Kategorien
Digital Gesellschaft

„Sie übergibt sich!“

Natür­lich kann man es bescheu­ert fin­den, dass Online­me­di­en wie „Spie­gel Online“ oder n‑tv.de ges­tern die Push-Funk­ti­on ihrer Smart­phone-Apps benutz­ten, um ihre Leser dar­über zu infor­mie­ren, dass der Her­zog und die Her­zo­gin vom Cam­bridge (auch bekannt als „Prin­ce Wil­liam und Her­zo­gin Kate“) Nach­wuchs erwar­ten. Aber, mein Gott: Die Euro­kri­se scheint nie enden zu wol­len, im Nahen Osten hat sich die Lage gera­de erst wie­der ein biss­chen beru­higt und in zwei­ein­halb Wochen geht die Welt unter – da kann die Nach­richt von der nahen­den Geburt eines Men­schen, noch dazu in der Advents­zeit, doch für einen Moment mal ein wär­men­des Licht in die kal­te Dun­kel­heit wer­fen.

Der Wahn­sinn ist ohne­hin woan­ders zuhau­se. Nicht bei der „Sun“, die mit „Kate Expec­ta­ti­ons“ einen Über­schrif­ten-Voll­tref­fer lan­de­te, nicht in „Bild“, wo Alex­an­der von Schön­burg über Zeu­gungs­ort und ‑zeit­punkt spe­ku­lier­te, ver­mut­lich nicht ein­mal im Sat.1‑Frühstücksfernsehen, obwohl ich das aus pani­scher Angst vor Sibyl­le Wei­schen­berg gar nicht erst ein­ge­schal­tet habe.

Es dürf­te in jedem Fall schwer wer­den, den Arti­kel zu über…, unter… Es dürf­te schwer wer­den, irgend­et­was zu fin­den, was mit dem Arti­kel von Hel­mut-Maria Glog­ger auf „Focus Online“ ver­gleich­bar wäre. Und da möch­te ich Trips auf syn­the­ti­schen Dro­gen durch­aus mit ein­rech­nen.

Schon der ers­te Absatz ist Poe­sie:

„Die Welt inter­es­siert sich nur für mei­nen Bauch“, lächelt Cathe­ri­ne, Duch­es­se of Cam­bridge, Ehe­frau von Prinz Wil­liam. Und ver­wei­gert bei ihrem Besuch bei der Unicef in Kopen­ha­gen die gereich­te Erd­nuss­pas­te – wor­auf ihr Spre­cher ver­kün­det: „Die Her­zo­gin ist nicht all­er­gisch auf Erd­nüs­se.“

Auf die­sen Zwi­schen­fall, der medi­al durch­aus groß­zü­gig ven­ti­liert wur­de, wird der Text im Fol­gen­den nicht mehr ein­ge­hen. Scha­de, hat­te die Her­zo­gin (oder „Duch­ess“, wenn’s schon Eng­lisch sein soll) ihrem Mann laut Berich­ten doch einen „wis­sen­den Blick“ zuge­wor­fen und hat­ten Ärz­te und Gesund­heits­exper­ten schwan­ge­re Frau­en doch schon „lan­ge gedrängt“, sich von Erd­nüs­sen und ihren Neben­pro­duk­ten fern zu hal­ten, „um All­er­gien zu ver­mei­den“. Aller­dings ist die Epi­so­de inzwi­schen auch schon 13 Mona­te her, sie steht also – nach allem was wir über die mensch­li­che Schwan­ger­schaft wis­sen – in kei­nem direk­ten Zusam­men­hang zur gest­ri­gen Bekannt­ma­chung.

Einen gan­zen Absatz ver­wen­det Glog­ger dar­auf, vor­geb­lich kennt­nis­reich zu beschrei­ben, wo sich Her­zo­gin Kate nicht über­gibt: Nicht im Cot­ta­ge auf der „kar­gen Insel Ang­le­sey vor der Küs­te von Wales“, nicht im „Not­ting­ham Cot­ta­ge“, „dem als ‚Nott Cott‘ bekann­ten Gar­ten­ge­bäu­de beim Ken­sing­ton Palace“ mit diver­sen Räu­men, die Glog­ger natür­lich auf­zählt – nicht ohne zu erwäh­nen, dass Wil­liams Mut­ter Dia­na „bis zu ihrem Tod“ im Haupt­haus (also, welch Zufall, auch nicht im Cot­ta­ge!) leben durf­te. Und zwar „in den Apart­ments 8 und 9“!

Dann klärt Glog­ger end­lich auf, wo sich die Her­zo­gin denn statt­des­sen über­ge­be – und sei­ne Detail­be­ses­sen­heit nimmt Aus­ma­ße an, die man sonst nur aus den Land­schafts­be­schrei­bun­gen von Mit­tel­er­de kennt:

Cathe­ri­ne liegt seit Mon­tag mit „sehr hef­ti­ger Übel­keit“ im pri­va­ten „King Edward VII’s Hos­pi­tal“ an der Lon­do­ner Beau­mont Street. Das unter der Tele­fon-Num­mer +44 (0) 20 7486 4411 erreich­bar ist – ein Durch­stel­len zu den Gynä­ko­lo­gen Dr. Alfred Cut­ner, Dr. Arvind Vas­hist oder Dr. Jona­than Dow­ler ist aller­dings lei­der nicht mög­lich.

Man hät­te hier erwäh­nen kön­nen, dass es ja auch bei „Dr. House“ mal einen Dr. Kut­ner gege­ben habe, der aller­dings nicht mit „C“ geschrie­ben wur­de, mit Vor­na­men Law­rence und nicht Alfred hieß und auch nicht Gynä­ko­lo­ge, son­dern Dia­gno­se­spe­zia­list war, aber Glog­ger ent­schei­det sich gegen die an die­ser Stel­le schon nicht mehr völ­lig abwe­gig erschei­nen­de Abzwei­gung und fährt fort:

Dass das Hos­pi­tal, in dem die „leicht“ schwan­ge­re Cathe­ri­ne auf­ge­päp­pelt wird, aus­ge­rech­net den Namen des bri­ti­schen „Bor­dell­kö­nigs“ Edward VII. trägt? Ein gutes Omen? Gute Fra­ge!

Sich selbst zur eige­nen rhe­to­ri­schen Fra­ge zu beglück­wün­schen, ist doch sicher eine außer­ge­wöhn­li­che sti­lis­ti­sche Spie­le­rei, oder? Ich bin froh, dass ich das anspre­che!

Glog­ger ist auch froh, dass er das The­ma so ele­gant auf Edward VII. hat brin­gen kön­nen, denn wie die Autoren­zei­le erklärt, erscheint 2013 sein Buch „Der Bor­dell­kö­nig: Edward VII.“ und des­we­gen dür­fen Sie ein­mal raten, wor­über er in den nächs­ten Absät­zen refe­riert (klei­ner Tipp: eine „kup­fer­ro­te Bade­wan­ne“ und ein „ ‚Lie­bes­stuhl‘ für die Ména­ge-à-trois“ kom­men auch drin vor).

„Cloud Atlas“-gleich ver­webt Glog­ger nun die ver­schie­de­nen Epo­chen mit­ein­an­der:

Am Toten­bett des Mon­ar­chen stand Ali­ce Kep­pel. Genau: die Urgroß­mutter von Camil­la. Die der Ehe­frau des heu­ti­gen Thron­fol­ger Charles fol­gen­den Satz ver­erb­te: „Erst der Hof­knicks – dann ab ins Bett!“

Her­zo­gin Kate, Ver­zei­hung: Cathe­ri­ne sei anders, fährt Glog­ger fort:

Cathe­ri­ne ist anders, kein Prin­ce-Grou­pie, mit ihren 30 Jah­ren eine Frau, die selbst als allein erzie­hen­de Mut­ter ihren Weg gehen kann! Cathe­ri­ne hat einen Mas­ter of Arts, hat Aus­sicht auf ein Drit­tel der Mil­lio­nen abwer­fen­den Scherz­ar­ti­kel-Fir­ma ihrer Mut­ter, die von Fest­ge­schirr, Bal­lo­nen, Deko-Schlan­gen bis Klei­dung und Kuchen alles anbie­tet.

Mit „Prin­ce-Grou­pie“ bezieht sich Glog­ger natür­lich nicht auf den Pop­star der 1980er Jah­re, mit „Scherz­ar­ti­kel“ mut­maß­lich auch nicht auf sei­nen eige­nen Text, den er auf Sei­te 2 mit Begrif­fen wie „vir­go int­ac­ta“ („Jung­frau“) und „pied-à-terre“ („800 000 Pfund“, sonst nicht näher erklärt) würzt.

Und mit wei­te­rem Detail­wis­sen:

Eine Schwan­ger­schaft, die in Buck­le­bu­ry von Brief­trä­ger Ryan Nay­lor eben­falls wie von Dorf­metz­ger Mar­tin Fid­ler, auf den Bän­ken und Stüh­len in Johns Pub in Buck­le­bu­ry heu­te, mor­gen und über­mor­gen garan­tiert kräf­tig begos­sen wird.

Soll­te Glog­ger für die­se Namens­nen­nun­gen extra nach Buck­le­bu­ry gefah­ren sein, so wäre dies zumin­dest nicht nötig gewe­sen. Aber viel­leicht hat er dort die Glas­ku­gel gefun­den, in die er nun schaut:

Kates jün­ge­re Schwes­ter Pip­pa wird den neu­en Sta­tus ihrer Schwes­ter nut­zen – um viel­leicht doch noch einen rei­chen Erben zu frei­en. Cathe­ri­nes Bru­der James wird künf­tig – selbst stock­be­sof­fen – auf das Tra­gen von Frau­en­klei­dern ver­zich­ten.

Glog­gers Zukunfts­vi­sio­nen sind erstaun­lich klar, nur erklä­ren sie an die­ser Stel­le auch nichts mehr.

Er ist näm­lich inzwi­schen dazu über­ge­gan­gen, zu erklä­ren, dass mit Cathe­ri­ne „wie­der eine ’nor­ma­le‘ Schwan­ge­re ins Leben der Wind­sors“ kom­me. Und das sei ja nicht immer so gewe­sen, denn „schwan­ger zu wer­den von einem Wind­sor war selbst für ange­trau­te Damen nicht ein­fach“. (Die For­mu­lie­rung „selbst für ange­trau­te Damen“ ergibt ange­sichts der Tat­sa­che, dass Glog­ger vor­her noch groß über die Ent­sor­gung von „Bas­tards“ doziert hat­te, auch nicht wirk­lich Sinn, aber: hey!)

Glog­ger refe­riert also, dass Queen Mum und ihr Mann „auf den Rat ihres Arz­tes Dr. Lane Phil­lips“ ein­ge­wil­ligt habe, es mit künst­li­cher Befruch­tung zu ver­su­chen, was zum „Ergeb­nis“, Köni­gin Eliza­beth II, geführt habe.

Dann wird es voll­ends spe­zi­ell:

Erin­nern wir uns an den Abend des 6. Febru­ar 1981.

Ooo­kay …

Der könig­li­che Gynä­ko­lo­ge berich­tet Köni­gin Eli­sa­beth II., dass Lady Dia­na Spen­cer zwar noch „vir­go int­ac­ta“ ist, aber kei­ne Kai­se­rin Sora­ya ist – also sehr wohl fähig zu einer Schwan­ger­schaft. Wor­auf Prinz Charles via Sekre­tär das Kin­der­mäd­chen der St-Saviour-Kir­che im Stadt­teil Pim­li­co in sein Zwei-Zim­mer-Quar­tier im drit­ten Stock des Buck­ing­ham-Palasts rufen lässt. Dia­na fin­det mit ihrem Mini Metro die Pri­vat­ein­fahrt zum Buck­ing­ham-Palast nicht. Ein Tor­wäch­ter hilft ihr.

Yeah. Wha­te­ver …

Laut der Fach­bi­bel „Burke’s Peera­ge and Gen­try“ sind Wil­liam und Cathe­ri­ne angeb­lich Cou­sins sieb­zehn­ten Gra­des. Eine Inzest-Gefahr, gepaart mit dem Gen der Blu­ter­krank­heit, ist aller­dings nicht gege­ben.

Will you plea­se stop it?

Die Gefahr, dass das Kind von Cathe­ri­ne und Wil­liam ein „typisch bri­ti­scher König“ wird, ist gering. Obwohl sich in der Geschich­te des Königs­hau­ses vie­le fin­den: debi­le Säu­fer, schwach­sin­ni­ge Stot­te­rer, Lal­ler, unge­wa­sche­ne Prin­zes­si­nen, homo­se­xu­el­le Opi­um-Rau­cher, ner­vös Zucken­de, Sado-Maso­chis­ten, Mör­der, Frau­en, die eher Män­ner, Män­ner, die eher Frau­en waren – Fuß-Feti­schis­ten, Fla­gel­lan­ten und medi­zi­nisch erklär­te Wahn­sin­ni­ge.

Zom­bies! Ali­ens! Vam­pi­re! Dino­sau­ri­er!

Nach­dem Glog­ger den Leser noch dar­über infor­miert hat, dass Prin­ce Charles „sei­ner Frau Dia­na gera­de mal 17 gemein­sa­me Näch­te zuge­stand“ (ob er, Glog­ger, mit sei­nem Notiz­block auf dem – sicher­lich staub­frei­en – Boden unter dem könig­li­chen Bett dabei war, lässt er lei­der offen), kommt er zum Schluss.

Also ganz zum Anfang zurück:

Eine künf­ti­ge Köni­gin ist schwan­ger! Sie über­gibt sich! Und ein künf­ti­ger König ist dabei. Das hat es in der über 1000-jäh­ri­gen Geschich­te der bri­ti­schen Mon­ra­chie (sic!) noch nie gege­ben!

Einen sol­chen Arti­kel sicher­lich auch nicht!

Kategorien
Musik Unterwegs

Luki Waits

Ich hab das Gefühl, ich hab das alles schon tau­send­mal erzählt:

Wie ich 1999, als ich Ben Folds Five gera­de für mich ent­deckt hat­te, nicht zur „Rol­ling Stone Road­show“ gefah­ren bin, weil ich dach­te, die Band wür­de schon dem­nächst mal wie­der nach Deutsch­land kom­men. Und wie sich die Band dann ein Jahr spä­ter auf­ge­löst hat­te.

Wie im Jahr 2001 das ers­te (offi­zi­el­le) Solo­al­bum von Ben Folds erschien und ich das Release­da­te schon Mona­te vor­her groß im Kalen­der mar­kiert hat­te: den 11. Sep­tem­ber.

Wie ich an einer Online-Peti­ti­on teil­nahm, die Ben Folds mit sei­nen dama­li­gen Begleit­mu­si­kern im Jahr 2005 end­lich wie­der nach Deutsch­land brach­te.

Wie Ben Folds Five im Sep­tem­ber 2008 tat­säch­lich ein ein­zel­nes Reuni­on-Kon­zert spiel­ten, das blö­der­wei­se in Cha­pel Hill, NC statt­fand. Und wie sie dann im ver­gan­ge­nen Jahr doch noch ankün­dig­ten, wie­der zusam­men ein Album auf­zu­neh­men und auf Tour zu gehen.

„The Sound Of The Life Of The Mind“ ist tat­säch­lich ein sehr gutes Album gewor­den, nicht nur gemes­sen an mei­nen (zuge­ge­be­ner­ma­ßen sehr nied­ri­gen) Erwar­tun­gen und mei­nem Fan­dom, son­dern ein­fach ein sehr gutes Album. Im Som­mer waren die ers­ten Fes­ti­val-Auf­trit­te der wie­der­ver­ein­ten Band auf You­Tube zu sehen, dann kamen die Tour-Ter­mi­ne raus – auf denen Deutsch­land fehl­te. Aber nach 13 Jah­ren War­ten haben Län­der­gren­zen, Kos­ten und abwe­gi­ge Ideen völ­lig ihre Bedeu­tung ver­lo­ren, so dass ich mir nur noch Beglei­tung suchen muss­te und dann Flug nach, Hos­tel in und Kon­zert­ti­ckets für Man­ches­ter gebucht habe.

Ben Folds Five im O2 Apollo Manchester

Man­ches­ter ist kei­ne Stadt, die einen mit Schön­heit über­wäl­tigt. Mit Häss­lich­keit aller­dings auch nicht. Je mehr ich in Deutsch­land und der Welt rum­kom­me, des­to mehr ver­schwim­men all die­ses Städ­te sowie­so vor mei­nem geis­ti­gen Auge zu einer bzw. zwei­en – einer deut­schen und einer inter­na­tio­na­len. In der inter­na­tio­na­len gibt es dann Läden wie HMV und Waterstone’s und in ihren Super­märk­ten kann man HP Sau­ce und Scho­ko­la­de von Cad­bu­ry kau­fen und was braucht der Mensch eigent­lich mehr?

Außer­dem waren wir ja eh pri­mär aus einem Grun­de in der Stadt. Ich war in den Tagen vor dem Kon­zert nicht auf­ge­regt, es war nicht so wie als Teen­ager, als ich Tage vor­her nur noch die CDs der auf­tre­ten­den Bands gehört habe und mit Herz­klop­fen in den Zug gestie­gen bin, selbst wenn es zum Kon­zert von Slut nach Dort­mund ging. Aber in der Nacht vor dem Kon­zert habe ich dann doch von zwei Ben-Folds-Five-Songs geträumt. So was war mir noch nie pas­siert.

Viel zu früh stan­den wir letzt­lich vor den noch ver­schlos­se­nen Toren des O2 Apol­lo, das sich gro­ße Mühe gege­ben hat­te, die tat­säch­li­chen Zeit­punk­te für Ein­lass und Kon­zert­be­ginn geheim zu hal­ten. Eine wei­te­re Stun­de fiel der Vor­band und Umbau­pau­se zum Opfer: Ich habe vor Ben Folds‘ Solo­kon­zer­ten bis­her immer nur Acts gese­hen, die bes­ten­falls okay waren, häu­fig auch sehr spe­zi­ell. Aber so anstren­gend wie Bit­ter Ruin war tat­säch­lich noch kei­ner von ihnen gewe­sen. Aber was sind 25 Minu­ten Gekrei­sche gegen 13 Jah­re?

Gut. Die­se ver­damm­ten 13 Jah­re bedeu­te­ten natür­lich auch, dass ich mir vor­her schon sicher sein konn­te, dass das Kon­zert mei­ne Erwar­tun­gen nicht wür­de erfül­len kön­nen. Also: Mei­ne Erwar­tun­gen von damals. Heu­te hat­te ich ja irgend­wie kei­ne mehr. Als Ben Folds, Robert Sledge und Dar­ren Jes­see die Büh­ne betra­ten, war das dann auch kein „Endlich!“-Moment mehr. Es war ein­fach der Beginn eines Kon­zer­tes. Aber eines guten.

Ben Folds Five im O2 Apollo Manchester

Die Set­list war klug zusam­men­ge­stellt, die Band defi­ni­tiv in Spiel­lau­ne. In ein­zel­nen Momen­ten droh­ten Songs rhyth­misch aus dem Leim zu gehen, obwohl die drei eigent­lich Top-Musi­ker sind, aber die Har­mo­nie­ge­sän­ge waren in jedem Moment gran­di­os und zähl­ten sicher zu Bes­ten, was es in dem Bereich seit Ende der Sech­zi­ger gege­ben hat. ((Ver­ges­sen Sie Mum­ford & Sons, ver­ges­sen Sie Fleet Foxes!)) Neue Songs (gleich sie­ben) wech­sel­ten sich mit alten Hits ab, aus Folds‘ Solo­pha­se gab es nur „Lan­ded“ zu hören, bei dem sich Bas­sist Robert Sledge und Schlag­zeu­ger Dar­ren Jes­see etwas zurück­hal­tend zeig­ten.

Als ich dann „Brick“ zum ers­ten Mal in mei­nem Leben live hör­te, stell­te sich tat­säch­lich ein klei­ner Gän­se­haut­mo­ment ein. So ein gestri­che­ner Kon­tra­bass wirkt qua­si direkt auf die klei­nen Här­chen auf den Armen und im Nacken und das ver­mut­lich schöns­te Lied, das je über eine Abtrei­bung geschrie­ben wur­de, tut natür­lich sein Übri­ges. Bei­na­he erwart­bar impro­vi­sier­ten die Drei spon­tan den Song „Rock This Bitch In Man­ches­ter“, des­sen Text so bescheu­ert war, dass sogar Folds beim Sin­gen lachen muss­te. Und die Blä­ser-Pas­sa­ge aus „Army“ kön­nen auf­merk­sa­me Kon­zert­be­su­cher inzwi­schen natür­lich im Schlaf mit­sin­gen.

Nach 113.976 Stun­den des War­tens und ziem­lich exakt zwei Stun­den Kon­zert war dann Schluss – für Ben-Folds-Ver­hält­nis­se etwas früh, aber – hey! – auch das ist Eng­land. Dann eben kein „Magic“, kein „Phi­lo­so­phy“, „Don’t Chan­ge Your Plans“, „Eddie Wal­ker“, „Lul­la­bye“ oder „Away When You Were Here“, der bes­te Song des neu­en Albums. Es war ein wirk­lich tol­les Kon­zert, aber wirk­lich beson­ders hat es sich für mich dann lei­der doch nicht ange­fühlt. So ist das also, wenn man sich die Spiel­zeug­ei­sen­bahn zum 50. Geburts­tag end­lich selbst kauft.

Am nächs­ten Tag zeig­te sich dann wie­der ein­mal, wie nutz­los das Inter­net sein kann: Wäh­rend wir in Man­ches­ter via Face­book-Time­line aus­führ­lich dar­über infor­miert wur­den, dass die Zeit­schrift „Bri­git­te“ irgend­et­was über Skate­boards geschrie­ben hat­te, ((Leu­te, jetzt mal im Ernst: Get. A. Fuck­ing. Life.)) war irgend­wie völ­lig an uns vor­bei­ge­gan­gen, dass Ben Folds am Mitt­woch sei­ne ein­zi­ge Foto­aus­stel­lung wäh­rend der gesam­ten Tour eröff­net hat­te. In Man­ches­ter. Mit Band. In einer Gale­rie, zwei Blocks vom Hos­tel ent­fernt.

Sto­ry of my life.

Kategorien
Politik

What a difference a day makes

Man hat­te es kaum ver­mei­den kön­nen, mit­zu­be­kom­men, dass Tony Blair die Schlüs­sel zu 10, Dow­ning Street heu­te her­ge­ben wür­de. Auch der Name des Nach­fol­gers war schon län­ger abseh­bar – zumal sich Blair und Gor­don Brown angeb­lich schon vor drei­zehn Jah­ren dar­auf geei­nigt hat­ten.

Das grin­sen­de Segel­ohr bekam vor sei­nem Aus­zug aus der bekann­tes­ten Wohn­adres­se Euro­pas als mög­li­cher­wei­se ers­ter PM über­haupt ste­hen­de Ova­tio­nen zum Abschied. Viel auf­merk­sam­keits­wür­di­ger wirk­te jedoch zunächst das, was heu­te-Mode­ra­to­rin Petra Gers­ter in den 19-Uhr-Nach­rich­ten fal­len ließ:

Der neue bri­ti­sche Pre­mier­mi­nis­ter heißt seit heu­te Gor­don Brown.

Eine spon­ta­ne Recher­che konn­te eine sol­che Namens­än­de­rung jedoch nicht veri­fi­zie­ren. Der Kerl hieß schon immer so. Es muss also wie­der alles auf den unsau­be­ren Umgang mit der deut­schen Spra­che gescho­ben wer­den. Wie lang­wei­lig.