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Familie Leben

Another Decade Under The Influence: 2014

Dieser Eintrag ist Teil 5 von bisher 10 in der Serie Another Decade Under The Influence

2014. Das wird unser Jahr! Mit den Nachtfreunden in Berlin. Die erste Folge „Lucky & Fred“. Eine quälend lange Wohnungssuche, eine Renovierung und ein Umzug. Die letzten guten Tage: zu zweit mit Hund in Hamburg. Eigentlich hab ich keinen Stress, Herr Doktor. Are we out of the woods? / Are we in the clear yet? Eine abgesagte Hochzeit. Ein neuer Job, mitten in der Nacht. Der ESC in Kopenhagen, 10 Jahre BILDblog. Noch mehr neue Jobs in Köln. Kinderzimmer einrichten, Babyklamotten kaufen, Babyparty schmeißen. I’ve made some friends / And I’ve lost some, too. Holland wird WM-Dritter. Eine schwere Geburt. Hallo, ich bin Dein Papa! Die Diamant-Hochzeit meiner Großeltern — ob ich 60 Jahre je schaffe? Der erste Spaziergang, das erste Bad. Was genau muss ich tun?! Alles, was ich je wollte: Mama, Papa, Kind & Hund. Immer wieder Diskussionen und Streits. Wer ist dieses Skelett im Spiegel? Das erste Mal Babyschwimmen. Halt den Kopf oben. Eine Taufe am 1. Advent. Zu Besuch bei Harry Potter. Okay, lass uns sagen, das war’s. Statt 200 Abende in der Kneipe vielleicht zehn außer Haus. Das erste Weihnachten als Familie, trotz allem. Write it, write it, write it down / I will read it when the days don’t look so bad.

Ein Jahr wie ein Autounfall in Zeitlupe: überhöhte Geschwindigkeit, Hindernisse auf der Fahrbahn, schlechte Witterungsbedingungen und meine Hände nicht am Steuer. Das hatten wir uns alles anders vorgestellt. Heute weiß ich: Es gibt Situationen, die kann man nicht alleine schaffen. Es ist nie falsch, sich Hilfe zu holen. Irgendwann reicht es nicht mehr zu hoffen, dass alles gut ausgeht. Mittenrein in diese implodierende Liebe wird unser Kind geboren. Und als an dem Tag die Sonne untergeht, ist alles für immer anders. Besser, trotz allem.

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Musik

Im Blick zurück entstehen die Dinge

Es kommt selten genug vor, aber manchmal, da hört man einen Song zum allerersten Mal und weiß schon nach drei Tönen, dass man ihn lieben wird. “House In The Trees” ist so ein Song. Gut, dass könnte daran liegen, dass das Intro ein bisschen an “Sky High” von Ben Folds Five bzw. Hotel Lights erinnert. Oder daran, dass der Refrain vage Erinnerungen an “Razor Boy” (Steely Dan) und “Follow The Light” (Travis) wachruft. Oder einfach daran, dass der Song von Andrew McMahon, einem meiner absoluten Lieblingsmusiker stammt.

Andererseits war “Zombies On Broadway”, sein letztes Album, bei aller Liebe nur so mittel zu ertragen gewesen: zu poppig, zu gradlinig, zu cheesy, zu seelenlos. “Then we went off in different directions / Kept in touch but it never was the same”, singt Andrew jetzt in eben jenem “House In The Trees” über Freundschaften, die den Lauf der Zeiten nicht so gut überstanden haben, und ist damit plötzlich wieder ganz nah dran an meinem Herzen.

Mit The-War-On-Drugs-mäßigen Gitarren schraubt sich der Song seinem jingle jangle Refrain entgegen und da saß ich dann beim Erstkontakt in der nächtlichen S-Bahn und wollte sofort Bengalos anzünden:

When the last of your friends have gone
You learn a whole lot about hanging on and on
But if you crash and nobody sees
Just remember there will always be
A room for you in my house in the trees

Andrew McMahon In The Wilderness - Upside Down Flowers (Albumcover)Das ist zugegebenermaßen nah dran an jener Erbauungslyrik, mit der man von deutschsprachigen Neo-Schlager-Sängern in den letzten Jahren zugeschissen wird. Und dann singt er auch noch ständig von früher, und versprüht dabei diese Damals-mit-dem-Bier-an-der-Bushaltestelle-Nostalgie jener Popmusikanten um die 30, die sich am besten in der Band der Heimatvertrieben zusammentun sollten. Nur: Andy darf das. Er, 36, macht das mit der Musik jetzt sein halbes Leben lang, er hat mit Anfang Zwanzig eine Leukämie-Erkrankung überlebt, und er hat mit seinen Bands Something Corporate und Jack’s Mannequin so viele großartige Songs geschaffen, dass, wenn ich mir nur die wichtigsten Liedzeilen tätowieren ließe, meine gesamte Haut aufgebraucht wäre.

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Eröffnet wird “Upside Down Flowers” (der Albumtitel ist mutmaßlich eine Verneigung vor den Hängenden Gärten von Ehrenfeld — oder so) mit “Teenage Rockstars”, der offiziellen Band-Autobiographie unter all den autobiographischen Songs des Albums. Andy singt über seine Zeit mit Something Corporate, er könnte aber vermutlich auch über ungefähr jede andere junge Band singen:

We signed a deal and made some records
Sold out shows and married young
The money came, we started fighting
We partied hard and had our fun
We blew off deadlines
And forgot to call our friends

Das ist, wenn ich mich richtig erinnere, ziemlich genau die Quintessenz dessen, was Bob Geldof in der Toten-Hosen-Dokumentation “Nichts als die Wahrheit” über die grundsätzlichen Probleme erzählt, die man als Band so hat. Damit ein Album zu eröffnen ist zumindest entwaffnend ehrlich. Und so geht es auch weiter: alles sehr persönlich, alles sehr autobiographisch. Das muss man als Hörer*in erst mal aushalten wollen.

Beim Sequencing, also der Festlegung der Songreihenfolge für ein Album, passiert es eher selten, dass in der Mitte ein Block mit den besten Songs hervorragt, aber genau so ist es hier mit den Tracks 4 bis 8:

“Monday Flowers” dürfte der erste Andrew-McMahon-Song überhaupt sein, der ohne Lyrisches Ich auskommt: Er erzählt die Geschichte einer Frau, die von einer unglücklichen Liebschaft in die nächste stolpert, während sich musikalisch eine weiche Souldecke ausbreitet, auf der “Bill Withers, mit den Mitteln weißer Punkrock-Kids nachempfunden” eingestickt ist.

In “Paper Rain” träumt ein Pechvogel vom Geldregen, “This Wild Ride” ist ein Trost-Walzer, den man gerne mit so vielen Menschen teilen würde (“Sleep tight / There are dreams you have not dreamed / Doors to worlds unopened”) und in “Goodnight, Rock And Roll” verneigt sich Andy vor den eigenen musikalischen Helden, die bereits gegangen sind: “If you find life on Mars, you’ve got to let us know”.

Und dann eben “House In The Trees”.

Das heißt nicht, dass der Rest Füllware wäre. Im Gegenteil: “Upside Down Flowers” ist viel, viel besser, als ich befürchtet hatte. Es ist mindestens so gut wie das selbstbetitelte erste Album als Andrew McMahon In The Wilderness. Auch wenn ich mir mehr als einmal gewünscht hätte, die Musiker und der Produzent Butch Walker (Panic! At The Disco, Fall Out Boy, Pete Yorn, Weezer, Avril Lavigne, Frank Turner, …) hätten mal die Handbremsen gelöst und einen Song auch richtig rocken lassen. Aber gut: Wenigstens klingt es nicht mehr nach den Chainsmokers.

Der November, die Adventszeit und die Zeit “zwischen den Jahren” sind wunderbare Zeitpunkte für Bestandsaufnahmen: Was ist passiert, in diesem Jahr und in meinem Leben? Wofür sollte ich dankbar sein? Genau in dieser Stimmung ist “Upside Down Flowers” gehalten und genau diese Stimmung löst es in mir aus. Manchmal lohnt es sich eben, in Kontakt zu bleiben.

Andrew McMahon In The Wilderness – Upside Down Flowers
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Musik

The music that saves you

Bei den meisten wirklich guten Freundschaften kann man sich ja noch daran erinnern, wie man sich kennengelernt hat. Einen meiner besten und langjährigsten Freunde lernte ich am ersten Schultag auf dem Gymnasium kennen, als wir uns gegenseitig aufs Maul hauen wollten.

Die Musik von Andrew McMahon lernte ich im Sommer 2003 kennen, als das Debütalbum seiner Band Something Corporate in Deutschland erschien. Wie es damals so üblich war, besorgte ich mir ein paar Songs (“Hurricane” und “If You See Jordan”, wenn ich mich richtig erinnere) in sogenannten Tauschbörsen, hörte sie einige Male, packte sie auf Mixtapes und kaufte mir ein paar Monate später dann endlich auch “Leaving Through The Window”. Der erste Song, den ich (eher zufällig) hörte, nachdem meine Eltern mich im Studentenwohnheim abgesetzt und alleine auf den Heimweg gemacht hatten, war “The Astronaut”. Sowas prägt.

Ich wusste damals nicht, wie die Bandmitglieder von Something Corporate hießen, und habe auch nicht allzu sehr auf die Texte geachtet. Als das Zweitwerk “North” (wiederum mit einiger Verspätung) in Deutschland erschien, besorgte ich mir wieder ein paar Songs, dachte aber nicht weiter an die Band. Irgendwann las ich bei visions.de, dass der Sänger an Leukämie erkrankt sei, dachte “Puh” und vergaß auch das wieder.

“North” kaufte ich mir schließlich bei Rasputin Records, als ich im Herbst 2006 für drei Monate in San Francisco lebte. Gemeinsam mit einigen anderen Alben bildete das Album den Soundtrack meines Aufenthalts. Aber richtig los ging die Geschichte erst drei Jahre später.

Im Sommer 2009 stolperte ich bei WDR 2 (of all places) über einen Song mit viel Klavier, der mir sehr gefiel. Wie sich rausstellte, war es “The Resolution” von Jack’s Mannequin von denen ich wusste, dass es die Zweitband des Something-Corporate-Sängers war. Andrew McMahon. Im Sommer und Herbst 2009 habe ich “The Glass Passenger” quasi ununterbrochen gehört. Mein Leben war damals sehr im Umbruch und die Musik begleitete mich dabei. Ich hörte auch wieder die alten Something-Corporate-Alben und achtete diesmal auch auf die Texte — und es klingt doof und nach Selbsthilfegruppe, aber da sprach jemand zu mir. Andrew McMahon sang über Mädchen, die jede Nacht mit einem anderen Typen nach hause gingen und die er retten wollte; über betrunkene Mädchen, die er (also: das Lyrische Ich, so viel Literaturstudium muss sein) geküsst hatte, obwohl er es nicht hätte tun sollen; und darüber, den Kopf über Wasser zu halten und weiter zu schwimmen, bis man den Horizont erreicht. Und ich dachte: “Krass. Ja. Kenn ich.”

Andrew McMahon war gegen die schon erwähnte Leukämie angeschwommen, er sang “I’m alive/ I don’t need a witness / To know that I survived”. Mit der Geschichte im Hinterkopf (Lyrisches Ich am Arsch!) singt man ein bisschen vorsichtiger mit, weil man sich das Ausmaß gar nicht vorstellen kann. Man bekommt aber eine Ahnung davon in dem Film “Dear Jack”, in dem Andy (ich kenne seine Musik jetzt so lange, ich nenn’ ihn einfach mal so) seine Krankengeschichte dokumentiert. Ich habe mir das nur einmal ansehen können, aber es war sehr bewegend und – entschuldigen Sie das Ekelwort – inspirierend.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube, ich habe inzwischen alle Aufnahmen, an denen Andrew McMahon jemals beteiligt war. Er löste nach dem dritten Album auch Jack’s Mannequin auf und veröffentlichte dieser Tage ein neues Album, das wie sein neues Projekt heißt und damit fast wie er selbst: Andrew McMahon In The Wilderness.

Andrew McMahon (Pressefoto)

Nach den ersten Hörproben war ich skeptisch. “Cecilia And The Satellite” war eine durchaus schöne Hymne an die neugeborene Tochter, aber irgendwie klang das alles sehr poppig und damit meilenweit von zumindest Something Corporate weg. Aber das ist offensichtlich Absicht und konsequent zu Ende gedacht: “Driving Through A Dream” etwa könnte bis ins kleinste Detail der Produktion ein Song von Phil Collins sein. Als jemand, der mit Phil Collins aufgewachsen ist und seine Musik bis heute liebt, fühle ich mich dort sofort sehr zuhause.

Normalerweise ist man zwischen 15 und 20 Jahre alt, wenn man sich von Musik direkt angesprochen fühlt — ich habe kürzlich noch mal “Hinter all diesen Fenstern” von Tomte gehört und – hell, yeah! – ich weiß, wovon ich spreche. Dass ich mit 31 noch einmal ein Album auf Dauerschleife laufen lassen würde, hätte ich – gerade vor dem Hintergrund, dass ich im Moment eher wenig zum Musikhören komme – nicht gedacht. Und doch läuft “Andrew McMahon In The Wilderness” bei mir jetzt seit zweieinhalb Wochen rauf und runter. Ich kenne Andrew McMahon nicht persönlich und habe keine Ahnung, ob wir uns verstehen würden, wenn wir uns mal in einer Bar träfen, aber auf eine völlig bizarre Art, die ich sonst nur von ausgewählten deutschsprachigen Textern kenne, fühle ich mich ihm sehr verbunden — was auch damit zusammenhängen mag, dass er nur ein Jahr älter ist als ich und wir beide dieses Jahr zum ersten Mal Väter geworden sind (worauf er gleich in zwei Liedern – dem schon erwähnten “Cecilia And The Satellite” und dem etwas schwachen “See Her On The Weekend” – eingeht).

In fast jedem Song des Albums gibt es mindestens eine Zeile, die ich mir sofort tätowieren (oder zumindest rahmen) lassen würde:”Take all your troubles, put them to bed / Burn down the mission, the maps in your head” (“Canyon Moon”), “I’ve loved some girls that I barely knew / I’ve made some friends, and I’ve lost some too” (“Cecilia And The Satellite”), “You dance with your headphones on and I / Could watch you all night long / Dancing to someone else’s song” (“High Dive”), “There’s only two mistakes that I have made / It’s running from the people who could love me best / And trying to fix a world that I can’t change.” (“All Our Lives”), “Do you ever rewind to the summer you knew me?” (“Black And White Movies”), “No cash in the bank / No paid holidays / All we have is / Gas in the tank / And maps for the getaway” (“Maps For The Getaway”).

Das Gefühl von “Ich verstehe Dich” bzw. “Da ist jemand, der mich versteht” ist so stark, dass ich mich in weniger aufrichtigen Momenten fast selbst beruhigen möchte: Ist ja nur Musik. Nee, ist mehr.

Andrew McMahon In The Wilderness (Albumcover)In Zeitschriften und Blogartikeln werden wir bombardiert mit Generationsbeschreibungen, Labels und Ansprüchen, von denen wir uns gleichzeitig ganz schnell frei machen sollen. Unsere Frauen sollen Familie und Beruf nicht nur unter einen Hut kriegen, sondern das auch wollen — während sie dabei wie Hollywood-Stars und ganz natürlich ausschauen. Unsere Kinder sollen drei Fremdsprachen lernen, die verpassten Chancen von uns und unseren Eltern nachholen und sich dabei frei entfalten können. Und wir Männer sollen gleichzeitig einfühlsam, stark, sportlich und kreativ sein. Vor allem aber, immer wieder: “wir”, dieser lächerliche Fraternisierungsversuch von zehntausenden Ertrinkenden, die sich aneinander klammern. Mit Gefühlen, die irgendwelche Slam-Poetinnen in (geborgte) Worte fassen, woraufhin dann alle anderthalb Tage sehr emo sind, bis Jan Böhmermann eine Parodie darauf veröffentlicht und alle wieder total ironisch sein können.

Da höre ich lieber die Songs von Andrew McMahon.

Ich weiß nicht, wie Menschen dieses Album hören, die vorher gar nichts oder nur wenig von ihm kannten — als eher okayes Pop-Album, vermutlich. Wirklich überall sind Keyboardflächen, auf virtuoses Klavierspiel verzichtet Andy hier ebenso wie auf Gitarren. In einigen Texten verarbeitet er derart deutlich seine eigene Lebensgeschichte, dass ich den meisten Musikern raten würde: “Nimm Dich mal zurück, leg hier nicht alles offen, sei doch auch mal literarisch”. Bei manchen Leuten ertrage ich das nicht (mehr), bei Andrew McMahon aber fühle ich mich zuhause, auch wenn er über Dinge singt, die mit meinem Leben eher gar nichts zu tun haben.

In seinen Texten geht es – daran hat sich nicht viel geändert – um Weltraum, Wasser und Straßen, auf denen er unterwegs ist, also um Menschen in Isolation und in Bewegung. Das erste Jack’s-Mannequin-Album hieß ja nicht umsonst “Everything In Transit”. Bemerkenswert ist da eher, dass Marcus Wiebusch, der Sänger von kettcar, der dieses Jahr auch ein sehr, sehr tolles Soloalbum aufgenommen hat, in seinem Song “Springen” so eindeutig auf Jack’s Mannequins “Swim” Bezug nimmt, dass das eigentlich kein Zufall sein kann: “Halt den Kopf oben” singt er da (“Just keep your head above”) und benennt, wie Andy, einige Gründe, warum man weiterschwimmen sollte: “Schwimmen für die Songs, die noch geschrieben werden”. Zum Beispiel von Andrew McMahon.

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Gesellschaft Digital

Lesen Sie diese peinliche Einladungskarte im Original

Ich schreibe jetzt seit ziemlich genau 12 Jahren ins Internet: Erst über Kinofilme, dann über Musik, dann über alles mögliche und das Versagen von Journalisten. Mit der Zeit habe ich mir angewöhnt, schon im Moment des Erlebens im Kopf Blogeinträge zu Formulieren. Das ist sehr lästig, weil ich Rockkonzerte zum Beispiel nicht mehr als schöne Ereignisse wahrnehme, sondern hauptsächlich als Vorlagen für Texte, die in den allermeisten Fällen dann doch nie geschrieben werden.

Facebook hat alles noch schlimmer gemacht, denn plötzlich ist – um es mit Heiner Müller zu sagen – alles Material: Das leidlich lustige Erlebnis im Supermarkt, der mitgehörte Dialog in der Straßenbahn oder die Feststellung, dass ich seit einigen Monaten offenbar zu doof bin, mir die Schnürsenkel so zuzubinden, dass sie nicht unterwegs aufgehen. Alles kann ich schnell ins Smartphone tippen oder mir bis zuhause merken und es dann in die Halböffentlichkeit von Facebook kübeln. Und dann ist es ja offiziell mitgeteilt, weswegen ich die Episoden nicht mehr behalten muss, um sie in fröhlicher Runde Freunden oder Verwandten zu berichten. Ich habe gesprochen, wie der Indiander sagt, und obwohl das Internet ja an sich nicht vergisst, sind die ganzen mehr oder weniger unterhaltsamen Erlebnisse, die ganzen mehr oder weniger geistreichen Gedanken anschließend einigermaßen weg und für Tagebuch, etwaige Enkel und geplante Romane und Drehbücher irgendwie nicht mehr verfügbar. Darunter leidet auch dieses Blog.

Blöd ist aber auch die Schere im Kopf, die irgendwann unweigerlich auftaucht, sobald man begriffen hat, dass das, was man da ins Internet schreibt, auch von irgendjemandem gelesen wird. Es ist einerseits schön, von wildfremden Menschen im öffentlichen Raum angesprochen zu werden, weil ihnen das eigene Blog gefällt (und man selbst so unvorsichtig war, die eigene Fresse auch dann und wann in eine Videokamera zu halten und somit gesichtsbekannt ist), aber es ist andererseits auch ein bisschen beunruhigend, wenn Leute, deren Namen man nicht kennt (auch, weil man in dem Moment, da sie ihn genannt haben, wieder unaufmerksam war), einem erzählen, wie schön sie diesen oder jenen Text jetzt gefunden hätten.

Schlimmer ist nur noch das private Umfeld. Ich war in den vergangenen Monaten auf mehreren Hochzeiten eingeladen. Mehrere Artikel über das Zusammensein von Mann und Frau, über die offensichtliche Unmöglichkeit von unpeinlichen Einladungskarten, über die Einrichtung von Wohnungen und über die Menschheit im Allgemeinen schwirren seitdem auszugsweise durch mein Oberstübchen und harren ihrer Niederschrift — doch ich traue mich nicht. Schriebe ich identifizierbar (und für wenige Menschen identifizierbar wäre ja schon schlimm genug), wären die Gastgeber aus guten Gründen beleidigt: “Erst frisst er sich auf unsere Kosten durch den Abend und dann geißelt er unsere Einladungskarte.” Schriebe ich sehr allgemein, wären womöglich hinterher die falschen Menschen angefressen: “Erst frisst er sich auf unsere Kosten durch den Abend und dann geißelt er unsere Einladungskarte, von der er vorher noch gesagt hat, er fände sie überraschend unpeinlich.” Die Artikel werden also weiter auf sich warten lassen.

Überhaupt ist das ja ein interessantes Phänomen, das früher allenfalls Menschen betraf, die Autoren oder Musikanten in ihrem Bekanntenkreis hatten: Alles, was wir heute sagen, tun oder nicht tun, könnte schon morgen in irgendeinem Blogeintrag oder wenigstens in irgendeinem Facebook-Post auftauchen und mindestens die 200 engsten Freunde wüssten, wer gemeint ist. Drogen werden seit Erfindung von Handykameras daher sowieso von niemandem mehr konsumiert und Sex findet ausschließlich im Dunkeln statt (das ist auch besser fürs Selbstbewusstsein, steht in jeder zweiten Frauenzeitschrift).

Doch wie kam ich drauf? Richtig: Ich hatte heute ein leidlich lustiges Erlebnis in der S-Bahn, das ich im Facebook irgendwie nicht richtig hätte ausbreiten können (im Twitter hätte ich mit dem Bericht nicht mal beginnen können, weil ich es für nachgerade unmöglich halte, meine Gedanken in 140 Zeichen zu packen — sonst wäre ich schließlich Profifußballer geworden).

Ich stieg also in die S-Bahn ein und da saß eine schwer blutverschmierte Person.
“Herr Ober, da sitzt eine schwer blutverschmierte Person”, hätte ich also ins Facebook geschrieben, nur um dann zu ergänzen, dass die Person aber offenbar etwas mit Rollenspielen oder ähnlichem zu tun hatte, jedenfalls sehr ordentlich geschminkt war. Eventuell hätte ich noch die Frage an mich selbst hinzugefügt, warum ich in der S-Bahn eigentlich nach dem Ober rufe, das ist ja schließlich kein Restaurant.

Im Nachhinein betrachtet wäre diese Geschichte vielleicht sogar für Twitter zu sinnlos gewesen.

Deswegen schnell noch eine andere Geschichte, die ich auch nicht bei Facebook gepostet habe: Gestern in der Buchhandlung, ein Tisch “Lesen Sie diese Bestseller im Original”. Darauf: Die “Millennium”-Trilogie von Stieg Larsson auf Spanisch.

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Leben

Alles was Du siehst gehört Dir

Wenn es Weltmeisterschaften im Multitasking gäbe — ich dürfte nicht teilnehmen. Ich würde mich noch nicht einmal für die Bezirksliga qualifizieren. Ich bin so hoffnungslos schlecht im gleichzeitigen Erledigen von mehreren Aufgaben, dass ich noch nicht einmal während des Essens trinken kann.

Jeden Abend finde ich in meinem Browser Tabs, die ich irgendwann gegen Mittag geöffnet und seitdem nicht mehr zu Gesicht bekommen habe. Begonnene E-Mails, denen nur noch eine Grußformel und ein Klick auf den “Absenden”-Button fehlt. Textanfänge in irgendwelchen Editoren, die einmal irgendwas hätten werden können: Journalismus, Literatur, Lyrics. Aber die Idee, der diese Anfänge entwachsen sind, ist längst verglimmt und die Zeilen, die da stehen, irritieren mich selbst am meisten.

Wenn man eine Wohnung mit mehreren Zimmern hat, wird jedes irgendwann zum Tab im Browser des Lebens: In der Küche steht das Wasser in der Spüle und wird langsam kalt, weil ich eben ins Bad rübergegangen war, um die Waschmaschine auszustellen, und dabei gesehen hatte, wie dreckig Waschbecken und Spiegel eigentlich schon wieder sind. Währenddessen steht die nasse Wäsche im Schlafzimmer und wartet darauf, dass sie jemand aufhängt. Dieser Jemand sollte ich sein, aber ich bin gerade im Wohnzimmer, um die E-Mails zu checken. Da mich während meiner Abwesenheit vom Rechner fünf Freunde in drei verschiedenen Chats angeschrieben haben, bleibe ich erst mal am Computer, derweil mein frisch aufgewärmtes Mittagessen in der Mikrowelle wieder erkaltet. Als ich kurz ins Bad gehe, überraschen mich dort ein offenes Fenster und ein halb geputztes Waschbecken.

Neben meinem Bett, in das ich mich regelmäßig viel zu spät zurückziehe, weil ich mich wieder irgendwo aufgehalten habe, liegen drei Bücher: Ein Roman, der mir aber viel mehr Aufmerksamkeit abverlangt, als ich zu so später Stunde zu leisten imstande bin; eine bereits mehrfach gelesene Textsammlung, aus der man kurz vor dem Wegdämmern noch mal eben ein paar Seiten weglesen kann; ein Klassiker, von dem ich niemals nie und unter gar keinen Umständen mehr als die ersten drei Sätze lesen werde. Aber er liegt da ganz gut.

Wenn ich mich mit Freunden treffe, fallen sie zumeist im Rudel ein. Dann sitzen wir in Kneipen, in denen die Musik lauter ist als die Summe unserer Gesprächsfetzen, und führen Gespräche. Mehrere. Gleichzeitig. Manchmal kommen Menschen vorbei, einige kenne ich selbst. Man plaudert kurz, dann müssen diese Menschen zurück in ihre eigenen Gesprächsarrangements. Oder dringend aufs Klo. Die einzigen, die den Überblick behalten, sind die Kellner. Sie haben kleine elektrische Geräte, mit denen sie die Bestellungen aufnehmen können, und die immer wissen, was wohin muss.

Im Heimaturlaub sitze ich meist in meinem alten Kinderzimmer und frage mich, wen ich besuchen könnte. Dann gehe ich kurz in die Küche, wo ich nichts zu essen finde, weswegen ich in den Keller gehe, um im Vorratsraum nachzusehen, wobei ich an unserem alten Probenkeller vorbeikomme und meine E-Gitarre sehe. Während ich sie in die Hand neh…

*pling*

Verzeihung, das ist mein Mittagessen. Glaub ich.

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Leben

Feels Like Home

Menschen mit entsprechenden Erfahrungen erklären gerne, ein Kind zu bekommen würde die Sichtweise auf die Welt völlig verändern. Ich bin weit davon entfernt, dem widersprechen zu wollen (oder zu können), aber ich kann diesen Menschen zurufen: “Für einen Perspektivwechsel braucht’s keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr. Ein Umzug tut’s auch.”

In den letzten Wochen und Monaten habe ich mich mit Fragen zu Bodenbelägen, Wandfarben, Telefonanbietern und Möbeln herumgeschlagen. Ich habe angefangen, Werbeprospekte auf Kühlschränke, Waschmaschinen und Duschköpfe abzusuchen. Ich bin in eine Welt abgetaucht, in der man sich freut, dass die Farbe, die man gerade gleichmäßig auf Zimmerdecke und eigenem Haupthaar verteilt hat, wasserlöslich ist (was der Lack für Heizkörper und Fußleisten übrigens nicht ist). Gespräche im Freundes- und Familienkreis drehen sich plötzlich um Küchenfronten und die richtige Methode, gerade Linien abzukleben.

Bei der Renovierung ist mir aufgefallen, wie egal einem dieses Internet werden kann: Für die wirklich bedeutsamen Nachrichten hat man ja WDR 2, alles weitere kann man abends in zwanzig Minuten überfliegen. Und falls sich jemand Sorgen macht, weil man seit der Frage “Welcher dieser beiden Drähte gehört wo hin?” kein Statusupdate mehr bei Facebook durchgeführt hat, wird er schon anrufen oder eine SMS schicken.

Am Wochenende bin ich endlich umgezogen. Das zeitliche Verhältnis von Vorbereitung und Durchführung entsprach dabei in etwa dem Verhältnis zwischen WM-Qualifikation und Im-richtigen-Moment-den-Fuß-Hinhalten im Finale.

Jetzt stehe ich vor neuen Herausforderungen: Wie sortiere ich meine Bücher neu? Wie kriege ich meine Wohnung richtig beheizt? In welchem der vielen Zimmer könnte ich jetzt schon wieder Schlüssel und Portemonnaie liegen gelassen haben? Zumindest bei der ersten Frage können Freunde mit Fachwissen weiterhelfen.

Statt über meine Mitbewohner kann ich mich jetzt über die Selbstmontagemöbel schwedischer Prägung aufregen, die jeder ander Mensch (oder zumindest: jede mir bekannte Frau) in diesem Universum in einer halben Stunde aufgebaut bekommt, während ich nach vier Stunden mit heiserer Stimme kreische: “Ach, als ob diese eine Schraube für die Statik des ganzen Regals entscheidend wäre …”

Schwerer noch wird es, mich an die Supermärkte im neuen Stadtteil zu gewöhnen. Vergangene Woche bin ich zehn Minuten durch den Aldi geirrt, ohne die verdammten Nudeln zu finden. Und ohne Nudeln fehlt mir schon mal ein Drittel meines Speiseplans. Außerdem muss ich eine neue “Bild”-Verkaufsstelle finden — oder besser: mehrere.

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Musik

Coffee And TV empfiehlt mal wieder: Jacqui Naylor live

Was nur wenige wissen: Als wir dieses Texte-im-Internet-Magazin hier gegründet und intensiv über mögliche Namen nachgedacht haben, lautete einer der Vorschläge in der engeren Auswahl “Freunde von mir ham da so ‘ne Band …”

Okay, das war gelogen. Aber man muss ja die gängigen Vorurteile bei jeder sich bietenden Gelegenheit bedienen. Andererseits kennen wir (also Sie, der Leser, und ich) uns jetzt lange genug, dass Sie wissen müssten, dass ich hier nur Sachen über den grünen Klee lobe vorstelle, hinter denen ich auch vollinhaltlich stehe.

Jacqui Naylor jedenfalls habe ich Ihnen schon mal an der einen oder anderen Stelle nahe zu bringen versucht. Die Jazzsängerin aus San Francisco, in interessierten Kreisen berühmt für ihr “acoustic smashing” (also die Kombination von Jazzstandards und Rock- und Popsongs), ist Ende des Monats mal wieder in Deutschland auf Tour.

Besonders erfreulich finde ich es, dass gleich zwei Heimatstädte von Coffee-And-TV-Autoren auf dem Tourplan stehen:

27. Oktober: Saarbrücken, Saarländischer Rudnfunk
28. Oktober: Kempen, Campus
29. Oktober: Dinslaken, Ledigenheim Lohberg
31. Oktober: Minden, Jazzclub

Ungefähr so sieht so ein Jazzkonzert übrigens aus:

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Mehr zu Jacqui Naylor
Offizielle Website
Jacqui Naylor bei MySpace
Künstlerseite beim deutschen Label

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Musik

Die Kilians-Festspiele 2009 sind eröffnet

Kilians beim Haldern Pop 2008.

Das großartigste Urteil, das ich je über die Kilians gehört oder gelesen habe, ist dieses hier:

Das ist die langweiligste aufgesetzte Langeweile die ich seit langem gesehen UND gehört habe.

Immerhin passt das Video in seiner aufgestylten roughness, die die angeschraubte Wehmut dieser jammerlappigen Luschen unterstreicht zur Seierigkeit des Songs.
Trotzdem: Why?
Niemand wird gezwungen, Musik zu machen und es gibt viele Wege, die schmerzhafte Abwesenheit von Persönlichkeit, Charisma und Talent zu kompensieren.
Macht doch was mit Holz oder im sozialen Bereich oder betrinkt euch. Habt Sex, bloggt, wechselt mal den Stadtbezirk oder den Arzt oder, der Songtitel legt es nah: geht nach Hause!

Diese Worte entstammen einem Kommentar von Tanja Haeusler bei Spreeblick und obwohl ich mich ihr natürlich nicht anschließen kann, finde ich diesen kleinen Ausbruch sehr sympathisch. Allein schon, weil Tanja die Band offenbar einfach so doof fand und sie nicht den Umweg über Dinslaken, Thees Uhlmann oder die Strokes gehen musste.

Ich kann mich in keiner Weise objektiv über die Kilians äußern: Ich verehre die Band länger, als ich mit ihren Mitgliedern befreundet bin, ich war schon mal mit auf Tour und ich habe darüberhinaus auch noch die Bandinfo zum neuen Album geschrieben. (Es ist übrigens eine sehr interessante Erfahrung, eigene Formulierungen plötzlich in den Meldungen irgendwelcher Musikmagazine zu lesen.)

Gestern Vormittag habe ich die neue Single “Said And Done” zum ersten Mal im Radio gehört (natürlich auf CT das radio), gestern Nachmittag war dann Videopremiere (sowas findet mittlerweile im Internet statt) und jetzt ist das Video auch schon offiziell bei YouTube online:

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Ja, das ist durchaus poppiger geworden. Klingt wie die kleine, niedliche Schwester von “When Will I Ever Get Home”. Mich erinnert der Song auch ein wenig an die Shout Out Louds, Starsailor und Feeder. Auch das Video ist noch eine Spur opulenter ausgefallen als die bisherigen — Occident-Bassist Benjamin Klimczak fühlte sich glatt an den Clip zu “November Rain” erinnert, was mich allerdings ein bisschen ratlos zurücklässt.

Versuchen wir es trotzdem für einen Moment mit der Objektivität: Ja, das ist ein toller Song, der auch bei jeder anderen Band toll gewesen wäre. Und nach allem, was ich bisher vom neuen Album gehört habe (natürlich unter den üblichen Sicherheitsvorkehrungen und Strafandrohungen), bin ich mir sicher: da wird auch einiges gehen.

Charts? Warum nicht? Am 27. März erscheint die Single, am 3. April das Album “They Are Calling Your Name”.

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Digital Kultur

Kunstpause

Widmen wir uns zur Abwechslung doch mal etwas Erfreulichem: Meine gute Freundin Martina Drignat hat ihre Internetseite taubenstrasse.de gerelauncht.

Möwen auf taubenstrasse.de (Foto: Martina Drignat)

Dort finden Sie “Medienkunst & Fotografie” und wenn Sie sich darunter nichts vorstellen können: Martina hat unter anderem die Website von kettcar gestaltet, das Artwork der Kilians-CD (womit ich nichts zu tun hatte!) und das Layout Logo des sehr empfehlenswerten Internetmusikmagazins mainstage.de. Außerdem können Sie sich dort – je nach Geschmack – Fotos von Katzen, Schafen und Stoppelfeldern ansehen, sowie Porträts und Livefotos von zahlreichen Musikern.

Ich würde mich freuen, wenn Sie dort mal vorbeischauen und sich zumindest durch einen Teil der paarhundert Bilder klicken würden. Schließlich sind das endlich mal Bildergalerien, die keine IVW-Zahlen und Werbeeinnahmen hochtreiben.

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Rundfunk

Sternstunden der TV-Geschichte

Aus aktuellem Anlass fühle ich mich verpflichtet, Ihnen ein Video zu präsentieren, das heute exakt fünf Jahre alt wird.

Für alle, die nicht persönlich angesprochen werden, beantwortet der Clip immerhin die (nie gestellte) Frage, warum Marina Ringel nie Moderatorin einer großen Samstagabendshow geworden ist:

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<persönlicher Moment>Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mathias!</persönlicher Moment>

PS: Ein weiteres Video, an dessen Entstehung ich beteiligt war, gibt’s im Moment im BILDblog.

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Digital Gesellschaft

Scheiß auf Freunde bleiben

Kürzlich fragte ich in die Runde der Dinslakener Schul- und Jugendfreunde, ob und wie sie eigentlich online zu erreichen wären. MySpace, Facebook, LiveJournal, Twitter, last.fm, … – es gäbe da ja zahlreiche Möglichkeiten. Eine der Antworten lautete sinngemäß, derartige Plattformen seien Zeitverschwendung und dienten nur der Ausbreitung des Privatlebens vor den Augen der Weltöffentlichkeit, persönliche Gespräche seien doch viel besser.

Nun kann man natürlich darüber streiten, ob eine solche Aussage nicht eher zu greisen Redakteuren Lesern der “Süddeutschen Zeitung” passe als zu aufgeschlossenen Mittzwanzigern – noch dazu, wenn diese schon aus beruflichen Gründen am Erhalt und Ausbau von Netzwerken interessiert sein sollten. Ich will aber gar nicht darüber urteilen, jeder Mensch soll bitte genau so leben und kommunizieren, wie er es für richtig hält. Ich will auf etwas völlig anderes hinaus: Die Gesellschaft wird sich über kurz oder lang nicht mehr (nur) in alt und jung, arm und reich, oder nach Wohnorten aufteilen, die Grenze wird entlang von “online” und “offline” verlaufen.

Natürlich: Ich verweigere mich ja auch vehement der Nutzung von StudiVZ (seit dem Eintrag sind bei denen noch mal etwa drei Dutzend neue Sündenfälle hinzugekommen). Wer das tut, verschließt sich automatisch einem breiten Teil seiner Altersgenossen, denn wenn jemand von denen online ist, dann bei StudiVZ. Andererseits stellt sich sowieso die Frage, ob man Leute, denen man in der Uni oder gar in der Schule ab und zu “Hallo” gesagt hat, in unregelmäßigen Abständen “Wie geht’s?” fragen und ihnen zum Geburtstag gratulieren sollte, wenn einen die entsprechende Website darauf hinweist. Ich habe Schulfreunde, die nicht bei Google zu finden sind, und zu denen ich seit Jahren keinen Kontakt mehr habe, was ich immerhin aufrichtiger finde, als wenn sie Karteileichen in meinem Facebook-Account wären.

Die meisten Leute, die davon sprechen “im Internet” zu sein, meinen damit ihre E-Mail-Adresse für die ganze Familie bei T-Online, bei der sie einmal in der Woche nach elektronischer Post gucken. Das ist völlig in Ordnung und wer seine Eltern oder gar Großeltern einmal so weit gebracht hat, will ihnen nicht auch noch Usenet, IRC, Instant Messenger und VoIP-Dienste erklären. Als meine Großmutter mir einmal in einem Nebensatz mitteilte, dass sie dieses Blog hier lese, hätte ich fast meinen Kaffee gegen den Fernseher über den Tisch geprustet.

Außenstehenden zu erklären, worum es sich beim Barcamp Ruhr oder der re:publica handelte, wird schwieriger, je tiefer man in der Materie drin ist. Zwar konnte ich gerade noch so erklären, was ein Startup ist (“ein junges Unternehmen im Internet”), aber die Frage nach Twitter hätte ich nicht beantworten wollen – geschweige denn die Frage, was man denn davon überhaupt habe.

Während die große Mehrheit an Leuten im Internet höchstens Nachrichten “Spiegel Online” liest, befasst sich ein kleiner Kreis von Leuten mit immer schneller wechselnden Spielzeugen. Aus der Mode gekommene Sachen sind heute nicht mehr “so 2000”, sondern “so März 2008”. Das, was ich mittlerweile doch ganz gerne “Web 2.0” nenne, ist selbst für viele Leute, die in Webforen und ähnlichen 1.0-Gebilden aktiv sind, oft genug noch terra incognita.

Ich war selbst lange Zeit skeptisch, was viele dieser Dinge angeht, habe aber mit der Zeit gemerkt, dass es gar nicht wehtut, Social Networks zu nutzen, zu twittern oder zu Treffen (pl0gbar, Barcamp, re:publica) hinzugehen. So habe ich über das Web 2.0 neue Leute kennengelernt und sogar neue Freunde gefunden. Mein Bekanntenkreis gliedert sich zunehmend in On- und Offliner, wobei ich mit ersteren fast täglich in Kontakt stehe, mit letzteren meist nur noch zu Weihnachten.

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Leben Unterwegs

Die lustigste Geschichte

Unter allen Menschen, die ich mal persönlich getroffen habe, dürfte es etwa drei bis vier geben, denen ich diese Geschichte noch nicht erzählt habe. Da mein bester Freund kürzlich meinte, man müsse sich mit mir ja gar nicht mehr unterhalten, wenn man dieses Blog nur aufmerksam genug lese, gehe ich also davon aus, diese Geschichte nun zum letzten Mal erzählen zu müssen:

Vor sieben Jahren, als ich noch in Dinslaken zur Schule ging, fuhren mein anderer bester Freund und ich zu einem Konzert von Tom Liwa im Bahnhof Langendreer. Diese Information ist eigentlich nur von minderer Bedeutung für den weiteren Verlauf der Geschichte, könnte andererseits auch eine wichtige Erklärung für ihre Pointe sein.

Wenn ich es mir recht überlege, wird die Geschichte die Erwartungshaltungen an sie, die ich bisher aufgebaut habe, vermutlich nicht erfüllen können, aber ich fahre einfach mal fort: Nach dem Konzert mussten wir, damals beide noch minderjährig und ohne Führerschein, also mit der S-Bahn zurückfahren. Wir stiegen in Langendreer ein, die S-Bahn ruckelte los in die Dunkelheit, als plötzlich ein Mann mittleren Alters entsetzt aufsprang.

“Ist das hier die S-Bahn Richtung Düsseldorf?”, rief er panisch in die Bahn.
“Ja, ja”, bestätigten wir.
“Oh, dann ist gut”, antwortete er und atmete tief durch. “Dann hab’ ich mich nur falschrum hingesetzt!”