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That’s how I remember it

Kurt Cobain war tot, damit wol­len wir begin­nen. Grie­se­li­ge TV-Bil­der einer Gara­ge in Seat­tle haben sich in mein Gedächt­nis ein­ge­brannt, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, wann.

Ich habe ein sehr merk­wür­di­ges Gedächt­nis. Ein „gutes“, wür­den vie­le sagen, weil ich mich an so vie­les erin­nern kann: Daten, Namen, Bege­ben­hei­ten, Dia­lo­ge – alles seman­tisch mit­ein­an­der ver­knüpft und immer auch ver­bun­den mit Bil­dern. Letz­te Woche fie­len mir die Namen von Freun­den mei­ner Eltern wie­der ein, die ich vor 35 Jah­ren zwei‑, drei­mal getrof­fen hat­te. Ich fän­de es aber hilf­rei­cher und mit­hin „gut“, mir die Namen von Men­schen mer­ken zu kön­nen, die ich aktu­ell brau­che.

Die TV-Bil­der, also: Ich bin mir abso­lut sicher, dass ich sie auf dem Grun­dig Mono­lith im soge­nann­ten „Bau­ern­zim­mer“ mei­nes Groß­el­tern­hau­ses sah. Mei­ne Groß­el­tern hat­ten – die Sen­tenz von Harald Schmidt bestä­ti­gend, dass Geld und Geschmack nur sel­ten Hand in Hand ein­her­ge­hen – sich in den 1970er Jah­ren durch­aus hoch­wer­ti­ge, mas­sivs­te Bau­ern­mö­bel andre­hen las­sen: einen Ess­tisch, an dem die Rit­ter der Tafel­run­de alle Platz gefun­den hät­ten, nebst pas­sen­der Stüh­le; ein Buf­fet, in das rund die Hälf­te der Tel­ler des Haus­stan­des pass­ten (und das waren vie­le); dar­über ein Hän­ge­re­gal, das zur Prä­sen­ta­ti­on von Zier­tel­lern gedacht war (was Bau­ern halt so tun) und sogar ein Bei­stell­tisch­chen, auf dem immer die „Kir­che + Leben“ und die „Hör­zu“ der nächs­ten Woche lagen (die „Hör­zu“ der aktu­el­len Woche lag meist im rich­ti­gen Wohn­zim­mer, da wo auch die Sofas und Ses­sel um einen ton­nen­schwe­ren Couch­tisch stan­den). In die­sem „Bau­ern­zim­mer“, wo meist zu Abend geges­sen wur­de, stand der tref­fend so beti­tel­te Mono­lith, damit mein Groß­va­ter wäh­rend des Abend­essens die „Heute“-Nachrichten und/​oder die „Tages­schau“ sehen und so neben­bei die essen­den, bit­te schwei­gen­den Enkel­kin­der mit Bil­dern des hin­ge­rich­te­ten Nico­lae Ceaușes­cu, aus den Jugo­sla­wi­en­krie­gen und ande­ren Kri­sen­re­gio­nen ver­stö­ren konn­te.

Dort hat­te ich, seit wir neben­an wohn­ten (I’m glad you asked: mei­ne Eltern waren mit uns am 30. Janu­ar 1993 umge­zo­gen – das „Zeit­zei­chen“ auf WDR 2, das ich an jenem Mor­gen im besag­ten Bau­ern­zim­mer im Radio gehört hat­te, hat­te das The­ma „60 Jah­re Macht­er­grei­fung“ gehabt), vie­le Stun­den vor dem Fern­se­her ver­bracht. Mei­ne Groß­el­tern hat­ten näm­lich ‚anders als mei­ne Eltern, damals schon Satel­li­ten­fern­se­hen gehabt – wobei sich mei­ne Fern­seh-Diät, von MTV Euro­pe mal ab, eigent­lich auf die Pro­gram­me beschränk­te, die ich auch bei mei­nen Eltern hät­te gucken kön­nen: „Hit-Clip“, das WDR-Sur­ro­gat für MTV, und „Elf 99“, ein Jugend­ma­ga­zin, das im Sep­tem­ber 1989 ursprüng­lich im Fern­se­hen der DDR gestar­tet war, sich dort als durch­aus regie­rungs­kri­tisch erwie­sen und nach dem Ende des DFF eine klei­ne Odys­see durch die west­deut­schen Sen­der hin­ter sich hat­te. „Elf 99“ lief seit Mit­te Novem­ber 1993 auf Vox, dem klei­nen, sym­pa­thi­schen Pri­vat­sen­der, der mit sei­nem erra­ti­schen, oft anspruchs­vol­len Pro­gramm (allem vor­an das Medi­en­ma­ga­zin „Cana­le Gran­de“ mit dem damals noch Die­ter genann­ten Max Moor) wie geschaf­fen war für einen zehn­jäh­ri­gen Jun­gen, der sich medi­al ger­ne zwei, drei Gewichts­klas­sen über der eige­nen beweg­te.

Dafür, dass „Elf 99“ nur weni­ge Mona­te auf Vox lief, habe ich wirk­lich vie­le Erin­ne­run­gen dar­an – womög­lich habe ich fast alle Aus­ga­ben dort gese­hen. Ich erin­ne­re mich, dass ein dicker, lang­haa­ri­ger, damals mut­maß­lich noch jun­ger Die­ter Gor­ny zu Gast war, um das Kon­zept sei­nes bald star­ten­den Musik­sen­ders Viva vor­zu­stel­len (den wir aller­dings noch nicht mal bei unse­ren Groß­el­tern sehen konn­ten, weil er anfangs per Kabel aus­ge­strahlt wur­de); an Sen­dun­gen, in denen man per Anruf so lan­ge für oder gegen den aktu­ell lau­fen­den Act abstim­men konn­te, bis die Nega­tiv­stim­men­stim­men in der Mehr­heit waren (am Längs­ten lie­fen – in einer Jugend­sen­dung im Jahr 1993 – Phil Coll­ins und Gene­sis); an die Aus­ga­be mit den größ­ten Hits des Jah­res 1993, die zwar aus­gie­big mit „Go West“ von den Pet Shop Boys betrai­lert wor­den war, das dann aber in der schluss­end­li­chen Sen­dung gar nicht vor­kam (auf Platz 1 lan­de­ten, wenn ich mich recht erin­ne­re, die damals schon von mir für schreck­lich befun­de­nen Ace Of Base).

Anfang des Jah­res 1994 war „Elf 99“ vom spät­nach­mit­täg­li­chen Sen­de­platz auf einen län­ge­ren am Sams­tag­vor­mit­tag gewech­selt. Hier erin­ne­re ich mich vage an ein Take-That-Spe­cial, aber nicht viel mehr. Es ging auch nur eini­ge Wochen gut, dann wur­de „Elf 99“ in „Satur­day“ umbe­nannt. Und ab hier wird es kom­pli­ziert.

In der Wiki­pe­dia steht:

Schließ­lich wur­de der Sen­de­platz auf den Sams­tag­nach­mit­tag gelegt und im März 1994 eine Umbe­nen­nung in Satur­day beschlos­sen. Tat­säch­lich lief nur eine Aus­ga­be unter dem neu­en Namen am 26. März 1994. Denn im März 1994 hat­ten sämt­li­che Anteils­eig­ner des Sen­ders VOX ihre Betei­li­gun­gen gekün­digt und eine Finan­zie­rung des Pro­gramm­be­triebs über den 31. März hin­aus in Fra­ge gestellt. Somit fiel neben meh­re­ren Sen­dun­gen auch Elf 99/​Satur­day der VOX-Kri­se zum Opfer. Ein Neu­start auf einem ande­ren Sen­der erfolg­te nicht mehr.

Ich bin mir abso­lut sicher (im Sin­ne von: „ich könn­te schwö­ren“), dass ich die grie­se­li­gen TV-Bil­der in den VOX-Nach­rich­ten sah, die vor „Satur­day“ lie­fen, und dort vom Tode Kurt Cobains hör­te. Ich mei­ne mich zu erin­nern, dass ich eini­ger­ma­ßen geschockt war, denn Nir­va­na waren mir natür­lich ein Begriff gewe­sen: Das Video zu „Smells Like Teen Spi­rit“ hat­te ich – auch Jah­re nach Ver­öf­fent­li­chung – häu­fig bei „Hit-Clip“ gese­hen, wo die Grunge-Band aus Seat­tle eini­ger­ma­ßen gleich­be­rech­tigt zwi­schen East 17, 2 Unli­mi­t­ed und Bil­ly Joel vor­ge­kom­men war, und auch an das Anton-Cor­bi­jn-Video zu „Heart-Shaped Box“ mei­ne ich mich aus jener Zeit erin­nern zu kön­nen. Mir war wohl auch als 10-Jäh­ri­gem schon klar gewe­sen, dass es sich um „ande­re“, irgend­wie sper­ri­ge­re Musik gehan­delt hat­te als bei den meis­ten ande­ren Vide­os, die bei „Hit-Clip“ lie­fen, aber von dem Nihi­lis­mus, der Ver­zweif­lung und dem gan­zen „Gene­ra­ti­on X“-Vibe, von dem die deut­schen Medi­en dann nach Cobains Sui­zid berich­te­ten, hat­te ich kei­ne Vor­stel­lung, als ich die Nach­richt zum ers­ten Mal hör­te – bei Vox. Und ich könn­te schwö­ren, dass zu Beginn der dann fol­gen­den „Saturday“-Ausgabe, deret­we­gen ich Fern­se­her und Sen­der ja ein­ge­schal­tet hat­te, zwei Mode­ra­to­ren vor ein Stu­dio­pu­bli­kum tra­ten, von denen der eine sei­ne Nir­va­na-Kon­zert­kar­te (ich glau­be, sie war gelb) vor lau­fen­der Kame­ra zer­riss, was der ande­re mit der Fra­ge kom­men­tier­te, ob er eigent­lich bescheu­ert sei, die­se Kar­te hät­te doch ein­mal sehr wert­voll wer­den kön­nen. Aber all das wür­de ja kei­ner­lei Sinn erge­ben, wenn die Wiki­pe­dia Recht hät­te und die Sen­dung am 26. März ein­ge­stellt wor­den wäre – Kurt Cobains Lei­che wur­de bekannt­lich am 8. April 1994 ent­deckt.

Der hier klaf­fen­de Wider­spruch beschäf­tigt mich seit eini­ger Zeit, aber zum 30. Jah­res­tag woll­te ich ihn end­lich in Angriff neh­men. Mein ers­ter Kon­takt galt der Vox-Pres­se­stel­le, wobei ich eigent­lich schon in mei­ner Anfra­ge die Segel strich, als ich schrieb, ich wis­se, dass bei Vox damals chao­ti­sche Zustän­de geherrscht hät­ten und ver­mut­lich auch eini­ges aus die­ser Zeit nicht sehr gut doku­men­tiert sei, was mir die net­te Pres­se­spre­che­rin in weni­ger als 24 Stun­den bestä­tig­te.

Also schrieb ich allen Men­schen, die ich ken­ne und die mal irgend­was mit Musik­fern­se­hen zu tun hat­ten. Nilz Bokel­berg, der damals beim Viva-Start dabei war, brach­te mich auf die (zuge­ge­be­ner­ma­ßen nicht soooo absei­ti­ge) Idee, nach zeit­ge­nös­si­schen Quel­len zu suchen – und lie­fer­te gleich einen online ver­füg­ba­ren Arti­kel der „Ber­li­ner Zei­tung“ vom 16. März 1994 mit, in dem stand:

Nach vier­ein­halb Jah­ren kommt das Aus für das ELF-99-Maga­zin. Wie die ELF-99-Medi­en­pro­duk­ti­on und Ver­mark­tung GmbH ges­tern mit­teil­te, wird das Jugend­ma­ga­zin am 26. März zum letz­ten Mal bei VOX zu sehen sein. Am 2. April soll als Nach­fol­ger die Sen­dung ’satur­day‘ auf VOX star­ten.

Ha! Das ist natür­lich etwas ganz ande­res, als die Wiki­pe­dia behaup­tet! Und die „Frank­fur­ter Rund­schau“ schrieb noch am 28. April 1994:

Seit Ostern pro­du­ziert die Ber­li­ner Fir­ma Elf 99 für Vox das Jugend­ma­ga­zin „satur­day“. Nur bis Ende April ist die Pla­nung sicher. Danach sieht es für „satur­day“ nach Sonn­tag aus. Bert­ram Schwarz, Geschäfts­füh­rer von Elf 99, hält den Wech­sel eines ein­ge­führ­ten „Pro­dukts“ von einem Sen­der zum ande­ren für zu schwie­rig.

[Oster­sonn­tag war 1994 am 3. April]

Okay. Also liegt die Wiki­pe­dia falsch. Aber das bestä­tigt ja immer noch nicht mei­ne Erin­ne­run­gen.

Ich habe ver­sucht, Kon­takt zum dama­li­gen Redak­ti­ons­lei­ter von „Satur­day“ auf­zu­neh­men. Ich habe Men­schen (bzw. deren Manage­ment) kon­tak­tiert, die laut eige­ner Aus­sa­ge „Satur­day“ mode­riert haben – erfolg­los.

Je län­ger ich über die­sen Sams­tag­vor­mit­tag nach­den­ke, des­to ein­dring­li­cher erschei­nen mir mei­ne Erin­ne­run­gen: Ich bin mir sicher, dass ich noch ganz nah vor dem Fern­se­her stand, den ich gera­de erst ein­ge­schal­tet hat­te, und mich noch nicht hin­ge­setzt hat­te. Ich sehe das Licht durch die Ter­ras­sen­tür fal­len und spü­re die Fern­be­die­nun­gen des Fern­se­hers in mei­ner Hand. Klar: Die habe ich ja auch hun­der­te Male in der Hand gehal­ten – aber auch am 9. April 1994? Man hört ja immer wie­der von fal­schen Erin­ne­run­gen, von Zeu­gen­aus­sa­gen, die nicht stim­men kön­nen. Aber wo kom­men wir hin, wenn wir unse­ren eige­nen Erin­ne­run­gen nicht mehr trau­en kön­nen? Und ist eine Erin­ne­rung, die wir nicht mit Quel­len bele­gen kön­nen, über­haupt real?

Eines der legen­därs­ten Zeit­do­ku­men­te ist die­ser Aus­schnitt aus den „Tages­the­men“ vom 9. April 1994 (die – wenig hilf­reich – in der You­Tube-Beschrei­bung als „Tages­schau“ vom 8. April bezeich­net wer­den):

Als man noch auf Face­book war und dort lus­ti­ge Links teil­te, tat die­ses Video min­des­tens ein­mal im Jahr das, was man damals „viral gehen“ nann­te, weil es auf so beein­dru­cken­de Art die geball­te Ahnungs­lo­sig­keit und Brä­sig­keit deut­scher Medi­en zusam­men­zu­fas­sen scheint – und das nicht 1968, son­dern 1994: Da ist die kon­se­quent fal­sche Aus­spra­che von Cobains Nach­na­men (die ARD-Aus­spra­che­da­ten­bank emp­fiehlt inzwi­schen – ich weiß aber nicht, seit wann – /​koʊʹbeɪn/​), die fal­sche „Über­set­zung“ der „Lithium“-Textzeilen und dann die Zusam­men­fas­sung „Kurt Cobains Lie­der sind Aus­druck einer jugend­li­chen Sub­kul­tur; einer Jugend ohne Hoff­nung, ohne Job, dro­gen­ab­hän­gig und kri­mi­nell“, die nicht nur gram­ma­ti­ka­lisch auf dün­nem Eis unter­wegs ist. Sowohl der dama­li­ge Washing­ton-Kor­re­spon­dent der ARD, Jochen Schwei­zer (Jahr­gang 1938), als auch Mode­ra­to­rin Sabi­ne Chris­ti­an­sen (Jahr­gang 1957) bemü­hen sich, so etwas wie Empha­se und Fas­zi­na­ti­on aus­zu­drü­cken, aber der gan­ze Bei­trag strahlt gleich­zei­tig so viel Alar­mis­mus und Ver­ach­tung für „Jugend­kul­tu­ren“ (falls es irgend­je­mand ver­ges­sen haben soll­te: Cobain war 27, als er starb) aus, dass es denk­bar erscheint, dass Tau­sen­de deut­sche Eltern danach Tip­per-Gore-mäßig in die Jugend­zim­mer ihrer Kin­der rann­ten und sicher­heits­hal­ber die Nir­va­na-CDs in den Müll war­fen.

Nach­dem ich die­sen Aus­schnitt für die­sen Text hier zum wie­der­hol­ten Male gese­hen hat­te, beschlich mich das Gefühl, jene „Tagesthemen“-Ausgabe damals, am 9. April 1994, womög­lich selbst gese­hen zu haben – mit mei­ner Mut­ter in ihrem Näh­zim­mer, in dem sie damals abends oft saß, im Anschluss an „Geld oder Lie­be“ mit Jür­gen von der Lip­pe. Es scheint zumin­dest plau­si­bel.

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Musik

Song des Tages: Dan Bern – God Said No

Zum ers­ten Mal gehört: Im Som­mer 2002, Sonn­tags­abends in einer (durch­aus ernst­zu­neh­men­den) Musik­sen­dung auf WDR 2.

Wer musi­ziert da? Dan Bern, ein Musi­ker aus Iowa, von dem ich nur ein Album und ein paar ein­zel­ne Songs ken­ne. „New Ame­ri­can Lan­guage“ aller­dings ist gera­de­zu ein Meis­ter­werk, vom rocki­gen Ope­ner bis zum aus­ufern­den, zehn­mi­nü­ti­gen Final­song. Alles dazwi­schen ist wie Bob Dylan und Elvis Cos­tel­lo in ihren bes­ten Momen­ten durch­ein­an­der.

War­um gefällt mir das? Das ist natür­lich auch so ein Song, der vor allem über die Lyrics funk­tio­niert: Da trifft der Erzäh­ler auf Gott und bit­tet dar­um, in der Zeit zurück­rei­sen zu kön­nen, um a) Kurt Cobain vom Selbst­mord abzu­hal­ten, b) Hit­ler zu erschie­ßen, bevor der grö­ße­ren Scha­den anrich­ten kann und c) Jesus vor der Kreu­zi­gung zu bewah­ren. Aber Gott sagt jedes Mal „Nein“ — wohl­be­grün­det! Dass das Gan­ze kom­plett unpein­lich, ja im Gegen­teil: unglaub­lich anrüh­rend ist, muss man erst mal hin­krie­gen. Und die Musik ist ja auch ganz schön.

[Alle Songs des Tages — auch als Spo­ti­fy-Play­list]

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Musik

Und Berlin war wie New York

Es nützt ja nichts, das zu leug­nen: Ich mag die neue Sin­gle von Bos­se.

Die­ses per­len­de Ben-Folds-Kla­vier! Die­se völ­lig reim­frei­en Stro­phen! Die­ser Shoop-Shoop-Refrain! Und vor allem: Die­se Geschich­te, die er da erzählt!

Von Dosen­bier, vom ers­ten Kuss, von der musi­ka­li­schen Sozia­li­sa­ti­on, von Sehn­suchtsor­ten, von der Jugend an sich. Alles ganz schlicht, glei­cher­ma­ßen kon­kret und all­ge­mein­gül­tig.

Wenn Axel Bos­se im letz­ten Refrain „oh yeah, wha­te­ver, never­mind“ singt, krieg ich jedes Mal Gän­se­haut. Und habe wie­der die­se grie­se­li­gen VHS-Bil­der aus Seat­tle auf Vox vor Augen. Am Tag, als Kurt Cobain starb.

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Musik Digital

About A Girl

Okay, das war schon blöd von Bild.de, auf den gefake­ten Twit­ter-Account von Emin­ems Toch­ter rein­zu­fal­len. Und hin­ter­her zu berich­ten, dass alle, inklu­si­ve man selbst, auf die Fäl­schung rein­ge­fal­len ist, den Ursprungs­ar­ti­kel aber unver­än­dert online zu las­sen, ist auch nicht so rich­tig cle­ver.

Was ich per­sön­lich aber haar­sträu­bend däm­lich fand, ist eine ganz ande­re Sache. Beim lus­ti­gen Rät­sel­spaß, um wes­sen Toch­ter es sich denn han­deln kön­ne, hat Bild.de auch Kurt Cobain im Ange­bot:

Handelt es sich bei dem gesuchten Papa um die verstorbene Rock-Legende Kurt Cobain († 28)?

28?!?

Jedes Kind (also: jedes Kind, das allei­ne auf dem Schul­hof steht, weil es unglaub­lich uncool und nerdig ist, aber in zehn Jah­ren sau­cool sein wird, wäh­rend die heu­te coo­len Kin­der dann mit Anzug und Kra­wat­te an ihrem Schreib­tisch in der Spar­kas­se hocken) weiß, dass Kurt Cobain zum „Club 27“ gehört und dem­nach – eben­so wie Jimi Hen­drix, Jim Mor­ri­son, Janis Jop­lin und Bri­an Jones – mit 27 gestor­ben ist.

Ich beto­ne das auch, weil ich seit Novem­ber älter bin, als Kurt Cobain je gewor­den ist.

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Musik

Another day the music died

Bud­dy Hol­ly, Elvis Pres­ley und John Len­non waren schon tot, als ich gebo­ren wur­de. Mar­vin Gaye starb, als ich ein hal­bes Jahr alt war.

Bei Miles Davis und Fred­die Mer­cu­ry habe ich erst sehr spät fest­ge­stellt, wer die eigent­lich waren und was sie gemacht haben.

Am 9. April 1994 saß ich bei mei­nen Groß­el­tern vor dem Fern­se­her, um „Elf 99“ oder „Satur­day“ (oder wie auch immer das Vox-Jugend­ma­ga­zin damals hieß) zu sehen, als in den Nach­rich­ten zu grie­se­li­gen Bil­dern aus Seat­tle ver­kün­det wur­de, dass Kurt Cobain sich erschos­sen habe. Ich war immer etwas zu jung für Nir­va­na, aber da war ich zum ers­ten Mal sowas wie ent­setzt, dass ein Musi­ker gestor­ben war.

Dass Tupac Shakur und Big­gie Smalls erschos­sen wur­den, krieg­te ich völ­lig am Ran­de mit, ohne jemals ihre Musik gehört zu haben.

Der Tod von Geor­ge Har­ri­son war zu erwar­ten gewe­sen, trotz­dem war ich trau­rig, als ich im Novem­ber 2001 beim Ein­rich­ten des Video­re­cor­ders mei­ner Groß­mutter zufäl­lig die Nach­rich­ten sah.

Obwohl ich mich erst nach sei­nem Tod mit John­ny Cash und sei­ner Musik beschäf­tigt habe, war ich betrof­fen, als ich (wie­der­um bei mei­nen Groß­el­tern im Fern­se­hen) davon erfuhr.

Ich wuss­te zu wenig über Elliott Smith, aber die Umstän­de sei­nes Todes, die­se zwei Mes­ser­sti­che ins Herz, waren für mich immer ein gewal­ti­ges State­ment.

Ges­tern Abend guck­te ich ganz harm­los durchs Inter­net, als ich las, dass Micha­el Jack­son gestor­ben sei. Als kri­ti­scher Medi­en­be­ob­ach­ter woll­te ich das lan­ge nicht gel­ten las­sen, aber als CNN (die ja schon den US-Prä­si­den­ten aus­ge­ru­fen hat­ten) Jack­son für tot erklär­te, wuss­te ich, dass auch die­ses Kapi­tel geschlos­sen war.

Wie­der war es ein Künst­ler, von dem ich zu Leb­zei­ten kein beson­de­rer Anhän­ger gewe­sen war, aber weder Jack­sons – hier passt der Begriff aus­nahms­wei­se mal – tra­gi­sches Leben noch sein Ein­fluss auf die Pop­mu­sik und ‑kul­tur meh­re­rer Gene­ra­tio­nen kön­nen einen kalt las­sen. Ohne Micha­el Jack­son klän­gen Jus­tin Tim­ber­la­ke und Rihan­na, ja ver­mut­lich sogar vie­le Rock­bands, heu­te anders – oder es gäbe sie schlicht gar nicht.

Komisch, dass ich jetzt gera­de sei­ne Musik hören muss.