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Unterwegs Gesellschaft

Als man damals nach Hamburg kam

Ich wünsch­te wirk­lich, es wür­de nicht stim­men, aber natür­lich muss­te sich die „Du und wie­viel von Dei­nen Freun­den“ von kett­car in mei­nem Sony-Disc­man dre­hen, als ich heu­te vor 20 Jah­ren mit der U3 vom Haupt­bahn­hof nach St. Pau­li fuhr und über den Spiel­bu­den­platz ging. Mit mei­ner dama­li­gen Freun­din hat­te ich mich auf den Weg nach Ham­burg gemacht; die ers­te gemein­sa­me Rei­se, ein Besuch bei Inter­net­freun­den, vor allem aber natür­lich im Mythos Ham­burg.

Das Grand Hotel van Cleef und sei­ne Acts, Bands wie Toco­tro­nic und Die Ster­ne und „Abso­lu­te Gigan­ten“ — die Stadt und vor allem die Gegend um St. Pau­li, Karo­li­nen­vier­tel und Stern­schan­ze waren durch die Pop­kul­tur der Gegen­wart und jüngs­ten Ver­gan­gen­heit so auf­ge­la­den, dass sie zumin­dest für uns eigent­lich schon den glei­chen tou­ris­ti­schen Stel­len­wert hat­ten wie Michel, Fisch­markt und Lan­dungs­brü­cken (die natür­lich gleich dop­pelt): hin­ge­hen, Foto machen, abha­ken, dort gewe­sen sein. Ich war gera­de erst auf dem Sprung von Dins­la­ken nach Bochum, aber so, wie die­se coo­len Men­schen in Cord­ho­sen und Trai­nings­ja­cken mit einem Stadt­na­men-Schrift­zug drauf, die die ent­schei­den­den paar Jah­re älter waren als ich mit 20 und irgend­was „Krea­ti­ves“ mach­ten, so woll­te ich auch ein­mal sein und leben: Plat­ten kau­fen bei Zar­doz, abends ein­fach vor die Tür gehen und ein Kon­zert besu­chen; Miles in der Tanz­hal­le St. Pau­li, Ash im Logo, mit der Bier­fla­sche in der Hand vorm Molo­tow ste­hen.

Wenn ich die Fotos von damals betrach­te, sehe ich vor allem, was nicht mehr da ist: die Esso-Hoch­häu­ser und die Tank­stel­le davor, der Astra-Turm, der Kai­spei­cher A ohne Elb­phil­har­mo­nie drauf — ich war, wie bei mei­nem ers­ten Ber­lin-Besuch 1995, recht­zei­tig dage­we­sen, um heu­te nost­al­gisch zu sein. Dabei sind die wah­ren Opfer natür­lich die, die da jahr­zehn­te­lang gewohnt haben. Die Gen­tri­fi­zie­rung ist über Ham­burg hin­weg­ge­rauscht, alles ist voll mit Bio-Super­märk­ten, Las­ten­rä­dern, Cafés und altern­den Hip­stern, die jetzt Eltern sind und aus­se­hen wie ich und mei­ne peer group hier in Bochum — nur, dass wir viel weni­ger Mie­te zah­len. Wir sind alle Teil des Pro­blems; die Inves­to­ren fol­gen den Krea­ti­ven wie Gei­er; am Ende wol­len wir alle eine licht­durch­flu­te­te Alt­bau­schei­ße. Aber sowas wie die Hafen City, das haben wir doch nie gewollt!

2009 hat­te ich über­legt, nach Ham­burg zu zie­hen, aber es war mir damals schon zu teu­er. Ich lie­be die Stadt noch immer: das Licht, die Luft an der Elbe, das Schan­zen­vier­tel, trotz all der Gen­tri­fi­zie­rung, und der schöns­te Regio­lekt, den das Deut­sche zu bie­ten hat. In mei­ner DNA bin ich zu zwei Ach­teln Ham­bur­ger und ich bil­de mir ein, dass sich das bemerk­bar macht (die zwei Ach­tel Aache­ner Revier spü­re ich null­kom­ma­nu­ll). Eini­ge der bes­ten Men­schen, die ich ken­ne, leben in Ham­burg. Falls ich Bochum jemals ver­las­se, dann nur für Ham­burg, Wien oder San Fran­cis­co. I’d like to thank the aca­de­my (aca­de­my, aca­de­my).

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Unterwegs

Via con me

Mein Groß­va­ter war nach einem ärzt­li­chen Behand­lungs­feh­ler und einer Nah­tod­erfah­rung immer noch nicht aus dem Kran­ken­haus ent­las­sen, wes­we­gen die zwei Plät­ze einer seit lan­gem geplan­ten Pil­ger­rei­se in der Kar­wo­che an mei­nen Vater und mich fie­len. Am 7. April 2001 flo­gen wir von Düs­sel­dorf nach Rom-Fiumici­no, am nächs­ten Mor­gen stan­den wir auf dem Peters­platz, um einer der letz­ten Palm­sonn­tags­mes­sen von Papst Johan­nes Paul II. bei­zu­woh­nen. Ich bin das Kind einer Misch­ehe: evan­ge­lisch getauft und kon­fir­miert, aber durch mei­nen väter­li­che Linie auch immer wie­der in der katho­li­schen Kir­che gewe­sen, natür­lich nie bei der Kom­mu­ni­on. Aus einer merk­wür­di­gen Lau­ne her­aus, die exakt zu glei­chen Tei­len aus Respekt (es gibt ja wirk­lich min­des­tens 2000 Din­ge, die man an der Katho­li­schen Kir­che kri­ti­sie­ren kann, aber: Show kön­nen sie!) und Trotz (genau der Papst, dem die Jugend­li­chen aus Mexi­ko, Kroa­ti­en und Argen­ti­ni­en um uns her­um zuju­bel­ten, wür­de neben vie­len ande­ren Din­gen nie­mals erlau­ben, dass ich als Pro­tes­tant die­ses Sakra­ment emp­fan­ge) bestand, beschloss ich an jenem Mor­gen: Wenn ich jemals zur Kom­mu­ni­on gehe, dann jetzt und hier!

Unter­ge­bracht war unse­re Rei­se­grup­pe in einem Gäs­te­haus auf einem Hügel west­lich des Vati­kans. Die ein­zi­gen ande­ren Men­schen unter 40 waren zwei Geschwis­ter, die unge­fähr in mei­nem Alter waren und mit ihren Groß­el­tern reis­ten. Weil dies kei­ne Nan­cy-Mey­ers-Komö­die war, son­dern mein Leben, ent­spann sich weder mit dem Mäd­chen noch mit dem Jun­gen eine wie auch immer gear­te­te Roman­ze.

Der Rei­se­lei­ter, ein Dr. Fren­ger, war Theo­lo­ge und Kunst­his­to­ri­ker, sah aus wie die Zei­chen­trick­ver­si­on von Inspek­tor Clou­seau und litt sicht­lich unter dem Des­in­ter­es­se der leicht trut­schi­gen Mut­ter-Toch­ter-Gespan­ne, die den Groß­teil unse­rer Rei­se­grup­pe aus­mach­ten. Weil wir das eher deutsch-rus­ti­kal gepräg­te Mit­tag­essen, zu dem die Grup­pe jeden Tag zur Her­ber­ge zurück­ge­karrt wur­de, lie­ber zuguns­ten eige­ner Erkun­dun­gen und loka­ler Küche aus­fal­len las­sen woll­ten, erkann­te er in uns als­bald Ver­bün­de­te, denen er sich anver­trau­en konn­te: „Wis­sen Sie, die meis­ten Men­schen hät­ten es ger­ne, wenn man ihnen sagt: ‚Das ist das Kolos­se­um, das ist alt, das ist eine Rui­ne und das ist berühmt. Dar­in waren die wil­den Tie­re, die Gla­dia­to­ren­kämp­fe und die Chris­ten­ver­fol­gung. Gehen Sie mal rum und sehen sich das an. Dahin­ten gibt es Toi­let­ten und dort ein Café!‘“ Mein Vater revan­chier­te sich mit der Anek­do­te, wie er gemein­sam mit einem Freund auf einer Stu­di­en­rei­se im Jahr 1981 das damals in Repa­ra­tur befind­li­che Rei­ter­stand­bild Marc Aurels auf dem Kapi­tols­platz nach­ge­stellt habe, was den bei­den ein wenig Ärger mit den Cara­bi­nie­ri, aber auch eine gewis­se Popu­la­ri­tät in den Foto­al­ben japa­ni­scher Tou­ris­ten ein­ge­bracht hät­te.

Ich hat­te mir ein klei­nes Reclam­heft mit eng­lisch­spra­chi­gen Gedich­ten als Rei­se­lek­tü­re mit­ge­nom­men und kam mir, wenn ich abends in der Außen­gas­tro­no­mie einer Trat­to­ria, zwi­schen­durch am Rot­wein nip­pend, dar­in blät­ter­te vor wie Pat­ti Smith, Oscar Wil­de oder Chris­ti­an Kracht. An einem Abend lie­ßen wir uns von einem 70-jäh­ri­gen Kell­ner, der einst in Rem­scheid gear­bei­tet hat­te, wort­reich in ein Restau­rant quat­schen, das die Legen­de, wonach man in Ita­li­en „ein­fach über­all phan­tas­tisch“ essen kön­ne, ein­drucks­voll Lügen straf­te, gleich­zei­tig aber die neue Grund­re­gel auf­stell­te, in Zukunft jede Gast­stät­te sofort wie­der zu ver­las­sen, in der deutsch­spra­chi­ge Spei­se­kar­ten vor­ge­hal­ten wer­den.

Ich weiß nicht, wie vie­le Kilo­me­ter wir jeden Tag abge­ris­sen haben, und ich weiß ehr­lich gesagt auch nicht mehr, was wir an die­sen Tagen alles gese­hen haben. Irgend­wann fan­gen sehr alte Bau­wer­ke und Plät­ze, so bedeut­sam sie auch sein mögen, an, ein­an­der zu glei­chen. Über­all gab es vie­le frei­lau­fen­de Kat­zen, Eis­die­len und flie­gen­de Händ­ler, die lami­nier­te „Dragonball“-Motive, Kolos­seen aus Gips und Bronzeim­mi­tats­fi­gu­ren feil­bo­ten, denen Feu­er aus dem Intim­be­reich stei­gen konn­te. Ich stand an der Stel­le, an der Aldo Moro ermor­det im Kof­fer­raum eines roten Renault 4 auf­ge­fun­den wor­den war, und sah den welt­schlech­tes­ten Elvis-Imi­ta­tor, einen Ame­ri­ka­ner in einem „Bow­ling is not a crime“-T-Shirt, Pan­to­mi­men, Stra­ßen­ma­ler und natür­lich eine Indio­trup­pe, die den alten Italo­schla­ger „El Cón­dor Pasa“ über die Piaz­za Navo­na blies. Ich mach­te also zum ers­ten Mal eine Erfah­rung, die sich im wei­te­ren Ver­lauf mei­nes Lebens in New York, Lon­don und Ams­ter­dam bestä­ti­gen soll­te: Man kann sich sol­chen medi­al und kul­tu­rell über­be­lich­te­ten Orten nicht nähern, ohne sich heil­los zwi­schen den mit­ge­brach­ten Erwar­tun­gen und den vor Ort fest­in­stal­lier­ten Kli­schees zu ver­hed­dern; man muss das dann ein­fach anneh­men und sich sei­ne eige­ne Erin­ne­run­gen prä­gen. Ich war bis heu­te nicht in Paris.

Natür­lich hat­te ich mir extra für die Rei­se ein Mix­tape auf­ge­nom­men, das außer Mor­chee­bas „Rome Wasn’t Built In A Day“ nicht viel Bezug zur ewi­gen Stadt hat­te. Dafür muss ich seit­dem bei „Over­load“ von den Suga­ba­bes immer dar­an den­ken, wie wir bei der Besich­ti­gung der Cara­cal­la-Ther­men in einen char­man­ten Land­re­gen gerie­ten. Am drit­ten Abend saß am Neben­tisch der Ham­bur­ger Regis­seur Fatih Akin und berich­te­te sei­nem ita­lie­ni­schen Beglei­ter auf Eng­lisch von sei­nem nächs­ten Film­pro­jekt — ich kam mir als 17-jäh­ri­ger Kino-Fan wahn­sin­nig inves­ti­ga­tiv vor, hat­te nur lei­der damals kei­nen Kanal, auf dem ich die­sen brand­hei­ßen Gos­sip hät­te tei­len kön­nen. Als sich Akin eine Ziga­ret­te anzün­de­te und erst dann nach einem Aschen­be­cher umschau­te, sah ich mei­ne Chan­ce gekom­men, stell­te ihm hek­tisch ein Exem­plar von einem ande­ren Neben­tisch vor die Nase und ver­wi­ckel­te ihn so in ein sehr herz­li­ches, kur­zes Gespräch, in des­sen Ver­lauf er mich zu den Dreh­ar­bei­ten ein­lud. Ich habe erst sehr viel spä­ter ver­stan­den, dass ich ihm in die­sem Moment viel­leicht wenigs­tens mei­ne Kon­takt­da­ten hät­te auf­schrei­ben sol­len. Schließ­lich wur­de „Soli­no“ näm­lich zu wei­ten Tei­len in Duis­burg und damit qua­si in der Nach­bar­schaft gedreht.

An Grün­don­ners­tag, also kurz bevor es mit den Fei­er­lich­kei­ten so rich­tig los­ging, ver­lie­ßen wir die Stadt. In beson­de­rer Erin­ne­rung blieb mir noch, dass der Wirt in dem klei­nen Bis­tro, wo wir die letz­te Cola tran­ken, sowohl das Glas als auch die Zitro­nen­schei­be kurz unter flie­ßen­dem Was­ser abspül­te. War­um auch immer. Den Oster­se­gen des Paps­tes hol­ten wir uns dann wie­der vor dem hei­mi­schen Fern­se­her ab — da gilt er ja auch, wenn man’s live guckt, sagt mei­ne Oma.

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Leben Unterwegs

Another Decade Under The Influence: 2018

Die­ser Ein­trag ist Teil 9 von bis­her 10 in der Serie Ano­ther Deca­de Under The Influence

2018. Die Beer­di­gung mei­nes Groß­va­ters artet zu einem fröh­li­chen Besäuf­nis aus („Hät­te ihm gefal­len!“). Dienst­rei­se nach Ham­burg: Nach all den Jah­ren zum ers­ten Mal im alten Elb­tun­nel und in der Thai Oase. Wir legen uns einen eige­nen Gemü­se­gar­ten an. Wich­tig rum­ste­hen beim Grim­me Preis. Ein neu­es iPho­ne nach sechs Jah­ren. So vie­le Aus­flü­ge mit der Stra­ßen­bahn und dem Lauf­rad. Viel Zeit mit mei­ner Oma in Dins­la­ken, viel Zeit im Gar­ten. Kann sein, dass das Ende bevor­steht /​ Leb‘ mein Leben wie Antho­ny Bour­da­in. Mich­a­lis Pan­te­lou­ris holt mich zum JWD und ich darf nach über zehn Jah­ren mal wie­der Musik­jour­na­lis­mus machen! ESC in Lis­sa­bon: Nach all den Desas­tern der letz­ten Jah­re singt uns Micha­el Schul­te auf Platz 4! Die ers­te Lucky & Fred Live­show — zurück auf den Bret­tern, die die Welt bedeu­ten! Fuck it all /​ We kil­led it tonight. End­lich Tipp-Kick und Mini­golf spie­len mit dem Kind. Schwe­den schafft es bis ins WM-Vier­tel­fi­na­le, der größ­te Tri­umph seit 24 Jah­ren. Der ers­te rich­ti­ge Kin­der­ge­burts­tag. Eine Woche Ber­lin mit dem Kind, allen fah­ren­den U‑Bahn-Lini­en und den gan­zen guten Leu­ten, die ich in die­ser Stadt so ken­ne. But if you crash and nobo­dy sees /​ Just remem­ber the­re will always be /​ A room for you in my house in the trees. Ein Aus­flug nach Arn­hem. Immer wie­der kett­car und Back­stage-Bier. Ana­nas ern­ten in Her­ne, Hal­lo­ween im Tier­park. I’m just curious, is it serious? Mit U- und Stra­ßen­bah­nen zur Mar­ti­ni­kir­mes nach Dins­la­ken (Recher­che für mei­ne gro­ße Ruhr­pott-Repor­ta­ge). Peo­p­le love, peo­p­le lea­ve, peo­p­le let down /​ Peo­p­le show up, roll up, peo­p­le grow up. Das Kind und ich bas­teln gemein­sam Weih­nachts­kar­ten, die das Kind dann unter­schreibt. „Last Christ­mas“ sin­gen mit Frau Ado und den Gold­kan­ten, „Schö­ne Besche­rung“ gucken im Freun­des­kreis. Sil­ves­ter mit dem Kind und Kin­der­feu­er­werk.

Ein Jahr, das eigent­lich viel bes­ser war, als es sich in dem Moment anfühl­te. Ein Jahr, in dem ich so vie­le Din­ge wie­der gemacht habe, die ich seit Jah­ren nicht mehr gemacht hat­te — und die so viel Bock gemacht haben! (Mein ein­zi­ger Rat­schlag fürs Leben: Macht mehr von den Din­gen, die Euch glück­lich machen!) Und das Jahr, in dem ich nach dem ESC in Lis­sa­bon geblie­ben bin, um mit dem Kind und sei­ner Mama noch ein paar Tage Urlaub zu machen. Nicht „wie eine rich­ti­ge Fami­lie“, son­dern als rich­ti­ge Fami­lie! It’s not the song, it is the sin­gin‘.

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Musik Unterwegs

Luki Waits

Ich hab das Gefühl, ich hab das alles schon tau­send­mal erzählt:

Wie ich 1999, als ich Ben Folds Five gera­de für mich ent­deckt hat­te, nicht zur „Rol­ling Stone Road­show“ gefah­ren bin, weil ich dach­te, die Band wür­de schon dem­nächst mal wie­der nach Deutsch­land kom­men. Und wie sich die Band dann ein Jahr spä­ter auf­ge­löst hat­te.

Wie im Jahr 2001 das ers­te (offi­zi­el­le) Solo­al­bum von Ben Folds erschien und ich das Release­da­te schon Mona­te vor­her groß im Kalen­der mar­kiert hat­te: den 11. Sep­tem­ber.

Wie ich an einer Online-Peti­ti­on teil­nahm, die Ben Folds mit sei­nen dama­li­gen Begleit­mu­si­kern im Jahr 2005 end­lich wie­der nach Deutsch­land brach­te.

Wie Ben Folds Five im Sep­tem­ber 2008 tat­säch­lich ein ein­zel­nes Reuni­on-Kon­zert spiel­ten, das blö­der­wei­se in Cha­pel Hill, NC statt­fand. Und wie sie dann im ver­gan­ge­nen Jahr doch noch ankün­dig­ten, wie­der zusam­men ein Album auf­zu­neh­men und auf Tour zu gehen.

„The Sound Of The Life Of The Mind“ ist tat­säch­lich ein sehr gutes Album gewor­den, nicht nur gemes­sen an mei­nen (zuge­ge­be­ner­ma­ßen sehr nied­ri­gen) Erwar­tun­gen und mei­nem Fan­dom, son­dern ein­fach ein sehr gutes Album. Im Som­mer waren die ers­ten Fes­ti­val-Auf­trit­te der wie­der­ver­ein­ten Band auf You­Tube zu sehen, dann kamen die Tour-Ter­mi­ne raus – auf denen Deutsch­land fehl­te. Aber nach 13 Jah­ren War­ten haben Län­der­gren­zen, Kos­ten und abwe­gi­ge Ideen völ­lig ihre Bedeu­tung ver­lo­ren, so dass ich mir nur noch Beglei­tung suchen muss­te und dann Flug nach, Hos­tel in und Kon­zert­ti­ckets für Man­ches­ter gebucht habe.

Ben Folds Five im O2 Apollo Manchester

Man­ches­ter ist kei­ne Stadt, die einen mit Schön­heit über­wäl­tigt. Mit Häss­lich­keit aller­dings auch nicht. Je mehr ich in Deutsch­land und der Welt rum­kom­me, des­to mehr ver­schwim­men all die­ses Städ­te sowie­so vor mei­nem geis­ti­gen Auge zu einer bzw. zwei­en – einer deut­schen und einer inter­na­tio­na­len. In der inter­na­tio­na­len gibt es dann Läden wie HMV und Waterstone’s und in ihren Super­märk­ten kann man HP Sau­ce und Scho­ko­la­de von Cad­bu­ry kau­fen und was braucht der Mensch eigent­lich mehr?

Außer­dem waren wir ja eh pri­mär aus einem Grun­de in der Stadt. Ich war in den Tagen vor dem Kon­zert nicht auf­ge­regt, es war nicht so wie als Teen­ager, als ich Tage vor­her nur noch die CDs der auf­tre­ten­den Bands gehört habe und mit Herz­klop­fen in den Zug gestie­gen bin, selbst wenn es zum Kon­zert von Slut nach Dort­mund ging. Aber in der Nacht vor dem Kon­zert habe ich dann doch von zwei Ben-Folds-Five-Songs geträumt. So was war mir noch nie pas­siert.

Viel zu früh stan­den wir letzt­lich vor den noch ver­schlos­se­nen Toren des O2 Apol­lo, das sich gro­ße Mühe gege­ben hat­te, die tat­säch­li­chen Zeit­punk­te für Ein­lass und Kon­zert­be­ginn geheim zu hal­ten. Eine wei­te­re Stun­de fiel der Vor­band und Umbau­pau­se zum Opfer: Ich habe vor Ben Folds‘ Solo­kon­zer­ten bis­her immer nur Acts gese­hen, die bes­ten­falls okay waren, häu­fig auch sehr spe­zi­ell. Aber so anstren­gend wie Bit­ter Ruin war tat­säch­lich noch kei­ner von ihnen gewe­sen. Aber was sind 25 Minu­ten Gekrei­sche gegen 13 Jah­re?

Gut. Die­se ver­damm­ten 13 Jah­re bedeu­te­ten natür­lich auch, dass ich mir vor­her schon sicher sein konn­te, dass das Kon­zert mei­ne Erwar­tun­gen nicht wür­de erfül­len kön­nen. Also: Mei­ne Erwar­tun­gen von damals. Heu­te hat­te ich ja irgend­wie kei­ne mehr. Als Ben Folds, Robert Sledge und Dar­ren Jes­see die Büh­ne betra­ten, war das dann auch kein „Endlich!“-Moment mehr. Es war ein­fach der Beginn eines Kon­zer­tes. Aber eines guten.

Ben Folds Five im O2 Apollo Manchester

Die Set­list war klug zusam­men­ge­stellt, die Band defi­ni­tiv in Spiel­lau­ne. In ein­zel­nen Momen­ten droh­ten Songs rhyth­misch aus dem Leim zu gehen, obwohl die drei eigent­lich Top-Musi­ker sind, aber die Har­mo­nie­ge­sän­ge waren in jedem Moment gran­di­os und zähl­ten sicher zu Bes­ten, was es in dem Bereich seit Ende der Sech­zi­ger gege­ben hat.1 Neue Songs (gleich sie­ben) wech­sel­ten sich mit alten Hits ab, aus Folds‘ Solo­pha­se gab es nur „Lan­ded“ zu hören, bei dem sich Bas­sist Robert Sledge und Schlag­zeu­ger Dar­ren Jes­see etwas zurück­hal­tend zeig­ten.

Als ich dann „Brick“ zum ers­ten Mal in mei­nem Leben live hör­te, stell­te sich tat­säch­lich ein klei­ner Gän­se­haut­mo­ment ein. So ein gestri­che­ner Kon­tra­bass wirkt qua­si direkt auf die klei­nen Här­chen auf den Armen und im Nacken und das ver­mut­lich schöns­te Lied, das je über eine Abtrei­bung geschrie­ben wur­de, tut natür­lich sein Übri­ges. Bei­na­he erwart­bar impro­vi­sier­ten die Drei spon­tan den Song „Rock This Bitch In Man­ches­ter“, des­sen Text so bescheu­ert war, dass sogar Folds beim Sin­gen lachen muss­te. Und die Blä­ser-Pas­sa­ge aus „Army“ kön­nen auf­merk­sa­me Kon­zert­be­su­cher inzwi­schen natür­lich im Schlaf mit­sin­gen.

Nach 113.976 Stun­den des War­tens und ziem­lich exakt zwei Stun­den Kon­zert war dann Schluss – für Ben-Folds-Ver­hält­nis­se etwas früh, aber – hey! – auch das ist Eng­land. Dann eben kein „Magic“, kein „Phi­lo­so­phy“, „Don’t Chan­ge Your Plans“, „Eddie Wal­ker“, „Lul­la­bye“ oder „Away When You Were Here“, der bes­te Song des neu­en Albums. Es war ein wirk­lich tol­les Kon­zert, aber wirk­lich beson­ders hat es sich für mich dann lei­der doch nicht ange­fühlt. So ist das also, wenn man sich die Spiel­zeug­ei­sen­bahn zum 50. Geburts­tag end­lich selbst kauft.

Am nächs­ten Tag zeig­te sich dann wie­der ein­mal, wie nutz­los das Inter­net sein kann: Wäh­rend wir in Man­ches­ter via Face­book-Time­line aus­führ­lich dar­über infor­miert wur­den, dass die Zeit­schrift „Bri­git­te“ irgend­et­was über Skate­boards geschrie­ben hat­te,2 war irgend­wie völ­lig an uns vor­bei­ge­gan­gen, dass Ben Folds am Mitt­woch sei­ne ein­zi­ge Foto­aus­stel­lung wäh­rend der gesam­ten Tour eröff­net hat­te. In Man­ches­ter. Mit Band. In einer Gale­rie, zwei Blocks vom Hos­tel ent­fernt.

Sto­ry of my life.

  1. Ver­ges­sen Sie Mum­ford & Sons, ver­ges­sen Sie Fleet Foxes! []
  2. Leu­te, jetzt mal im Ernst: Get. A. Fuck­ing. Life. []
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Digital Unterwegs

Ich will Dich treffen, wo es am schönsten war

New York, NY

Face­book macht mein Inter­net kaputt. Wann immer mir etwas halb­wegs beson­de­res wider­fährt oder ich etwas tol­les ent­de­cke, pos­te ich das bei Face­book und dann ist gut. Des­we­gen ver­waist die­ses Blog lang­sam aber sicher und wird nur noch befüllt, wenn sich bei mir genug nega­ti­ve Ener­gie ange­sam­melt hat. Das ist nicht gut.

Mar­kus Herr­mann ali­as Herm, der uns zum Bei­spiel das Oslog und das Dus­log so schön tape­ziert hat, war letz­te Woche in New York. Er hat unge­fähr alles, was er dort erlebt hat (dach­te ich zunächst, waren aber nur zehn Pro­zent des­sen), bei Face­book geteilt, sich hin­ter­her aber auch noch die Mühe gemacht, das aus­führ­li­cher im Blog zu beschrei­ben.

Er war in zahl­rei­chen Fern­seh­stu­di­os, bei Goog­le, an jeder denk­ba­ren Tou­ris­ten­at­trak­ti­on und hat Mark Hop­pus, Conan O’Bri­en und Elmo aus der Sesam­stra­ße getrof­fen. Ihm sind die unglaub­lichs­ten Din­ge pas­siert und man sieht beim Lesen förm­lich, wie er da mit gro­ßen Augen durch die Gegend tappst.

Womög­lich fin­de ich das alles beson­ders toll, weil ich Herms Begeis­te­rung für Pop­kul­tur und die USA tei­le (letz­te­res ein biss­chen ein­ge­schränkt, aber – love them or hate them – irgend­wie kann man sich dem ja nicht ent­zie­hen) und ich fast auf den Tag genau fünf Jah­re vor ihm in New York war und vie­les ganz ähn­lich erlebt habe.

In jedem Fall wäre es viel zu scha­de, wie­der nur auf den „Gefällt mir“-Button zu kli­cken. Des­we­gen sei­en Ihnen die Ein­trä­ge aus New York aus­drück­lich auch hier im Blog emp­foh­len:

Herm in New York

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Leben Unterwegs

Vandalen auf der Durchreise

Gera­de im Regio­nal­ex­press die viel­leicht bes­te Durch­sa­ge ever gehört:

Ver­ehr­te Fahr­gäs­te, wir wis­sen selbst, dass das heu­te alles etwas beschei­den ist, aber lei­der hat­ten wir heu­te auf dem Weg von Aachen nach Hamm eine Schul­klas­se im Wagen 3, die die Sit­ze auf­ge­schlitzt und mit Flüs­sig­keit über­gos­sen hat. Wir muss­te den Wagen des­we­gen lei­der abschlie­ßen.

Der Rest der Durch­sa­ge ging im Geläch­ter der Fahr­gäs­te unter.

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Leben Unterwegs

Broder und ich

Ich hat­te mir ehr­lich gesagt gar kei­ne gro­ßen Gedan­ken gemacht. Mei­ne Freun­de hat­ten mich gewarnt und mir wert­vol­le Tipps gege­ben. Man kön­ne ja stän­dig im Fern­se­hen sehen, wie das endet. Dabei soll­te ich doch nur mit Hen­ryk M. Bro­der dis­ku­tie­ren.

Die Frei­schrei­ber, der Berufs­ver­band frei­er Jour­na­lis­ten, hat­ten mich zu ihrem Kon­gress ein­ge­la­den und weil ich es immer lus­tig fin­de, wenn sich Jour­na­lis­ten aus­ge­rech­net von mir etwas erzäh­len las­sen wol­len, und der Kon­gress in Ham­burg statt­fand, habe ich zuge­sagt.

Neben Hen­ryk M. Bro­der und mir saßen noch der frü­he­re Polit­be­ra­ter und heu­ti­ge Blog­ger Micha­el Spreng und die frü­he­re „Bunte“-Chefredakteurin und heu­ti­ge Blog­ge­rin Bea­te Wede­kind auf dem Podi­um, das im Wort­sin­ne kei­nes war, weil wir genau­so hoch saßen wie die Zuhö­rer. In unse­rer Mit­te saß Gabi Bau­er, die die Dis­kus­si­on mode­rie­ren soll­te und ers­tes diplo­ma­ti­sches Talent prä­sen­tier­te, als sie Bro­der und mir die jeweils äuße­ren Plät­ze in unse­rer klei­nen Sitz­grup­pe zuteil­te.

Vor Beginn der Dis­kus­si­on führ­te ich ein biss­chen Small­talk mit den Frau­en Bau­er und Wedek­eind und Herrn Spreng, der übri­gens rie­sen­groß ist. Hen­ryk M. Bro­der gab ich nur kurz die Hand, aber er ist so klein, wie er im Fern­se­hen immer aus­sieht und trägt ein Her­ren­hand­täsch­chen bei sich. Die Raum­tem­pe­ra­tur sinkt aller­dings nicht, wenn er neben einem steht, und es wird auch nicht plötz­lich dun­kel.

The­ma der Dis­kus­si­on soll­te Leser­be­tei­li­gung in allen For­men sein und wir vier soll­ten ver­schie­de­ne Posi­tio­nen ein­neh­men. Ich erzähl­te also, wie wich­tig die Leser­hin­wei­se unse­rer Leser beim BILD­blog sind und hör­te, wie ich die glei­chen Bei­spie­le abspul­te wie bei ähn­li­chen Ver­an­stal­tun­gen, zu denen ich gele­gent­lich ein­ge­la­den wer­de. Es ist mir schlei­er­haft, wie Schau­spie­ler, Musi­ker und Poli­ti­ker Inter­view­ma­ra­thons und Talk­show-Tou­ren über­ste­hen kön­nen, ohne vom Wahn­sinn oder vom Selbst­hass auf­ge­fres­sen zu wer­den. „Wir haben bei Cof­fee And TV mit acht Autoren ange­fan­gen, was den Vor­teil hat­te, dass jeder Text schon mal min­des­tens sie­ben Leser hat­te …“ Siche­rer Lacher. Letzt­lich sind wir alle klei­ne Mario Barths.

Hen­ryk M. Bro­der ist noch ein biss­chen mehr Mario Barth, nur dass sei­ne tod­si­che­ren Lacher nicht „Schu­he“ hei­ßen, son­dern „Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger“ — die Reak­tio­nen sind aller­dings auch kein hys­te­ri­sches Geki­cher, son­dern so ein dump­fes „Hoho­ho“. Bro­der aber war am Sams­tag nicht in Form: Sein Geät­ze wirk­te halb­her­zig, sei­ne Pole­mik von sich selbst gelang­weilt, er brauch­te gan­ze 25 Minu­ten, bis er bei Hit­ler ange­kom­men war. Twit­ter und Face­book fän­de er schreck­lich, erklär­te Bro­der, ohne eines von bei­dem mit einem KZ zu ver­glei­chen, und irri­tier­te damit Bea­te Wede­kind, die sich sicher war, bei Face­book mit ihm befreun­det zu sein. „Das bin ich nicht!“, mach­te Bro­der deut­lich und stif­te­te damit all­ge­mei­ne Hei­ter­keit.

Es war eine ange­neh­me Gesprächs­at­mo­sphä­re, in der jeder jedem irgend­wann mal bei­pflich­ten oder müde den Kopf schüt­teln muss­te. Jeder konn­te ein bis zwei gro­ße Lacher lan­den. Gabi Bau­er lei­te­te die Run­de char­mant und inter­es­siert und nahm sich Zeit für jeden. Kurz­um: Als ARD-Talk­show wären wir ein völ­li­ges Desas­ter gewe­sen. Allein der Erkennt­nis­ge­winn war ver­gleich­bar nied­rig. Wenn wir noch Zeit gehabt hät­ten, ein Fazit zu zie­hen, hät­te es ver­mut­lich lau­ten müs­sen: Ja, Leser sind die Höl­le — und das Größ­te, was wir haben. Das kann ja nun wirk­lich jeder Sport­ler oder Künst­ler über die eige­nen Fans sagen, jeder Poli­ti­ker über die Wäh­ler und alle Eltern über ihre Kin­der.

Ent­spre­chend rat­los war ich, als mich ein jun­ger Mann anschlie­ßend instän­dig bat, ihm doch mit­zu­tei­len, was ich aus der Ver­an­stal­tung denn nun mit­näh­me. Gabi Bau­er, Bea­te Wede­kind und Micha­el Spreng lesen jeden Tag etwa vier Tages­zei­tun­gen, was ich erstaun­lich fin­de, Bea­te Wede­kind ver­bringt viel Zeit in Face­book, was Micha­el Spreng erstaun­lich fin­det, und Gabi Bau­er sieht sich unter dem Namen einer Freun­din bei Face­book um, was nun wirk­lich alle erstaun­lich fan­den. Hen­ryk M. Bro­der hat­te schlecht zu Mit­tag geges­sen.

Mein Blut­druck bekam an die­sem Tag aber doch noch Gele­gen­heit, besorg­nis­er­re­gend zu stei­gen. Aber da stan­den wir alle um das iPho­ne von Jens Wein­reich her­um und guck­ten auf die Bun­des­li­ga-Ergeb­nis­se.

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Musik Unterwegs

Camp Indie Rock

- von Tom­my Fin­ke -

DONNERSTAG
Groß­zü­gi­ger­wei­se habe ich mich als Fah­rer ange­bo­ten und neh­me mei­nen Teil der Rei­se­grup­pe Hald­ern 2010 vom Bahn­hof Bochum aus mit.

Wäh­rend Rosa und Marie bei­de vor­ne Platz neh­men, neh­me auch ich vor­ne Platz. Die Vor­zü­ge eines Band­au­tos: 3 Sit­ze in der ers­ten Rei­he. Marie hat ein iPad ein­ge­packt, ich muss dar­über ein wenig lachen, bin aber eigent­lich nei­disch. Ihr Ziel beim Hald­ern ist medi­en­tech­ni­scher Natur: Sie hat einen der begehr­ten Foto­päs­se. Mit Rosa war ich 2008 schon mal auf dem Hald­ern. Und ich freue mich, dass sie dies­mal wie­der dabei ist! Die Fähig­keit, sich über Tage fast aus­schließ­lich von Rot­wein und Musik zu ernäh­ren, macht Rosa zu einer per­fek­ten Feti­val­be­su­che­rin. Und zu einem medi­zi­ni­schen Wun­der.

Unser Zelt­platz ist, ein­mal ange­kom­men, leicht abschüs­sig, dafür haben wir aber in alle Rich­tun­gen net­te Nach­barn. Wir ver­zwei­feln an Maries Zelt, aber der Hin­weis, man kön­ne zumin­dest mal ver­su­chen, alle Stan­gen mit der glei­chen Num­mer inein­an­der zu ste­cken, ist aus­schlag­ge­bend. Inzwi­schen ist auch Chris­toph mit Sophie ange­reist.

Ich spie­le den Rea­lis­ten und öff­ne das ers­te Dosen­bier. Das ist hier schließ­lich kein Kin­der­ge­burts­tag und wir haben schon deut­lich nach 16 Uhr. Alle wol­len wir zwar Seabear im Spie­gel­zelt sehen, aber die Schlan­ge ist schon um 18 Uhr so lang, dass wir uns ent­schlie­ßen, noch­mal kurz zurück zum Zelt­platz zu gehen und, nun­ja, vor­zuglü­hen. Ich stol­pe­re an Foto-Ger­rit vor­bei, mei­ne ein­zi­ge fes­te Hald­ern-Freund­schaft. Ger­rit ist berühmt gewor­den mit einer Aus­stel­lung über die Fotos der Schu­he der Stars: „Dancing Shoes“.

Ger­rit macht den Vor­schlag, mich am nächs­ten Tag zu foto­gra­fie­ren, aber wie jedes Jahr krie­gen wir es über­haupt nicht hin, uns zu einer fes­ten Uhr­zeit irgend­wo zu tref­fen, obwohl wir uns die nächs­ten 3 Tage immer wie­der begeg­nen. Ganz so schlimm ist das dann aber doch nicht nicht, Ger­rit hat­te in Zusam­men­hang mit der Foto­ses­si­on das Wort „nackt“ gebraucht. Ich hof­fe, das liegt an sei­nem letz­ten groß­ar­ti­gen Pro­jekt, ein Herz geformt aus nack­ten Fes­ti­val­be­su­chern beim Melt.

Wir ande­ren gehen zurück zum Zelt­platz, den wir für heu­te dann nicht mehr ver­las­sen, denn auch spä­ter berich­ten unse­re Spio­ne von undurch­dring­li­chen Men­schen­mas­sen an und ums Spie­gel­zelt. Uns ist das egal, die Chris­tophsche Ein­kaufs­wut beschert uns Grill­gut und Gin-Tonic. Zusätz­lich ist Nacht der Stern­schnup­pen und so gucken wir alle stun­den­lang in den Him­mel. Irgend­wel­che leicht zu begeis­tern­den Leu­te rufen bei jeder Stern­schnup­pe „Oh!“ und „Ah!“, wir blei­ben still, weil wir das nicht für Feu­er­werk hal­ten, son­dern für etwas Grö­ße­res. Ich bin gerührt, weil ich jede Stern­schnup­pe zwei­mal sehe.

Aus einem nahen Zelt dringt ein schwä­beln­des Stöh­nen. Das Prin­zip „Wenn ich sie nicht sehe, dann hören sie mich auch nicht“, hat wie­der nicht funk­tio­niert.

Haldern Pop 2010

FREITAG
Am nächs­ten Mor­gen habe ich einen Geschmack im Mund, der Tote umbrin­gen könn­te. Ich neh­me mir vor, die­sen Abend drin­gend die Zäh­ne zu put­zen, bevor ich ins Zelt stei­ge. Marie ist schon wach und macht Kaf­fee.

Heu­te ist der Tag, an dem wir min­des­tens Del­phic und Mum­ford & Sons sehen müs­sen. Außer­dem gibt es auf dem Pro­gramm heu­te ein Fra­ge­zei­chen und es ging das Gerücht rum, dass es sich um Bel­le & Sebas­ti­an han­deln könn­te. Aber nein, es kommt anders, und zwar in Form von: Phil­ipp Poi­sel. Die Leu­te: nicht begeis­tert. Was für ein unan­ge­mes­se­ner Ersatz für die gedank­lich schon gebuch­ten Bel­le & Sebas­ti­an. Da hät­te ja gleich ich spie­len kön­nen. Selbst­re­fle­xi­on, mei­ne Damen und Her­ren.

Ein paar hun­dert Meter wei­ter hat­te ich ges­tern schon Tei­le der Fog Jog­gers und Oh, Napo­le­on getrof­fen. Ja, mei­ne Damen und Her­ren, hier cam­pen die klei­nen Künst­ler noch selbst. Ich beschlie­ße, noch­mal rüber­zu­ge­hen und hal­lo zu sagen. Sophie schließt sich mir an, da auch sie dort jeman­den („Fre­de­rik!!!“) kennt. Jan von den Fog Jog­gers hat mein Album dabei, er mag es. Dass ich die Fog Jog­gers EP so rich­tig groß­ar­tig fin­de, behal­te ich für mich, damit es ihm nicht zu Kopf steigt. Sophie hat inzwi­schen Fre­de­rik am Ran­de der Jog­gers-Grup­pe aus­fin­dig gemacht. Er liegt auf dem Boden mit einem T‑Shirt über sei­nem Kopf, ver­ka­tert und apa­thisch. Ein­mal auf­ge­wacht, stellt er sich als sym­pa­thi­scher Kerl her­aus, lacht über wirk­lich jeden mei­ner bekann­ter­ma­ßen schlech­ten Wit­ze. Ich über­le­ge, ihn zu adop­tie­ren oder zumin­dest anzu­stel­len.

Sophies Freun­din Lisa reist auch noch an und hat ein Sagro­tan-Arse­nal ein­ge­packt, das man­che Klo­frau nei­disch machen dürf­te. Dass Sie Ihren Hund Treu nicht mit­neh­men durf­te, fin­det sie doof. Außer­dem wirkt sie augen­schein­lich etwas irri­tiert, wie die Leu­te hier so leben. Der Grund dafür ist schnell gefun­den: Es ist, mit 28 Jah­ren, ihr aller­ers­tes Fes­ti­val.

Die arme Lisa! Wir beschlie­ßen, Ihr alles wich­ti­ge über das Hald­ern Pop bei­zu­brin­gen und gehen zusam­men zum berühm­ten See zum Schwim­men. Ich selbst war da zwar bis­her auch noch nie drin, ist aber auch erst mein vier­tes Hald­ern. Dass jedoch Chris­toph nach knapp 10 Jah­ren Hald­ern noch nie in dem See schwim­men war, fin­de ich bemer­kens­wert. Immer­hin ist der See umsonst, die Duschen kos­ten Geld. Sie ver­ste­hen? Eben.

Björn und Fre­de­rik schwim­men nicht nur, sie haben auch Bier mit­ge­bracht. Für Im-See-trin­ken. Ich habe aus Fuß-Auf­schlitzungs­angst mei­ne Gum­mi­stie­fel an. Beim Schwim­men. Zur Bade­ho­se sieht das schei­ße aus, aber das hier ist ja kein Mode­wett­be­werb.

Wir machen uns den Spaß und gucken uns Phil­ipp Poi­sel an. Nun ja. Das Fra­ge­zei­chen bleibt eines. Mir fällt auf, dass der Key­boar­der, der übri­gens schwä­belt, nicht rich­tig zu hören ist. Scha­de. Ich bin da etwas alt­mo­disch: Ich mag mei­ne Instru­men­te hör­bar. Ansons­ten schwankt der Auf­tritt irgend­wo zwi­schen Xavier Naidoo und Madsen. Zumin­dest nicht mei­ne bevor­zug­ten musi­ka­li­schen Eck­punk­te.

Wäh­rend Phil­ipp noch vor sich hin poi­selt, besu­chen wir das Spie­gel­zelt, und irgend­wie pas­siert das Unglück: Die Zeit ist zu schnell ver­gan­gen! Als wir auf die Uhr sehen und zur Haupt­büh­ne hech­ten, spie­len Del­phic gera­de ihr letz­tes Lied. Ich bei­ße mir in den Arsch, denn was ich sehe und höre ist die groß­ar­tigs­te Indie-Elec­t­ro-Explo­si­on seit Lan­gem. Da könnt Ihr Euch mal alle umgu­cken, Ihr Zoot Women. Ich bin trotz­dem hin und weg, das hat mir wirk­lich gut gefal­len. Del­phic. Scheiß Name, gei­ler Sound.

Dies­mal sind wir schlau­er und blei­ben an der Haupt­büh­ne. Denn es folgt die Band der Stun­de: Mum­ford & Sons, lie­be­voll in Man­fred & Söh­ne umge­ti­telt von … nun­ja. Muss ich zur Band noch was sagen? Ich mag die wech­seln­den Instru­men­te, von der Sei­te sehe ich nicht genau, wer wann singt. Spä­ter sagt man mir, der Sän­ger hät­te auch getrom­melt. Ich muss an Phil Coll­ins den­ken, erschie­ße mich aber inner­lich dafür. Was für eine Band! Die­se fol­ki­ge Melan­cho­lie, die­se hol­zi­ge Eupho­rie. Gän­se­haut, Trä­nen in mei­nen Augen. Und zack: vor­bei.

Als Bei­rut fol­gen ver­su­che ich, einen akus­ti­schen Fil­ter in mei­nem Kopf zu for­men, der aus Bei­rut wie­der Mum­ford & Sons macht. Gelingt mir nicht, aber Bei­rut sind auch klas­se. Viel­leicht etwas undank­bar, die armen hin­ter die­ser Kra­cher­band auf die Büh­ne zu schi­cken.

Aber abge­se­hen davon: ein wirk­lich aus­ge­las­se­ner Frei­tag auf dem Hald­ern Pop. Für mich per­sön­lich noch von der Tat­sa­che ver­edelt, dass ich auf dem Boden 20 „Pop­ta­ler“ fin­de, die Hald­er­ner Wäh­rung für die Geträn­ke. Wenn man den Pfand für sich selbst abzieht (und den scheiß Becher nicht ver­liert), kann man gut und ger­ne 9 Bier dafür ein­tau­schen. Hur­ra.

Haldern Pop 2010

SAMSTAG
Dies­mal gehen wir eher auf das Gelän­de, weil wir ger­ne Por­tu­gal. The Man sehen möch­ten. Schaf­fen wir sogar. Tol­le Band, sind an die­sem Tag aber sehr Riff-las­tig. Ich selbst has­se ja Riffs, weil ich so ein schlech­ter Gitar­rist bin und mir beim zuhö­ren immer die Noten in den Kopf flie­gen und mich dar­an erin­nern, dass ich üben soll­te. Mach ich viel­leicht mal. Der Auf­tritt macht auf jeden Fall Spaß und Sophie hat Sei­fen­bla­sen­zeugs dabei, wel­ches wir ein­set­zen. Und – oh natur­be­las­se­nes Hald­ern Pop – eine majes­tä­ti­sche Libel­le lässt sich neben der Bass­box nie­der, wäh­rend ein Secu­ri­ty-Mit­ar­bei­ter die Unter­sei­te sei­ner Arme in die Son­ne hält. Nicht aus Freu­de am Bräu­nen, son­dern aus gesund­heit­li­chen Grün­den: Die Ober­sei­te sieht schon genieß­bar aus. Mög­li­cher­wei­se hat der Geruch die Libel­le ange­lockt.

Sophie und ich schaf­fen bei Ever­y­thing Ever­y­thing im Spie­gel­zelt wie­der nur das letz­te Lied. Aber auch die­se Band schafft es, mich mit dem letz­ten Lied kom­plett zu über­zeu­gen. Das Del­phic-Phä­no­men. Scheiß Name, gei­le Band. Ich ärge­re mich, dass ich nie das letz­te Lied von Ost­zo­nen­sup­pen­wür­fel­ma­chen­krebs gese­hen habe.

Irgend­wann dann The Low Anthem im Spie­gel­zelt. Ich habe inzwi­schen einen toten Punkt erreicht und fin­de, dass die Band klingt wie das Simon & Gar­fun­kel Album, das ich manch­mal im Auto höre. Ich schla­fe im Ste­hen ein. Das wirkt repekt­los, soll aber die Band nicht schmä­lern. Coun­try­es­quer Folk. Oder sowas. Naja, ich brau­che fri­sche Luft und hän­ge drau­ßen rum. Hier und da wie­der bekann­te Gesich­ter: Sven, ein Foto­graf aus Bochum, Ger­rit natür­lich („Tom­my, spä­ter aber Fotos, ne?“), Manu­el von den Wed­ges. Ein biss­chen wie ein klei­nes Dorf. Hier soll­te man kei­ne Dumm­hei­ten machen, da weiß jeder gleich Bescheid. Und dann tuscheln die Nach­barn.

Efter­klang wer­den mir als Sigur-Rós-Ver­schnitt schmack­haft gemacht, ent­täu­schen aber in die­ser Hin­sicht gewal­tig. Das ist das Pro­blem mit gro­ßer Erwar­tungs­hal­tung: Mit die­ser Band wer­de ich heu­te nicht mehr warm. Ich nut­ze mei­ne letz­ten Fund-Pop­ta­ler und gebe eine Run­de. Chris­toph hat von sei­ner Oma 50 Euro Taschen­geld mit­be­kom­men!!! Obwohl das einen tie­fen Ein­griff in die adul­te Selbst­ver­sor­gungs­pflicht dar­stellt. Er weiß um sei­nen Stel­len­wert als Grup­pen­be­treu­er und kauft davon Pop­ta­ler. Als ihm klar wird, dass er davon weder Essen noch sonst­was, son­dern nur Bier und Wein kau­fen kann, ist es bereits zu spät. Der Pop­ta­ler ist wie das Spiel­geld in Dis­ney­land, er regt zum Kon­sum an.

Und dann end­lich irgend­wann: The Natio­nal. Erst den­ke ich, dass da irgend­was Inter­pol-ähn­li­ches auf mich zukommt, aber schnell wird klar, dass die­se Band kom­ple­xer ist. Irgend­wie muss ich zwar die gan­ze Zeit an Depe­che Mode den­ken, wor­an der Gesang sei­nen Anteil hat, aber das wür­de der gan­zen Sache nicht gerecht. Denn The Natio­nal klin­gen tat­säch­lich sehr eigen und inter­es­sant, rocken außer­dem wie Höl­le und haben eine unglaub­lich stim­mungs­vol­le Light­show. Marie regt sich spä­ter dar­über auf, weil ihr das natür­lich die bes­ten Fotos ver­saut: Immer irgend­ein scheiß Licht in der Kame­ra­lin­se. Mir ist das egal, ich muss ja nur gucken und glot­zen. Wahr­schein­lich star­re ich inzwi­schen schon, wenn ich trin­ke wer­de ich immer zum Star­rer, da ich ver­ges­se zu blin­zeln. Bei die­ser Band soll­te man die Augen sowie so nicht schlie­ßen, nicht mal für eine Nano­se­kun­de.

Inzwi­schen sind die letz­ten Pop­ta­ler bestim­mungs­ge­mäß ver­braucht und eine gewis­se Fes­ti­val­me­lan­cho­lie macht sich breit: Wir haben die letz­te Band auf der Haupt­büh­ne gese­hen. Jetzt ins Spie­gel­zelt? Undenk­bar. Der har­te Kern unse­rer Rei­se­grup­pe, Chris­toph, Rosa, Sophie, Marie und ich, geht zum Zelt­platz und lässt den Abend gebüh­rend aus­klin­gen: Wir sin­gen 90er Jah­re Plas­tik­pophits von East 17 und Take That. Weil wir uns näm­lich nicht zu fein sind, zu erken­nen, dass das in der Retro­spek­ti­ve auch schö­ne Musik sein kann. Und dann packt Sophie ihr Han­dy aus und spielt die Musik ab, die mich danach nicht mehr los­ge­las­sen hat, mas­si­ver als eine der Bands von den Büh­nen: Oh, Napo­le­on. Iro­nie des Schick­sals. Vor zwei Tagen noch am Zelt­platz gese­hen und trotz­dem vor­her gar nicht rein­ge­hört. Man sagt ja oft „Die Band kenn‘ ich!“ und meint „…vom Namen.“ Ich auf jeden Fall: begeis­tert und ver­stört, weil die doch noch so jung sind und die Sän­ge­rin da Sachen raus­haut wie ein alter Hase

Der nächs­te Mor­gen bringt den ers­ten grau­en Tag. Ist aber auch egal, weil wir jetzt packen und heim­wärts fah­ren. Ich den­ke dar­über nach, den her­aus­ra­gen­den Son­nen­schein der Hald­er­ner Tage als gutes Omen zu deu­ten, dann fällt mir aber ein, dass ich an so einen Hokus Pokus nicht glau­be. Manch­mal, ganz sel­ten, stim­men eben alle umge­ben­den Fak­to­ren so über­ein, dass für ein paar Tage alles per­fekt ist.


Tom­my Fin­ke ist 29 Jah­re alt, Musi­ker und lebt in Bochum. Im Febru­ar ist sein Album „Poet der Affen /​ Poet of the Apes“ erschie­nen.

Für Cof­fee And TV hat er das Hald­ern Pop 2010 besucht und sei­ne Ein­drü­cke von Zelt­platz, See und Fes­ti­val auf­ge­schrie­ben. Die Namen der Mit­rei­sen­den wur­den dafür geän­dert.

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Unterwegs Musik

Haldern Pop 2010 – A place to come home to

„That will lite­ral­ly blow your mind“ sag­te Fyfe Dang­er­field wäh­rend sei­nes Auf­tritts im Spie­gel­zelt am Don­ners­tag, als er sich an sein Key­board setz­te. Wie viel Wahr­heit in die­sem Satz vor allem im Bezug auf die Erleb­nis­se des Fes­ti­val­wo­chen­en­des ste­cken wür­de, konn­te ich noch gar nicht ahnen.

Seit 2001 in regel­mä­ßi­gen Abstän­den beim Hald­ern Pop Fes­ti­val gewe­sen gab es in jedem Lin­e­up min­des­tens vier Bands, die ich unbe­dingt sehen woll­te, doch in die­sem Jahr war es anders: Ich kann­te viel­leicht 50% der gebuch­ten Acts, ledig­lich zwei stan­den auf mei­ner „unbe­dingt angucken!“-Liste. Trotz­dem kein Grund, nicht hin­zu­fah­ren – in Hald­ern stimmt eben das Gesamt­pa­ket, selbst wenn das Wet­ter schlecht ist. Und am Ende hat man eini­ge neue Bands auf sei­ner Favo­ri­ten­lis­te, die da vor­her nicht gestan­den haben. Dies war auch in die­sem Jahr so.

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Musik Unterwegs

Tag 8: Halle

Die­ser Ein­trag ist Teil 9 von bis­her 9 in der Serie Das Simon den Hart­blog

Foto­gen

Das war’s. Tour vor­bei. Das Abschluss­kon­zert wur­de ges­tern im Objekt 5 in Hal­le gege­ben, ein wirk­lich foto­ge­ner Club. Foto­gen waren hier auch wie­der die Bands, die trotz, oder viel­leicht erst gera­de durch den in Ber­lin davon­ge­tra­ge­nen Gehirn­zel­len­ver­lust noch ein­mal bril­lan­te Shows lie­fer­ten.

So sollte die Bühne eines Musik-Clubs aussehen.
So soll­te die Büh­ne eines Musik-Clubs aus­se­hen.

Als ich Simon nach der Show fra­ge, ob er mit der Tour zufrie­den sei, ant­wor­tet er “Oh ja, sehr.“

Vor dem Radiointerview wirken alle äußerst nervös...
Vor dem Radio­in­ter­view wir­ken alle äußerst ner­vös…
Christian reagiert auf mein ihm zugerufenes HEY.
Chris­ti­an reagiert auf mein ihm zuge­ru­fe­nes HEY.
Ideal Standard.
Ide­al Stan­dard.

Ob alle glück­lich und zufrie­den sind, zeigt sich an der Bereit­schaft noch eine Woche dran­zu­hän­gen. Des­halb bin ich hoch erfreut, ges­tern Abend ziem­lich häu­fig “Och, ich könn­te noch ein paar Tage…“ gehört zu haben. An Hor­se kom­men im Juni für ihre eige­ne Club-Tour nach Deutsch­land und alle freu­en sich auf ein Wie­der­se­hen. Ich habe den Ein­druck, die Pfer­de sind ein wenig über­rascht, wie herz­lich und gast­freund­lich sie über­all emp­fan­gen wur­den.

An Horse.
An Hor­se.

Ich aber fra­ge mich, wor­über schrei­be ich mor­gen. Ich hat­te mir schon über­legt mir ein­fach wei­te­re Kon­zer­te von Simon aus­zu­den­ken und einen ima­gi­nä­ren Blog wei­ter­zu­füh­ren. Für euch stellt sich jetzt natür­lich die Fra­ge, ob die Kon­zer­te in Ber­lin und Hal­le über­haupt statt­ge­fun­den haben…

Auch für uns ist nach dem Spiel vor dem Spiel. Simon den Har­tog und Band geben ihr nächs­tes Kon­zert am 14. Mai in der Werk­statt in Köln.

Simon den Hartog und Band.
Simon den Har­tog und Band.

Mei­ne Bade­wan­ne schreit mei­nen Namen lau­ter denn je. Ich wer­de ihre Rufe erhö­ren und im hei­ßen Schaum von der nächs­ten Tour­nee träu­men.

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Musik Unterwegs

Tag 6: Osnabrück

Die­ser Ein­trag ist Teil 7 von bis­her 9 in der Serie Das Simon den Hart­blog

Klei­ne Frei­heit

Wir über­que­ren gera­de die ehe­ma­li­ge Deutsch-Deut­sche Gren­ze. Auch wenn die Gren­ze seit über 20 Jah­ren nicht mehr exis­tiert, wirkt die Grenz­sta­ti­on der Tran­sit­stre­cke immer noch gru­se­lig. Man hat die gan­ze Zeit das Gefühl etwas Ver­bo­te­nes zu tun und gleich dabei erwischt zu wer­den. Aus der Grenz­sta­ti­on
einen schi­cken grau­en Rast­hof zu machen hat auch nicht viel gehol­fen.

Ges­tern waren wir in Osna­brück in der klei­nen Frei­heit, ein lie­be­voll ein­ge­rich­te­ter Club mit­ten im indus­tri­el­len Nir­gend­wo. Die traum­haf­te Strand­bar des Clubs und ton­nen­wei­se Sand kön­nen bei 4 Grad aber nicht von unse­ren dicken Jacken ablen­ken.

Sekun­den vor ihrem Auf­tritt hät­te ich Kate und Damon von An Hor­se fast im Back­stage-Raum ein­ge­sperrt. Eigent­lich hab ich sie sogar ein­ge­sperrt, wur­de bei mei­ner nie­der­träch­ti­gen Sabo­ta­ge aber zum Glück von einem wach­sa­men Mit­ar­bei­ter erwischt.

Einmal Schlagzeuger, immer Schlagzeuger...
Ein­mal Schlag­zeu­ger, immer Schlag­zeu­ger…

In Osna­brück pas­siert es dann end­lich, das ers­te Simon den Har­tog und Band Kon­zert mit der von uns seit Tagen erwar­te­ten Abstemp­lung und Schub­la­den­ein­sor­tie­rung. “Die Kili­ans klin­gen wie die Strokes und Simon den Har­tog klingt wie die Strokes in lang­sam.“ Und die­ser Aus­sa­ge kann ich nur recht geben, immer wenn ich Lip­stick Jungle höre, – zur eige­nen Mei­nungs­bil­dung zu hören auf Simons Sei­te – muss ich sofort an die Strokes den­ken, nur eben irgend­wie in lang­sam.

Christoph und Dominic freuen sich auf eine weitere endlose Stunde im Bus.
Chris­toph und Domi­nic freu­en sich auf eine wei­te­re end­lo­se Stun­de im Bus.

Noch 170 Kilo­me­ter bis Ber­lin, Hotel­zim­mer wur­den abbe­stellt, Par­ty­pro­gramm­pla­nun­gen in Auf­trag gege­ben. Es ist Wochen­en­de und wir mögen Ber­lin, hof­fent­lich mag Ber­lin uns auch. Wenn nicht, krie­chen wir heim­lich ins Dop­pel­zim­mer von An Hor­se und wer­den wie treue Fifis am Fußen­de ihres Bet­tes
unse­ren Rock’n’Rausch aus­chla­fen…

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Tag 5: Düsseldorf

Die­ser Ein­trag ist Teil 6 von bis­her 9 in der Serie Das Simon den Hart­blog

Mitt­woch, 7. April 2010

Heim­spiel

Wir sit­zen im son­ni­gen Bier­gar­ten und unser Tour­ma­na­ger run­zelt die Stirn, man sieht Zahn­rä­der in sei­nem Kopf mah­len und er starrt auf den Bild­schirm sei­nes Lap­tops, als wäre es das Auf­ga­ben­blatt einer Mathe-Klas­sen­ar­beit. Der Grund: Die Gäs­te­lis­te ist zu lang. Kein Wun­der, denn heu­te ist Heim­spiel. Kei­ner von uns wohnt in Düs­sel­dorf, doch Düs­sel­dorf ist die­je­ni­ge Stadt die­ser Tour, die unse­ren Hei­mat­städ­ten am nächs­ten liegt. Des­halb wird es auch nicht lan­ge dau­ern, bis es hier von Freun­den von uns und Band­kum­pa­nen ande­rer Musik­for­ma­tio­nen Simon den Har­togs wim­melt. Da wirkt die Band direkt viel ner­vö­ser, denn heu­te gilt es zu glän­zen, sonst muß man sich die nächs­ten fünf Jah­re auf jeder drit­ten Par­ty den Schwank über das legen­dä­re Düs­sel­dor­fer Kon­zert anhö­ren, über von der Büh­ne fal­len­de Sän­ger, vom Hocker fal­len­de Schlag­zeu­ger, aus der Rol­le fal­len­den Bas­sis­ten, Tas­ten­hei­nis und Gitar­ris­ten. Die waren wie­der mal alle zu besof­fen, heißt es dann wie­der, und meis­tens stimmt das ja auch. Aber besof­fen oder nüch­tern, ges­tern wur­de geglänzt, kei­ner fiel von irgend­was oder gar aus der Rol­le.

Sonnige Band im sonnigen Düsseldorf.
Son­ni­ge Band im son­ni­gen Düs­sel­dorf.

Schön, wenn man sei­nen Liebs­ten mal zei­gen kann, was man den Rest der Woche über eigent­lich so treibt.
Des­halb ist das Heim­spiel für den Sound­mann auch etwas ganz beson­de­res. In der Hei­mat wird der Sound­mann näm­lich auch von hüb­schen Mädels umringt, als wäre er der Sän­ger und das Misch­pult sei­ne Büh­ne.

So kam es dann auch, dass ich ange­schwips­te Mäd­chen mit 300 PS zurück nach Köln kut­schie­ren durf­te. Böse Zun­gen behaup­ten, ich wäre der pas­sivs­te Auto­fah­rer der Welt und wahr­schein­lich haben sie recht. Anders kann ich mir die “drück drauf“- und “gib doch mal Gas“-Sprüche mei­ner Hoch­ge­schwin­dig­keits­bei­fah­re­rin­nen nicht erklä­ren.

Natür­lich hab ich mal wie­der den größ­ten aller Tour­feh­ler began­gen: Beim Ver­las­sen der Woh­nung das Bett abge­zo­gen, aber nicht frisch bezo­gen. Natür­lich ist das letz­te was man nach fünf anst­re­gen­den Tour-Tagen machen möch­te, sein Bett bezie­hen. Dann ist stun­den­lan­ges Rum­gam­meln vor­pro­gram­miert, bis die Müdig­keit die Faul­heit besiegt.

Auch wenn mor­gen der Beginn der Rück­run­de beson­ders hart wird, da ich mein gelieb­tes Bett, mei­ne Kaf­fee­ma­schi­ne und mei­ne Bade­wan­ne nach die­sem kur­zen Inter­mez­zo wie­der zurück­las­sen muss, freue ich mich sehr auf die rest­li­chen drei Shows. Zunächst geht es nach Osna­brück in die klei­ne Frei­heit. Übri­gens für den Schlag­zeu­ger Chris­toph das nächs­te Heim­spiel, der war hier näm­lich aufm Gym­mi…

Der Soundmann. Nicht im Bild: Hübsche Mädchen.
Der Sound­mann. Nicht im Bild: Hüb­sche Mäd­chen.