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Digital Gesellschaft Literatur

Bist Du noch wach? — 2. Kannst Du gut mit Lob umgehen?

In der zweiten Folge sprechen Sue und Lukas unter anderem über Bücher, die ihr Leben nachhaltig verändert haben — was naheliegenderweise zu einer Diskussion über problematische Songs von Adele und Bruce Springsteen führt.

Es geht um Netz-Bekanntschaften, die Frage, warum Lukas nicht existiert, und um Leben und Tod. Dafür sprechen wir nicht über Dinge, bei denen man einfach wortlos gehen darf, wenn sie jemand anders sagt.

Wenn Ihr uns schreiben wollt (zum Beispiel, weil Ihr eigene Fragen habt). könnt Ihr das jetzt unter bistdunochwach@coffeeandtv.de tun!

Shownotes:

Lukas’ Bücher:

  • Douglas Adams: „Per Anhalter durch die Galaxis“
  • Hellmuth Karasek: „Billy Wilder — Eine Nahaufnahme“
  • Johann Wolfgang Goethe: „Die Leiden des jungen Werthers“
  • John Green: „The Fault in our Stars“ („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“)
  • Wolfgang Herrndorf: „Tschick“
  • Benjamin von Stuckrad-Barre: „Remix“

Sues Bücher:

  • Nick Hornby: „High Fidelity“
  • Gary Keller: „The One Thing“
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Literatur Digital

Geliefert, (fast) wie bestellt

Vor rund zwei Monaten hatte ich mir hier im Blog gewünscht, Amazon würde – analog zum neuen “Auto Rip”-Angebot, bei dem man die Musik frisch bestellter CDs direkt als MP3s herunterladen kann – auch die Texte gedruckter Bücher zusätzlich noch als Datei ausliefern.

Heute hat Amazon reagiert und “Kindle Matchbook” vorgestellt, mit dem man die digitale Fassung von Büchern herunterladen kann, die man seit 1995 bei Amazon gekauft hat.

Zunächst in den USA.
Für einen Preis zwischen 0 und 2,99 Dollar.
Falls der jeweilige Verlag mitmacht.

Aber ich finde, das ist schon mal ein ganz guter Anfang.

[via @Atmos_CH bei Twitter]

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Literatur Digital

cmd+F “Nachtigall”

Vergangene Woche hat der Internetversandhändler Amazon (bekannt für den Versand von Interneten) in Deutschland sein Angebot “AutoRip” gestartet. Die Idee dahinter: Wer bei Amazon eine CD bestellt, kann sofort die MP3-Version des Albums herunterladen, schon bevor der eigentliche Tonträger per Post zugestellt wurde.

Keine ganz neue Idee, aber auch keine schlechte: Gerade der ehemalige Computerhersteller Apple ist ja inzwischen dazu übergegangen, seine Geräte ohne CD/DVD-Laufwerke auszuliefern, so dass man die Musik gar nicht mehr ohne weiteres auf den Rechner, den MP3-Player oder das Mobiltelefon bekommt.

Ich habe noch einen richtigen Computer (also einen mit Laufwerk), weswegen “AutoRip” für mich eher einen theoretischen Nutzen hat. Mir greift das Konzept aber auch noch nicht weit genug — ich will das Gleiche für Bücher!

Ich gehe davon aus, dass ich mich niemals mit sogenannten E-Book-Readern und Tablets anfreunden werde. Dafür mag ich Bücher einfach zu sehr. Aber Bücher sind leider nicht volltextdurchsuchbar.

Zwar ist mein Gehirn ganz gut darin, sich grob zu merken, was ich wo gelesen habe — aber die Suche nach der exakten Textstelle ist häufig anstrengend und nicht selten gar erfolglos. Wie praktisch wäre es da, alle Bücher, die ich im Regal habe, auch noch mal als PDF auf der Festplatte zu haben: Ich müsste nur noch wissen, nach welchen Wörtern ich suchen muss, und könnte die entsprechende Textstelle sekundenschnell finden und die entsprechende Passage sogar direkt per Copy & Paste weiterverarbeiten! Und wenn ich nicht mehr wüsste, in welchem der vielen Bücher von Douglas Adams oder Max Goldt diese oder jene Stelle jetzt vorkam, könnte ich buchübergreifend danach suchen! Das wäre mir bei Büchern ein bis zwei zusätzliche Euro wert!

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Print Digital

Papier ist geduldig

Gestern gab es gleich zwei schlechte Nachrichten im Mediensektor: Das Stadtmagazin “Prinz” wird im Dezember zum letzten Mal als gedruckte Ausgabe erscheinen und die “Frankfurter Rundschau” meldete Insolvenz an.

Sofort ging das Geraune wieder los, Print sei tot. Wahrscheinlich konnte man auch wieder das Idiotenwort “Totholzmedien” lesen. Gerne würde ich diesen Leuten ins Gesicht schreien, dass sie Unrecht haben. Das Problem ist: Ich würde mir selbst nicht glauben. Das Problem bin ich selbst.

Das letzte Mal, dass ich ein Printerzeugnis gekauft habe, war die September/Oktober-Ausgabe der “Spex”. Davor hatte ich in diesem Jahr vielleicht fünf, sechs andere Zeitungen und Zeitschriften gekauft. Nicht, weil ich die Produkte scheiße fände, im Gegenteil, aber: Wann soll ich die denn lesen?

Vielleicht liegt es daran, dass ich von zuhause aus arbeite — mein Weg vom Frühstücks- zum Schreibtisch beträgt sieben Meter, der Gang zur Tageszeitung im Briefkasten wäre ein Umweg. Als ich im ersten Semester meines Studiums noch täglich von Dinslaken nach Bochum gependelt bin, habe ich in dieser Zeit jeden Monat “Musikexpress”, “Rolling Stone”, “Visions” und “Galore” gelesen, dazu zahlreiche Bücher und an manchen Tagen gar Zeitungen. Tatsächlich habe ich alle Zeitschriften, die ich 2012 gekauft habe, in Bahnhofskiosken erworben. Aber auf Zugfahrten kann ich auch endlich mal in Ruhe Podcasts hören oder ein Buch lesen — oder halt die ganze Zeit auf den Bildschirm meines iPhones starren.

Es ist bescheuert, Texte auf einer Fläche lesen zu wollen, die kleiner ist als mein Handteller, und wir werden vermutlich eines Tages alle dafür bezahlen. Aber es ist auch so herrlich praktisch, in der S-Bahn, im Café oder morgens noch vor dem Aufstehen im Bett zu lesen, was gerade in der Welt passiert. Ein Buch würde ich so nie lesen wollen, aber Nachrichten? Warum nicht!

Gemessen daran ist die Tageszeitung, die ich auf dem Weg zum Bäcker kaufen könnte, natürlich alt. Dass sie deshalb überflüssig sei, ist natürlich auch so ein Quatsch-Argument der Internet-Apologeten: Schon vor 30 Jahren konnte es einem passieren, dass die “Tagesschau” um 20 Uhr berichtete, was man schon im “Morgenmagazin” auf WDR 2 gehört hatte. Es geht ja nicht nur um die reine Nachricht, sondern auch um deren Aufbereitung. Und selbst wer den ganzen Tag am Internet hängt, wird nicht alles mitbekommen haben, was sich an diesem Tag ereignet hat. Andererseits ist der Nutzwert einer Zeitung, die fast ausschließlich die gleichen Agenturmeldungen bringt, die am Vortag schon auf zweitausend Internetseiten zu lesen waren, tatsächlich gering. Das gilt leider auch für eine Lokalzeitung, die ihre schönen Enthüllungen schon vorab im eigenen Webportal veröffentlicht hat.

Natürlich liest man Zeitungen ganz anders als Webseiten: Das Auge streift Meldungen, Überschriften und Fotos, nach denen man nie gesucht hätte, die einen aber dennoch ansprechen können — nicht selten zur eigenen Überraschung. Ich liebe gut gemachte Zeitungen, trotzdem lese ich sie nicht. Ich weiß auch, was gutes Essen ist, trotzdem geht nichts in der Welt über Burger, Currywurst und Pizza. Aber warum bin ich, warum sind wir Menschen so?

Es kann mir niemand erzählen, dass die Lektüre eines Textes auf einem Bildschirm (egal ob Smartphone, Tablet oder Monitor) mit der eines Buchs vergleichbar ist. Der Text ist derselbe, aber “Lektüre” ist dann offenbar doch etwas anderes als schlichtes Lesen. Schon ein Taschenbuch fühlt sich nicht so wertig an wie eine gebundene Ausgabe mit Lesebändchen, die digitale Textanzeige ist dagegen ein Witz. ((Anderseits kann eine Volltextsuche schon sehr, sehr praktisch sein.)) Aber offensichtlich gibt es Menschen, denen das an dieser Stelle dann vielbeschworene sinnliche Leseerlebnis nicht so wichtig ist. Ich würde ja auch keine 20 Euro für eine Flasche Wein bezahlen.

Mein Verhältnis zu Vinyl-Schallplatten ist eher theoretischer Natur: Ich habe nur ein paar, das meiste sind Singles, die ich aus einer Mischung von Schnäppchenjagd, Witz und Sammelleidenschaft erworben habe. ((Eine spanische Pressung von “September” von Earth, Wind And Fire? Klar! Die Originalauflage von Sandie Shaws “Puppet On A String”? Brauch ich als ESC-Fan natürlich dringend!)) Ich besitze nicht mal eine ordentliche Stereoanlage, auf der ich die Dinger abspielen könnte, weiß aber natürlich um den legendären Ruf von Vinyl. Meine Sozialisation fand mit CDs statt und ehrlich gesagt frage ich mich manchmal schon, warum anfällige Schallplatten besser sein sollen als die dann doch recht robusten Silberscheiben. Und natürlich sind CDs für mich viel wertiger als MP3s, auch wenn ich viele CDs nur einmal aus der Hülle nehme, um sie in MP3s zu verwandeln. Aber MP3s sind für mich immer noch besser als Streaming-Dienste wie Spotify: Da “habe” ich ja wenigstens noch die Datei. Bei einem Streaming-Dienst habe ich Zugang zu fast allen Tonträgern der letzten 50 Jahre, wodurch jedes Album quasi völlig wertlos wird, auch wenn ich im Monat zehn Euro dafür bezahle, alles hören zu können. Dennoch nutze ich Spotify, wenn auch eher für Klassische Musik und zum Vorhören von Alben, die ich mir dann später kaufe. Ich gucke auch DVDs auf einem Laptop, dessen Bildschirm ungefähr Din-A-4-Größe hat und dessen Auflösung höher ist als die der DVD selbst.

Schadet es also dem Produkt, wenn das Medium als weniger wertig empfunden wird? Ich finde ja. Ich habe im Internet grandiose Texte gelesen, die ich glaub ich noch besser gefunden hätte, wenn ich sie auf Papier gelesen hätte. Nur, dass ich sie auf Papier nie gelesen hätte, weil ich sie dort nie gesucht und gefunden hätte. Und weil ich zu wenig Zeit habe, noch bedrucktes Papier zu lesen, weil ich fast den ganzen Tag vor dem Internet sitze. Es ist bekloppt!

Die meisten Menschen, die ich kenne, haben kein besonderes Verhältnis zu Pferden oder Autos, sie wollen nur möglichst schnell an irgendeinem Ziel ankommen. Das Auto ist schneller als das Pferd — basta! Das war vor hundert Jahren schlecht für die Pferdezüchter und Hufschmiede, aber so ist das. Der Automobilindustrie ginge es auch noch bedeutend schlechter, wenn wir endlich alle Raketenrucksäcke hätten oder uns beamen könnten.

Die meisten Menschen wollen auch einfach nur Musik hören. Von den Arschlöchern mal ab, denen es egal ist, ob die Musiker dafür auch entsprechend entlohnt werden, ist das völlig legitim, sie brauchen keine sieben CD-Regale in der Wohnung und Deluxe-Boxsets. Ihre Umzüge sind mutmaßlich auch weniger anstrengend.

Es gibt offensichtlich Menschen, die Bücher lesen, die keine Bücher mehr sind. Auch das ist legitim und beim Umzug von Vorteil. Ich kann das nicht verstehen, aber ich kann schon nicht verstehen, wie man sich Romane aus der Bücherei ausleihen kann: Wenn mir ein Buch gefällt, will ich Stellen unterstreichen und es anschließend, als Trophäe und zum Wiederhervorholen, im Regal stehen haben.

Die meisten Menschen brauchen aber offenbar auch keine gedruckten Zeitungen und Zeitschriften mehr — außer, sie ziehen gerade um. Ich würde das gern ebenfalls merkwürdig finden. Aber ich bin ja offenbar genauso.

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Leben

Alles was Du siehst gehört Dir

Wenn es Weltmeisterschaften im Multitasking gäbe — ich dürfte nicht teilnehmen. Ich würde mich noch nicht einmal für die Bezirksliga qualifizieren. Ich bin so hoffnungslos schlecht im gleichzeitigen Erledigen von mehreren Aufgaben, dass ich noch nicht einmal während des Essens trinken kann.

Jeden Abend finde ich in meinem Browser Tabs, die ich irgendwann gegen Mittag geöffnet und seitdem nicht mehr zu Gesicht bekommen habe. Begonnene E-Mails, denen nur noch eine Grußformel und ein Klick auf den “Absenden”-Button fehlt. Textanfänge in irgendwelchen Editoren, die einmal irgendwas hätten werden können: Journalismus, Literatur, Lyrics. Aber die Idee, der diese Anfänge entwachsen sind, ist längst verglimmt und die Zeilen, die da stehen, irritieren mich selbst am meisten.

Wenn man eine Wohnung mit mehreren Zimmern hat, wird jedes irgendwann zum Tab im Browser des Lebens: In der Küche steht das Wasser in der Spüle und wird langsam kalt, weil ich eben ins Bad rübergegangen war, um die Waschmaschine auszustellen, und dabei gesehen hatte, wie dreckig Waschbecken und Spiegel eigentlich schon wieder sind. Währenddessen steht die nasse Wäsche im Schlafzimmer und wartet darauf, dass sie jemand aufhängt. Dieser Jemand sollte ich sein, aber ich bin gerade im Wohnzimmer, um die E-Mails zu checken. Da mich während meiner Abwesenheit vom Rechner fünf Freunde in drei verschiedenen Chats angeschrieben haben, bleibe ich erst mal am Computer, derweil mein frisch aufgewärmtes Mittagessen in der Mikrowelle wieder erkaltet. Als ich kurz ins Bad gehe, überraschen mich dort ein offenes Fenster und ein halb geputztes Waschbecken.

Neben meinem Bett, in das ich mich regelmäßig viel zu spät zurückziehe, weil ich mich wieder irgendwo aufgehalten habe, liegen drei Bücher: Ein Roman, der mir aber viel mehr Aufmerksamkeit abverlangt, als ich zu so später Stunde zu leisten imstande bin; eine bereits mehrfach gelesene Textsammlung, aus der man kurz vor dem Wegdämmern noch mal eben ein paar Seiten weglesen kann; ein Klassiker, von dem ich niemals nie und unter gar keinen Umständen mehr als die ersten drei Sätze lesen werde. Aber er liegt da ganz gut.

Wenn ich mich mit Freunden treffe, fallen sie zumeist im Rudel ein. Dann sitzen wir in Kneipen, in denen die Musik lauter ist als die Summe unserer Gesprächsfetzen, und führen Gespräche. Mehrere. Gleichzeitig. Manchmal kommen Menschen vorbei, einige kenne ich selbst. Man plaudert kurz, dann müssen diese Menschen zurück in ihre eigenen Gesprächsarrangements. Oder dringend aufs Klo. Die einzigen, die den Überblick behalten, sind die Kellner. Sie haben kleine elektrische Geräte, mit denen sie die Bestellungen aufnehmen können, und die immer wissen, was wohin muss.

Im Heimaturlaub sitze ich meist in meinem alten Kinderzimmer und frage mich, wen ich besuchen könnte. Dann gehe ich kurz in die Küche, wo ich nichts zu essen finde, weswegen ich in den Keller gehe, um im Vorratsraum nachzusehen, wobei ich an unserem alten Probenkeller vorbeikomme und meine E-Gitarre sehe. Während ich sie in die Hand neh…

*pling*

Verzeihung, das ist mein Mittagessen. Glaub ich.

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Literatur

Die, die mit den Wörtern tanzt

Mit neuen Büchern ist es ja immer ein wenig so: Man meint, man müsse ganz vorsichtig sein, um keiner Seite ein Eselsohr zu verpassen oder einen Buchstaben umzuknicken — wehe wenn! Jedoch, um einem Buch Charakter zu verleihen sollte man es auch knicken, den Buchrücken aufklappen und es lesen. Es ablesen, ablieben. Von was ich spreche?

Das allererste Buch einer jungen Frau, Lisa Rank. Aus Berlin, jetzt Hamburg.
Schreibt, atmet, komponiert, tanzt, träumt und erfindet Wortwelten. Entdeckt sie hinter Müslischachteln oder unterm Bett. Begegnet ihnen an Häuserecken, in der Nacht oder weil sie ganz genau hinhört.
Weil sie schreibt, was vorher noch nicht da war. Ihr Talent, ihre eigene Stimme und die Gabe, Gefühle so einzufangen, dass man genau spürt, was in den Charakteren vorgeht. Man kann mitfühlen, mitweinen, miterleben, man ist bei allem dabei.
Weil die Autorin es zulässt, aber – und das finde ich auch sehr wichtig – man wird beim Lesen davor beschützt, dass die Trauer einen erdrückt.
Im Gegenteil: Man wird mitgenommen und man bekommt es gezeigt und erlebt, denn im Zweifel, wenn alles keinen Sinn mehr macht, macht man solche Reisen auch immer ein Stückchen für sich selbst!

Von was ich hier erzähle?

Von Lisa Ranks ersten Roman “Und im Zweifel für dich selbst”.
Ein Buch, in dem zwei Freundinnen, Lene und Tonia, den Tod eines geliebten Menschen erleben und sich und die Welt nicht mehr verstehen. Das Leben, das sie bisher hatten, gibt es so nicht mehr. Weil jetzt jemand fehlt, der bisher immer da war. Sie machen sich auf eine Reise. Ein Roadmovie-Roman, der so viel Wahrheit zwischen den Zeilen versteckt hält und so eigensinnig auf dem Blatt steht. Oder der so viel über die Dinge erzählt, wie sie passieren und was man dann macht, dass es eigentlich nur Sinn macht zu sagen: Kaufen, lesen und selber entdecken!

Ich hab es fast zu Ende. Ein bisschen hab ich mir noch aufgehoben zum Schluss.
Wie es also ausgeht weiß ich nicht und würde es auch nicht verraten. Macht man nicht. Was man aber tun sollte: Selber entdecken!

Elisabeth Rank – Und im Zweifel für dich selbst
Suhrkamp, 200 Seiten
12,90 Euro

Lisa Rank im Internet

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Gesellschaft Kultur

Alles ist Material

Der Künstler Nasan Tur hat eines der außergewöhnlichsten Bücher erstellt, das ich über Street Art im weitesten Sinne kenne: Für “Stuttgart says…” hat er Graffiti nicht abfotografiert, sondern abgeschrieben. Der Medienwechsel wirkt Wunder und verleiht den mutmaßlich eher hässlichen Sprayereien plötzlich den Anschein von absoluter Poesie.

Hier einige Beispiele:

Dein ICH muss deinem Selbst weichen,
Christus ist immer noch im werden!

Geistkrank

I LIKE!

liebe RAF,
ihr habt euch viele neue Freunde gemacht!

Mama ficker

Lan was geht?

Erstaunlich, wie bedeutungsschwer solche Zitate wirken, wenn man sie völlig aus ihrem Kontext herauslöst.

An Turs Buch musste ich denken, als ich heute an einem Haus in meiner Noch-Nachbarschaft vorbeikam. Schon vor Jahren hatte dort jemand, der mutmaßlich noch relativ jung und sehr ungeübt im Umgang mit Spraydosen war, einen … nun ja: Satz an die Wand gesprayt, dem der Linguist in mir stets mit großer Begeisterung begegnet war:

ANNA IST HURE

Dieses Zitat wirft die berechtigte Frage auf, warum wir uns in der deutschen Sprache überhaupt mit Artikeln aufhalten, die schon viele Muttersprachler vor Herausforderungen stellen und das Erlernen des Deutschen für Ausländer unnötig erschweren. Man könnte doch einigermaßen gut auf den Gebrauch von Artikeln verzichten, so wie sich junge Menschen schon seit längerem Präpositionen sparen — auch bei “Bin Engelbertbrunnen” oder “Gehst Du Uni-Center?” weiß jeder, was gemeint ist.

Seit einigen Wochen jedenfalls ist das Haus, an dem der oben genannte Spruch steht, um einige schlechte Graffiti reicher. Darunter eines, das die Geschwindigkeit des Sprachwandels und den Fortschritt der Gleichberechtigung gleichermaßen dokumentiert:

PAUL IS HURE

Und jetzt sagen Sie bitte nicht: “So ein Quatsch — Paul is dead, wenn überhaupt!”

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Digital Fernsehen

Aufguss 2009 – The wahl to end all wahls

Das Jahr nähert sich seinem Ende, man ist im Weihnachtsstress, denkt schon über eine angemessene Silvesterparty nach und im Fernsehen laufen Jahresrückblicke. Verharren wir doch einmal für einen Moment in Dankbarkeit, dass nur ein Jahrzehnt endet und wir nicht schon wieder auf ein ganzes Jahrhundert oder gar Jahrtausend zurückblicken müssen. Denn das wäre ja wohl richtig anstrengend.

Aufguss 2009

Auch in diesem Jahr haben Sie wieder die Gelegenheit, in 20 Kategorien die besten Irgendwasse des zurückliegenden Kalenderjahres zu bestimmen – Songs und Alben wie gehabt in Hornby’schen Top-Five-Listen.

Im Großen und Ganzen hat das mit der Abstimmung in den letzten Jahren gut geklappt, weswegen ich die Erläuterung der Spielregeln auf wenige Minuten beschränken möchte:

Jeder Leser darf einmal abstimmen. Überlegen Sie sich also vorher gut, wen und was Sie zu wählen gedenken.

Die Kategorien sollten eigentlich selbsterklärend sein. Die Bezeichnung “… des Jahres” legt nahe, dass es sich bei Ihrer Wahl um Veröffentlichung und Ereignisse handeln sollte, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2009 stattgefunden haben. Dabei sind wir so tollkühn und beschränken das nicht auf den deutschen Markt. Bei Büchern und Filmen, die in Deutschland erschienen sind, sollte trotzdem der deutsche Titel notiert werden, bei hierzulande unveröffentlichten Kulturprodukten der jeweilige Originaltitel.

Wichtig! Bei Alben, Songs, Videos und Büchern bitte stets nach dem Muster “$Künstler – $Titel” vorgehen, also beispielsweise “Nirvana – Nevermind” oder “Hermann Hesse – Steppenwolf” schreiben. Nur ohne Anführungszeichen.

Zu gewinnen gibt es auch was:

  • Das Grand Hotel van Cleef stiftet drei (jawohl: drei) GHvC-Fanpakete. Diese bestehen jeweils aus der Special Edition von “Brother. Sister. Bores!” von Pale, “Glass Floor” von Maritime, den Singles zu “48 Stunden” von kettcar und “Baby Melancholie” der Hansen Band, sowie einem GHvC-Schlüsselband.
  • Die Promotion-Werft stiftet ein Multimedia-Paket bestehend aus der 7″-Picture-Vinylsingle “For What It’s Worth” von Placebo, dem Buch “Von Musikern Machern und Mobiltoiletten – 40 Jahre Open Air Geschichte” und der Single “Master & Servant” von Nouvelle Vague feat. Martin Gore.
  • Überzahl Promotion stiftet ein CD-Paket mit “There Is An Ocean That Divides” von Scott Matthew, “We Used To Think The Freeway Sounded Like A River” von Richmond Fontaine, “Family” von Le Loup und “It Feels So Good When I Stop” von Joe Pernice.
  • Revolver Promotion stiftet ein exklusives Skype-Konzert von Helgi Jonsson. (Dieses Konzert wird unter den Teilnehmern hier und auf nicorola.de verlost.)
  • Coffee And TV selbst stellt wieder ein Mixtape mit den besten Songs des Jahres zusammen. Nicht nur für Kassettenmädchen!
Gewinne, Gewinne, Gewinne

Wenn Sie am Ende der Abstimmung Ihre Kontaktdaten angeben, werden Sie auch gefragt, welchen Preis Sie gerne gewinnen würden. Für jeden Gewinn wird einzeln gelost. Sollten sich für einen Preis gar keine Interessenten finden, wird er unter den verbliebenen Personen verlost.

Jetzt verneigen wir uns alle noch kurz in Demut und Dankbarkeit vor Horst Motor, der die gebrauchten Wahlcomputer aus Florida besorgt und die ganze Verkabelung gemacht hat, und dann hätten wir’s glaub ich auch.

Beenden Sie das “Superwahljahr” 2009 doch einfach mal mit einer

Abstimmung
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Literatur Print Digital

Klickbefehl (18)

[D]as Internet, vertreten durch die, die dort anzutreffen sind, mag es nicht, wenn man es nicht mag. Es ist dann schnell beleidigt, denn es ist noch jung und nicht besonders souverän. Aber das verwächst sich sicher noch.

Peter Richter hat gestern in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” über die Zukunft des Buches geschrieben (so viel vorweg: Es gibt eine). Es ist ein kluger, mitunter sehr komischer Artikel, der gegen Ende leider ein bisschen zu sehr in Richtung der “Google ist böse!”-Linie der Verlage abrutscht.

Man sollte ihn aber trotzdem gelesen haben und das kann man bei FAZ.net jetzt tun.

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Literatur

Literaturtipps zum Welttag des Buches

Bücher (Symbolfoto)

Buchbesprechungen sind hier ja eher die Sache von Annika, aber ich dachte mir, zum Welttag des Buches kann ich auch mal ein bisschen was über Literatur erzählen.

Und das hab ich dann auch getan: Eine gute halbe Stunde über die Bücher geredet, die ich seit meiner letzten Buchvorstellungsrunde gelesen habe. Es geht um große Namen und kleine Meisterwerke, um Christoph Hein, Daniel Kehlmann, Hartmut Lange, Chuck Klosterman und Goethe.

Wir nennen es Podcast:

Literaturtipps zum Welttag des Buches (Zum Herunterladen rechts klicken und “Ziel speichern unter …” wählen.)

Sie können die Podcasts übrigens auch als eigenen Feed abonnieren. An der Einbindung in iTunes arbeiten wir gerade.

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Unterwegs

New York, New York

Die Freiheitsstatue vor New York

Unsere Autorin Annika fliegt in Kürze nach New York City. Wie schon im Januar mit San Francisco habe ich auch diesmal wieder einen kleinen Reiseführer zusammengestellt — aber weil ich nur vier Tage in New York war, gibt es diesmal nicht drei Teile, sondern nur einen, in dem dafür so ziemlich alles abgeklappert wird, was man in vier Tagen machen kann. Nur der obligatorische Ausflug auf einen der noch stehenden Wolkenkratzer fehlt hier — die waren mir einfach zu teuer.

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Literatur

Besuch an der Ostküste

“Better late than never”, sagt der Nostalgiker. Oder der Bücherjunkie, der Bücher im Regal stehen hat, von deren Existenz er bis dato gar nicht mehr wusste.

So geschehen bei Ricky Moodys “Garden State”.

Sein Romandebüt, das er Anfang der 90er schrieb, spielt in New Jersey, dem typischen Heile-Welt-Vorortstaat mit all seinen Gärten, den Häusern mit den weißen Zäunen und den brach liegenden Industriegebäuden. Mit alten Lagerhallenruinen und alten Bars, die verraucht und vor allem verbraucht sind. Irgendwie zwischen New Economy und etwas anderem, was einen unterschwellig ein bisschen aufrüttelt, man aber nicht konkret benennen kann.

Es ist kein typisches “Coming of Age”-Romandebüt, die die Läuterung des tragischen Losers zum Held beschreibt. Es ist eine eigenwillige Milieustudie, die das Leben von Mitzwanzigern so erzählt, wie es ist. Alice, Dennis und Lane leben das Vorortleben, sind ständig unzufrieden und träumen davon, eine Band zu haben. Musik als Kontrast zum Leben in einem Vorort, der urbanen Warteschleife.

Der Blick hinter die Fassade von Garden State ist ungemütlich und real beschrieben. Moody beschönigt nichts und gerade deshalb lohnt sich diese kleine Buch so.

Wie lebt man zwischen dem Traum, eine Band zu gründen, und der Realität, sich im Alltag zurechtfinden? Was passiert, wenn Parties nicht so ganz laufen wie sie sollen? Was passiert, wenn keine Perspektive so richtig passt?

Direkt und unverkitscht erschafft Moody Wortlandschaften wie Polaroids, deren ganz Moody-typische Lakonie die Geschichte einer Generation erzählt, die man bisher übersehen hat, denn wer kann sich schon wirklich an die Neunziger erinnern?

Erschienen im Piper Verlag ( € 8.90), bei jedem Bücherdealer erhältlich. Mit dem Film von Zach Braff hat das Buch nur den Titel gemein.

Wenn man dann ein klein wenig aus der Vorstadt draußen ist, landet man unweigerlich auch in New York und damit am nächsten Schauplatz der “Tender Bar” von J.R. Moehringer.

Es handelt sich hierbei nicht um die Autobiographie von Dallas oder J.R. und wer sein Mörder war (Wer eigentlich?), sondern um eine sehr sphärische, witzigen und schönen Geschichte über das Erwachsenwerden eines Jungen auf Long Island in den 60ern Amerikas.

Was bleibt einem Jungen anders übrig, wenn man eine Mutter hat, die mit Lügen die Moral aufrecht erhält, als sich in einer Bar voller liebenswürdiger Gestalten das Erwachsenwerden beibringen zu lassen?

J.R., der Protagonist, nimmt uns mit zu seinem ersten Baseballspiel, zum Strand mit den Männern aus dem “Dickens”, zeigt uns seinen ersten Job, seinen ersten Kuss und die ersten Träume. Erzählt uns von seinem Vater, der für ihn nur “die Stimme” aus dem Radio ist.

Man geht mit ihm zum ersten Mal in den Big Apple und erlebt die große Hektik der Stadt und wie es ist, für einen großen Traum alles zu versuchen. Und vor allem, dass Tapferkeit und Träumen doch hilft.

Erschienen im Fischer Verlag (9,95 €)