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Don’t Stop ‘Til You Get Enough

Als Musik- und Statistikfan ist last.fm natürlich eine meiner Lieblingswebseiten.

Jetzt, wo alle auf das Jahr zurückblicken und ich auch langsam mal überlegen sollte, was meine Hits 2009 sind, wartet last.fm wieder mit unglaublichen Statistiken auf.

Darunter auch ein “Michael Jackson Special”, dessen Fakten man auf den ersten Blick zynisch finden könnte:

This year, 69% of Michael Jackson tracks were scrobbled after his death. Overall, scrobbles from ‘09 account for over half of all the MJ tracks ever scrobbled to Last.fm (since ’03).

Es drängen sich zwei Lesarten auf, je nach Weltsicht:
a) Nur ein toter Popstar ist ein guter Popstar.
b) Menschen verlieren die Dinge, die ihnen wichtig sind, zwar manchmal aus den Augen, aber sie vergessen sie nie.

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No matter what the end is

Richard Wagner ist Redakteur bei der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” und hat am vergangenen Sonntag in seiner Kolumne “Das war’s” folgenden … Nachruf verfasst:

Rätselhaft blieb, warum der unappetitliche Tod des höchstens mittelmäßigen sogenannten Sängers Stephen Gately der längst abgehalfterten sogenannten Boygroup “Boyzone” auf der in noch anderer Hinsicht unappetitlichen Insel Mallorca den Weg in die respektable Öffentlichkeit fand.

[via Stefan Niggemeier]

Wenn man mal von den ganzen Unverschämtheiten Zynismen Adjektiven absieht, ((Ebenfalls absehen sollte man natürlich von dem Umstand, dass da ein Bandname in Anführungszeichen gesetzt ist, was mich einfach immer wahnsinnig macht. Aber das mag ein persönliches Problem sein.)) steht da eine gar nicht mal so uninteressante Frage: Warum verschaffte sein Tod Stephen Gately eine Aufmerksamkeit, die er – wenn überhaupt – zuletzt vor zehn Jahren bekommen hatte, als er in der “Sun” sein (milde erzwungenes) Coming Out hatte?

Ganz banal gesagt fängt es natürlich mit der Öffentlichkeit – das Wort “respektabel” muss Wagner beim wahllosen Adjektiv-Einsetzen reingerutscht sein – an, die größer ist als je zuvor. Was früher Gesprächsthema auf dem Pausenhof oder in der Teeküche war, findet jetzt für jeden wahrnehmbar im Internet statt. Es gibt Twitter, Blogs, Pinnwände bei Facebook, MySpace und last.fm und Boulevardzeitungen, die quasi rund um die Uhr erscheinen. Alles bekommt heute mehr Aufmerksamkeit als vor zehn Jahren — vielleicht mit Ausnahme einiger wichtiger Dinge, aber darüber sollen Kulturpessimisten wie Richard Wagner nachgrübeln.

Eine andere pragmatische Antwort wäre: Weil die Frauen, die heute die “People”-Ressorts und Online-Redaktionen rund um den Erdball besetzen, mit Boyzone aufgewachsen sind. Die Antwort ist aber so schlicht, dass man sie Wagner tatsächlich anbieten würde, wenn man ihn irgendwo zwischen Tür und Angel träfe.

Aber man kann ja mal versuchen, ein bisschen tiefer zu gehen: Erst einmal erzeugt ja der Tod eines Prominenten ((“eines sogenannten Prominenten” für Richard Wagner.)) immer mediale Aufmerksamkeit — je vorzeitiger, desto größer. Es gilt, was Nada Surf 1999 in “River Phoenix” ((Benannt nach dem Schauspieler, der 1993 im Alter von 23 Jahren an einer Überdosis Heroin und Kokain verstarb.)) sangen:

We didn’t know Jackie O
She was one of the people that we did not know
Nor did we care about her hair
Her pillbox hat and her savoir faire
But still we thought we knew

Man nimmt halt irgendwie am Leben von Personen des öffentlichen Lebens teil — heute noch sehr viel mehr als vor zehn Jahren: Stephen Gately hatte einen Twitter-Account, der ja als das Symbol der Annäherung zwischen Stars und ihren Fans gilt.

Als Anna Nicole Smith, eine Frau, die aus sehr viel schlichteren Gründen berühmt war als Stephen Gately, im Februar 2007 starb, erklärten einige Menschen aus meinem Umfeld etwas irritiert, dass sie dieser Todesfall doch irgendwie betroffen mache — und ich war ganz froh, dass es nicht nur mir so ging. Fünf Monate zuvor hatte Smith ihre Tochter zur Welt gebracht, ihr Sohn Daniel war beim Besuch am Kindsbett gestorben. Das wünscht man keinem, auch keiner grotesken Medienfigur, deren Leben von Anfang an unsternverfolgt schien.

Ein weiterer wichtiger Grund, warum sich die Öffentlichkeit und die Medien so sehr auf Gatelys Tod stürzten, sind die “unappetitlichen” Umstände — oder das, was die Klatschjournalisten gerne darin sehen wollten: Erst hieß es, er sei an seinem eigenen Erbrochenen ((Völlig bizarr wäre natürlich, mal von jemandem zu lesen, der an fremdem Erbrochenen erstickt ist. Man könnte aber wohl auch gut drauf verzichten.)) erstickt, was ja Rockstartod #1 wäre (vgl. Jimi Hendrix, Bon Scott). Die Rede war von einer wilden Partynacht mit seinem eingetragenen Lebenspartner und einem dritten Mann.

Denn, machen wir uns nichts vor: Die Tatsache, dass Gately schwul war, gibt der Geschichte natürlich noch mal eine gewisse Würze. Einerseits verleiht es der Aufstiegsgeschichte vom Arbeitersohn zum Popstar ein gewisses tragisches Moment, dass sich Gately jahrelang verstellen musste, andererseits gibt es den völlig Enthirnten Gelegenheit zu Überschriften wie “Homo-Sänger erstickt am eigenen Erbrochenen”. Und dann dieser 25-jährige bulgarische “Partyboy”, ((Wobei man über das Wort “Partyboy” ja schon fast froh und dankbar sein muss — irgendetwas sagt mir, dass da vor kurzem noch “Stricher” gestanden hätte.)) der beim Paar in der Wohnung war — da ist natürlich der Phantasie zahlreicher Redakteure und Leser freie Bahn gelassen.

Dabei spricht wenig dafür, dass Gately ein exzessives Leben geführt hat. Personen aus seinem Umfeld werden damit zitiert, dass er nur selten Alkohol trank und auch sonst nicht ständig auf Party aus war. Aber solche Aussagen taugen längst nicht für so knallige Schlagzeilen — und wenn man schon kaum etwas über sein Privatleben weiß und die Seriosität der Quellen eh nicht einschätzen kann, dann bezieht man sich natürlich lieber auf die Erzählungen, die skandalöser wirken und beim geneigten Leser zur Schlussfolgerung “Selbst schuld, der Herr Popstar!” führen.

Aber all das reicht natürlich nicht zum Popstartod des Jahres, nicht im Jahr 2009. Hätte man am 20. Juni mit “Beat It” allenfalls ein paar besonders Tanzwütige zum Beineschütteln bewegen können, waren die Tanzflächen eine Woche später voll, als die ersten Takte erklangen. Die Anteilnahme – auch die eigene – am Tode Michael Jacksons dürfte die meisten Menschen überrascht haben. Wie ernst es wirklich war, merkte ich, als meine Großeltern, deren größte Annäherung an die Popkultur sonst im “Tatort”-Gucken am Sonntagabend besteht, ((Eine Zeit lang dachte mein Großvater, er wisse, was eine Rapperin sei — es war die Phase, in der Boris Becker mit Sabrina Setlur liiert war.)) mich fragten, was ich denn zum Tod von Michael Jackson sagen würde. Ja, was sagt man da?

Jackson hatte halt irgendwie irgendwann einmal das Leben von fast jedem Menschen auf diesem Planeten berührt — und wenn sich das bei manchen nur in der Ansicht niederschlug, Jackson sei wahnsinnig und (s.o.) an allem selbst schuld. Aber obwohl Jackson eigentlich spätestens seit seinem Prozess wegen Kindesmissbrauchs im Jahr 2005 als Witzfigur galt, war das bei den Meisten – natürlich nicht bei den Medien – schnell vergessen und es stand nur noch die Musik und die Tragik seines Lebens im Vordergrund.

Und tragisch im eigentlichen Sinne sind in solchen Fällen ja meist das Leben des Verstorbenen (Jackson), der Zeitpunkt (noch mal Jackson, so kurz vor dem geplanten Comeback) oder die weiteren Umstände (verfolgt von Paparazzi wie Prinzessin Diana) des Todes — die Todesfälle selbst sind fast allesamt banal. Mehr Chemie im Körper, als der verarbeiten kann, führt zu schlichtem Funktionsversagen. Wenn ein betrunkener Fahrer viel zu schnell durch einen Tunnel rast, kann das zur Kollision mit einem Tunnelpfeiler führen, eine Geschwindigkeitsübertretung unter Alkoholeinfluss auf dem Heimweg schnell zum Abflug, wie bei Jörg Haider.

Nur akzeptieren will die Öffentlichkeit natürlich nie, dass ein Star letztlich menschlich und damit sterblich ist. Deswegen müssen Erklärungsversuche unternommen werden, und seien sie noch so abwegig und absurd. Dann war es halt die Mafia, ein Geheimdienst oder irgendwelche Verschwörer. Wenigstens ein Selbstmord, damit es nicht einfach ein alltäglicher Unfall war! Nur in seltenen Glücksfällen wird ein erfolgreicher, junger Politiker, der eine hübsche Frau und süße Kinder hat, aber Hollywoodstars und Sekretärinnen vögelt, unter völlig unerklärlichen Umständen in aller Öffentlichkeit erschossen — wobei man nun wirklich nicht behaupten kann, dass dieser Fall frei von Verschwörungstheorien sei.

Der Unterschied zwischen bekannten und unbekannten Sterblichen besteht lediglich in der Reaktion auf den Tod: Aus allen vorgenannten Gründen erzeugt der Tod eines Prominenten eine mediale Aufmerksamkeit, die den Verstorbenen überdauern kann. Spätestens, wenn der nächste Prominente unter Umständen stirbt, die nicht “Krebs” oder “Alter” heißen, wird Stephen Gatelys Name wieder in irgendeiner Liste (wahrscheinlicher, natürlich: in einer Bildergalerie) auftauchen und den Musiker damit überleben. Ob man als Fußnote unsterblich werden will, ist allerdings fraglich.

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Musik

Advertising Space

Wenn ein Künstler drei Jahre lang keine neue Musik veröffentlicht hat, ist es eigentlich Quatsch, von einem “Comeback” zu sprechen. Wenn er in der Zeit davor aber quasi im Jahrestakt neue Alben rausgebracht hat, ist die Bezeichnung dann doch legitim.

Robbie Williams kehrt also zurück — und es ist natürlich reiner Zufall, dass dies gut zwei Monate nach dem Tod des Mannes geschieht, den man mal “King of Pop” geheißen hat, und eine Woche nach der möglichen Auflösung der Band, deren anfängliche Freund- und anschließende Feindschaft Williams auch in Indie-Kreisen credible gemacht hat.

Seit heute läuft seine neue Single “Bodies” im Radio und – erst mal nur als Audiotrack – bei YouTube:

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[Direktlink]

Beim ersten Hören fand ich den Song ganz grässlich, dann hielt ich ihn für ein loses rip-off von “How Can You Expect To Be Taken Seriously?” von den Pet Shop Boys (Achten Sie mal auf die Musik im Refrain!), nach etlichen Durchläufen geht’s langsam. Davon, dass man sich wünscht, ein drittes Bein zu haben, um besser tanzen zu können (Selbsteinschätzung Robbie Williams), ist die Nummer jedenfalls ein ganzes Stück weit entfernt. Und von alten Glanztaten sowieso.

Ob Williams mit dieser Musik und dem dazugehörigen Album (Selten dämlicher Titel: “Reality Killed The Video Star”, Veröffentlichung: 9. November) auch ein Comeback im kommerziellen Sinne gelingt, wird sich zeigen. Sein ambitioniertes, aber auch blutleeres letztes Album “Rudebox” pflastert ja heute angeblich chinesische Straßen.

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Musik

You and I, we’re gonna live forever

Von mehreren Seiten wurde der Wunsch an mich herangetragen, ich möge mich in diesem Publikationsorgan doch bitte zum Ausstieg Noel Gallaghers bei Oasis äußern. Normalerweise wäre das ein guter Grund, gar nicht erst über einen Text nachzudenken, sondern den Bittstellern den Vogel und den Weg zur Tür zu zeigen. Aber Oasis sind ja nicht irgendeine Band und die Diskussionen der letzten Tage legen den Verdacht nahe, dass das Thema uns Popkulturgeschädigte mindestens so sehr beschäftigt wie der Tod von Michael Jackson.

Touristenfotos aus der Brtipop-HölleAlso, zunächst einmal: Ich glaube nicht, dass der Ausstieg von Dauer sein wird. Noel Gallagher ist zwar das letzte Bandmitglied, das vom Durchbruch bis vor kurzem dabei war (wir erinnern uns: auch Liam war ja zwischenzeitlich irgendwie mal ausgestiegen), insofern wiegt das vielleicht etwas schwerer, aber bei Licht besehen sind Oasis doch wie diese Pärchen im Freundeskreis, die sich immer wieder trennen und immer wieder zusammenfinden — beides zum Leidwesen aller Unbeteiligten. Ein Nachruf wird das hier also nicht werden.

Schon gar nicht auf eine Band, die selbst wunderbar in Worte packte, woran sich nie jemand gehalten hat:

Please don’t put your life in the hands
Of a rock ‘n’ roll band
Who’ll throw it all away

Alle Diskutanten haben einhellig die Meinung vertreten, dass der letzte richtig gute Oasis-Song schon länger her sei — nur über den genauen Zeitpunkt und Titel ist man sich uneins. Ich würde vor sieben Jahren ansetzen, auf “Heathen Chemistry” mit den letzten Über-Balladen “Stop Crying Your Heart Out” und “Little By Little” und dem Kleinod “She Is Love”. “Falling Down” auf dem letztjährigen “Dig Out Your Soul” war auch nicht schlecht, aber das darf man alles nicht mit den alten Sachen vergleichen.

Ich habe in den letzten Tagen einen Vergleich bemüht, von dem ich vergessen hatte, dass ich ihn schon beim großen Jahresrückblick verwendet hatte: Nämlich den, dass es mit Oasis sei wie mit einem alten Schulfreund — “das Wiedersehen ist herzlich, man denkt an alte Zeiten, trinkt zwei Bier und geht wieder getrennter Wege”.

Oasis waren ja ungefähr zwei Sommer lang so groß, wie die Ultras sie heute noch sehen. Auf dem Höhepunkt abzutreten haben nicht mal Nirvana geschafft. Danach kommt eben die Verwaltung der eigenen Errungenschaften und dafür kann man dann ruhig den Rolling-Stones-Weg einschlagen. Und denen ging es ja in den Achtzigern auch nicht besonders.

Ich kam (wie ungefähr jeder andere) über “Wonderwall” zu Oasis. Auf “Bravo Hits 12” und das ist ja Grund genug, den Song heute zu hassen. “Soloalbum” von Benjamin von Stuckrad-Barre – und Sie dachten, wir sprechen bei Oasis von einem Absturz in die Bedeutugnslosigkeit – hämmerte mir die Band ins Bewusstsein, danach wurden alle bisher erschienenen CDs gekauft und bei jeder Neuerscheinung das Geld brav in den Laden getragen.

Die Pflichtschuldigkeit, immer noch jedes neue Album kaufen und irgendwie mögen zu müssen, habe ich bei Oasis gelernt. Eine objektive Beurteilung von Künstlern, von denen ich mehr als drei Platten habe, ist mir bis heute unmöglich. (Einzige Ausnahme: “Intensive Care” von Robbie Williams. So eine Scheißplatte muss man wirklich erst mal machen.)

Im Gegensatz zu anderen Britpop-Fans glaube ich auch heute noch an den Glaubenskrieg Oasis vs. Blur. Ich war immer Oasis-Fan, von Blur habe ich nur das Best Of. Coffee And TV heißt natürlich trotzdem nach einem Blur-Song, auch wenn die Band wenig ausschlaggebend war für die Wahl. Und es ist natürlich die ganz besondere Ironie der Popkultur, dass ausgerechnet im Jahr 2009 – rund 15 Jahre nach den Golden Years of Brit-Pop – Blur plötzlich ein gefeiertes Comeback hinlegen und bei Oasis das Mastermind aussteigt. Besser tanzen konnte man freilich immer schon zu Blur.

Oasis werden wiederkommen, daran habe ich keinen Zweifel. Die Band hat in ihrer Karriere vermutlich mehr Konzerte abgesagt, als die Babyshambles je gespielt haben. Sich klammheimlich aus einem Festival-Line-Up zu stehlen, ist mies, denn das Geld kriegt man nicht wieder — auch nicht, wenn stattdessen Deep Purple spielen.

Und wenn Noel Gallagher nicht in ein, zwei Jahren wieder auf der Bühne steht, als sei nichts geschehen, dann gilt immer noch, was ein guter Freund und Ex-Oasis-Fan meinte: “Eine Band ist doch nicht weg, wenn sie sich auflöst. Die Platten wird es immer geben.”

In diesem Sinne: “You and I, we’re gonna live forever!”

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Rundfunk Musik

Something evil’s lurking in the dark.

Angela Merkel ist endlich sicher über den Teich, immerhin ein Grund, kurz erleichtert aufzuatmen und sich eines vagen Gefühls lange nicht mehr verspürter “Sturmfrei!”-Euphorie hinzugeben. Im Zuge dieses nicht kleinen Anteils tagespolitischen Geschehens in dieser Woche diskutiert im Augenblick das RadioEins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg mit wahrnehmbarer Erstauntheit darüber, wie viele US-Amerikaner Angela Merkel “tatsächlich nicht kennen”. Das ist, wenn schon nicht dem Wortsinn nach interessant, immerhin etwas, womit man mehrere Minuten leere Sendezeit, über die man sich in der Programmsitzung sicherlich den Kopf zerbrochen hat, einigermaßen elegant füllen kann. Zumindest ohne, dass schon wieder empörte Klagen über die innere Zersetzung des moralischen Gewebes und des kulturellen Gehalts  in den audiovisuellen Medien laut werden. Außerdem wäre es gewiss happiger gewesen, eine Diskussion darüber vom Zaun zu brechen, wie viele US-Amerikaner Michael Jackson “tatsächlich nicht kennen”. Ihn kann man jedenfalls ungemein schwieriger mit der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi verwechseln als Frau Merkel.

Radio hören ist eine nervenzehrende, murmeltierhafte Angelegenheit. Wird man, wie ich, am Arbeitsplatz nachgerade dazu genötigt, stundenlange Berieselungen eines hausinternen Senders hinzunehmen oder möglichst zu ignorieren, ergeben sich zwei Folgen, die in der Kombination einen, wie man so sagt, hochgradig explosiven Cocktail fürs Nervenkostüm darstellen. Erstens: Die unvermeidlichen ungewollten Ohrwürmer. Eine einstündige Heimfahrt in der S-Bahn mit einem quietschenden Mädchen im Gehörgang, das in geradem Rhythmus abwechselnd entweder “ah”, “ah”, oder “dance!” sagt, dauert für die innere Uhr ein halbes Leben und resultiert gerne in verfrühtem Haarausfall auf der Stirnpartie. Glauben Sie mir.

Das andere Phänomen ist, dass diese Göre im Ohr nachhaltig meine Lust auf jedwede Art von Musik für den Rest des Tages vernichtet, im schlimmsten Fall verbringe ich also mein kärgliches Abendessen, das darauffolgende Zähnereinigen und das nicht gar so friedliche Einschlummern mit einer schrillen Stimme im Kopf, die rücksichtslos und beständig darauf insistiert, dass ich doch endlich zu tanzen anfangen möge.

Worauf ich hinaus will: Vor etwa hundertzwanzig Jahren oder so, als ich noch jung war, also vierzehn, fand ich im heimischen Videoschrank, in dem sich sonst Disney-Klassiker tummelten (auch etwas, über das dereinst einmal irgendjemand etwas Tadeliges sagen sollte), eine einzelne unbeschriftete Kassette mit einer dünnen Staubschicht obendrauf. In der pubertären Hoffnung, es möge sich dabei doch bitte um irgend etwas Schmuddeliges halten, oder zumindest um einen altersbeschränkten Actionfilm, zog ich das Band irgendwann in Abwesenheit meiner Eltern aus der Versenkung und legte es in den Player.

Leider befanden sich darauf  weder Action noch Schmuddel, sondern die gesammelten Musikvideos von Michael Jackson, von meinem Vater in mühsamer Kleinarbeit irgendwann in den Neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kompiliert.  Vermutlich in einer Trotzreaktion auf das enttäuschende Fehlen von aufregenderen Inhalten, und um vielleicht doch noch irgendeinen positiven Effekt aus meinem Fund zu ziehen, schaute ich mir das ganze Band nicht nur einmal an, sondern geschätzte dreißig Mal, über eine Woche verteilt. Am häufigsten von allen Clips sah ich mich gezwungen, das knapp 15-minütige “Thriller” wieder und wieder auf mich wirken zu lassen.

Der buchstäblich einzige Effekt dieser schlimmen, schlimmen Idee war nicht etwa, dass ich ein Jackson-Fan wurde, sondern vielmehr ein fürchterlich hartnäckiger und genauso nervtötender Ohrwurm einer von Vincent Price vorgetragenen Textzeile aus dem Rap-Teil dieses so unheilvollen Liedes: “Creatures crawl in search of blood / To terrorize y’alls’ neighborhood”. Was auf dem Papier so aussieht, als würde es sich reimen, ist in Wahrheit eine schreckliche phonetische Enttäuschung, da lässt sich ja die etwas expressionistische Anwendung der zweiten Person Plural fast unbesehen hinnehmen.

Jedenfalls muss es an dieser textlichen Unfeinheit gelegen haben, dass ich von den Osterferien bis zu den darauffolgenden Pfingstferien des Jahres 1999 brauchte, um diesen vermaledeiten Ohrwurm wieder los zu werden.

Und jetzt, zehn Jahre später? Was würde ich dafür geben, mir sicher sein zu können, heute Nacht von “ah”, “ah” oder “dance!” in den Schlaf gesungen zu werden, anstatt wieder für die nächsten sechs Wochen von Jacko und Price geplagt zu werden? Ich würde sogar öffentlich zugeben, zu den US-Amerikanern zu gehören, die Vincent Price tatsächlich nicht kennen!

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Digital

“But check it anyway”

Nachdem am Donnerstag offenbar das Gerücht bei Twitter die Runde machte, nach Farrah Fawcett und Michael Jackson sei auch noch Jeff Goldblum gestorben, hat Harry McCracken eine Liste mit Lektionen erstellt, die man aus diesem Informationschaos lernen konnte:

1) Part of the reason why information travels quickly on Twitter is that it’s not fact-checked. (Or more precisely, it’s fact-checked after the fact, when people realize the original tweets were wrong.)

2) Part of the reason news travels a bit more slowly via old-media sources is that it is fact-checked.

3) If a single person you know and trust tweets something that sounds unlikely, it’s more likely to be true than if 500 random strangers tweet it. But check it anyway.

Die ganze Liste steht bei technologizer.com und man sollte sie sich dringend ausdrucken und über den Schreibtisch hängen. (Wer – aus was für Gründen auch immer – das Ausdrucken von Texten aus dem Internet für lame hält, muss sich den Text dann wohl oder übel auf den Handrücken tätowieren lassen.)

[via “Spiegel Online”]

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Musik

Another day the music died

Buddy Holly, Elvis Presley und John Lennon waren schon tot, als ich geboren wurde. Marvin Gaye starb, als ich ein halbes Jahr alt war.

Bei Miles Davis und Freddie Mercury habe ich erst sehr spät festgestellt, wer die eigentlich waren und was sie gemacht haben.

Am 9. April 1994 saß ich bei meinen Großeltern vor dem Fernseher, um “Elf 99” oder “Saturday” (oder wie auch immer das Vox-Jugendmagazin damals hieß) zu sehen, als in den Nachrichten zu grieseligen Bildern aus Seattle verkündet wurde, dass Kurt Cobain sich erschossen habe. Ich war immer etwas zu jung für Nirvana, aber da war ich zum ersten Mal sowas wie entsetzt, dass ein Musiker gestorben war.

Dass Tupac Shakur und Biggie Smalls erschossen wurden, kriegte ich völlig am Rande mit, ohne jemals ihre Musik gehört zu haben.

Der Tod von George Harrison war zu erwarten gewesen, trotzdem war ich traurig, als ich im November 2001 beim Einrichten des Videorecorders meiner Großmutter zufällig die Nachrichten sah.

Obwohl ich mich erst nach seinem Tod mit Johnny Cash und seiner Musik beschäftigt habe, war ich betroffen, als ich (wiederum bei meinen Großeltern im Fernsehen) davon erfuhr.

Ich wusste zu wenig über Elliott Smith, aber die Umstände seines Todes, diese zwei Messerstiche ins Herz, waren für mich immer ein gewaltiges Statement.

Gestern Abend guckte ich ganz harmlos durchs Internet, als ich las, dass Michael Jackson gestorben sei. Als kritischer Medienbeobachter wollte ich das lange nicht gelten lassen, aber als CNN (die ja schon den US-Präsidenten ausgerufen hatten) Jackson für tot erklärte, wusste ich, dass auch dieses Kapitel geschlossen war.

Wieder war es ein Künstler, von dem ich zu Lebzeiten kein besonderer Anhänger gewesen war, aber weder Jacksons – hier passt der Begriff ausnahmsweise mal – tragisches Leben noch sein Einfluss auf die Popmusik und -kultur mehrerer Generationen können einen kalt lassen. Ohne Michael Jackson klängen Justin Timberlake und Rihanna, ja vermutlich sogar viele Rockbands, heute anders — oder es gäbe sie schlicht gar nicht.

Komisch, dass ich jetzt gerade seine Musik hören muss.