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Musik

Neue Alben von Foo Fighters, Ben Folds, Noel Gallagher’s High Flying Birds, neue Songs von Victoria Canal, Demi Lovato

So viele tolle neue Alben von persönlich bedeutsamen Acts hat man selten an einem Tag: Am 2. Juni erschienen „But Here We Are“ von den Foo Fighters, „What Matters Most“ von Ben Folds und „Council Skies“ von Noel Gallagher’s High Flying Birds. Und dann war da auch noch „Lucky For You“ von Bully.

Dazu kommen weitere neue Songs von Victoria Canal, Annie Taylor und das ca. fünftausendste Cover von Neil Youngs „Heart Of Gold“ — hier mit Bon Iver.

Alle Songs:

  • Foo Fighters – Beyond Me
  • Ben Folds – Kristine From The 7th Grade
  • Noel Gallagher’s High Flying Birds – We’re Gonna Get There In The End
  • Bully – All I Do
  • Victoria Canal – Shape
  • Annie Taylor – Ride High
  • Demi Lovato – Cool For The Summer (Rock Version)
  • Ilsey feat. Bon Iver – Heart Of Gold

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Musik

Neue Musik von Anna Tivel, Matchbox Twenty und Crucchi Gang, In Memoriam Tina Turner

Tina Turner ist vergangene Woche im Alter von 83 Jahren gestorben — eine traurige Nachricht, auf die Lukas in der heutigen Sendung natürlich eingeht. Vorher gibt es aber noch neue Songs von The Lemon Twigs, Anna Tivel und Bleach Lab, Italo-Pop mit Tocotronic, einen Quasi-ESC-Song und eine Autoscooter-Hymne.

Alle Songs:

  • The Lemon Twigs – Any Time Of Day
  • Anna Tivel – The Good Fight
  • Crucchi Gang feat. Tocotronic – In dubbio per il dubbio
  • Bleach Lab – Counting Empties
  • Matchbox Twenty – Don’t Get Me Wrong
  • Perfectly Human – Bad As
  • The Beach Boys – Fun, Fun, Fun (Steve Aoki Remix)
  • Tina Turner – The Best

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Leben Musik

In memoriam Tina Turner

Wie stark einen die Nachricht vom Tod einer berühmten Person trifft, hängt von mehreren Faktoren ab: Zuerst einmal natürlich von der Bedeutung dieser Person und ihres Schaffens für das eigene Leben; dann von ihrem Alter und der … nun ja: Erwartbarkeit des Todes, aber auch vom Zeitpunkt und dem Weg, wie man von ihrem Ableben erfährt. Ich war gestern in einer recht aufgeräumten Feierabend-und-nichts-Konkretes-vor-Stimmung, als mir ein Freund und Kollege einen Screenshot schickte, dass Tina Turner gestorben sei. Entsprechend hatte ich Zeit und Muße, sofort sehr ausgiebig ihre Musik zu hören und mich in den im Minutentakt auf Social Media vorgebrachten Huldigungen zu verlieren.

Es gab eine Zeit, da gehörte die Musik von Tina Turner zu meinem Elternhaus wie die Möbel des Profilsystems von Flötotto, das Bang-&-Olufsen-Festnetztelefon Beocom 2000 und das sonnengelbe Steingutgeschirr der Marke Thomas. Ihre Hits der 1980er und frühen 1990er Jahre waren wichtiger Bestandteil jener Mixtapes, die mein Vater für sogenannte Feten zusammengestellt hatte und die dann, immer einen Tacken zu laut für durchschnittliche Gespräche, zunächst das gesellschaftliche Beisammensein und Essen untermalten, ehe es zum Äußersten kam und erwachsene Menschen in einer Art ungelenkem Halftime-Pogo über die im Wohnzimmer geschaffenen Freiflächen tanzten. (Weitere unabdingbare Songs für diese Anlässe: die Miles-Davis-Interpretation von Michael Jacksons „Human Nature“; „Ella, elle l’a“, dieser Spät-Hit einer anderen Großkünstlerin im dritten Akt: France Gall; irgendwas von Herbert Grönemeyer, Patricia Kaas und Phil Collins und – zu später Stunde – das ebenso unvermeidliche wie unoriginelle „Smoke On The Water“ von Deep Purple, zu dem dann auch schon mal auf Küchenbesen Nicht-mehr-nur-Luft-Gitarre gespielt wurde. Vielleicht baue ich irgendwann mal eine Spotify-Playlist aus diesen Party-Hits — oder ich gehe noch mal in Therapie.)

Songs wie „The Best“, „I Don’t Wanna Lose You“, „What’s Love Got To Do With It“, „Why Must We Wait Until Tonight“, „Private Dancer“ oder „Steamy Windows“ waren mir so selbstverständlich, dass sie natürlich auch auf meinen ersten eigenen Mixtapes landeten, die – in Ermangelung eigener CDs – natürlich auch nur die Musiksammlung meiner Eltern wiedergaben. Ich habe gestern Abend beim Wiederhören (teilweise nach mehreren Jahrzehnten Pause) nur halb überrascht festgestellt, wie sexuell viele dieser Songs waren, was ich als Zehnjähriger natürlich nicht begriff — aber ich bin mir sicher, dass z.B. „Steamy Windows“ („Coming from the body heat“) schon damals eine seltsame Verheißung mit sich brachte, die eher nicht aus der Musik eines Phil Collins sprach.

Wir tendieren ja dazu, popkulturelle Phänomene – wie alles, mit dem wir aufwachsen – als buchstäblich natürlich zu betrachten. Insofern war Tina Turner zur Wende-Zeit selbstverständlich einer der größten lebenden Popstars und ich wusste nichts über ihr Davor, die erst produktive, dann katastrophale Ehe mit Ike und ihr Comeback in den 1980er Jahren. Dieses Wissen um ihren biographischen Hintergrund lässt ihr Schaffen im Nachhinein natürlich noch einmal um so größer erscheinen, lässt jeden einzelnen, auch nur halb-selbstbewussten Song zum Statement werden und sie als Künstlerin umso mehr zur Ikone. Dass sie bei Veröffentlichung von „The Best“ (ich lerne gerade, dass die ursprüngliche Version dieses Songs von Bonnie Tyler stammt) fast 50 Jahre alt war – ein für damalige Verhältnisse ungeheuerliches Alter für einen weiblichen Popstar – erscheint mir auch vor allem in der Rückschau bemerkenswert — als Kind ist „Alter“ eine absolut uneinsehbare Kategorie und es gibt nur „alt wie Mama und Papa“, „alt wie Omi und Opi“ und „die älteren Geschwister von Freund*innen“, was auch wirklich alles umfassen kann. Aber ich war gleichermaßen verwirrt und stolz, als ich vor drei Jahren mit meinem Sohn bei uns im Wohnzimmer eine Wand farbig anstreichen wollte, zu diesem Zweck für meine Verhältnisse ungewöhnlich volkstümelnd das Formatradio aufdrehte und dort dann eine vom norwegischen DJ Kygo nur mäßig überarbeitete Version von „What’s Love Got To Do With It“ lief, von der mein Sohn mir alsbald zu Verstehen gab, dass sie ihm geläufig sei. „Tina Turner müsste doch inzwischen wirklich alt sein“, dachte ich und ließ grüne Wandfarbe auf den Fußboden tropfen.

Tina Turner war auch das perfekte Gegenargument für die ja immer noch in Teilen der Hobby-Kulturkritik vorherrschende Schwachsinns-Position, „echte“ Musiker*innen müssten ihre Songs selbst schreiben. Mehr noch: Sie brauchte für ihre Hits nicht mal die besten Songwriter ihrer Generation, sondern vorsichtig gesagt irgendwelche. Ich persönlich halte die Dire Straits für eine der egalsten Pop-Kapellen aller Zeiten, deren Präsenz in der Rotationsliste jeden Sender Lügen straft, der behauptet, „das Beste“ der 1980er Jahre im Repertoire zu haben, aber „Private Dancer“ ist – selbst in seiner 7:11-Minuten-Albumversion – ein so atmosphärisch dichter, phantastischer Song, dass Mark Knopfler für dessen Laufzeit wie ein genialer Songwriter wirkt. Bono und The Edge schrieben mit „GoldenEye“ das, was Tina Turner dann zum fraglos besten James-Bond-Song aller Zeiten machte, und waren danach offenbar so ausgelaugt, dass ihnen mit ihrer Band U2 nach 1995 nicht mehr viel von Bedeutung gelang. Wieviel sie aus Songs rausgeholt hat, die bei anderen Menschen jetzt nicht so zünden würden — und das in den musikalisch oft fragwürdigen 1980er Jahren: Da zeigt sich die ganze Stärke einer Ausnahme-Künstlerin.

Entsprechend kamen kurz nach der Todesnachricht die Würdigungen auch aus allen Ecken des kulturellen Spektrums: Mick Jagger, Shirley Bassey, Anton Corbijn, Debbie Harry von Blondie und die Pet Shops Boys zogen ebenso den Hut wie Angela Bassett, die Tina Turner 1993 im Film „What’s Love Got To Do With It“ verkörpert hatte — zu einer Zeit, als noch nicht jede zweite Lebensgeschichte in einem Biopic verwurstet wurde. Auf Twitter machte ein Video die Runde, zu dessen Beginn Tina Turner erst einer schwarzen Limousine entstieg, um dann auf beeindruckenden Absätzen 1:1 den Einmarsch eines US-Präsidenten bei der State of the Union Address zu exerzieren (inkl. „Ladies and gentlemen: Miss Tina Turner!“ aus dem Off), was alles in einer 120.000-Volt-Liveversion von „The Best“ kulminiert. Popkultur: So und nicht anders! Tina Turner ist gestern im Alter von 83 Jahren in ihrer neuen Heimat, der Schweiz, gestorben.

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Musik

Neue Musik von Blur, boygenius, Joker Out feat. Elvis Costello & Bully

Lukas ist vom Eurovision Song Contest zurück und von der anschließenden Virus-Infektion genesen! Nach einer kleinen ESC-Rückschau geht es weiter mit neuer Musik von Blur, Songs von den Alben von Amilli, boygenius und Madison McFerrin und grandiosem 90’s-Retro von Bully.

Alle Songs:

  • Käärijä – Cha Cha Cha
  • Joker Out feat. Elvis Costello – New Wave
  • Blur – The Narcissist
  • Amilli – Sweet Life
  • boygenius – Emily I’m Sorry
  • Danko Jones – Guess Who’s Back
  • Madison McFerrin – (Please Don’t) Leave Me Now
  • Bully – Days Move Slow

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Fernsehen Musik

Eurovision-Vorschau 2023

Am 9., 11. und 13. Mai findet in Liverpool der diesjährige Eurovision Song Contest statt. Grund genug für eine kleine, aber intensive Vorschau!

Lukas Heinser, Selma Zoronjić und Peter Urban, der in diesem Jahr zum 25. und letzten Mal den ESC kommentieren wird, stellen ihre persönlichen Highlights vor, sprechen über gesamteuropäische Stimmungen, musikalische Traditionen und wackelnde Baugerüste.

Good evening, Europe! Let the 2023 Eurovision-Vorschau begin!

Alle Songs:

  • La Zarra – Évidemment (Frankreich)
  • Mia Nicolai & Dion Cooper – Burning Daylight (Niederlande)
  • Wild Youth – We Are One (Irland)
  • Marco Mengoni – Due Vite (Italien)
  • Blanca Paloma – Eaea (Spanien)
  • Reiley – Breaking My Heart (Dänemark)
  • Teya & Salena – Who The Hell Is Edgar? (Österreich)
  • Mae Muller – I Wrote A Song (Vereinigtes Königreich)
  • Let 3 – Mama ŠČ! (Kroatien)

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Musik

Neue Musik von Foo Fighters, Everything But The Girl, Pet Shop Boys, MUNA und Amilli

Lukas ist zurück aus den Osterferien und muss sich erstmal durch einen Stapel neuer Releases arbeiten: Die Foo Fighters haben die erste neue Musik nach dem Tod ihres Schlagzeugers Taylor Hawkins veröffentlicht, Everything But The Girl das erste Album seit 24 Jahren und die Pet Shop Boys eine neue EP. Hinzu kommen Tracks von Sofia Kourtesis, Grandbrothers und Amilli — und Lukas’ ganz persönliche Geschichte zur allerletzten R.E.M.-Single.

Alle Songs:

  • Foo Fighters – Rescued
  • Everything But The Girl – Caution To The Wind
  • Pet Shop Boys – The Lost Room
  • Sofia Kourtesis – Madres
  • Grandbrothers – Infinite
  • Amilli – SOAMI
  • MUNA – One That Got Away
  • R.E.M. – We All Go Back To Where We Belong

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Musik

Podcast: Episode 7

Lukas ist ein bisschen erkältet und hat deshalb zum ersten Mal Husten gehört, die Indie-Supergroup von Gisbert zu Knyphausen, Moses Schneider und Tobias Friedrich. Außerdem spielt er neue Songs von ARXX, Arlo Parks, Muff Potter und The National und ein Lieblingslied von Japandroids:

Alle Songs:

  • Husten feat. Sophie Hunger – Dasein
  • ARXX – The Last Time
  • Men I Trust – Ring Of Past
  • Arlo Parks – Impurities
  • Muff Potter – Beachbar
  • Gracie Abrams – Where Do We Go Now?
  • The National – Eucalyptus
  • Japandroids – Fire’s Highway
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Musik

Podcast: Episode 6

Am 25. März ist der erste Todestag von Taylor Hawkins, dem Schlagzeuger der Foo Fighters. Ich bin kein Experte oder Biograph für Taylor Hawkins, aber ich mochte ihn immer und ich mag Schlagzeug spielen und deshalb schaue ich heute in einer sehr persönlichen und etwas emotionalen Folge zurück auf das Leben dieses begnadeten Rockstars:

Alle Songs:

  • Foo Fighters – Stacked Actors
  • Alanis Morissette – You Oughta Know (Live)
  • Foo Fighters – Next Year
  • Foo Fighters – Cold Day In The Sun
  • Dennis Wilson – Holy Man (Taylor Hawkins Version)
  • Taylor Hawkins & The Coattail Riders – Not Bad Luck
  • King Princess – Let Us Die
  • Foo Fighters – My Hero (Live Acoustic)

Shownotes:

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Musik

Podcast: Episode 5

Bochum, das musikalische Zentrum der Bundesrepublik: Jana von Janou erzählt uns, was es mit dem neuen Song „Boy Is Broken“ auf sich hat, dann hören wir Philine Sonny, unsere Botschafterin beim SXSW. Außerdem hat Lukas neue Musik von Meet Me @ The Altar, King Princess und Kendrick Scott mitgebracht, wir schwelgen in Erinnerungen und tanzen zum Oscar-prämierten „Naatu Naatu“.

Alle Songs:

  • Janou – Boy Is Broken
  • Philine Sonny – Same Light
  • Meet Me @ The Altar – Thx 4 Nothin’
  • Death Cab For Cutie – I Miss Strangers (Acoustic)
  • Travis – Flowers In The Window (Live)
  • Kaala Bhairava, M. M. Keeravani, Rahul Sipligunj – Naatu Naatu
  • Kendrick Scott – One Door Closes, Another Opens
  • King Princess – The Bend

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Musik

Podcast: Episode 4

Im Bochumer Schneegestöber baut Lukas sein musikalisches Lagerfeuer auf, an das Ihr Euch alle kuscheln könnt: Nach einer etwas ausufernden, sehr persönlichen Rückschau auf das allerletzte Pale-Konzert vergangene Woche in Köln spielt Lukas neue Songs von Nia Archives, Freekind und Maro und den deutschen Beitrag zum ESC 2023. Von herzerwärmend bis Kleinholz ist also alles dabei!

Alles Songs:

  • Pale – Someday You Will Know
  • Kilians – Fight The Start
  • Nia Archives – Conveniency
  • Freekind – Good Vibrations
  • Scowl – Opening Night
  • Lord Of The Lost – Blood & Glitter
  • Maro – Em porta trancada
  • Rufus Wainwright feat. Brandi Carlile – Down In The Willow Garden

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Goodbye Trouble

Gestern war ich auf einer Trauerfeier. Und auf einem Klassentreffen. Und auf dem ersten (indoor) Konzert seit drei Jahren. Pale hatten zum One-Night-Only-Konzert ins Kölner Gloria gebeten und die Indie-Crowd, die vor 20 Jahren auf Visions-Partys Smirnoff Ice getrunken hatte, war geschlossen angetreten — mit Mützen über dem lichter werdenden Haar, ohne Trainingsjacken mit Städtenamen drauf und mit nur einem Bier in der Hand, denn man muss ja noch fahren und die Kinder werden so früh wach.

Die erste Welle der Ekstase schwappt schon hoch, als das Licht für die Vorband ausgeht. Pale hatten vage „Gäste“ und „Freunde“ angekündigt und so geht es als kollektive Selbstbestätigung durch, als wir sehen, dass es wirklich Thees Uhlmann ist, der da auf die Bühne schlurft. Doch – behold! – er ist nicht alleine, mit ihm kommt Marcus Wiebusch raus. Das macht Sinn, sind doch das letzte Pale-Album 2006 und das jetzt aber wirklich allerletzte Pale-Album 2022 beim Grand Hotel van Cleef erschienen, dem Label, das die beiden 2002 gegründet hatten und dessentwegen wir uns alle kennen und gute Musik hören. „Gebt dem Nachwuchs eine Chance“, scherzt Thees, dann spielen die beiden sechs Songs aus dem großen kettcar/Tomte/Thees-Uhlmann-Werk. Wir hätten auch 20 genommen, aber sie sind ja nur als Warm-Up hier und bringen das Gloria erfolgreich auf Betriebstemperatur. Leider auch buchstäblich.

Vor dem Pale-Konzert (Foto: Lukas Heinser)

Dann leuchtet der Pale-Schriftzug über der Bühne auf und die Band (oder das, was von ihr übrig ist) betritt unter einem der dicksten Auftrittsapplause, die ich je erlebt habe, das Scheinwerferlicht. Nach dem ersten Song sagt Sänger/Gitarrist Holger Kochs, er habe sich in den letzten Tagen eine lange Ansage ausgedacht und wieder verworfen, denn wir wüssten ja eh alle, warum wir da sind: „Für Christian!“

Christian Dang-anh war der Gitarrist von Pale, „der einzige richtige Musiker innerhalb der Band“, wie die anderen selbst sagen. 2019, zehn Jahre nach der Auflösung der Band, wurde bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert, was die Mitglieder auf die Idee brachte, wieder gemeinsam Musik zu machen. Schlagzeuger und Holgers Bruder Stephan Kochs hatte mit einer eigenen schweren Erkrankung zu kämpfen, dann kam die Pandemie und im Frühjahr 2021 ist Christian leider gestorben.

Aus diesen Sessions und Erfahrungen ist „The Night, The Dawn And What Remains“ entstanden, das wirklich allerletzte Album, dessen Songs heute Abend alle zur Aufführung kommen — neben den ganzen Hits, natürlich, wobei mir irgendwann auffällt, dass es false memory meinerseits war, zu glauben, ich hätte die Musik der Band „schon damals“ „immer viel“ gehört.

Zwischen den Songs sagt Holger so viele kluge Sachen über das Leben und die Gegenwart, die man genießen und feiern solle, dass ich mir denke, dass ich mir die alle merken werde. Jetzt könnte ich natürlich nichts mehr davon zitieren, aber das ist total egal, weil ich ja WEISS, dass er Recht hat.

Sie spielen „Man Of 20 Lives“ für Stephan, der heute nur im Publikum ist. Zu „Bigger Than Life“ werden im Hintergrund alte Videos und Bilder von Christian projiziert und ich denke mal wieder, wie so oft, über Musik: „This is my church / This is where I heal my hurts“. (Maxi Jazz von Faithless ist übrigens im Dezember auch gestorben.) Holger singt – „auch wenn’s pathetisch klingt“ – „Wake Up!“ für seine Kinder und ich stehe da inmitten einer wild zusammengewürfelten Gruppe alter Freunde und Bekannter, jetzt sind wir alle Väter, und ich muss mich gar nicht umgucken, weil ich weiß, dass wir gerade alle Tränen in den Augen haben. Das Publikum weiß auch, wann Holger Unterstützung gebrauchen kann, und umarmt ihn mit langem, frenetischen Applaus. Das Gloria ist heute ein einziger großer Liebeskreis. (Rocco Clein ist jetzt auch schon 19 Jahre tot.)

Beim Pale-Konzert (Foto: Lukas Heinser)

„Still You Feel“, eine Hymne auf die Musik, die einem Zuhause ist, nachdem man die furchtbare Heimatstadt verlassen hat, ist auf dem Album ein Duett mit Simon den Hartog von den Kilians. (Auf dem Popkultur-Altar auf dem Albumcover steht ein Mixtape namens „Hometown Mix“, dessen B-Seite mit „Dinslaken 2002“ beschriftet ist — Simons und meiner alten Heimatstadt und meinem Abi-Jahr. Ich bin mir auch nach Monaten noch nicht sicher, was das mit mir macht.) Und natürlich kommt Simon, den Holger als seine Lieblingsstimme in Deutschland bezeichnet, auch auf die Bühne im Gloria. Und er bleibt noch für einen zweiten Song: „Fight The Start“ von den Kilians. Ich habe diesen Song mindestens 30 Mal live gehört, im Publikum, beim Soundcheck, neben der Bühne — zuletzt vor neun Jahren, ein paar Leben her, und ich bin sehr froh, dass mir die ganze emotionale Bedeutung dieses Moments nicht schon gestern Abend aufgefallen ist, sondern erst jetzt. Durchatmen.

„Someday You Will Know“ („The last song of a band that already played its final show“) wird auf dem Album von einem Saxofon-Solo von Steve Norman von Spandau Ballet gekrönt — und es ist jetzt wirklich keine große Überraschung mehr, dass auch er heute Abend hier ist und mitspielt. (Tatsächlich wäre es auch nur konsequent gewesen, wenn zum abschließenden The-Jam-Cover „Town Called Malice“ Paul Weller zur Band hinzugestoßen wäre. Oder Noel Gallagher. Oder John Lennon, because why the fuck not?) Etwas überraschender ist schon, dass auch er für einen zweiten Song bleibt und wir so in den Genuss kommen, „Gold“ von Spandau Ballet auch einmal live zu hören. You’ve got the power to know you’re indestructible!

Er habe unterschätzt, wie viel 27 Songs sind, meint Holger lachend vor den letzten Zugaben, als er das Publikum bittet, gerne etwas lauter mitzusingen. Drei Stunden stehen sind auch schon ziemlich anstrengend, denke ich. Und drei Stunden Rückweg vom Club zum eigenen Bett haben sich früher auch nicht so schlimm angefühlt. Aber wer hätte gedacht, damals, als man anfing, Musik als etwas wahrzunehmen, was mehr ist als das, was im Radio zwischen den Politik-Beiträgen läuft, dass sie einem mal so viel bedeuten und einen durch schwere Zeiten (und großartige!) begleiten würde, dass sie mal zu Freundschaften führen würde und zu Abenden wie diesem?

This is how it feels when nothing can ever make you stop / This is how it feels when nothing’s wrong.

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Musik

Podcast: Episode 3

Es ist eines der wichtigsten Releases des bisherigen Jahres in Deutschland: „Glas“, das Debütalbum von Nina Chuba. Lukas verrät Euch, wie er es findet, und spielt einen neuen Song von seinem großen Helden Andrew McMahon. Dazu LoFi-Indie von Sidney Gish, Britpop von Inhaler und Dreamhouse von Elderbrook feat. Vintage Culture. Ein Blumenstrauß voller musikalischer Füllhörner!

Alle Songs:

  • Nina Chuba – Freitag
  • Andrew McMahon In The Wilderness – Nobody Tells You When You’re Young
  • Sidney Gish – Filming School
  • Two Blinks, I Love You – Carnegie Hall
  • Voiid – Free Kitten
  • Inhaler – If You’re Gonna Break My Heart
  • Elderbrook feat. Vintage Culture – Talk It Over
  • Maddie Zahm – Step On Me