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What a difference a day makes

Man hat­te es kaum ver­mei­den kön­nen, mit­zu­be­kom­men, dass Tony Blair die Schlüs­sel zu 10, Dow­ning Street heu­te her­ge­ben wür­de. Auch der Name des Nach­fol­gers war schon län­ger abseh­bar – zumal sich Blair und Gor­don Brown angeb­lich schon vor drei­zehn Jah­ren dar­auf geei­nigt hat­ten.

Das grin­sen­de Segel­ohr bekam vor sei­nem Aus­zug aus der bekann­tes­ten Wohn­adres­se Euro­pas als mög­li­cher­wei­se ers­ter PM über­haupt ste­hen­de Ova­tio­nen zum Abschied. Viel auf­merk­sam­keits­wür­di­ger wirk­te jedoch zunächst das, was heu­te-Mode­ra­to­rin Petra Gers­ter in den 19-Uhr-Nach­rich­ten fal­len ließ:

Der neue bri­ti­sche Pre­mier­mi­nis­ter heißt seit heu­te Gor­don Brown.

Eine spon­ta­ne Recher­che konn­te eine sol­che Namens­än­de­rung jedoch nicht veri­fi­zie­ren. Der Kerl hieß schon immer so. Es muss also wie­der alles auf den unsau­be­ren Umgang mit der deut­schen Spra­che gescho­ben wer­den. Wie lang­wei­lig.

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So I start a revolution from my bed

Gallagher Lane in San Francisco, CA

Zur Stun­de ist ja bekannt­lich Macht­wech­sel in Groß­bri­tan­ni­en. Das ist an sich schon ganz gro­ßes Kino, gewinnt aber noch mehr Qua­li­tät durch die (natür­lich her­vor­ra­gen­de) news covera­ge von BBC World:

Ein Bei­trag, in dem ein Inti­mus über den desi­gnier­ten Pre­mier­mi­nis­ter Gor­don Brown spricht, wur­de mit dem Intro von „Won­der­wall“ unter­legt, und zum Abschluss gab es dann noch mal die schöns­ten Bil­der aus Tony Blairs zehn­jäh­ri­ger Amts­zeit, unter­legt mit? Na klar: „Don’t Look Back In Anger“.

Und jetzt stel­len wir uns mal vor, ARD und ZDF unter­leg­ten den nächs­ten Regie­rungs­wech­sel in Deutsch­land mit … äh … mit … Ach ver­dammt, der Ver­gleich hinkt dop­pelt …

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Acht- und Sachgeschichten

Ich glaub, ich ver­bring die nächs­ten Tage aus­schließ­lich mit Phoe­nix-Gucken. Das Pro­gramm, das die aus Hei­li­gen­damm sen­den, muss man sich so vor­stel­len, wie wenn ARD und ZDF letz­tes Jahr rund um die Uhr von der Fuß­ball-WM berich­tet hät­ten, aber die Kame­ras nach den Natio­nal­hym­nen hät­ten abschal­ten müs­sen.

Dafür gibt es die gan­ze Zeit Gesprä­che mit Exper­ten, die man sonst nie ken­nen­ge­lernt hät­te – vor­hin zum Bei­spiel mit dem Kli­ma­for­scher Mojib Latif. Zwi­schen­durch wird an die Front geschal­tet, wo Anwoh­ner vor­ge­stellt wer­den, die die Demons­tran­ten mit Kaf­fee ver­sor­gen, dann wer­den direkt hin­ter dem Mode­ra­tor Green­peace-Boo­te auf­ge­bracht. Wann bekommt man schon Welt­po­li­tik, Lokal­kollorit und Action gleich­zei­tig gebo­ten?

Ich hät­te mir aller­dings gewünscht, dass bei den Über­tra­gun­gen auch Lip­pen­le­ser zur Ver­fü­gung ste­hen. Zu gern hät­te ich erfah­ren, wor­über Nico­las Sar­ko­zy, Tony Blair, Wla­di­mir Putin und Geor­ge W. Bush mit Ange­la Mer­kel gescherzt haben. Über­haupt: Von Bush gab es heu­te Mor­gen eine sehr schö­ne Sze­ne, wie er mal wie­der die Bun­des­kanz­le­rin anflir­te­te.

Ich könn­te mir die­ses Geplän­kel stun­den­lang angu­cken. Und solan­ge die Staats- und Regie­rungs­chefs sich beneh­men wie Teen­ager auf Klas­sen­fahrt, kön­nen sie auch kei­ne poli­ti­schen Fehl­ent­schei­dun­gen tref­fen.

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Gott und die Welt: Ein Interview mit James Dean Bradfield

Mor­gen erscheint „Send Away The Tigers“, das ach­te Album der Manic Street Pre­a­chers (aus­führ­li­che Bespre­chung folgt). Zeit, für ein Gespräch mit deren Sän­ger James Dean Brad­field.

Das letz­te Manics-Album “Life­b­lood” wur­de von der Kri­tik und den Hörern nicht so gut auf­ge­nom­men. Waren die Solo­pro­jek­te von Dir und Nicky der Ver­such, neue Ener­gie für die Manics zu sam­meln?

Ehr­lich gesagt glau­be ich, dass wir nach den Reak­tio­nen auf „Life­b­lood“ eine Aus­zeit neh­men muss­ten. Wir hat­ten das Gefühl, irgend­wie unse­re Per­spek­ti­ve ver­lo­ren zu haben, und wuss­ten zum aller­ers­ten Mal nicht, was wir als nächs­tes tun woll­ten. Ich den­ke, dass unse­re Solo­pro­jek­te neu­es Leben in die Manics gebracht haben. Die neu­en Songs klin­gen sehr leben­dig und nach Rock’n’Roll. Sie sind viel opti­mis­ti­scher, seit ich die­ses Solo­ding gemacht habe.

Wenn wir über Per­spek­ti­ven spre­chen: Ihr habt Mil­lio­nen von Plat­ten ver­kauft und zum Jah­res­wech­sel 1999/​2000 eine rie­si­ge Show im Mill­en­ni­um Sta­di­um in Car­diff gespielt – wie moti­viert man sich nach sol­chen Aktio­nen wie­der, neu­es zu machen?

Wenn ich je Schwie­rig­kei­ten hät­te, mich selbst zu moti­vie­ren, wür­de ich auf­ge­ben. Es ist ver­dammt ein­fach, sich für eine Show wie die im Mill­en­ni­um Sta­di­um zu moti­vie­ren – eigent­lich für jede Show. Ich mache das jetzt, seit ich 15 war, und es war mir von Anfang an klar: Ich fin­de nicht viel Kathar­sis im Song­wri­ting, aber sehr viel, wenn wir spie­len. Für mich ist Kathar­sis, wenn das Emo­tio­na­le auf das Kör­per­li­che trifft. Und des­halb lie­be ich es, Kon­zer­te zu spie­len. Selbst, wenn es ein Kon­zert ist, das ich nie spie­len woll­te, ist es für mich das ein­fachs­te auf der Welt, moti­viert zu sein.

Ihr wart immer und seid auch heu­te noch eine sehr poli­ti­sche Band. Wie ist das in Zei­ten, wo immer noch kein Frie­den im Nahen Osten herrscht und die Men­schen fast über­all gegen sozia­le Ein­schnit­te pro­tes­tie­ren: inwie­fern hat das die neu­en Songs beein­flusst?

Ich den­ke, die letz­ten fünf, sechs Jah­re waren für die poli­ti­sche Lin­ke die größ­te Her­aus­for­de­rung, der sie sich je stel­len muss­te. Die zen­tra­le Fra­ge lau­tet, ob sie an die Demo­kra­tie glau­ben oder einen Got­tes­staat gut­hei­ßen. Die Lin­ken haben Reli­gi­on immer gehasst, eines ihrer Grund­prin­zi­pi­en lau­tet, dass Reli­gi­on das Opi­um des Vol­kes ist. Die Mischung von Staat und Kir­che ist eine Tod­sün­de für die Lin­ke.
Im Irak hat­ten wir plötz­lich die Situa­ti­on, dass eine Theo­kra­tie gestürzt wur­de, aber eine impe­ria­lis­ti­sche ame­ri­ka­ni­sche Macht hat sie ersetzt. Ich glau­be, dass hat die Lin­ke sehr ver­wirrt im Hin­blick dar­auf, was sie will. Dabei geht es weni­ger um die Krie­ge an sich, son­dern viel mehr um das Selbst­ver­ständ­nis der Lin­ken.