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Musik

Nah dran

Ich bin jetzt in einem Alter, in dem die meisten Menschen neue Musik nur noch über das Radio wahrnehmen. Beruf und Familie verhindern eine nähere Auseinandersetzung und man muss auch erkennen, dass das bei vielen Leuten eigentlich nie anders war: Die haben halt immer schon gehört, was in den Charts war oder was die Peer Group gehört hat — und das ist ja auch total okay, denn wenn sich alle Leute derart in Musik und Popkultur verlieren würden, käme ja niemand mehr zum Arbeiten und Kinder erziehen.

Obwohl ich mich bemühe, mit den allen aktuellen Veröffentlichungen mitzuhalten, höre ich dann doch meistens nur die neuen Alben der Künstler, die mich schon lange begleiten: Meine meistgehörten CDs im letzten Jahr waren die neuen von Weezer und Jimmy Eat World. Dieses Jahr habe ich mit Sampha und Stormzy immerhin schon zwei Debütalben gehört, aber aktuell auf hoher Rotation ist ein Künstler, der mich seit fast 15 Jahren begleitet: Andrew McMahon.

Andrew McMahon In The Wilderness - Zombies On Broadway (Albumcover)Ich habe schon angesichts des ersten Andrew-McMahon-In-The-Wilderness-Albums versucht, das besondere Verhältnis zu beschreiben, dass ich zu ihm und seiner Musik – zuvor in den Bands Something Corporate und Jack’s Mannequin – habe. Andrew McMahon könnte auch ein Album voller Weather-Channel-Jingles veröffentlichen und ich würde es rauf und runter hören — was ganz praktisch ist, denn “Zombies On Broadway” ist beinahe ein Album voller Weather-Channel-Jingles geworden.

Offenbar hat er viel mit seinen Kumpels von fun. rumgehangen, denn “Zombies” setzt noch mehr auf großen, großen Pop als die Veröffentlichungen davor: Keyboardflächen, Chöre, programmierte Beats, viele Pauken (aber wenige Trompeten). Ungefähr jeder der zehn Songs auf dem Album klingt, als wolle sich Andrew McMahon als ESC-Komponist bewerben — im Positiven, wie im Negativen. Nur wenig erinnert noch an Something-Corporate-Kracher wie “Only Ashes” oder “If You C Jordan” oder einen Jack’s-Mannequin-Song wie “The Mixed Tape” (gut: da hat auch Tommy Lee getrommelt) — außer natürlich Andys Stimme (die über die Jahre deutlich sicherer und voller geworden ist), die unwiderstehlichen Melodien und die sanfte Melancholie, die in jedem Song irgendwo durchscheint.

Der Sprechgesang des Openers “Brooklyn, You’re Killing Me” klopft bei Twenty One Pilots an, ohne deren Originalität und Vielseitigkeit zu erreichen. “Don’t Speak For Me”, dessen Intro gar an die schrecklichen Chainsmokers erinnert, war laut Andys Aussage ursprünglich für eine/n andere/n Künstler/In gedacht — und es ist angesichts des Sounds nicht ganz abwegig, dass das jemand wie Taylor Swift oder Selena Gomez hätten sein sollen (ohne jetzt irgendwas gegen die beiden sagen zu wollen). “Love And Great Buildings” klingt nicht nur im Intro wie Owl City, sondern verläuft sich auch genauso zwischen den Bildspendern seiner Metaphern: “Love and great buildings will survive / Strong hearts and concrete stay alive / Through the great depressions / Yeah, the best things are designed to stand the test of time”. Ja, schon klar: das kann man unglaublich cheesy, schrecklich und schlimm finden, aber ich mag’s — aber ich mochte ja auch “Fireflies”.

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Mein Highlight “So Close” ist ein großartiges Liebeslied, das in den Strophen noch am ehesten an die alten Band-Sachen erinnert, um im Refrain dann irgendwo zwischen “Happy” und “Can’t Stop The Feeling” herumzutanzen, und die Vorabsingle “Fire Escape” macht akustisch das große Fass der Chöre und Trommeln auf, das auf dem Album fast zum Überlaufen kommt.

Wie beim letzten Album gilt: Ich kann total verstehen, wenn man zu diesem Radiopop – der in den USA jetzt tatsächlich mal im Radio läuft – keinen Zugang findet und lieber zu Twenty One Pilots, Taylor Swift oder Owl City greift (die Chainsmokers bleiben natürlich indiskutabel). Und wenn man mit dem Alternative Rock von Something Corporate aufgewachsen ist, kostet es schon etwas Überwindung, diesen musikalischen Weg mitgehen zu wollen.

Andrew McMahon findet dazu wie immer die passenden Worte: “And these could be the best or darkest days / The lines we walk are paper thin / And we could pull this off or push away / Cause you and me have always been” — um dann ganz oft die Worte “so close” zu wiederholen.

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Leben

Wochenendspaß mit der WAZ (1)

Am Morgen (oder, genauer: Vormittag) nach der “1Live Krone” durchweht den Bochumer Hauptbahnhof immer ein entfernter Hauch von Jetset und Glamour: Musikindustriemitarbeiter, leicht zu erkennen an der Kombination “Jogginganzug/Louis-Vuitton-Weekender” und der Baseballkappe auf dem Kopf, warten auf ihre Züge, die sie zurück nach Hamburg, Berlin oder … äh, ja: nach Hamburg oder Berlin bringen.

Ich habe gestern kurz den Schluss der Veranstaltung im WDR Fernsehen gesehen und bekam das wohlige Gefühl, es mir gerade exakt in dem Lebensabschnitt bequem machen zu können, wo ich 90% der dort vertretenen Leute nicht mehr bzw. noch nicht kennen muss.

Das bringt aber auch gewisse Schwierigkeiten mit sich, wenn man sich über Verlauf und Ausgang der Veranstaltung bei WAZ.de (ehemals Der Westen) informieren will.

Oder können Sie mir sagen, wie viele Personen die folgende Aufzählung umfasst?

Mark Foster, Silbermond, die Katze, Daniela Katzenberger mit ihrem Mann, Felix Jaehn, die Rapper von Bonez MC & Raf Camora.

Meine Lieblingsstelle in dem Artikel, die bei mir wildestes Kopfkino ausgelöst hat, ist aber diese hier:

Nach dem Ende der Veranstaltung aber hat [Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD)] dann ein anderes Problem. Er müsste dringend auf die Toilette, die Halle füllt sich nur langsam.

Und wo wir einmal auf der “Bochum”-Seite von WAZ.de sind, möchte ich Ihnen noch zwei weitere aktuelle Highlights mit an die Hand geben: Diese Bildergalerie, die beweist, dass man im Ruhrgebiet wirklich zu feiern weiß (und zwar alles), und diesen Blaulichtmeldung über einen Mann, der mit 2,8 Promille im Blut einen Notarztwagen in Wattenscheid mit Butter beworfen hatte, weil ihn dessen Martinshorn störte.

So weit, so normal. Spektakulär wird die Meldung durch diesen Satz:

Spontan entriss der 46-Jährige seiner ebenfalls betrunkenen Begleiterin zwei Päckchen Butter, wie die Polizei berichtete.

Laut Pressemitteilung der Polizei Bochum waren es übrigens sogar “zwei zuvor gekaufte Pakete Butter und ein Kunststoffteil, das aus einer Baustellenabsperrung stammte”.

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Musik

The music that saves you

Bei den meisten wirklich guten Freundschaften kann man sich ja noch daran erinnern, wie man sich kennengelernt hat. Einen meiner besten und langjährigsten Freunde lernte ich am ersten Schultag auf dem Gymnasium kennen, als wir uns gegenseitig aufs Maul hauen wollten.

Die Musik von Andrew McMahon lernte ich im Sommer 2003 kennen, als das Debütalbum seiner Band Something Corporate in Deutschland erschien. Wie es damals so üblich war, besorgte ich mir ein paar Songs (“Hurricane” und “If You See Jordan”, wenn ich mich richtig erinnere) in sogenannten Tauschbörsen, hörte sie einige Male, packte sie auf Mixtapes und kaufte mir ein paar Monate später dann endlich auch “Leaving Through The Window”. Der erste Song, den ich (eher zufällig) hörte, nachdem meine Eltern mich im Studentenwohnheim abgesetzt und alleine auf den Heimweg gemacht hatten, war “The Astronaut”. Sowas prägt.

Ich wusste damals nicht, wie die Bandmitglieder von Something Corporate hießen, und habe auch nicht allzu sehr auf die Texte geachtet. Als das Zweitwerk “North” (wiederum mit einiger Verspätung) in Deutschland erschien, besorgte ich mir wieder ein paar Songs, dachte aber nicht weiter an die Band. Irgendwann las ich bei visions.de, dass der Sänger an Leukämie erkrankt sei, dachte “Puh” und vergaß auch das wieder.

“North” kaufte ich mir schließlich bei Rasputin Records, als ich im Herbst 2006 für drei Monate in San Francisco lebte. Gemeinsam mit einigen anderen Alben bildete das Album den Soundtrack meines Aufenthalts. Aber richtig los ging die Geschichte erst drei Jahre später.

Im Sommer 2009 stolperte ich bei WDR 2 (of all places) über einen Song mit viel Klavier, der mir sehr gefiel. Wie sich rausstellte, war es “The Resolution” von Jack’s Mannequin von denen ich wusste, dass es die Zweitband des Something-Corporate-Sängers war. Andrew McMahon. Im Sommer und Herbst 2009 habe ich “The Glass Passenger” quasi ununterbrochen gehört. Mein Leben war damals sehr im Umbruch und die Musik begleitete mich dabei. Ich hörte auch wieder die alten Something-Corporate-Alben und achtete diesmal auch auf die Texte — und es klingt doof und nach Selbsthilfegruppe, aber da sprach jemand zu mir. Andrew McMahon sang über Mädchen, die jede Nacht mit einem anderen Typen nach hause gingen und die er retten wollte; über betrunkene Mädchen, die er (also: das Lyrische Ich, so viel Literaturstudium muss sein) geküsst hatte, obwohl er es nicht hätte tun sollen; und darüber, den Kopf über Wasser zu halten und weiter zu schwimmen, bis man den Horizont erreicht. Und ich dachte: “Krass. Ja. Kenn ich.”

Andrew McMahon war gegen die schon erwähnte Leukämie angeschwommen, er sang “I’m alive/ I don’t need a witness / To know that I survived”. Mit der Geschichte im Hinterkopf (Lyrisches Ich am Arsch!) singt man ein bisschen vorsichtiger mit, weil man sich das Ausmaß gar nicht vorstellen kann. Man bekommt aber eine Ahnung davon in dem Film “Dear Jack”, in dem Andy (ich kenne seine Musik jetzt so lange, ich nenn’ ihn einfach mal so) seine Krankengeschichte dokumentiert. Ich habe mir das nur einmal ansehen können, aber es war sehr bewegend und – entschuldigen Sie das Ekelwort – inspirierend.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube, ich habe inzwischen alle Aufnahmen, an denen Andrew McMahon jemals beteiligt war. Er löste nach dem dritten Album auch Jack’s Mannequin auf und veröffentlichte dieser Tage ein neues Album, das wie sein neues Projekt heißt und damit fast wie er selbst: Andrew McMahon In The Wilderness.

Andrew McMahon (Pressefoto)

Nach den ersten Hörproben war ich skeptisch. “Cecilia And The Satellite” war eine durchaus schöne Hymne an die neugeborene Tochter, aber irgendwie klang das alles sehr poppig und damit meilenweit von zumindest Something Corporate weg. Aber das ist offensichtlich Absicht und konsequent zu Ende gedacht: “Driving Through A Dream” etwa könnte bis ins kleinste Detail der Produktion ein Song von Phil Collins sein. Als jemand, der mit Phil Collins aufgewachsen ist und seine Musik bis heute liebt, fühle ich mich dort sofort sehr zuhause.

Normalerweise ist man zwischen 15 und 20 Jahre alt, wenn man sich von Musik direkt angesprochen fühlt — ich habe kürzlich noch mal “Hinter all diesen Fenstern” von Tomte gehört und – hell, yeah! – ich weiß, wovon ich spreche. Dass ich mit 31 noch einmal ein Album auf Dauerschleife laufen lassen würde, hätte ich – gerade vor dem Hintergrund, dass ich im Moment eher wenig zum Musikhören komme – nicht gedacht. Und doch läuft “Andrew McMahon In The Wilderness” bei mir jetzt seit zweieinhalb Wochen rauf und runter. Ich kenne Andrew McMahon nicht persönlich und habe keine Ahnung, ob wir uns verstehen würden, wenn wir uns mal in einer Bar träfen, aber auf eine völlig bizarre Art, die ich sonst nur von ausgewählten deutschsprachigen Textern kenne, fühle ich mich ihm sehr verbunden — was auch damit zusammenhängen mag, dass er nur ein Jahr älter ist als ich und wir beide dieses Jahr zum ersten Mal Väter geworden sind (worauf er gleich in zwei Liedern – dem schon erwähnten “Cecilia And The Satellite” und dem etwas schwachen “See Her On The Weekend” – eingeht).

In fast jedem Song des Albums gibt es mindestens eine Zeile, die ich mir sofort tätowieren (oder zumindest rahmen) lassen würde:”Take all your troubles, put them to bed / Burn down the mission, the maps in your head” (“Canyon Moon”), “I’ve loved some girls that I barely knew / I’ve made some friends, and I’ve lost some too” (“Cecilia And The Satellite”), “You dance with your headphones on and I / Could watch you all night long / Dancing to someone else’s song” (“High Dive”), “There’s only two mistakes that I have made / It’s running from the people who could love me best / And trying to fix a world that I can’t change.” (“All Our Lives”), “Do you ever rewind to the summer you knew me?” (“Black And White Movies”), “No cash in the bank / No paid holidays / All we have is / Gas in the tank / And maps for the getaway” (“Maps For The Getaway”).

Das Gefühl von “Ich verstehe Dich” bzw. “Da ist jemand, der mich versteht” ist so stark, dass ich mich in weniger aufrichtigen Momenten fast selbst beruhigen möchte: Ist ja nur Musik. Nee, ist mehr.

Andrew McMahon In The Wilderness (Albumcover)In Zeitschriften und Blogartikeln werden wir bombardiert mit Generationsbeschreibungen, Labels und Ansprüchen, von denen wir uns gleichzeitig ganz schnell frei machen sollen. Unsere Frauen sollen Familie und Beruf nicht nur unter einen Hut kriegen, sondern das auch wollen — während sie dabei wie Hollywood-Stars und ganz natürlich ausschauen. Unsere Kinder sollen drei Fremdsprachen lernen, die verpassten Chancen von uns und unseren Eltern nachholen und sich dabei frei entfalten können. Und wir Männer sollen gleichzeitig einfühlsam, stark, sportlich und kreativ sein. Vor allem aber, immer wieder: “wir”, dieser lächerliche Fraternisierungsversuch von zehntausenden Ertrinkenden, die sich aneinander klammern. Mit Gefühlen, die irgendwelche Slam-Poetinnen in (geborgte) Worte fassen, woraufhin dann alle anderthalb Tage sehr emo sind, bis Jan Böhmermann eine Parodie darauf veröffentlicht und alle wieder total ironisch sein können.

Da höre ich lieber die Songs von Andrew McMahon.

Ich weiß nicht, wie Menschen dieses Album hören, die vorher gar nichts oder nur wenig von ihm kannten — als eher okayes Pop-Album, vermutlich. Wirklich überall sind Keyboardflächen, auf virtuoses Klavierspiel verzichtet Andy hier ebenso wie auf Gitarren. In einigen Texten verarbeitet er derart deutlich seine eigene Lebensgeschichte, dass ich den meisten Musikern raten würde: “Nimm Dich mal zurück, leg hier nicht alles offen, sei doch auch mal literarisch”. Bei manchen Leuten ertrage ich das nicht (mehr), bei Andrew McMahon aber fühle ich mich zuhause, auch wenn er über Dinge singt, die mit meinem Leben eher gar nichts zu tun haben.

In seinen Texten geht es – daran hat sich nicht viel geändert – um Weltraum, Wasser und Straßen, auf denen er unterwegs ist, also um Menschen in Isolation und in Bewegung. Das erste Jack’s-Mannequin-Album hieß ja nicht umsonst “Everything In Transit”. Bemerkenswert ist da eher, dass Marcus Wiebusch, der Sänger von kettcar, der dieses Jahr auch ein sehr, sehr tolles Soloalbum aufgenommen hat, in seinem Song “Springen” so eindeutig auf Jack’s Mannequins “Swim” Bezug nimmt, dass das eigentlich kein Zufall sein kann: “Halt den Kopf oben” singt er da (“Just keep your head above”) und benennt, wie Andy, einige Gründe, warum man weiterschwimmen sollte: “Schwimmen für die Songs, die noch geschrieben werden”. Zum Beispiel von Andrew McMahon.

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Musik Print

Baby guck mich an, ich bin ein Rockstar

Die gute Nachricht: Auch nach fünf Jahren intensiverer Beschäftigung mit den eher unschönen Seiten des Journalismus glaube ich offenbar immer noch an das Gute in der Branche.

Die schlechte Nachricht: Deswegen habe ich gestern Unfug geschrieben.

In meinem Cro-Konzertbericht hatte ich behauptet, dass wegen des Foto-Verbots für Presse-Fotografen in der Lokalpresse keine Konzertrezensionen erschienen sind. Das war blauäugig.

Die “Ruhr Nachrichten” beenden ihren Artikel mit einer kritischen enttäuschten Anmerkung zum Foto-Verbot:

Wenig nachvollziehbar war indes, dass das Management des Künstlers kurzfristig alle Fotografen vom Konzert ausgeschlossen hatte. Etwa drei Stunden vor der Show wurde mitgeteilt, dass keine Fotos von externen (Presse-)Fotografen angefertigt werden dürfen. Lediglich die vom Management freigegebenen Bilder durften im Nachgang der Show benutzt werden. Ob solche Extra-Würste tatsächlich von Nöten sind, darf bezweifelt werden. Immerhin profitiert auch der Künstler selbst von der Arbeit der Fotografen und der Presse vor Ort.

Dafür wurden während des Konzerts tausende Handyfotos gemacht und Videos gedreht, die schon wenig später im Internet kursierten. Konsequenterweise hätte Cros Management auch alle Handys einkassieren lassen müssen – so bleibt ein fader Beigeschmack. Auch wenn das Konzert richtig gut war.

Es braucht schon sehr wenig Selbstachtung, um eine Konzertkritik, die so schließt, dann mit zwei der vom Management freigegebenen Bilder zu bebildern. Da kann man einem bockigen Kleinkind, das statt Gemüse lieber Fast Food möchte, den Burger auch gleich auf dem Silbertablett servieren.

Diese Merkwürdigkeit verblasst allerdings völlig gegen das Fass, das die “WAZ” gleichzeitig aufgemacht und zum Überlaufen gebracht hat.

Im überregionalen Kulturteil gab Georg Howahl Cro einen “kleinen Fototipp für Pandarapper” mit auf den Weg:

Lieber Cro, wenn Du dich demnächst, an einem einsamen, kalten Winterabend mal wieder selbst auf den einschlägigen Netzkanälen suchst: Wäre es da nicht schön, wenn du zur Abwechslung auch mal ein gutes Bild oder Video von dir fändest? Denk mal drüber nach!

“Zur Abwechslung”, weil es auf YouTube “zwölf (!) krächzende, unscharfe Wackelvideos” von Cros Auftritt in Bochum zu sehen gebe, was allerdings bei genauer Betrachtung erstaunlich wenig mit der Frage zu tun hat, ob Fotografen Fotos (also: Standbilder ohne Ton) von dem Auftritt machen durften.

Auf der gleichen Seite erklärte der Bochumer Lokalredakteur Jürgen Stahl:

Die WAZ hat sich entschlossen, auf eine Kritik des Cro-Auftritts zu verzichten. Keine Fotos, keine Konzertbesprechung.

Eine klare, nachvollziehbare Ansage, die nur leicht davon konterkariert wird, dass die “WAZ” nicht einen, nicht zwei, sondern gleich drei Konzertbesprechungen veröffentlicht hat.

Eine erschien im Lokalteil von Hattingen, eine im Lokalteil von Witten und eine im Lokalteil von Bochum.

Letztere geschrieben von dem Jürgen Stahl, der erklärt hatte, die “WAZ” werde keine Kritik des Konzertes veröffentlichen. Seinen WAZ-Kollegen Ingo Otto (in Bochum berühmt für seine besondere Gabe, bei wirklich jedem Thema und Motiv noch eine blonde junge Frau im Bild zu platzieren) zitiert Stahl mit den Worten, einen kompletten Ausschluss wie bei Cro habe er noch nie erlebt.

Stahl erklärt, dass die Organisatoren keine Schuld treffe, dann wiederholt er seine Ankündigung:

Auf weitere Informationen aus dem Sparkassenzelt müssen die WAZ-Leser verzichten. Die Redaktion hat sich entschlossen, über das 75-minütige Cro-Gastspiel nicht zu berichten. Keine Fotoerlaubnis, keine Konzertbesprechung.

Dann referiert er aber doch noch, dass “sämtliche 4200 jungen Besucher die Hitzeschlacht unbeschadet überstanden” haben, dass “etliche Kinder und Jugendliche (90 Prozent weiblich) schon Stunden vor Konzertbeginn auf Einlass” gewartet hatten, “um sich die begehrten Plätze direkt vor der Bühne zu sichern”, der “größte Teenie-Aufmarsch der letzten Jahre in Bochum” ohne besondere Zwischenfälle verlaufen sei und dass angesichts der Temperaturen im Zelt das Mitbringen eigener Getränke erlaubt war.

Gut: Kein Wort über die Musik, aber Stahl hat es trotzdem geschafft, mit dem Konzert, über das er kein Wort verlieren wollte, eine halbe Seite zu füllen. Das musste er natürlich auch, denn der Platz war ja vermutlich fest eingeplant, außerdem war der Redakteur ja auch extra vor Ort gewesen.

Also onkelt Stahl auch noch in einem Kommentar:

Wir Medienmenschen machen im Umgang mit Prominenten immer wieder eine Erfahrung: Je größer der Name, desto unkomplizierter die Zusammenarbeit. Im Musikgeschäft ist es besonders auffällig. Beispiel Zeltfestival 2012: Während die Rock-Legenden von Status Quo sofort und gerne zu einem WAZ-Lesertreffen bereit waren, ließ Newcomer Cro eine entsprechende Anfrage unserer Zeitung lange unbeantwortet, um schließlich abzulehnen. Schade, aber bei weitem nicht so skandalös wie das Arbeitsverbot, dass der Jüngling kurzerhand offenbar willkürlich vor seinem Konzert “erließ”. Wer derart selbstherrlich mit Fans und Medien umgeht, wird alsbald wieder dort landen, wo er hergekommen ist: ganz unten.

Nun mögen Status Quo für Jürgen Stahl einen großen Namen haben, aber es geht ja um etwas ganz anderes als WAZ-Lesertreffen. Und beim Thema “exzentrische Wünsche bezüglich Konzertfotos” sind Künstler wie Linkin Park, Coldplay, Britney Spears, The Offspring, Tom Jones und Rammstein schon negativ aufgefallen. Große Namen, wahnsinnig komplizierte Zusammenarbeiten.

Auch ist Cro ja nicht “selbstherrlich mit Fans und Medien” umgegangen, sondern “nur” mit Medien. Dass die das nicht gut finden, ist klar und verständlich, aber es ist ja auch nicht der Untergang des Abendlandes oder der Pressefreiheit, nicht über ein Konzert berichten zu können. Denn was ist ein Konzert? Menschen bezahlen Geld dafür, damit sie anderen Menschen beim Musizieren zusehen können. Ob Dritte, die kein Geld bezahlt haben, hinterher drüber schreiben, ist da erst mal ziemlich zweitrangig.

Klar: Ohne Medien wäre kaum ein Popstar da, wo er heute ist. (Wobei: Wie viele Hörer mag Cro der “WAZ” und den “Ruhr Nachrichten” verdanken?) Wenn man sich dann aber den mühsam gefüllten Platz in der Zeitung und Jürgen Stahls billiges “ganz unten”-Gerumpel anschaut, stellt sich schon die Frage, wer hier eigentlich wen dringender braucht.

Die Antwort weiß Ed Sheeran, der passenderweise nächsten Dienstag beim Zeltfestival Ruhr spielt. Schauen wir mal, ob mit Fotografen und Lokalredakteuren oder ohne.

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Musik

Wir waren hier

Wir sind alt, sehr alt. Die vielen jungen, meist weiblichen Menschen um uns herum könnten unsere Kinder sein — zumindest, wenn wir damals so früh geschlechtsreif gewesen wären wie sie offensichtlich heute. Trotzdem bietet uns niemand einen Sitzplatz an, so dass wir auf der 24-minütigen Fahrt mit dem Shuttlebus stehen müssen. Wenigstens ist der klimatisiert.

Am Ziel (“Freizeitbad Heveney”) herrscht eine Stimmung wie auf einem Schulausflug zum One-Direction-Konzert. Morgen ist der letzte Ferientag und heute war es den ganzen Tag so heiß, dass Mama und Papa nichts sagen können, wenn ihre Töchter wenig mehr anhaben als beim Ausflug ins Freibad. Das hier ist aber Konzert, genauer: Festival.

Ich fühle mich schon wieder so alt, wenn ich denke, dass ich keinen Bock mehr auf Zeltplätze voller Skinny Jeans, Wasserpfeifen und Akustikgitarren habe, aber es ist doch wahr: Konzerte besuchen und anschließend im eigenen Bett schlafen und am nächsten Morgen duschen können, das hat eine gewisse Lebensqualität, auch wenn Punk natürlich anders geht.

Hier, beim Zeltfestival Ruhr, soll Punk aber auch gar nicht gehen, sondern Rap. Oder präziser: Raop. Selbsternannter König dieses Subgenres ((vgl. Wendler, Michael: Der König des Popschlagers.)) ist Cro und wenn Sie noch nie von dem Mann mit der Pandamaske gehört haben, waren Sie vermutlich blinder Passagier auf dem Marsroboter Curiosity. Mit “Easy” hatte der junge Mann das Kunststück fertiggebracht, einen Song erst als Teil eines Mixtapes zu verschenken und anschließend bei kommerzieller Veröffentlichung mit dem Lied trotzdem auf Platz 2 der Charts zu gehen. Sein Album “Raop” ging direkt auf 1, blieb dort zunächst vier Wochen, musste dann für eine Woche den Amigos den Vortritt lassen, wird aber am Freitag wieder auf die Spitzenposition gehen. Einen größeren Popstar gibt es zur Zeit in Deutschland nicht.

Das zeigt sich auch daran, dass am Nachmittag die Ansage an die Pressevertreter ergeht, dass beim Auftritt keine Fotografen zugelassen sind. In der Lokalpresse werden entsprechend keine Konzertrezensionen erscheinen.* Es ist ja durchaus noch verständlich, wenn ein (angeblich) 19-Jähriger öffentlich nur mit Maske auftreten und abgebildet werden will, aber bei Fotoverboten auf Konzerten wird’s dann doch peinlich. Zumal die mehr als 4.000 Teenager im Zelt natürlich fotografieren und filmen, was das iPhone hergibt.

Erst mal aber kreischen sie. Als das Licht ausgeht, als der Beat losgeht, als Cro auf die Bühne kommt. Waren wir auch mal so? Bestimmt. Die Zeit, wo man sich wochenlang auf Konzerte freut, Tage vorher nur die Musik des auftretenden Künstlers hört, alle Texte auswendig kann und sich aufbrezelt wie später nur noch für Abiball und Hochzeit, ist kurz und kostbar. Wenn man im fortgeschrittenen Alter nicht gerade in ein Paralleluniversum wie den Eurovision Song Contest stolpert, ist es mit dem Fandom irgendwann einfach vorbei.

Hier steht es hingegen in voller Blüte: Das größte Zelt ist ausverkauft, was man nicht ahnen würde, wenn man weiter hinten steht. Die ganze Masse der Besucher ist auf zwei Drittel der Fläche komprimiert. Arme sind in der Luft, die Lyrics parat und die Leute begeistert. Ein paar Meter hinter der Meute stehen wir, noch ein paar Meter dahinter: Eltern. Wir sind doch nicht die Ältesten!

Cro live in Bochum

Die Stimmung ist hehr, die Samples sind clever zusammengesucht (Bloc Party, Caesars, Kilians), kein Track dauert länger als drei Minuten. Wenn man vorher noch keinen Song von Cro gehört hat, kann man das hier nicht verstehen: Die Texte nicht und den Ausnahmezustand der Menschen nicht. Letzteres erklärt sich aber vor allem durch Erstere, denn Cros Texte lohnen tatsächlich die nähere Betrachtung. Wäre ich noch zwanzig Jahre älter, würde ich schreiben, da habe jemand den Nerv einer Generation getroffen, sei zu deren Stimme geworden. Vielleicht fehlt einem irgendwann der Zugang zu Zeilen wie “Wir schicken SMS, denn wir haben kein’ Bock zu reden / Und kein Plan, was du ernsthaft brauchst / Komm drück auf Like, sie gefällt dir doch auch”, aber irgendwo zwischen 12 und 30 kann das noch verdammt bedeutsam sein.

Nach 45 Minuten ist erst mal Schluss, dann kommt der fast halbstündige Zugabenblock inkl. “Easy”. Die Hütte brennt, Herr Cro muss kaum noch was machen, das Publikum rappt selbst. Wir auch. Wenn alt sein so weitergeht, kann ich damit leben.

*) Nachtrag, 22. August: Oder eben doch. “Ruhr Nachrichten” halt.

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Rundfunk Digital Musik

Not for sale

Am Sonntagabend schaute ich mir das auf DVD an, von dem ich annahm, dass es die letzte Folge “Skins” sein würde: Die zehnte Folge der sechsten Staffel, die dritte Generation der Hauptcharaktere ist durch. Es war, nach einer schwer enttäuschenden fünften, eine erstaunlich gute Staffel, die Zeitanzeige näherte sich der 45-Minuten-Marke und dann lief zur großen Abschlussmontage ein Lied, das ich auf Anhieb liebte.

Ich habe noch nicht viele Serien komplett durchgeguckt, aber ich erinnere mich noch gut an das Finale von “Scrubs” ((Also das eigentliche Finale von “Scrubs”, nicht die Unzumutbarkeiten der neuen Folgen.)) und wie ich danach tagelang nur “The Book Of Love” von Peter Gabriel hören konnte.

Wie auch bei “Scrubs” wird es bei “Skins” noch weitergehen: Eine finale Staffel, in der die Charaktere aus allen drei Generationen auftauchen werden, wird im kommenden Jahr laufen, was ich aber erst hinterher gelesen habe. Und wie auch bei “Scrubs” hatte ich anschließend das Problem, dass ich diesen großen, bedeutenden, magischen Song nicht kaufen konnte.

“Don’t Go” der erst 19-jährigen Singer/Songwriterin Rae Morris ist bei Warner Music UK erschienen und bisher nur im britischen iTunes-Store und bei amazon.co.uk zu kaufen — das macht es mir als deutschem Hörer quasi unmöglich, ((Ja, ich weiß: Es gibt Tricks und natürlich hätte ich mir bei meinem letzten Besuch im Vereinigten Königreich einfach mal einen britischen iTunes-Gutschein kaufen können …)) diesen Song legal zu erwerben.

Dabei wäre ich durchaus bereit, mehr als die 99 bzw. 89 Pence dafür zu bezahlen, ich würde glatt zehn Pfund dafür hinblättern, dieses Lied endlich auf meiner Festplatte zu haben. Aber es geht nicht. Und so bekommt die junge Frau, die dieses für mich so bedeutende Lied geschrieben hat, jetzt eben kein Geld von mir — oder nur die paar Centbruchstücke, die es abwirft, dass ich den Song seit zwei Tagen gefühlte hundert Male auf ihrer Soundcloud-Seite gehört habe.

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Dieser Eintrag ist womöglich ein Beitrag zur Urheberrechtsdebatte.

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Musik

Something To Arrive

Wir schalten kurz nach Oberlohberg, wo unser Außenreporter Simon den Hartog ein paar Breaking News zu verkünden hat:

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Eine neue Website gibt es auch — und wenn es nach dem Logo geht, wird die neue Platte wohl ein Konzeptalbum über Michael Knight und sein Auto:

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Musik

Ich sang die ganze Zeit von Dir

Im Frühjahr 2001 waren Ash groß. “Shining Light” lief auf Viva 2 rauf und runter und die Band spielte bei der guten alten Osterrocknacht in der Düsseldorfer Philipshalle. Alan Bangs fragte Sänger Tim Wheeler damals, ob er eigentlich noch mit der Frau zusammen sei, über die er das Lied geschrieben habe, und Wheeler antwortete: Ja, das sei ja auch sonst komisch, den Song jeden Abend spielen zu müssen. Inzwischen ist Tim Wheeler mit Emmy The Great zusammen, die beiden veröffentlichen in Kürze ein gemeinsames Weihnachtsalbum. “Shining Light” spielen Ash aber immer noch.

Man darf in der Musik wie in der Literatur das Lyrische Ich nie mit dem Verfasser verwechseln. Johnny Cash hat (nach allem, was wir wissen) nie einen Mann in Reno erschossen, nur um ihn sterben zu sehen. Und doch erwartet man besonders bei Liebesliedern oft einen Zusammenhang zwischen Werk und Realität — zumal, wenn der performende Künstler sie selbst geschrieben hat.

Andererseits wird es natürlich auch schnell uninteressant, für wen ein Liebeslied gedacht war, weil alle den Song auf ihren jeweils aktuellen Schwarm oder Partner projizieren. Und irgendwo in der Welt sitzt dann eine alleinerziehende Mutter, die damit leben muss, dass ihr früherer Lebensgefährte immer noch ein Heidengeld damit macht, sie zu besingen, obwohl er sie schon nach drei Monaten betrogen hat, und für hunderttausende Pärchen ist ihr Lied (also das der Frau) jetzt “ihr Lied” (also das der Pärchen).

In Nick Hornbys “High Fidelity” erklärt der Ich-Erzähler Rob Flemming:

All my life I have wanted to go to bed with — no, have a relationship with — a musician: I’d want her to write songs at home, and ask me what I thought of them, and maybe include one of our private jokes in the lyrics, and thank me in the sleeve notes, maybe even include a picture of me on the inside cover, in the background somewhere, and I could watch her play live from the back, in the wings (although I’d look a bit of a berk at the Lauder, where there are no wings: I’d be standing on my own, in full view of everybody).

Die Idee ist vermutlich nur so lange romantisch, wie die Beziehung noch intakt ist.

Auf seinem letzten Album erzählt Ben Folds in “Belinda” die Geschichte eines alternden Musikers, der jeden Abend seinen einzigen Hit spielen muss, den er vor Jahren für seine Ehefrau geschrieben hatte, bevor er sie für eine jüngere Frau (“big breasts / a nice smile / and no kids either”) verließ. Der Text zu “Belinda” stammt aus der Feder von Nick Hornby und lange dachte ich, dass er damit auf eine verquere Art Folds’ persönlichsten Text geschrieben hätte.

Denn auch Folds spielt bei Konzerten immer noch “The Luckiest”. Als dieses zauberhafte Liebeslied vor zehn Jahren auf “Rockin’ The Suburbs” erschien, musste man annehmen (“I don’t get many things right the first time”), dass er das Lied für seine dritte Frau und die Mutter seiner Zwillinge (“my collaborator, partner and wife”, wie er sie im Booklet bezeichnet) geschrieben hatte. Im Jahr 2006 ließen sich die beiden scheiden.

In den Liner Notes zu seinem Retrospektive-Album “The Best Imitation Of Myself” (auf dem auch drei neue Ben-Folds-Five-Songs sind, die ich hier sträflicherweise noch gar nicht gewürdigt habe) erklärt Folds nun, das Lied extra für einen Film geschrieben zu haben, in dem es dann doch keine Verwendung fand.

Folds schreibt:

Anyway, I didn’t understand completely what I was writing abaout until years later when I met my Fleur [seine vierte Ehefrau].

Es erscheint auf den ersten Blick recht unglaubwürdig, dass ausgerechnet so ein großartiger Lovesong “einfach so” entstanden sein sollte. Andererseits ist das ja genau die Magie von Pop und womöglich sind “I’ll Catch You” (The Get Up Kids), “The Book Of Love” (The Magnetic Fields) oder “Balu” (kettcar) in Wahrheit auch für niemand speziellen geschrieben. Dafür sind dann die Menschen echt, die sich in “Song For The Dumped” (Ben Folds Five) oder “Not Fair” (Lilly Allen) ihre menschlichen bzw. sexuellen Unzulänglichkeiten vorwerfen lassen müssen.

Jedenfalls hat Ben Folds die Geschichte mit dem Film auch den Leuten vom “A.V. Club” noch einmal erzählt, die ihn in seinem Studio in Nashville, TN besucht haben. Den Song gespielt hat er bei der Gelegenheit auch:

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Ben Folds discusses and performs “The Luckiest”

“The Luckiest” funktioniert übrigens auch sehr schön als Sample in Novels “I Am” und Ben Folds Five planen, gemeinsam ein neues Album aufzunehmen.

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Musik Digital

Von der GEMA entstellt

Weil wir gerade überlegen, wie wir inhaltlich wieder mehr Musik in dieses Blog kriegen, ohne Monate nach einer Veröffentlichung hilflose Kurzrezensionen in die Tasten zu hauen (bzw. wieder das Wichtigste zu vergessen), habe ich mich mal über die Podcast-Konditionen bei der GEMA informiert.

Die Lizenz sieht unter anderem vor, dass einzelne Episoden des Podcasts nicht länger als 30 Minuten sein dürfen und die Musik pro Podcast nicht mehr als 75% der Gesamtlänge der einzelnen Episode einnehmen darf.

Außerdem gilt:

Als Song wird jedes verwendete Musikwerk gezählt, das weder Intro noch Outro ist. Dabei darf jedes Lied nur zur Hälfte ausgespielt werden, und es muss am Anfang und am Ende in das laufende Lied hineinmoderiert werden (sog. “talk over”).

Das ist lustig, weil die GEMA gleichzeitig auf folgenden Sachverhalt hinweist:

Nicht umfasst ist zudem das Urheberpersönlichkeitsrecht (§ 14 UrhG). Es muss unabhängig von einer Podcasting-Lizenz beachtet werden. Das bedeutet, dass die genutzten Musikwerke ohne gesonderte Einwilligung der Berechtigten nicht bearbeitet bzw. umgestaltet werden dürfen (§ 23 UrhG). Eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechtes kann insbesondere vorliegen bei Entstellung eines Musikwerkes, eine unerlaubte Bearbeitung kann vorliegen bei Neutextierung oder sonstigen Veränderung eines Musikwerkes.

Was, bitte, soll ein halber und zugequatschter Song sein, wenn keine “Entstellung”?!

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Musik Unterwegs

Tag 5: Düsseldorf

Dieser Eintrag ist Teil 6 von bisher 9 in der Serie Das Simon den Hartblog

Mittwoch, 7. April 2010

Heimspiel

Wir sitzen im sonnigen Biergarten und unser Tourmanager runzelt die Stirn, man sieht Zahnräder in seinem Kopf mahlen und er starrt auf den Bildschirm seines Laptops, als wäre es das Aufgabenblatt einer Mathe-Klassenarbeit. Der Grund: Die Gästeliste ist zu lang. Kein Wunder, denn heute ist Heimspiel. Keiner von uns wohnt in Düsseldorf, doch Düsseldorf ist diejenige Stadt dieser Tour, die unseren Heimatstädten am nächsten liegt. Deshalb wird es auch nicht lange dauern, bis es hier von Freunden von uns und Bandkumpanen anderer Musikformationen Simon den Hartogs wimmelt. Da wirkt die Band direkt viel nervöser, denn heute gilt es zu glänzen, sonst muß man sich die nächsten fünf Jahre auf jeder dritten Party den Schwank über das legendäre Düsseldorfer Konzert anhören, über von der Bühne fallende Sänger, vom Hocker fallende Schlagzeuger, aus der Rolle fallenden Bassisten, Tastenheinis und Gitarristen. Die waren wieder mal alle zu besoffen, heißt es dann wieder, und meistens stimmt das ja auch. Aber besoffen oder nüchtern, gestern wurde geglänzt, keiner fiel von irgendwas oder gar aus der Rolle.

Sonnige Band im sonnigen Düsseldorf.
Sonnige Band im sonnigen Düsseldorf.

Schön, wenn man seinen Liebsten mal zeigen kann, was man den Rest der Woche über eigentlich so treibt.
Deshalb ist das Heimspiel für den Soundmann auch etwas ganz besonderes. In der Heimat wird der Soundmann nämlich auch von hübschen Mädels umringt, als wäre er der Sänger und das Mischpult seine Bühne.

So kam es dann auch, dass ich angeschwipste Mädchen mit 300 PS zurück nach Köln kutschieren durfte. Böse Zungen behaupten, ich wäre der passivste Autofahrer der Welt und wahrscheinlich haben sie recht. Anders kann ich mir die “drück drauf“- und “gib doch mal Gas”-Sprüche meiner Hochgeschwindigkeitsbeifahrerinnen nicht erklären.

Natürlich hab ich mal wieder den größten aller Tourfehler begangen: Beim Verlassen der Wohnung das Bett abgezogen, aber nicht frisch bezogen. Natürlich ist das letzte was man nach fünf anstregenden Tour-Tagen machen möchte, sein Bett beziehen. Dann ist stundenlanges Rumgammeln vorprogrammiert, bis die Müdigkeit die Faulheit besiegt.

Auch wenn morgen der Beginn der Rückrunde besonders hart wird, da ich mein geliebtes Bett, meine Kaffeemaschine und meine Badewanne nach diesem kurzen Intermezzo wieder zurücklassen muss, freue ich mich sehr auf die restlichen drei Shows. Zunächst geht es nach Osnabrück in die kleine Freiheit. Übrigens für den Schlagzeuger Christoph das nächste Heimspiel, der war hier nämlich aufm Gymmi…

Der Soundmann. Nicht im Bild: Hübsche Mädchen.
Der Soundmann. Nicht im Bild: Hübsche Mädchen.
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Musik Unterwegs

Tag 3: Wiesbaden

Dieser Eintrag ist Teil 4 von bisher 9 in der Serie Das Simon den Hartblog

Montag, 5. April 2010

Täglich grüßt das Murmeltier

Routine, Routine, die böse Tourroutine klopft kräftig an unsere übermüdeten Köpfe. Die kann sich aber nur einstellen, wenn alles wirklich gut läuft, und das tut es. Deshalb möchte ich hier auch gar nicht meckern, aber auf Tour gleichen sich die Abläufe der Tage wie ein Ei dem anderen.
Leider bekommen wir von den Städten selbst nicht viel mit, sehen meist nur die Clubs und deren Nachbarschaft.
Die Australier von An Horse scheinen überrascht zu sein, wie sehr wir Deutschen uns um Essen bemühen. Bei ihrem Konzert erwähnt Sängerin Kate, sie habe das Gefühl, noch nie so viel gegessen zu haben wie in den letzten drei Tagen. Vielleicht liegt das an den für australische Mägen eher ungewohnten Käsespätzle, die uns in Erlangen bereitet wurden.
Aber recht hat sie, gegessen wird viel und gut, da werden wir gegen Ende der Tour die Gürtel wohl ein bisschen weiter machen müssen.

Simons Blick ins Wiesbadener Publikum.
Simons Blick ins Wiesbadener Publikum.

Ich habe heute zum Abendessen einen Sommersalat mit Feigen bestellt.
Ich finde: Feigen klingt irgendwie gut, ein bisschen exotisch. Unter den neidischen Blicken der anderen bekomme ich dann aber statt Feigen Erdbeeren. Zum Glück die Krone jeglichen mir bekannten Obstes, im
Salat allerdings völlig fehl am Platz und nicht mal halb so exotisch wie Feigen. Um den exotischen Touch des Salates zu erhalten, hat man mir netterweise noch zwei Hände voll Rosinen in den Salat gehauen…

Es gibt einen Song von Simon den Hartog und Band, über den wir in den letzten Tagen viel gewundert haben. Den “Cowboy-Song”.
Erstaunlicherweise hat er nämlich keinen guten Stand bei den Eltern der Musiker. Christians Eltern hörten ihn in Stuttgart und fanden ihn grässlich, Dominics Eltern in Erlangen waren auch nicht gerade
begeistert. Dabei gefällt er uns und dem restlichen Publikum sehr gut und er sticht gar nicht so sehr aus dem restlichen Set heraus. Dass gerade dieser Song ja geradezu elternverhasst ist, leuchtet uns in
keiner Weise ein.

Findet es selbst heraus und kommt bei Simon den Hartog und Band vorbei, zum Beispiel heute im KFZ in Marburg.

Alles, was das Fan-Herz begehrt...
Alles, was das Fan-Herz begehrt...
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Musik Unterwegs

Tag 0: Köln

Dieser Eintrag ist Teil 1 von bisher 9 in der Serie Das Simon den Hartblog

Freitag, 2. April 2010

Wir könnten Freunde werden

Seit den Tocotronic Tourtagebüchern fängt wahrscheinlich jedes dritte Tourblog mit diesem Satz an. Dieses hier dann also auch, dabei sind die Band und ich eigentlich schon Freunde, oder zumindest dicke Kumpels – praktisch für mich und mein quasi nicht vorhandenes Namensgedächtnis, denn als ich das erste Mal mit den Kilianern unterwegs war, habe ich irgendwie gedacht, einer von ihnen würde Norbert heißen. Das fiel beim Soundcheck natürlich eher unangenehm auf. Mittlerweile weiß ich, dass Norbert in Wahrheit Dominic heißt, bei den Kilians Gitarre spielt und nun Bass bei “Simon den Hartog und Band”. Ich werde ihn morgen beim Soundcheck natürlich trotzdem Norbert nennen.

Heute schlafen wir das letzte Mal im eigenen Bettchen, bevor morgen früh das Abenteuer “Simon den Hartog und Band“ startet. Ich hab eher das Gefühl, ich würde morgen früh in den Urlaub fahren als auf Deutschlandtour zu gehen. Abenteuer, oder besser noch Abenteuerurlaub, trifft es tatsächlich ziemlich gut.

Das große Abenteuer ist, dass hier gerade etwas Neues passiert und entsteht, schließlich hat diese Band noch nie ein Konzert gegeben und die meisten Songs, die sie spielen, hat vorher noch nie jemand gehört. Auf Simons MySpace-Seite gibt es drei Titel zu hören, ansonsten lasse auch ich mich überraschen.

Denn das ist das wirklich besondere an dieser Tour: Es geht nicht um Promo für Chartplazierungen, Plattenverkaufszahlen, Plattenfirmen, A&R-Manager, oder die große Kohle. Eine Platte gibt es nämlich überhaupt noch nicht und Geld verdienen wird wohl keiner so wirklich, schon gar nicht Simon. Aber das scheint keinem wirklich wichtig zu sein.

Diesmal geht es nur darum, unterwegs zu sein und Livemusik in die Musikclubs Eures Vertrauens zu bringen. Erstaunlich, aber gerade deshalb scheinen alle ein bisschen aufgeregter als sonst zu sein.

Ich habe mich von vielen so verabschiedet, als wäre ich die nächsten zwei Jahre aus der Welt, dabei werden wir nur 8 Tage unterwegs sein …

Heute Abend also in Stuttgart im Keller: Das erste Konzert von Simon den Hartog und Band!

Schlagzeuger Christoph, Sänger Simon, Tourmanager Christian.
Schlagzeuger Christoph, Sänger Simon, Tourmanager Christian am Tag vor der Abreise.