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Musik

Neue Musik von Carly Rae Jepsen, K’Naan, Sampha und Deine Freunde

In der Sommerpause hat sich ganz schön was angestaut, deswegen zeigt Euch Lukas nicht seine Mückenstiche, sondern er spielt Euch tolle neue Songs. Es gibt überraschende Comebacks von K’Naan, Corinne Bailey Rae, Leona Naess und Sampha, Powerpop von Carly Rae Jepsen und Georgia und ein schön-trauriges Kinderlied von Deine Freunde.

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Alle Songs:

  • Carly Rae Jepsen – Psychedelic Switch
  • K’Naan – Refugee
  • Corinne Bailey Rae – New York Transit Queen
  • Joy Oladokun – Changes
  • Leona Naess – Basement
  • Sampha – Spirit 2.0
  • Georgia – All Night
  • Deine Freunde – Schon bist Du in der Pubertät

Shownotes:

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Musik

Songs des Jahres 2019

Machen wir’s schnell: Hier sind also 25 Songs, die ich gestern Abend um 21:57:26 in exakt dieser Reihenfolge für die besten des zurückliegenden Jahres hielt!

25. Loyle Carner – Loose Ends
Ich komme ja generell deutlich besser mit britischem Hip Hop klar als mit amerikanischem (oder deutschem, hahaha), aber Loyle Carner ist wirklich besonders gut, weil sein Sound so unglaublich tight und organisch groovend ist, während er traurige Geschichten erzählt.

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24. J.S. Ondara – American Dream
Über das Album hab ich schon bei meinen Alben des Jahres geschrieben, hier also der Opener. Was ist der amerikanische Traum in Zeiten, in denen man mit den USA vor allem einen wahnsinnigen Reality-TV-Star verbindet, der irgendwie zum Präsidenten wurde? Hier klingt es fast nach einem Fiebertraum:

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23. Maggie Rogers – Light On
Die große Frage bei Maggie Rogers Debütalbum war natürlich: Würde sie es schaffen, nach “Alaska” weitere große Songs zu schreiben? “Light On” beantwortet diese Frage ziemlich eindeutig mit “Ja!” (Bin ich der Einzige, der im Refrain einen Hauch von “Shut Up And Dance” hört?!)

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22. Better Oblivion Community Center – Dylan Thomas
Wenn Phoebe Bridgers und Conor Oberst eine Indie-Folk-Supergroup gründen, ist das alleine natürlich schon mal super. Wenn dabei auch noch solche Songs rumkommen: Umso besser!

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21. Bear’s Den – Only Son Of The Falling Snow
Ich bin ja immer vergleichsweise spät mit meinen Bestenlisten: Viele Leute und Redaktionen veröffentlichen ihre bereits Anfang Dezember. Sie haben dann womöglich die Drei-Song-Ep verpasst, die Bear’s Den am Nikolaustag veröffentlicht haben — und damit diesen wundervollen Folksong!

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Musik

Alben des Jahres 2019

Alben spielen bekanntlich keine Rolle mehr — das Medium der Zukunft heißt Stream (oder eben halt Kassette)! Ich gebe zu, dass ich letztes Jahr zwar wahnsinnig viele Alben gehört habe, um sie für das inzwischen leider eingestellte “JWD”-Magazin zu besprechen (Guten Tag, suchen Sie zufällig noch einen Musikkolumnisten?!), aber in die allermeisten nicht mehr reingehört habe, nachdem meine Rezension fertig war.

Dafür habe ich ca. eine Million Songs gehört (zu deren besten wir dann als nächstes kommen), aber auch jede Menge EPs, die irgendwie streng genommen keine Alben sind, weil sie nur fünf bis sieben Songs enthalten, wobei man mit sieben Songs auch schon ein Album sein kann und … Puh.

Vielleicht ist es also das letzte Mal, dass ich mich im Januar hinsetze, um eine Liste zusammenzustellen, die in dieser Form nur wenige Millisekunden gültig ist und hinter dem 2. Platz eigentlich auch ausgewürfelt sein könnte. Aber heute war es noch mal soweit und hier sind sie nun: Meine zehn liebsten Alben des Jahres 2019!

10. Julia Jacklin – Crushing (Spotify, Apple Music)
Was bei Julia Jacklins Zweitwerk vor allem auffällt: Wie viel Raum die ganzen Indie-Folk-Songs hier haben! Die ruhigen, weil sie so spärlich instrumentiert sind, die lauteren, weil sie ihn sich einfach nehmen. Gleichzeitig sind sie einem als Hörer*in wahnsinnig nahe (aber nur so nahe, dass ich es auch noch ertragen kann). Ein Album, das sich die Aufmerksamkeit holt, die es verdient.

9. Ider – Emotional Education (Spotify, Apple Music)
Am Ende geht es in den allermeisten Liedern ja einigermaßen deckungsgleich um folgende Themen: die eigenen Gefühle, die Gefühle anderer, Beziehungen und warum sie nicht funktioniert haben, das Leben und was man daraus macht. So gesehen erfinden auch Ider das Rad nicht neu, aber wie Megan Marwick und Lily Somerville da in ihren Elektro-Indie-Pop-Songs über all diese Themen singen, das ist schon sehr, sehr gut!

8. Carly Rae Jepsen – Dedicated (Spotify, Apple Music)
Seit sie 2012 forderte, man solle sie vielleicht anrufen, kommt Carly Rae Jepsen alle paar Jahre mit einer Handvoll perfekter Popsongs um die Ecke, die wie für mich gemacht wirken. Auch auf ihrem vierten Album gibt es wieder eingängige Melodien und Grooves und Texte, mit denen sich Teenager und Thirtysomethings identifizieren können (letztere fühlen sich wegen dieses 80er-Sounds, der manchmal beinahe ein bisschen Gefahr läuft, ein Tacken zu viel des Guten zu sein, auch wohlig an die eigene Kindheit erinnert). Wie viel Spaß das alles macht, beweist die Queen of Roséwave auch bei ihrem Auftritt hinter Bob Boilens Schreibtisch beim Tiny Desk Concert.

7. Craig Finn – I Need A New War (Spotify, Apple Music)
Interessante Taktik: Im April ein Soloalbum rausbringen, im August dann eines mit der Hauptband (das wiederum zur Hälfte aus Songs besteht, die man in den Jahren zuvor schon als Singles rausgebracht hatte), im Oktober dann schon wieder eine neue Solo-Single. Keine Ahnung, ob wir uns Craig Finn als Workaholic, als Getriebenen oder als glücklichen Menschen vorstellen müssen — 2019 war er immerhin gut beschäftigt und hat neben dem besten Hold-Steady-Album seit „Stay Positive“ eben auch sein vielleicht bisher bestes Soloalbum veröffentlicht. Um wirklich zu verstehen, was hier textlich passiert, hilft es, mit Craig Finns Gesamtwerk vertraut zu sein, das mehrere Bands und Jahrzehnte umspannt und eher mit Fortsetzungsromanen als mit Lyrik zu vergleichen ist, aber man kann sich auch einfach von der Musik treiben lassen und seinem Sprechgesang als eine Art weiteres Instrument zuhören.

6. Maggie Rogers – Heard It In A Past Life (Spotify, Apple Music)
Wenn Joni Mitchell, Neneh Cherry, Suzanne Vega und Donna Summer gemeinsam ein Mädchen aufgezogen hätten, wäre das zwar ein griffiges Bild für leicht hilflose Musikjournalisten, beschriebe aber noch nicht annähernd, was hier, auf einem der sehnlichst erwarteten Debütalben des letzten Jahres, eigentlich genau los ist. Die Grenzen zwischen „organisch klar“ und „elektronisch verspielt“ verschwimmen ebenso wie die zwischen Melancholie und Euphorie, Folk und Disco, Tag und Nacht.

5. Loyle Carner — Not Waving, But Drowning (Spotify, Apple Music)
Den Albumtitel kennen Menschen mit pop culture overexposure natürlich schon aus „Ready For Drowning“ von den Manic Street Preachers, aber wer wusste schon, dass auch das nur eine Referenz auf ein Gedicht der Autorin Stevie Smith war? Eben! Bei Loyle Carner gibt’s das Gedicht im Titeltrack zu hören, an anderer Stelle spricht seine Mutter und wer sich von so etwas nicht abschrecken lässt, wird ein sensationelles Hip-Hop-Album entdecken, wie gemacht für Menschen, die behaupten, mit Hip Hop nichts anfangen zu können: Grooves wie auf 50 Jahre alten Soul-Platten, dominante Klavier- und Bläserklänge, kluge und nachdenkliche Texte — wenn die Kids demnächst im Englisch-Unterricht Loyle Carner durchnehmen, kann das nur für alle von Vorteil sein!

4. Bon Iver – i,i (Spotify, Apple Music)
Was mit Justin Vernon in einer einsamen Waldhütte begann, ist inzwischen ein großes Künstler*innen-Kollektiv mit Multimedia-Shows. Wieder zugänglicher als beim etwas rätselhaften (und natürlich trotzdem sehr, sehr guten) letzten Album „22, A Million“ kombinieren Bon Iver auf „i,i“ (klar, dass es auch diesmal kein „normaler“ Titel sein kann!) die Sounds der bisherigen drei Alben zu einem dröhnenden, knarzenden, groovenden, flirrenden, hymnischen, dichten, atmenden, umarmenden Gesamtwerk, das man vielleicht immer noch nicht ganz versteht, von dem man sich aber auf merkwürdige Art verstanden fühlt.

3. J.S. Ondara – Tales Of America (Spotify, Apple Music)
Ich finde ja, dass es nur selten nötig ist, die Biographie eines Künstlers zu kennen, um sich seinem Werk zu nähern. Im Fall von J.S. Ondara sollte man aber vielleicht wissen, dass der junge Mann in Kenia aufwuchs, nach einer Diskussion darüber, ob „Knocking On Heaven’s Door“ von Guns ’n’ Roses oder jemand anderem sei, Bob Dylan für sich entdeckte und, nachdem er dessen Gesamtwerk in sich aufgesogen hatte, beschloss, in dessen Heimat Minnesota auszuwandern. Was für eine grandiose Geschichte (bei der es, nebenbei bemerkt, auch nicht ganz so wichtig ist, ob er schon eine Tante in Minnesota wohnen hatte, bei der er unterkommen konnte — Popkultur ist keine Politik, sie ist der einzige Ort, an dem Fakten eine untergeordnete Rolle spielen dürfen!), die allerdings auch nicht viel wert wäre, wenn die Musik doof wäre. Das ist sie auf „Tales Of America“ allerdings ganz und gar nicht: Es ist ein grandioses Folk-Album, dem man das Jahr 2019 jetzt nicht wirklich anhört!

2. Lizzo – Cuz I Love You (Spotify, Apple Music)
Der Opener „Cuz I Love You“ ist noch keine zehn Sekunden alt, da hat man schon einen guten Eindruck von dem bekommen, wozu Lizzo und ihre Musiker*innen in der Lage sind — es folgen aber noch jede Menge weitere Gelegenheiten, sich von dieser Frau und ihrem Album komplett umhauen zu lassen. Big-Band-Sound, Hip Hop, Funk, Rock: kann sie alles! „Crazy, sexy, cool, baby / With or without makeup / Got nothing to prove / But I’ma show you how I do“ singt sie und macht es dann „like a girl“ — was in diesem Fall natürlich bedeutet: mit harter Arbeit, einem bisschen Wut im Bauch und ganz viel Spaß. Meine Fresse, was macht dieses Album Bock!

1. Thees Uhlmann – Junkies und Scientologen (Spotify, Apple Music)
Ich hatte ja ehrlich gesagt nicht mehr mit viel gerechnet, als Thees Uhlmann sein drittes Soloalbum ankündigte: zu groß und alles überstrahlend waren die Tomte-Platten „Hinter all diesen Fenstern“ und „Buchstaben über der Stadt“ für mich gewesen, zu wenig hatte ich mit den Solo-Sachen anzufangen gewusst. Und dann hörte ich zum ersten Mal „Junkies und Scientologen“ und war völlig umgehauen: Dass die ersten vier Songs eines Albums durchweg genial sind, kennt man ja vielleicht von „Hot Fuss“ von den Killers, fünf von „Clarity“ von Jimmy Eat World, aber acht Megahits hintereinander, das hat noch nicht mal „London Calling“ von The Clash („Jimmy Jazz“, puuuuuh!)! Und auch danach sackt das Level nur minimal ab, um aber wieder auf allerhöchstem Niveau zu enden — die beste Stelle des Albums: Dieses gebrüllte „Ich frage Dich“ in „Immer wenn ich an Dich denke, stirbt etwas in mir“, 80 Sekunden vor Album-Ende! Was bis dahin alles passiert: Hymnen auf Stephen King, Avicci, Katy Perry und Hannover, Gedanken wie „Wie ein Sonntagabend nach einer Landtagswahl“ oder „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt“ und so viel mehr Zeilen, die man mit erhobener Faust lautstark mitsingen will. Ein Album, das sich anfühlt wie nach Hause zu kommen, wie drei Derbysiege in einer Woche, wie endlich mit der Frau, die man seit zehn Jahren toll fand, zu knutschen (vermute ich mal — ich hab ihre Nummer an Silvester endlich gelöscht) — aber das habe ich ja im September schon aufzuschreiben versucht. Genial!

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Musik Leben

Another Decade Under The Influence: 2012

Dieser Eintrag ist Teil 3 von bisher 10 in der Serie Another Decade Under The Influence

2012. Ein WDR-Kamerateam in meiner Wohnung, das mich für eine Reportage über „Bild“ interviewt. Eine East-17-Autogrammstunde in einem Kölner Einkaufszentrum. Viel auf Konzerten gewesen, viel im Schauspielhaus Bochum. Bergwerksbesichtigung: Nach vier Generationen Bergleuten über mir bin ich zum ersten und letzten Mal unter Tage. Manche Freundschaften halten länger, als man denkt. Meine kleine Schwester verlobt sich. Ein ESC in Baku und eine Bewerbung für neue Aufgaben. Ein Abend auf Ina Müllers Küchenbank mit Stefan Niggemeier und Michalis Pantelouris. Baby, bitte mach Dir nie mehr Sorgen um Geld! Ein blink-182-Konzert, auf dem bei „All The Small Things“ die Welt stehen bleibt und sich danach in die andere Richtung weiterdreht. Und wenn Du mich küsst / Schreibt Noel wieder Songs für Liam. Ein toter Opa, den ich nicht kannte. Ein Sommer im Stadtpark und ein bisschen in Berlin. Zehn Jahre Grand Hotel van Cleef in Hamburg mit allen, die zur Familie gehören. Die erste Geburtstagsparty zuhause und die Geburtsstunde des Instituts für Apokalyptischen Schlager. „The Fault In Our Stars“, eines der beeindruckendsten Bücher, das ich je gelesen habe. Ein Tagesausflug zum Bewerbungsgespräch nach München. Schon wieder so viele Abende in Kneipen und WG-Küchen. Hearts from hell collide / On fire’s highway tonight / We dreamed it, now we know. Der Weltuntergang fällt (vorerst) aus, aber etwas Neues beginnt. Nicht, was man empfindet / Es ist das, was man tut.

Ein Jahr, in dem alles gleichzeitig stattfand, und das sich anfühlte wie ein Leben: lang, laut, bunt, lustig, traurig, zwischen Pausetaste, Vor- und Zurückspulen. I need time to stop moving / I need time to stay useless. Ein Jahr voller Musik, mit der weitesten Anreise zu einem Konzert ever: Um das 13 Jahre alte Trauma eines verpassten Konzerts zu überwinden, fliege ich bis nach Manchester, um Ben Folds Five endlich live zu sehen. Fresh white snow for miles / Every footstep will be mine.

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Musik

Ein Sommer in pink

Es gibt ja so Menschen, die man trifft und sofort am Liebsten mit ihnen befreundet wäre. (Oder in seltenen Fällen: verheiratet.) Es gibt aber auch Menschen, die man sich sofort als Kollegen wünscht und dazu gehören für mich die Leute von NPR Music. Die Musikredaktion des öffentlichen US-Radios macht erstklassigen Musikjournalismus (u.a. im Podcast "All Songs Considered"), ist richtig breit aufgestellt und ihre Mitglieder wirken alle unfassbar fachkundig und sympathisch.

Jetzt haben diese tollen Leute von NPR Music ein neues Musikgenre erfunden (wobei "erfunden" eigentlich nicht ganz stimmt, eher "gefunden"): Roséwave. Wer sich bei dieser maximal treffenden Bezeichnung noch nicht ganz vorstellen kann, um was es geht, sollte an Acts wie HAIM, Carly Rae Jepsen, Tegan And Sara und Vampire Weekend denken. Und an junge Menschen, die unterbezahlt viel zu viele Stunden in Agenturen in der großen Stadt kloppen und sich dann nach Feierabend mit ihren Freunden in öffentlichen Parks treffen, Musik aus Bluetooth-Boxen hören und dabei … nun ja: Rosé trinken.

Mir war das Anfangs nicht klar, aber Roséwave deckt als Genre weite Teile meines eigenen Musikgeschmacks ab (realistischerweise könnte man auch sehr viel ESC-Musik darunter einsortieren). Und weil die Menschen bei NPR Music nicht nur sehr sympathisch sind, sondern auch sehr gewissenhaft, sind sie nach einem Aufschlag im vergangenen Jahr jetzt so richtig bei der Sache mit einer eigenen Folge "All Songs Considered" und wöchentlich neuen Playlists mit verschiedenen, ja: Schwerpunkten. Da geht es dann um die schönsten Roséwave-Songs bei Liebeskummer, die besten Roséwave-Single-Hymnen und spezielle Roséwave-Tracks für Männer. Ich bin mir beinahe sicher, dass sie mit der ganzen Nummer ein bisschen übertreiben — und finde es doch sensationell toll. So toll, dass ich dann neulich im Supermarkt tatsächlich Rosé gekauft habe. Wenn der Sommer noch zwei Monate anhält, habe ich mich bis dahin bestimmt auch an den Geschmack gewöhnt.

Dieser Text erschien ursprünglich in meinem Newsletter “Post vom Einheinser”, für den man sich hier anmelden kann.

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Musik Rundfunk

Von Stimmen und Tassen

Wenn Sie eine Dreiviertelstunde Zeit und ein bisschen was für Musik übrig haben, sollten Sie sich diese Keynote ansehen, die Dave Grohl, “the unofficial Mayor of Rock ‘n’ Roll” (Stephen Thompson), vergangene Woche beim South By Southwest Music Festival in Austin, TX gehalten hat:

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Ich mag ja diese amerikanische Art, diese Mischung aus Lakonie und Pathos, und ich musste schon stark an mich halten, nicht sofort die E-Gitarre einzustöpseln und meinen Nachbarn meine immer noch kläglichen Versuche, das “Monkey Wrench”-Riff nachzuspielen, um die Ohren zu hauen.

Und wenn Sie dann noch etwas Zeit haben und noch ein wenig mehr Inspirierendes über Musik zu sich nehmen wollen, dann lesen Sie bitte diesen Blogeintrag, den Anke Gröner vergangene Woche darüber geschrieben hat, was es für sie bedeutet, “Tosca” ((Für alle, deren Musikzeitstrahl auch erst mit den Beatles beginnt: “Tosca” ist laut Wikipedia eine Oper von Giacomo Puccini aus dem Jahr 1900.)) zu singen:

Ich habe einen ungeheuren Respekt vor dem Mann bzw. vor seinen Werken, und deswegen dauert es jede blöde Woche immer ein bisschen, bis ich mich wirklich traue, den ersten Ton von mir zu geben. Das ist so, als ob du als Riesen-Bieberista das erste Mal vor ihm stehst und nur “Hallo” sagen willst, aber dich irgendwie nicht traust, denn man kann ja nicht einfach so als kleiner Fan dem Superstar “Hallo” sagen. Im Kopf glaube ich immer, dass so ziemlich alle Töne, die ich singe, total schief sind und krächzig und schlimm und dass noch kein Fenster zersprungen ist, wenn ich das b” singe, ist eh ein Wunder. Aber da ist plötzlich das “Hallo”: Ich kann das b” nämlich singen. Und es strengt nicht mal an. Jedenfalls brauche ich keine Kraft dafür.

Ich werfe beide Texte, Dave Grohls Keynote und Anke Gröners Blogeintrag, jetzt einfach mal zusammen, was vielleicht ein bisschen unzulässig ist, aber letztlich geht es beide Male darum, seine Stimme und damit den eigenen Platz in der Welt zu finden. Und wenn Dave Grohl sagt, dass es nur darauf ankomme, wie man selbst seine Stimme finde, dann hat er verdammt recht. Es sollte Philipp Poisel, Max Herre oder Ben Howard sehr, sehr egal sein, dass ich mit ihren Stimmen so rein gar nichts anfangen kann. Selbst, dass ich ihre Songs nicht hören mag, sollte für sie völlig unerheblich sein. Ich habe da diese etwas hippiemäßige Einstellung, dass Musik ihre Berechtigung hat, wenn sie nur einer Person etwas bedeutet — einzige Ausnahme: Nazi-Rock.

Und natürlich hat Grohl des weiteren recht, wenn er sagt, man könne den “Wert” von Musik nicht einfach so bestimmen — und als knackige Beispiele einfach mal “Gangnam Style” und Atoms For Peace aufführt. Ich hatte auf meiner Liste der besten Songs 2012 ja an relativ prominenter Stelle “Call Me Maybe” von Carly Rae Jepsen aufgeführt, wofür ich mir von manchen Freunden Fragen nach meinem Geisteszustand gefallen lassen musste. ((Dabei müssten die doch am Besten wissen, wie ich so drauf bin.)) Dabei liebe ich den Song noch heute und er bereitet mir deutlich mehr Freude, als irgendsoeine angesagte neue Indieband aus England. Und nur darum sollte es gehen: Welche Musik einem Freude bereitet, nicht, welche Musik man hören “sollte”, um irgendwo dazu zu gehören.

Ich möchte, weil ich einmal in Fahrt bin, nun völlig unzulässigerweise auch noch einen Text von Alexander Gorkow aus der heutigen “Süddeutschen Zeitung” ((Online nicht verfügbar.)) hinzuziehen, der vordergründig von dem gescheiterten Interviewversuch von Hinnerk Baumgarten an Katja Riemann handelt. Es geht aber dann relativ schnell und auch relativ furios um sehr viel mehr, kurz um Clint Eastwood (auch “schwierig”) und dann um ungefähr alles:

Im Umgang vieler Medien mit unseren Künstlern nun aber offenbart sich eine überaus deutsche Betrachtung des Künstlertums an sich – und so eben auch des Künstlers oder der Künstlerin: Es regiert bei uns en gros eine mittelalterliche, mindestens kleinstaatliche, mitnichten renaissancehafte, geschweige denn aufklärerische Sehnsucht, wenn es um die Publikumskunst geht.

Es regiert stattdessen, gespeist durch alle Arten von Medien, vor allem aber durch die Unterhaltungsblätter und eben die TV-Sender, die urdeutsche Vorstellung vom Künstler als fahrendem Scharlatan, der mit Schnabelschuhen und Schellenmütze dafür zu sorgen hat, einer furchtbaren Ansammlung trüber, verblödeter Tassen – der sogenannten Bevölkerung – die Zeit bis zum Exitus zu vertreiben.

Es ist, gerade im darstellenden Gewerbe und befeuert von den großen auch öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, der allerdümmste Eskapismus, der der Maxime zu folgen hat, dass jene Bevölkerung nicht zu überfordern sei. Die vielen sensationellen deutschen Schauspielerinnen und Schauspieler haben deshalb nicht etwa in erster Linie gut zu sein. Ginge es danach, wäre Veronica Ferres kein Star, sie würden auf einer Brettlbühne herumknödeln. Deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler haben, zumal ihnen fast immer zu Unrecht unermesslicher materieller Reichtum angedichtet wird (“die Reichen und die Schönen”), zu parieren.

Die Haltung dahinter lautet: Bring mir Freude, oder ich bring dich um.

Wie konnte es jetzt passieren, dass ich von den durchweg positiven Texten von Dave Grohl und Anke Gröner so schnell bei diesem kulturpessimistischen Wutanfall von Alexander Gorkow gelandet bin? Es sind wohl irgendwie zwei Seiten einer Medaille, der Spaß an der Kunst und deren mitunter unerfreuliche Rezeption auf der anderen Seite.

Da ich positiv enden möchte, hier einfach noch schnell ein Song einer meiner absoluten Lieblingsbands, dessen Botschaft meine linke Wade ziert!

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Musik

Songs des Jahres 2012

Ich bin natürlich viel zu spät dran. Ich habe inzwischen mehrere Songs im Radio oder in Gaststätten gehört, die selbstverständlich noch auf die Liste gehört hätten, die ich aber schlichtweg vergessen habe. Und vermutlich habe ich die besten Sachen eh wieder nicht mitbekommen.

Egal.

Hier sind meine Songs des Jahres 2012:

25.The Killers – Runaways
“Battle Born”, das vierte reguläre Album der Killers, hat nicht die Übersongs wie “Hot Fuss”, es ist kein geschlossenes Meisterwerk wie “Sam’s Town”, aber auch nicht so unsortiert wie “Day & Age”. Kurzum: Es ist ein völlig okayes Album — und es hat “Runaways”, die neueste Springsteen-Hommage (Frau kennengelernt, schwanger geworden, geheiratet, Stimmung im Arsch — man kennt das) aus dem Hause Flowers. “We can’t wait till tomorrow”!

24. Calvin Harris feat. Example – We’ll Be Coming Back
Das Konzert von Example in der Kölner Essigfabrik war eines der besten und energiegeladensten, die ich 2012 besucht habe. Leider werde ich mit dem neuen Album “The Evolution Of Man” nicht richtig warm, aber diese Kollaboration mit Calvin Harris, die auf den Alben beider Künstler enthalten ist, ist schon sehr ordentlich geworden.

23. Frittenbude – Zeitmaschinen aus Müll
Ein Plädoyer für den Spaß, die Party, die Selbstzerstörung, ohne gleichzeitig gegen Spießertum und Bausparverträge zu hetzen. Die Kernaussage “Jeder Tag ist der beste Tag eines Lebens” ist vielleicht nicht sonderlich neu, aber sie rundet diesen melancholischen Carpe-Diem-Popsong wunderbar ab.

22. Santigold – Disparate Youth
Unseren jährlichen Mobilfunk-Werbesong gib uns auch heute wieder. Natürlich haben die sonnendurchfluteten Erlebnis-Bilder aus den Vodafone-Spots diesen ohnehin großen Song noch ein bisschen weiter mit Bedeutung aufgeladen, aber auch nach der Dauerbeschallung im Fernsehen (und mehr noch: im Internet) hat das Lied nichts von seiner Schönheit verloren.

21. Benjamin Gibbard feat. Aimee Mann – Bigger Than Love
Da veröffentlicht der Sänger von Death Cab For Cutie und The Postal Service das erste richtige Soloalbum unter eigenem Namen (“Former Lives”) und der beste Song ist wieder mal eine Kollaboration. Nach “Bigger Than Love” wünscht man sich, Gibbard und Mann hätten zusammen ein komplettes Album aufgenommen, so großartig harmonieren ihre beiden Stimmen und so schön ist das Ergebnis geworden.

20. The Gaslight Anthem – “45”
Ich würde sie ja gerne ignorieren, diese schrecklichen Kreationisten aus New Jersey, aber dafür machen sie leider immer noch viel zu gute Musik. “45” ist eben leider ein großartiger Opener zu einem ziemlich guten Album. Die Frage, ob man guten Künstlern nachsehen sollte, dass sie offensichtlich Idioten sind, klären wir dann eben später.

19. Kid Kopphausen – Das Leichteste der Welt
Seit dem 10. Oktober kann man Kid Kopphausen nicht mehr hören, ohne mitzudenken, dass Nils Koppruch, einer der zwei Köpfe dieser Band, starb, bevor es mit der Band richtig losgehen konnte. Hier singt nun die meiste Zeit Gisbert zu Knyphausen, der andere Kopf, und er singt so grandios Zeilen wie “Denn jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt”. Das ist so meilenweit weg von den Acts, die jedes Jahr den “Bundesvision Song Contest” unsicher machen, so sagenhaft gut, dass es wirklich keines Todesfalls bedurft hätte, um dieses Album noch besonderer zu machen. Aber so ist das Leben manchmal.

18. Kendrick Lamar – Swimming Pools (Drank)
Es sind so viele Lobeshymnen über Kendrick Lamar und sein Debütalbum “good kid, m.A.A.d city” erschienen, dass ich keinerlei Ambitionen habe, dem noch etwas hinzuzufügen. Es ist ein wahnsinnig kluges Album, das vielleicht nicht im eigentlichen Sinne catchy ist, an dem wir aber vermutlich auch in 20, 30 Jahren noch unsere Freude haben werden. Und “Swimming Pools (Drank)” ist der beste Song darauf. Vielleicht.

17. Leslie Clio – Told You So
Während Thees Uhlmann solo Karriere macht, hat der Rest der letzten Tomte-Besetzung umgesattelt und ist jetzt Backing Band (bzw. im Falle von Niko Potthoff auch noch Produzent) von Leslie Clio, der – großer Gott, Musikjournalisten! – “deutschen Antwort auf Adele”. “Told You So” ist clever, knackig und entspannt und gemeinsam mit der Nachfolgesingle “I Couldn’t Care Less” lässt das Großes für das im Februar erscheinende Debütalbum “Gladys” erwarten.

16. Frank Ocean – Lost
Und noch so ein Album, das völlig zu Recht auf allen Bestenlisten weit vorne gelandet ist. Ich habe länger gebraucht, um mit “Channel Orange” warm zu werden, aber es wird tatsächlich bei jedem Hören noch besser. “Lost” ist der … nun ja: eingängigste Song des Albums, der ein bisschen schüchtern vor sich hin groovt.

15. Cro – Easy
Ja, der Song hätte auch schon 2011 auf der Liste stehen können. Ja, man kann das mit der Panda-Maske albern finden. Ja, die ständige Medienpräsenz (außer in der “WAZ”) nervt ein bisschen. Aber bitte: “Easy” ist immer noch ein großartiger Song. Die Zeilen mit “AC/Deasy” und “Washington, Deasy” zählen zum Cleversten, was im deutschsprachigen Hiphop je passiert ist — wobei die Konkurrenz da jetzt auch überschaubar ist.

14. Alex Clare – Up All Night
Keine Ahnung, warum die großen Hits von Alex Clare jetzt “Too Close” und “Treading Water” sind: “Up All Night” hat doch viel mehr Energie und ist viel abwechslungsreicher. Andererseits dürften die Auswirkungen auf den Straßenverkehr auch verheerend sein, wenn so ein Lied plötzlich im Formatradio läuft. Verglichen mit dem Rest des Albums, der zwischen Soul und Dubstep schwankt, ist der Refrain von “Up All Night” nämlich ein regelrechtes Brett. Andrew W.K., mit dem Drumcomputer nachempfunden.

13. Burial – Loner
Von der Radiovariante zum Untergrundhelden: Kaum ein Künstlername passt so gut zur Musik wie der von Burial. Die Doppel-EP “Street Halo / Kindred” ist das, was Massive Attack seit Jahren nicht mehr richtig hinbekommen, und “Loner” ist mit knackigen siebeneinhalb Minuten noch das zugänglichste Stück in diesem düsteren Gewaber. Unbedingt mit Kopfhörern und geschlossenen Augen genießen!

12. The Wallflowers feat. Mick Jones – Reboot The Mission
Nach sieben Jahren Pause und zwei sehr guten Soloalben von Jakob Dylan sind die Wallflowers zurück — und klingen plötzlich nach The Clash! Und, klar, wenn sie im Text Joe Strummer erwähnen, können sie für die Gitarre und den Gesang im Refrain gleich auch noch Mick Jones verpflichten. Und ich bin so einfach gestrickt, dass ich es grandios finde!

11. Kathleen Edwards – Change The Sheets
Ich glaube, wenn ich alles zusammenzähle, ist Kathleen Edwards meine Lieblingssängerin: Diese wunderschöne Stimme, diese Stimmungsvollen Songs und die Bilder, die ihre Musik entstehen lässt! Und dann ist “Voyageur”, ihr viertes Album, auch noch von Justin Vernon von Bon Iver produziert und enthält Songs wie “Change The Sheets”! Toll!

10. Bob Mould – The Descent
Gut, Bob-Mould-Alben klingen immer gleich und viel Abwechslung gibt es auch auf “Silver Age” nicht. Aber als einzelner Song kann so etwas wunderbar funktionieren und was der Ex-Sänger von Hüsker Dü und Sugar da mit 52 aus dem Ärmel schüttelt, kriegen manche Musiker unter 30 nicht auf die Kette. Die Formel “Gitarrengeschrammel plus hymnische Chöre” ist natürlich denkbar einfach, kriegt mich aber fast immer.

09. Cloud Nothings – Stay Useless
Dieser Song ist erst ganz spät auf meiner Liste gelandet, als Stephen Thompson ihn in der Jahresbestenlistenshow von “All Songs Considered” gespielt hat und ich festgestellt habe, dass ich ihn schon das halbe Jahr über im Freibeuter gehört hatte. Natürlich auch denkbar einfach in seiner Wirkmächtigkeit, aber ich find’s gut, wenn ich weiß, was ich will, und das auch bekomme.

08. Carly Rae Jepsen – Call Me Maybe
Ich saß in Baku im Hotelzimmer, guckte russisches Musikfernsehen und sah dieses Video. Als der Song zu Ende war, zappte ich weiter und sah das Video auf dem nächsten Kanal direkt noch mal von vorn. “Komische Russen”, dachte ich, wollte den Song bei Facebook posten und stellte dann fest, dass ich bisher einen internationalen Hit verpasst hatte. “Call Me Maybe” mag mittlerweile ein ganz kleines bisschen nerven, aber es ist einer der besten Popsongs, der in diesem Jahrtausend geschrieben wurde (über die Produktion können wir uns streiten) und “Before you came into my life I missed you so bad” eine ganz rührende Zeile Teenager-Poesie. Popkulturtheoretisch spannend ist natürlich auch die Erkenntnis, dass die ganz großen Megahits (“Somebody That I Used To Know”, “Gangnam Style” und eben “Call Me Maybe”) inzwischen immer auch mit Webphänomenen einhergehen oder sogar aus ihnen entstehen.

07. Kraftklub – Songs für Liam
Noch so ein Song, den nicht mal Einslive totspielen konnte. So clever wurde Popkultur in deutschsprachigen Songtexten selten verhandelt, so wirkungsvoll wurden die Black Eyed Peas und Til Schweiger selten gedisst, so gut wurde der Wunsch, geküsst zu werden, selten begründet. Außerdem freut man sich ja über jede junge Band, die sich mal nicht von der Folkplattensammlung ihrer Eltern hat beeinflussen lassen.

06. First Aid Kit – Emmylou
… womit wir bei zwei schwedischen Teenagern wären, die maßgeblich von der Folkplattensammlung ihrer Eltern beeinflusst wurden. Ich verehre First Aid Kit, seit ich sie vor vier Jahren auf dem By:Larm in Oslo gesehen habe, und war etwas enttäuscht, dass ihr Debütalbum 2010 dann vergleichsweise egal ausfiel. Das haben sie jetzt mit “The Lion’s Roar” ausgeglichen, dem wundervollen Nachfolger. “Emmylou” wirft mit textlichen und musikalischen Referenzen nur so um sich und macht klar, dass sich Johanna und Klara Söderberg so intensiv mit der Materie beschäftigt haben, dass sie statt dieses Songs auch eine Habilitationsschrift hätten anfertigen können. Die wäre allerdings kaum so schön geworden.

05. kettcar – Rettung
Damit wäre jetzt auch nicht mehr zwingend zu rechnen gewesen, dass kettcar zehn Jahre nach ihrem grandiosen Debütalbum noch mal das beste Liebeslied veröffentlichen würden, das je geschrieben wurde. Doch, wirklich: Das muss man auch erst mal bringen, die besoffen kotzende Freundin zu besingen und mit “Guten Morgen, Liebe meines Lebens” zu schließen. “Liebe ist das was man tut”, lehrt uns Marcus Wiebusch hier ganz praktisch. Und musikalisch ist das auch eine der besten kettcar-Nummern.

04. Macklemore & Ryan Lewis – Thrift Shop
Wenn 2012 nicht ausgerechnet das erste Ben-Folds-Five-Album seit 13 Jahren erschienen und auch noch wahnsinnig gut ausgefallen wäre, wäre “The Heist” von Macklemore & Ryan Lewis mein Album des Jahres geworden. Auf der einen Seite gibt es dort unglaublich anrührende Songs wie “Same Love” und “Wing$”, auf der anderen so einen funkelnden Wahnsinn wie “Thrift Shop”, der eigentlich niemanden kalt lassen kann. Unbedingt auch das Video ansehen!

03. Japandroids – Fire’s Highway
Wie Sie gleich sehen werden, gab es 2012 für mich drei große Strömungen: Melancholische Klavierballaden, Hiphop und Garagenrockbretter. Hier der bestplatzierte Vertreter der letztgenannten Kategorie. “Celebration Rock” ist, wie Stephen Thompson bei “All Songs Considered” richtig bemerkt hat, das vielleicht am passendsten betitelte Album der Musikgeschichte: Acht Songs in 35 Minuten, ein durchgetretenes Gaspedal und Freude am eigenen Lärm. In allen anderen Bestenlisten taucht “The House That Heaven Built” auf, bei mir eben “Fire’s Highway”. Gitarrengeschrammel plus hymnische Chöre, Sie kennen das Prinzip.

02. Ben Folds Five – Away When You Were Here
Ich will ganz ehrlich sein: Ich hatte nicht damit gerechnet, dass “The Sound Of The Life Of The Mind” überhaupt ein gutes Album werden würde. 13 Jahre Warten waren einfach zu viel. Dass es letztlich ein sehr gutes Album geworden ist, liegt an Songs wie “Away When You Were Here”: Die Melodie klingt schon beim ersten Hören, als kenne man das Lied seit seiner Kindheit, und dass Ben Folds ein Lied an einen verstorbenen Vater singt, während sein eigener Vater noch lebendig und bei bester Gesundheit ist, untermauert seine Songwriter-Qualitäten. Jeder Depp kann besingen, was er fühlt oder sieht, aber mit fiktiven Geschichten derart zu Herzen zu rühren, das können nur wenige. Ben Folds kann es, natürlich.

01. Rae Morris – Don’t Go
Ich habe nicht viele TV-Serien komplett gesehen. Wenn ich es dann doch ausnahmsweise mal tue, sind die Abschlusslieder gleich mit besonderer Bedeutung aufgeladen. Das war mit Peter Gabriels “The Book Of Love” am Ende von “Scrubs” so (die Unzumutbarkeiten der neuen Folgen verschweigen wir einfach) und so war es auch mit “Don’t Go” am Ende von “Skins”. Dass auch diese Serie jetzt noch einen Appendix bekommt (der hoffentlich/mutmaßlich nicht so schlimm wird wie der von “Scrubs”), können wir an dieser Stelle getrost unterschlagen, so berührend und emotional verdichtet ist die Montage zu diesem Lied, das ich seitdem rauf und runter gehört habe — obwohl das zunächst gar nicht so einfach war. Ein schlichtes Lied einer jungen Singer/Songwriterin aus England, aber auch ein sehr schönes.

Jetzt nachhören: Meine Top 25 bei Spotify.

Und weil ich hier eh schon so viel über die Alben geschrieben habe, gibt’s deren Bestenliste diesmal unkommentiert.