bah­nungs­be­schal­lung und viel­leicht wird der Song eines Tages als „Smooth Ope­ra­tor“ die­ser Gene­ra­ti­on gehan­delt wer­den.

11. Vol­ca­no Choir – Bye­go­ne
Jus­tin Ver­non will viel­leicht nie mehr mit sei­nem Pro­jekt Bon Iver Musik machen. Das wäre scha­de, aber ers­tens gibt es ja zwei phan­tas­ti­sche Alben, die uns kei­ner mehr neh­men kann, und zwei­tens macht Ver­non ja ein­fach immer wei­ter, auch mit ande­ren Pro­jek­ten. „Repa­ve“, das zwei­te Vol­ca­no-Choir-Album, hät­te er auch als Bon Iver ver­öf­fent­li­chen kön­nen, und „Bye­go­ne“ ist der Song, der sich dabei am Stärks­ten her­vor­tut.

10. Les­lie Clio – Let Go
„Told You So“, die Vor­ab-Sin­gle von Les­lie Cli­os Debüt­al­bum „Gla­dys“, hat­te es ja bereits 2012 auf mei­ne Lis­te geschafft, jetzt also noch ein Song. „Let Go“ ist deut­lich schlep­pen­der als „Told You So“ (oder auch das eben­falls famo­se „Could­n’t Care Less“) und ver­ur­sacht bei mir immer noch regel­mä­ßig Gän­se­haut. Ein schlich­tes, aber wir­kungs­vol­les Tren­nungs­lied, das Ade­le oder Amy Wine­house in nichts nach­steht.

9. James Bla­ke – Retro­gra­de
Apro­pos Gän­se­haut: James Bla­ke! Den Gesang muss man mögen, aber der Song dürf­te eigent­lich kei­nen kalt las­sen.

8. Biffy Cly­ro – Black Chan­de­lier
Ja, das ist Sta­di­on­rock – aber immer­hin nicht mit so ver­krampf­tem Rock­star­dom ver­bun­den wie der von Muse oder 30 Seconds To Mars. Schö­nes Gitar­ren­ge­schram­mel, gute Lyrics und ein Songauf­bau wie aus dem Lehr­buch – man kann alles für und gegen Biffy Cly­ro ver­wen­den, aber vom Jah­res­an­fang bis zum Jah­res­en­de war „Black Chan­de­lier“ die gan­ze Zeit dabei und hat auch am Ende immer noch funk­tio­niert.

7. Daft Punk feat. Phar­rell Wil­liams – Get Lucky
Ladies and gen­tle­men, bit­te erhe­ben Sie sich für den Kon­sens-Hit des Jah­res, ach was: der Deka­de! „Get Lucky“ ist das, was man instant clas­sic nennt – aus dem Stand ein Ever­green. Ein Song, der Gene­ra­tio­nen ver­eint („Sind das Stee­ly Dan?“ – „Nein, Papa!“), und per Gesetz in jeder ein­zel­nen Fern­seh­sen­dung des Jah­res 2013 gespielt wer­den muss­te. Und das, wo kaum noch jemand ernst­haft mit einem gro­ßen Come­back von Daft Punk gerech­net hat­te.

6. Cas­per – Im Asche­re­gen
Ich habe ja so mei­ne Zeit gebraucht, bis ich mit Cas­pers Musik warm wur­de. Inzwi­schen bin ich gro­ßer Fan und das Album „Hin­ter­land“ hat sei­nen Vor­gän­ger „XOXO“ noch mal getoppt. Der Ope­ner „Im Asche­re­gen“ klingt mit sei­nen Trom­meln, Chö­ren, Blä­sern und Glo­cken­spie­len mehr nach Arca­de Fire als Arca­de Fire selbst und text­lich habe ich in der deutsch­spra­chi­gen Musik 2013 kaum Bes­se­res gehört. Vom Nicken in Rich­tung kettcar/​Slime („ein Drit­tel Heiz­öl, zwei Drit­tel Ben­zin“) über „auf Nim­mer­wie­der­se­hen und Dan­ke für nichts“ bis hin zu „die Stadt muss bren­nen, bren­nen, bren­nen“: eine ein­zi­ge Unab­hän­gig­keits­er­klä­rung, ein mis­si­on state­ment, ein Stin­ke­fin­ger.

5. Mar­cus Wie­busch – Nur ein­mal rächen
Apro­pos kett­car: Deren Sän­ger Mar­cus Wie­busch wagt sich nach fast 20 Jah­ren noch ein­mal auf Solo­pfa­de und macht mit „Nur ein­mal rächen“ alles rich­tig. Klu­ge Geschich­te, klu­ge Instru­men­tie­rung, gran­dio­se Hook­li­ne. Seit kett­car den Ver­such auf­ge­ge­ben haben, ein zwei­tes „Lan­dungs­brü­cken raus“ zu schrei­ben (also seit „Sylt“), gelin­gen ihnen immer wie­der neue Meis­ter­wer­ke (vgl. „Ret­tung“, 2012) und auf „Nur ein­mal rächen“ wirkt Wie­busch so ent­spannt wie schon lan­ge nicht mehr. Das für Mit­te April ange­kün­dig­te Debüt­al­bum zählt zu denen, auf die ich am gespann­tes­ten war­te.

4. CHVRCHES – The Mother We Share
Ich kann mir aber nicht vor­stel­len, wie man sich „The Mother We Share“, der Debüt-Sin­gle von CHVRCHES, ent­zie­hen kön­nen soll­te. Die­ser Syn­thie­pop ist zwar nicht wirk­lich neu, aber der Song ist musi­ka­lisch wie atmo­sphä­risch so gekonnt „dazwi­schen“ (nicht zu schnell und nicht zu lang­sam, nicht zu melan­cho­lisch und nicht zu eupho­risch, nicht zu kalt und nicht zu warm), dass er auch nach einem Jahr immer noch kickt.

3. Foxy­gen – San Fran­cis­co
Auf Foxy­gen bin ich (natür­lich) durch „All Songs Con­side­red“ auf­merk­sam gewor­den. Wie gekonnt die­se Band auf die letz­ten 50 Jah­re Musik­ge­schich­te ver­weist und wie gran­di­os das in „San Fran­cis­co“ kul­mi­niert. Die­ser Dia­log „I left my heart in San Fran­cis­co“ – „That’s okay, I was bored any­way“ – „I left my love in the room“ – „That’s okay, I was born in L.A.“ zählt defi­ni­tiv zum Cle­vers­ten, was ich im ver­gan­ge­nen Jahr gehört habe, und ist auch beim hun­derts­ten Hören immer noch lus­tig.

2. Kacey Mus­gra­ves – Mer­ry Go ‚Round
Es ist in Deutsch­land, wo Coun­try­mu­sik außer auf WDR 4 und in Fern­fah­rer­knei­pen kaum ein Zuhau­se hat, eini­ger­ma­ßen schwer ver­mit­tel­bar, dass das Gen­re auch jung, klug und wit­zig sein kann. Ent­spre­chend groß soll­te die Über­ra­schung über das Debüt­al­bum von Kacey Mus­gra­ves sein, wenn sich hier­zu­lan­de jemand dafür inter­es­sie­ren wür­de. „Mer­ry Go ‚Round“ erzählt vom All­tag in den länd­li­chen Gebie­ten der USA: „If you ain’t got two kids by 21 /​ You’­re pro­ba­b­ly gon­na die alo­ne /​ Least that’s what tra­di­ti­on told you“. Die Kri­tik an die­sem spie­ßi­gen und bigot­ten Leben ist in so zucker­sü­ße Musik gegos­sen, dass man sie zunächst über­hö­ren könn­te – und das macht sie so wir­kungs­voll.

1. The Front Bot­toms – Au Revoir (Adi­os)
109 Sekun­den, län­ger braucht mein Lied des Jah­res 2013 nicht. Aber die­se 109 Sekun­den sind voll­ge­packt mit Witz, Gehäs­sig­keit und Rock ’n‘ Roll. Ich könn­te es 109 mal hin­ter­ein­an­der hören und wür­de gern jeden Tag damit begin­nen.

Die gan­ze Play­list zum Nach­hö­ren bei Spo­ti­fy.

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Songs des Jahres 2012

Ich bin natür­lich viel zu spät dran. Ich habe inzwi­schen meh­re­re Songs im Radio oder in Gast­stät­ten gehört, die selbst­ver­ständ­lich noch auf die Lis­te gehört hät­ten, die ich aber schlicht­weg ver­ges­sen habe. Und ver­mut­lich habe ich die bes­ten Sachen eh wie­der nicht mit­be­kom­men.

Egal.

Hier sind mei­ne Songs des Jah­res 2012:

25.The Kil­lers – Runa­ways
„Batt­le Born“, das vier­te regu­lä­re Album der Kil­lers, hat nicht die Über­songs wie „Hot Fuss“, es ist kein geschlos­se­nes Meis­ter­werk wie „Sam’s Town“, aber auch nicht so unsor­tiert wie „Day & Age“. Kurz­um: Es ist ein völ­lig okayes Album – und es hat „Runa­ways“, die neu­es­te Springsteen-Hom­mage (Frau ken­nen­ge­lernt, schwan­ger gewor­den, gehei­ra­tet, Stim­mung im Arsch – man kennt das) aus dem Hau­se Flowers. „We can’t wait till tomor­row“!

24. Cal­vin Har­ris feat. Exam­p­le – We’ll Be Coming Back
Das Kon­zert von Exam­p­le in der Köl­ner Essig­fa­brik war eines der bes­ten und ener­gie­ge­la­dens­ten, die ich 2012 besucht habe. Lei­der wer­de ich mit dem neu­en Album „The Evo­lu­ti­on Of Man“ nicht rich­tig warm, aber die­se Kol­la­bo­ra­ti­on mit Cal­vin Har­ris, die auf den Alben bei­der Künst­ler ent­hal­ten ist, ist schon sehr ordent­lich gewor­den.

23. Frit­ten­bu­de – Zeit­ma­schi­nen aus Müll
Ein Plä­doy­er für den Spaß, die Par­ty, die Selbst­zer­stö­rung, ohne gleich­zei­tig gegen Spie­ßer­tum und Bau­spar­ver­trä­ge zu het­zen. Die Kern­aus­sa­ge „Jeder Tag ist der bes­te Tag eines Lebens“ ist viel­leicht nicht son­der­lich neu, aber sie run­det die­sen melan­cho­li­schen Car­pe-Diem-Pop­song wun­der­bar ab.

22. San­ti­gold – Dis­pa­ra­te Youth
Unse­ren jähr­li­chen Mobil­funk-Wer­be­song gib uns auch heu­te wie­der. Natür­lich haben die son­nen­durch­flu­te­ten Erleb­nis-Bil­der aus den Voda­fone-Spots die­sen ohne­hin gro­ßen Song noch ein biss­chen wei­ter mit Bedeu­tung auf­ge­la­den, aber auch nach der Dau­er­be­schal­lung im Fern­se­hen (und mehr noch: im Inter­net) hat das Lied nichts von sei­ner Schön­heit ver­lo­ren.

21. Ben­ja­min Gib­bard feat. Aimee Mann – Big­ger Than Love
Da ver­öf­fent­licht der Sän­ger von Death Cab For Cutie und The Pos­tal Ser­vice das ers­te rich­ti­ge Solo­al­bum unter eige­nem Namen („For­mer Lives“) und der bes­te Song ist wie­der mal eine Kol­la­bo­ra­ti­on. Nach „Big­ger Than Love“ wünscht man sich, Gib­bard und Mann hät­ten zusam­men ein kom­plet­tes Album auf­ge­nom­men, so groß­ar­tig har­mo­nie­ren ihre bei­den Stim­men und so schön ist das Ergeb­nis gewor­den.

20. The Gas­light Anthem – „45“
Ich wür­de sie ja ger­ne igno­rie­ren, die­se schreck­li­chen Krea­tio­nis­ten aus New Jer­sey, aber dafür machen sie lei­der immer noch viel zu gute Musik. „45“ ist eben lei­der ein groß­ar­ti­ger Ope­ner zu einem ziem­lich guten Album. Die Fra­ge, ob man guten Künst­lern nach­se­hen soll­te, dass sie offen­sicht­lich Idio­ten sind, klä­ren wir dann eben spä­ter.

19. Kid Kopp­hau­sen – Das Leich­tes­te der Welt
Seit dem 10. Okto­ber kann man Kid Kopp­hau­sen nicht mehr hören, ohne mit­zu­den­ken, dass Nils Koppruch, einer der zwei Köp­fe die­ser Band, starb, bevor es mit der Band rich­tig los­ge­hen konn­te. Hier singt nun die meis­te Zeit Gis­bert zu Knyphau­sen, der ande­re Kopf, und er singt so gran­di­os Zei­len wie „Denn jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur schei­ße ver­packt“. Das ist so mei­len­weit weg von den Acts, die jedes Jahr den „Bun­des­vi­si­on Song Con­test“ unsi­cher machen, so sagen­haft gut, dass es wirk­lich kei­nes Todes­falls bedurft hät­te, um die­ses Album noch beson­de­rer zu machen. Aber so ist das Leben manch­mal.

18. Kendrick Lamar – Swim­ming Pools (Drank)
Es sind so vie­le Lobes­hym­nen über Kendrick Lamar und sein Debüt­al­bum „good kid, m.A.A.d city“ erschie­nen, dass ich kei­ner­lei Ambi­tio­nen habe, dem noch etwas hin­zu­zu­fü­gen. Es ist ein wahn­sin­nig klu­ges Album, das viel­leicht nicht im eigent­li­chen Sin­ne cat­chy ist, an dem wir aber ver­mut­lich auch in 20, 30 Jah­ren noch unse­re Freu­de haben wer­den. Und „Swim­ming Pools (Drank)“ ist der bes­te Song dar­auf. Viel­leicht.

17. Les­lie Clio – Told You So
Wäh­rend Thees Uhl­mann solo Kar­rie­re macht, hat der Rest der letz­ten Tom­te-Beset­zung umge­sat­telt und ist jetzt Back­ing Band (bzw. im Fal­le von Niko Pott­hoff auch noch Pro­du­zent) von Les­lie Clio, der – gro­ßer Gott, Musik­jour­na­lis­ten! – „deut­schen Ant­wort auf Ade­le“. „Told You So“ ist cle­ver, kna­ckig und ent­spannt und gemein­sam mit der Nach­fol­ge­sin­gle „I Could­n’t Care Less“ lässt das Gro­ßes für das im Febru­ar erschei­nen­de Debüt­al­bum „Gla­dys“ erwar­ten.

16. Frank Oce­an – Lost
Und noch so ein Album, das völ­lig zu Recht auf allen Bes­ten­lis­ten weit vor­ne gelan­det ist. Ich habe län­ger gebraucht, um mit „Chan­nel Oran­ge“ warm zu wer­den, aber es wird tat­säch­lich bei jedem Hören noch bes­ser. „Lost“ ist der … nun ja: ein­gän­gigs­te Song des Albums, der ein biss­chen schüch­tern vor sich hin groovt.

15. Cro – Easy
Ja, der Song hät­te auch schon 2011 auf der Lis­te ste­hen kön­nen. Ja, man kann das mit der Pan­da-Mas­ke albern fin­den. Ja, die stän­di­ge Medi­en­prä­senz (außer in der „WAZ“) nervt ein biss­chen. Aber bit­te: „Easy“ ist immer noch ein groß­ar­ti­ger Song. Die Zei­len mit „AC/​Deasy“ und „Washing­ton, Dea­sy“ zäh­len zum Cle­vers­ten, was im deutsch­spra­chi­gen Hip­hop je pas­siert ist – wobei die Kon­kur­renz da jetzt auch über­schau­bar ist.

14. Alex Cla­re – Up All Night
Kei­ne Ahnung, war­um die gro­ßen Hits von Alex Cla­re jetzt „Too Clo­se“ und „Tre­a­ding Water“ sind: „Up All Night“ hat doch viel mehr Ener­gie und ist viel abwechs­lungs­rei­cher. Ande­rer­seits dürf­ten die Aus­wir­kun­gen auf den Stra­ßen­ver­kehr auch ver­hee­rend sein, wenn so ein Lied plötz­lich im For­mat­ra­dio läuft. Ver­gli­chen mit dem Rest des Albums, der zwi­schen Soul und Dub­step schwankt, ist der Refrain von „Up All Night“ näm­lich ein regel­rech­tes Brett. Andrew W.K., mit dem Drum­com­pu­ter nach­emp­fun­den.

13. Buri­al – Loner
Von der Radio­va­ri­an­te zum Unter­grund­hel­den: Kaum ein Künst­ler­na­me passt so gut zur Musik wie der von Buri­al. Die Dop­pel-EP „Street Halo /​ Kind­red“ ist das, was Mas­si­ve Attack seit Jah­ren nicht mehr rich­tig hin­be­kom­men, und „Loner“ ist mit kna­cki­gen sie­ben­ein­halb Minu­ten noch das zugäng­lichs­te Stück in die­sem düs­te­ren Gewa­ber. Unbe­dingt mit Kopf­hö­rern und geschlos­se­nen Augen genie­ßen!

12. The Wall­flowers feat. Mick Jones – Reboot The Mis­si­on
Nach sie­ben Jah­ren Pau­se und zwei sehr guten Solo­al­ben von Jakob Dylan sind die Wall­flowers zurück – und klin­gen plötz­lich nach The Clash! Und, klar, wenn sie im Text Joe Strum­mer erwäh­nen, kön­nen sie für die Gitar­re und den Gesang im Refrain gleich auch noch Mick Jones ver­pflich­ten. Und ich bin so ein­fach gestrickt, dass ich es gran­di­os fin­de!

11. Kath­le­en Edwards – Chan­ge The Sheets
Ich glau­be, wenn ich alles zusam­men­zäh­le, ist Kath­le­en Edwards mei­ne Lieb­lings­sän­ge­rin: Die­se wun­der­schö­ne Stim­me, die­se Stim­mungs­vol­len Songs und die Bil­der, die ihre Musik ent­ste­hen lässt! Und dann ist „Voy­a­ge­ur“, ihr vier­tes Album, auch noch von Jus­tin Ver­non von Bon Iver pro­du­ziert und ent­hält Songs wie „Chan­ge The Sheets“! Toll!

10. Bob Mould – The Des­cent
Gut, Bob-Mould-Alben klin­gen immer gleich und viel Abwechs­lung gibt es auch auf „Sil­ver Age“ nicht. Aber als ein­zel­ner Song kann so etwas wun­der­bar funk­tio­nie­ren und was der Ex-Sän­ger von Hüs­ker Dü und Sugar da mit 52 aus dem Ärmel schüt­telt, krie­gen man­che Musi­ker unter 30 nicht auf die Ket­te. Die For­mel „Gitar­ren­ge­schram­mel plus hym­ni­sche Chö­re“ ist natür­lich denk­bar ein­fach, kriegt mich aber fast immer.

09. Cloud Not­hings – Stay Use­l­ess
Die­ser Song ist erst ganz spät auf mei­ner Lis­te gelan­det, als Ste­phen Thomp­son ihn in der Jah­res­bes­ten­lis­ten­show von „All Songs Con­side­red“ gespielt hat und ich fest­ge­stellt habe, dass ich ihn schon das hal­be Jahr über im Frei­beu­ter gehört hat­te. Natür­lich auch denk­bar ein­fach in sei­ner Wirk­mäch­tig­keit, aber ich find’s gut, wenn ich weiß, was ich will, und das auch bekom­me.

08. Car­ly Rae Jep­sen – Call Me May­be
Ich saß in Baku im Hotel­zim­mer, guck­te rus­si­sches Musik­fern­se­hen und sah die­ses Video. Als der Song zu Ende war, zapp­te ich wei­ter und sah das Video auf dem nächs­ten Kanal direkt noch mal von vorn. „Komi­sche Rus­sen“, dach­te ich, woll­te den Song bei Face­book pos­ten und stell­te dann fest, dass ich bis­her einen inter­na­tio­na­len Hit ver­passt hat­te. „Call Me May­be“ mag mitt­ler­wei­le ein ganz klei­nes biss­chen ner­ven, aber es ist einer der bes­ten Pop­songs, der in die­sem Jahr­tau­send geschrie­ben wur­de (über die Pro­duk­ti­on kön­nen wir uns strei­ten) und „Befo­re you came into my life I missed you so bad“ eine ganz rüh­ren­de Zei­le Teen­ager-Poe­sie. Pop­kul­tur­theo­re­tisch span­nend ist natür­lich auch die Erkennt­nis, dass die ganz gro­ßen Mega­hits („Some­bo­dy That I Used To Know“, „Gang­nam Style“ und eben „Call Me May­be“) inzwi­schen immer auch mit Web­phä­no­me­nen ein­her­ge­hen oder sogar aus ihnen ent­ste­hen.

07. Kraft­klub – Songs für Liam
Noch so ein Song, den nicht mal Eins­li­ve tot­spie­len konn­te. So cle­ver wur­de Pop­kul­tur in deutsch­spra­chi­gen Song­tex­ten sel­ten ver­han­delt, so wir­kungs­voll wur­den die Black Eyed Peas und Til Schwei­ger sel­ten gedisst, so gut wur­de der Wunsch, geküsst zu wer­den, sel­ten begrün­det. Außer­dem freut man sich ja über jede jun­ge Band, die sich mal nicht von der Folk­plat­ten­samm­lung ihrer Eltern hat beein­flus­sen las­sen.

06. First Aid Kit – Emmy­lou
… womit wir bei zwei schwe­di­schen Teen­agern wären, die maß­geb­lich von der Folk­plat­ten­samm­lung ihrer Eltern beein­flusst wur­den. Ich ver­eh­re First Aid Kit, seit ich sie vor vier Jah­ren auf dem By:Larm in Oslo gese­hen habe, und war etwas ent­täuscht, dass ihr Debüt­al­bum 2010 dann ver­gleichs­wei­se egal aus­fiel. Das haben sie jetzt mit „The Lion’s Roar“ aus­ge­gli­chen, dem wun­der­vol­len Nach­fol­ger. „Emmy­lou“ wirft mit text­li­chen und musi­ka­li­schen Refe­ren­zen nur so um sich und macht klar, dass sich Johan­na und Kla­ra Söder­berg so inten­siv mit der Mate­rie beschäf­tigt haben, dass sie statt die­ses Songs auch eine Habi­li­ta­ti­ons­schrift hät­ten anfer­ti­gen kön­nen. Die wäre aller­dings kaum so schön gewor­den.

05. kett­car – Ret­tung
Damit wäre jetzt auch nicht mehr zwin­gend zu rech­nen gewe­sen, dass kett­car zehn Jah­re nach ihrem gran­dio­sen Debüt­al­bum noch mal das bes­te Lie­bes­lied ver­öf­fent­li­chen wür­den, das je geschrie­ben wur­de. Doch, wirk­lich: Das muss man auch erst mal brin­gen, die besof­fen kot­zen­de Freun­din zu besin­gen und mit „Guten Mor­gen, Lie­be mei­nes Lebens“ zu schlie­ßen. „Lie­be ist das was man tut“, lehrt uns Mar­cus Wie­busch hier ganz prak­tisch. Und musi­ka­lisch ist das auch eine der bes­ten kett­car-Num­mern.

04. Mack­lem­ore & Ryan Lewis – Thrift Shop
Wenn 2012 nicht aus­ge­rech­net das ers­te Ben-Folds-Five-Album seit 13 Jah­ren erschie­nen und auch noch wahn­sin­nig gut aus­ge­fal­len wäre, wäre „The Heist“ von Mack­lem­ore & Ryan Lewis mein Album des Jah­res gewor­den. Auf der einen Sei­te gibt es dort unglaub­lich anrüh­ren­de Songs wie „Same Love“ und „Wing$“, auf der ande­ren so einen fun­keln­den Wahn­sinn wie „Thrift Shop“, der eigent­lich nie­man­den kalt las­sen kann. Unbe­dingt auch das Video anse­hen!

03. Japan­dro­ids – Fire’s High­way
Wie Sie gleich sehen wer­den, gab es 2012 für mich drei gro­ße Strö­mun­gen: Melan­cho­li­sche Kla­vier­bal­la­den, Hip­hop und Gara­gen­rock­bret­ter. Hier der best­plat­zier­te Ver­tre­ter der letzt­ge­nann­ten Kate­go­rie. „Cele­bra­ti­on Rock“ ist, wie Ste­phen Thomp­son bei „All Songs Con­side­red“ rich­tig bemerkt hat, das viel­leicht am pas­sends­ten beti­tel­te Album der Musik­ge­schich­te: Acht Songs in 35 Minu­ten, ein durch­ge­tre­te­nes Gas­pe­dal und Freu­de am eige­nen Lärm. In allen ande­ren Bes­ten­lis­ten taucht „The House That Hea­ven Built“ auf, bei mir eben „Fire’s High­way“. Gitar­ren­ge­schram­mel plus hym­ni­sche Chö­re, Sie ken­nen das Prin­zip.

02. Ben Folds Five – Away When You Were Here
Ich will ganz ehr­lich sein: Ich hat­te nicht damit gerech­net, dass „The Sound Of The Life Of The Mind“ über­haupt ein gutes Album wer­den wür­de. 13 Jah­re War­ten waren ein­fach zu viel. Dass es letzt­lich ein sehr gutes Album gewor­den ist, liegt an Songs wie „Away When You Were Here“: Die Melo­die klingt schon beim ers­ten Hören, als ken­ne man das Lied seit sei­ner Kind­heit, und dass Ben Folds ein Lied an einen ver­stor­be­nen Vater singt, wäh­rend sein eige­ner Vater noch leben­dig und bei bes­ter Gesund­heit ist, unter­mau­ert sei­ne Song­wri­ter-Qua­li­tä­ten. Jeder Depp kann besin­gen, was er fühlt oder sieht, aber mit fik­ti­ven Geschich­ten der­art zu Her­zen zu rüh­ren, das kön­nen nur weni­ge. Ben Folds kann es, natür­lich.

01. Rae Mor­ris – Don’t Go
Ich habe nicht vie­le TV-Seri­en kom­plett gese­hen. Wenn ich es dann doch aus­nahms­wei­se mal tue, sind die Abschluss­lie­der gleich mit beson­de­rer Bedeu­tung auf­ge­la­den. Das war mit Peter Gabri­els „The Book Of Love“ am Ende von „Scrubs“ so (die Unzu­mut­bar­kei­ten der neu­en Fol­gen ver­schwei­gen wir ein­fach) und so war es auch mit „Don’t Go“ am Ende von „Skins“. Dass auch die­se Serie jetzt noch einen Appen­dix bekommt (der hoffentlich/​mutmaßlich nicht so schlimm wird wie der von „Scrubs“), kön­nen wir an die­ser Stel­le getrost unter­schla­gen, so berüh­rend und emo­tio­nal ver­dich­tet ist die Mon­ta­ge zu die­sem Lied, das ich seit­dem rauf und run­ter gehört habe – obwohl das zunächst gar nicht so ein­fach war. Ein schlich­tes Lied einer jun­gen Singer/​Songwriterin aus Eng­land, aber auch ein sehr schö­nes.

Jetzt nach­hö­ren: Mei­ne Top 25 bei Spo­ti­fy.

Und weil ich hier eh schon so viel über die Alben geschrie­ben habe, gibt’s deren Bes­ten­lis­te dies­mal unkom­men­tiert.