Wenn es Weltmeisterschaften im Multitasking gäbe — ich dürfte nicht teilnehmen. Ich würde mich noch nicht einmal für die Bezirksliga qualifizieren. Ich bin so hoffnungslos schlecht im gleichzeitigen Erledigen von mehreren Aufgaben, dass ich noch nicht einmal während des Essens trinken kann.
Jeden Abend finde ich in meinem Browser Tabs, die ich irgendwann gegen Mittag geöffnet und seitdem nicht mehr zu Gesicht bekommen habe. Begonnene E-Mails, denen nur noch eine Grußformel und ein Klick auf den “Absenden”-Button fehlt. Textanfänge in irgendwelchen Editoren, die einmal irgendwas hätten werden können: Journalismus, Literatur, Lyrics. Aber die Idee, der diese Anfänge entwachsen sind, ist längst verglimmt und die Zeilen, die da stehen, irritieren mich selbst am meisten.
Wenn man eine Wohnung mit mehreren Zimmern hat, wird jedes irgendwann zum Tab im Browser des Lebens: In der Küche steht das Wasser in der Spüle und wird langsam kalt, weil ich eben ins Bad rübergegangen war, um die Waschmaschine auszustellen, und dabei gesehen hatte, wie dreckig Waschbecken und Spiegel eigentlich schon wieder sind. Währenddessen steht die nasse Wäsche im Schlafzimmer und wartet darauf, dass sie jemand aufhängt. Dieser Jemand sollte ich sein, aber ich bin gerade im Wohnzimmer, um die E-Mails zu checken. Da mich während meiner Abwesenheit vom Rechner fünf Freunde in drei verschiedenen Chats angeschrieben haben, bleibe ich erst mal am Computer, derweil mein frisch aufgewärmtes Mittagessen in der Mikrowelle wieder erkaltet. Als ich kurz ins Bad gehe, überraschen mich dort ein offenes Fenster und ein halb geputztes Waschbecken.
Neben meinem Bett, in das ich mich regelmäßig viel zu spät zurückziehe, weil ich mich wieder irgendwo aufgehalten habe, liegen drei Bücher: Ein Roman, der mir aber viel mehr Aufmerksamkeit abverlangt, als ich zu so später Stunde zu leisten imstande bin; eine bereits mehrfach gelesene Textsammlung, aus der man kurz vor dem Wegdämmern noch mal eben ein paar Seiten weglesen kann; ein Klassiker, von dem ich niemals nie und unter gar keinen Umständen mehr als die ersten drei Sätze lesen werde. Aber er liegt da ganz gut.
Wenn ich mich mit Freunden treffe, fallen sie zumeist im Rudel ein. Dann sitzen wir in Kneipen, in denen die Musik lauter ist als die Summe unserer Gesprächsfetzen, und führen Gespräche. Mehrere. Gleichzeitig. Manchmal kommen Menschen vorbei, einige kenne ich selbst. Man plaudert kurz, dann müssen diese Menschen zurück in ihre eigenen Gesprächsarrangements. Oder dringend aufs Klo. Die einzigen, die den Überblick behalten, sind die Kellner. Sie haben kleine elektrische Geräte, mit denen sie die Bestellungen aufnehmen können, und die immer wissen, was wohin muss.
Im Heimaturlaub sitze ich meist in meinem alten Kinderzimmer und frage mich, wen ich besuchen könnte. Dann gehe ich kurz in die Küche, wo ich nichts zu essen finde, weswegen ich in den Keller gehe, um im Vorratsraum nachzusehen, wobei ich an unserem alten Probenkeller vorbeikomme und meine E-Gitarre sehe. Während ich sie in die Hand neh…
*pling*
Verzeihung, das ist mein Mittagessen. Glaub ich.