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Abgang nach Maas

Sie haben es vermutlich schon mitbekommen: Alice Weidel, Spitzenkandidatin einer Partei, die sich “Alternative für Deutschland” nennt, hat gestern eine Polit-Talkshow im ZDF verlassen:

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Dieser Abgang ist historisch. Nicht, weil er irgendeinen berechtigten Anlass gehabt hätte; auch nicht, weil er heute wieder für ganz viele Schlagzeilen und Fragen wie “Spielen wir das Spiel der AfD mit, wenn wir darüber diskutieren?” gesorgt hat. Sondern, weil Weidels Empörung so unglaublich unglaubwürdig war.

Sie wirkte wie eine Oberstufenschülerin, die keinen Bock hat, Teil der Abizeitungs-AG zu sein, aber aus Gründen ihrer sozialen Stellung innerhalb der Stufe das nicht einfach zugeben kann, und deswegen verzweifelt versucht, irgendeinen Grund zu finden, Papiere in die Luft zu werfen und kopfschüttelnd den Oberstufenraum zu verlassen, um dann anschließend melodramatisch augenrollend in der Raucherecke an ihrer Zigarette zu ziehen.

Kommen wir deshalb nun zu unserer neuen Rubrik “Menschen, die bessere Schauspieler sind als Alice Weidel”. Die Liste umfasst rund 7,1 Milliarden Menschen, deswegen hier nur die fünf Erstplatzierten:

5. Til Schweiger

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4. Donald Trump

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3. Pepe

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2. Cristiano Ronaldo

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1. Berti Vogts

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Fernsehen Rundfunk Gesellschaft Kultur

Wette sich, wer kann

Die Nachricht, dass die Unterhaltungssendung “Wetten, dass..?” nach 33 Jahren ihren Geist aufgeben würde, war der Redaktion von “Spiegel Online” am Abend des 5. April sogar eine Breaking News wert. Autopsie und Trauerfeier waren da bereits in vollem Gange.

Das ZDF wurde für seine Pressemitteilungsformulierung der “geänderten Sehgewohnheiten” mit Häme überzogen — überwiegend von Menschen, die gerne amerikanische TV-Serien auf Computern und Tablets schauen und sich Sonntagsabends online verabreden, um gemeinschaftlich eine einzelne deutsche TV-Serie scheiße zu finden. Markus Lanz und die Redaktion wurden zu den Alleinschuldigen erklärt, was auch Quatsch war: Zwar hatten der joviale Baumarkteröffnungscharmeur und seine Truppe im Hintergrund, die es auch schon mal für eine gute Idee gehalten hatte, sich völlig ohne Grund eine ausschweifende Rassismusdebatte an den Hals zu holen, tatsächlich keinen guten Job gemacht, aber das Problem lag auch woanders. In einer Zeit, wo wirklich jeder durch Castingshow und YouTube zum “Star” werden kann, braucht der Normalbürger keine abseitigen Begabungen mehr, um für einen Abend im Rampenlicht zu stehen. Man kann es jetzt zu mittelfristiger TV-Prominenz bringen, ohne Wärmflaschen aufzupusten oder die Postleitzahlen aller deutschen Städte benennen zu können. ((Oder ohne irgendetwas zu können.)) Frank Elstner meldete sich auf Twitter zu Wort und vielerorts las man wieder von Elstner, kleinen Kindern in der Badewanne und im Bademantel. ((Was jetzt vielleicht ein bisschen unglücklich formuliert ist.))

Immer wieder kam das Bild auf, das Florian Illies 2000 beschrieben hatte: Wie er als Kind Samstagsabends, frisch gebadet und im Bademantel auf der Couch sitzen und “Wetten, dass..?” mit Frank Elstner gucken durfte. Illies beschrieb dies in seinem Bestseller “Generation Golf”, dessen Titel schon Teil des Problems ist, zu dem wir gleich noch kommen, und je mehr deckungsgleiche Wortmeldungen in den Sozialen Netzwerken aufschlugen, desto bohrender wurde die Frage: Hatten wir – das Personalpronomen ist hier besonders wichtig – wirklich so ähnliche Kindheitserlebnisse oder brach sich hier gerade die Erinnerungsverfälschung Raum, die sonst gerne auch schon mal gerne dafür sorgt, dass Menschen sich detailreich daran erinnern, wo sie bei der Mondlandung, der Ermordung John F. Kennedys, dem Mauerfall, dem Unfalltod von Diana Spencer und am 11. September 2001 waren — nur, dass das oft gar nicht stimmt.

Ich für meinen Teil bin zum Beispiel zu jung, um jemals bewusst “Wetten, dass..?” mit Frank Elstner gesehen zu haben. Ich erinnere mich an eine Ausgabe, in der jemand mithilfe handlicher Schrottballen sagen konnte, um was für ein Auto es sich zuvor gehandelt hatte. Es mag mein erster bewusster Kontakt mit der Sendung gewesen sein, der Moderator war wohl schon Thomas Gottschalk und wenn es da draußen jemanden gibt, der auf Anhieb sagen kann, ob das stimmt, wann die Sendung lief und aus welcher Mehrzweckhalle die Sendung damals kam, dann ist es jetzt zu spät, um aus dieser Inselbegabung noch Kapital zu schlagen.

Frank Elstner, das war für mich der Moderator von “Nase vorn”, dem vielleicht überambitioniertesten Unterhaltungsshowversuch, bis es ProSiebenSat1 mit der “Millionärswahl” versuchte, und der teilweise live von der Trabrennbahn in Dinslaken übertragen wurde, in deren buchstäblicher Wurfweite unsere damalige Wohnung lag. Mit großem Eifer glotzte ich damals jede Samstagabendshow weg, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen Ende der 1980er, Anfang der 1990er auf die Gebührenzahler losließ, ((“Verstehen Sie Spaß?” mit Paola und Kurt Felix! Der “Flitterabend”! Die “Goldmillion”!)) zur Not zwang ich meine Großeltern (und nicht andersherum), mit mir den “Musikantenstadl” zu schauen — es war eben Samstagabend, ich war da und wollte unterhalten werden! Am Liebsten aber die “Rudi Carrell Show” ((Ich bin unsicher, wann genau ich begriff, dass die Kandidaten – “gerade noch im Reisebüro, jetzt auf unserer Showbühne!” – sich gar nicht so schnell umziehen konnten, sondern dort mit vorab aufgezeichneten Beiträgen gearbeitet wurde, fürchte aber, es ist noch gar nicht sooo lange her.)) und später “Geld oder Liebe” mit Jürgen von der Lippe, das ich im Nachhinein gerne zur besten Samstagabendshow aller Zeiten verkläre. Wenn es mir gelänge, heute etwas ähnlich harmlos-anarchisch-unterhaltsames zu konzipieren, wäre ich ein gemachter Mann.

“Wetten, dass..?”, jedenfalls, ist im Begriff, sehr bald Geschichte zu sein, und all jene, die damals tatsächlich oder gefühlt im Bademantel zugeschaut hatten, gaben sich dem hin, was seit “Generation Golf” Allgemeingut ist: der fraternisierenden, leicht anironisierten Nostalgie derer, die für echte Nostalgie nicht nur zu jung sind, sondern auch zu wenig erlebt hatten. Und weil die Vertreter dieser … nun ja: Generation heute an den entscheidenden Stellen bundesdeutscher Onlinedienste und Medienseiten sitzen, kann man diese Erinnerungen überall lesen, wo sie von Menschen mit den gleichen tatsächlichen oder gefühlten Erinnerungen kommentiert werden, auf dass sich auch die Nachgeborenen damit infizieren und sich später felsenfest daran erinnern, wie sie damals selbst auf der Couch …

“Kids today gettin’ old too fast / They can’t wait to grow up so they can kiss some ass / They get nostalgic about the last ten years / Before the last ten years have passed”, hat Ben Folds mal gesungen. Das ist inzwischen neun Jahre her und die Entwicklung der Sozialen Netzwerke hat seitdem nicht gerade zu einer Entspannung der Situation beigetragen. “Throwback Thursday” nennen sie es, wenn Menschen am Donnerstag besonders peinliche ((Zu irgendeiner Zeit hätte man gesagt: “affige”.)) Fotos von sich selbst in einem jüngeren Zustand auf Facebook oder Twitter posten, was besonders reizvoll ist, wenn die Menschen Anfang Zwanzig und die Fotos selbst noch nicht mal im Grundschulalter sind. Jan Böhmermann ((Je nach Bezugsgeneration der Harald Schmidt oder Stefan Raab seiner eigenen Generation.)) sorgte im Frühjahr mit einem “So waren die 90er”-Video für Furore im deutschsprachigen Internet, 90er-Parties erfreuen sich schon seit einiger Zeit wachsender Beliebtheit und ich saß auch schon stocknüchtern inmitten unterschiedlich alkoholisierter Menschen auf Parties, starrte auf einen Laptopbildschirm und nahm einen YouTube-Reigen von Mr. President, Take That, Echt und Tic Tac Toe mit einer stets wechselnden Mischung aus Faszination, Abscheu, Nostalgie, Fassungslosigkeit und Begeisterung zur Kenntnis. Es waren Menschen mit ansonsten vermutlich tadellosem Musikgeschmack, aber niemand kam auf die Idee, wenigstens mal zur Abwechslung Interpreten wie Nirvana, Oasis oder Pearl Jam in die Runde zu werfen. Das war auch nicht mehr mit dem leidigen Thema Überironisierung zu erklären.

Mein Vater verabscheut heute mit großer Hingabe vieles, was sich auf den angeblich repräsentativen Hit-Samplern seiner Jugend findet, ((Mungo Jerry! The Lovin’ Spoonful!)) trotz fehlenden Alters waltet bei mir eine erschütternde Milde: Ich könnte jederzeit ausführlich und fundiert begründen, warum Sunrise Avenue große Grütze sind, würde mich aber im Zweifelsfall vermutlich dazu hinreißen lassen, “What Is Love?” von Haddaway wortreich gegen jedwede Kritik zu verteidigen.

Die Musik, die heute dort angesagt ist, wo Indiebereich und Mainstream kleinen Grenzverkehr pflegen, klingt oft, als sei sie schon mindestens 40 Jahre alt. Vor zehn, fünfzehn Jahren wurden haufenweise Fernsehserien der 70er und 80er fürs Kino adaptiert, heute sind plötzlich Fernsehserien erfolgreich, die auf 20 Jahre alten Kinofilmen basieren. Und das ist erst der Anfang.

Der Herm fragte letzte Woche auf Twitter:

Kurz darauf ging dann ein neuer “Terminator”-Trailer online.

Über das Phänomen der “Retromanie” sind inzwischen Artikel und ganze Bücher geschrieben worden. Und, klar: Wenn Kulturepochen nicht mehr 50 oder 100 Jahre dauern, sondern nur ein paar Monate ((Oder gar 140 Zeichen.)), können sie auch schneller wiederkommen. Die Renaissance rekurrierte noch auf ein Zeitalter, das seit etwa 800 Jahren vorbei war.

Und so ist in einer Zeit, in der angeblich alles individueller wird ((Mode- und Einrichtungsblogs sprechen da eine etwas andere Sprache.)), die Erinnerung an “Dolomiti”, “Yps” und “Raider” (“heißt jetzt ‘Twix'”) das, was die Menschen heimelig zusammenbringt. Die Jeanette-Biedermeier-Epoche.

Um “Wetten dass..?” wird jetzt bis zuletzt ein Gewese gemacht, das die Show selbst seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gerechtfertigt hat. Aber so ist das in Deutschland: Wir haben ja kulturell nicht so viel und wenn wir doch mal jemanden haben, werden diejenigen so sehr gefeiert, bis sie niemand mehr ernsthaft ertragen kann. Stichwort: Til Schweiger, Jan Josef Liefers, Helene Fischer, Unheilig. Alle vier sind am Samstag bei der letzten Sendung dabei.

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Digital

Lucky & Fred: Episode 5

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Es hat wieder ein bisschen länger gedauert, aber wir hatten unsere Gründe. Jetzt sind wir wieder da und stellen uns die entscheidende Frage: “Was macht eigentlich Jockel Gauck?” Wir widmen uns der Scheiße am Fuß vom ZDF, sprechen über Geld und Politik, werfen einen Blick auf die (traurige) Medienlandschaft im Ruhrgebiet und erleben die Geburtsstunde der Heinser’schen Hackfressentheorie.
Außerdem: Fred hat ein neues Telefon und kriegt merkwürdige Anrufe und wir führen den beliebten Cocktailpartydialog “Unsere Wikipedia-Einträge”.

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Rundfunk Politik

Schwarz-grün ist die Haselnuss

Ja, es war die Halbzeitpause des Fußballländerspiels Schweden – Deutschland, in die das “Heute Journal” gestern Abend hineinsenden musste. 9,3 Millionen saßen vor dem Fernseher (oder, realistischer: ließen den Fernseher an, als sie gerade erst zum Klo und dann zum Kühlschrank gingen) und sollten sich jetzt, nach einer aus deutscher Sicht eher enttäuschenden ersten Halbzeit, auf so knackige Themen und Fremdwörter wie “Sondierungsgespräche” einlassen.

Marietta Slomka tat also lieber mal so, als würde sie mit einem Erstklässler sprechen, dessen Entwicklung noch etwas hinter der seiner Altersgenosse hinterherhinkt. Bei den Gesprächen zwischen Union und SPD am Montag wurde, so Frau Slomka, “nicht mehr mit Wattebäuschchen geworfen — es soll sogar richtig laut geworden sein”. Das mache die heutigen Sondierungsgespräche mit den Grünen “natürlich noch interessanter”.

Es sei auf jeden Fall “eine spannende Partie”, augenzwinkerte Marietta Slomka noch. Dann ging’s los:

Hinter den zugezogenen Vorhängen sitzen sie noch immer: Schwarze und Grüne. Ein Spiel dauert 90 Minuten, heißt es, Koalitionssondierungen aber viel, viel länger.

Es sah ein bisschen so aus, als würden zwei Mannschaften den Platz betreten. Vor über vier Stunden, vor dem, ja: Entscheidungsspiel über eine mögliche schwarz-grüne Koalition.

Als würden zwei Mannschaften den Platz betreten (Screenshots: ZDF).

Wahrscheinlich muss man froh sein, dass das “Heute Journal” gestern nicht in der Ringpause eines Boxkampfs oder zwischen zwei Folgen irgendeiner skandinavischen Krimiserie lief. Aber das macht es ja nicht besser.

Ob Absicht oder nicht: Das Fußball-Feeling wurde noch verstärkt durch einen leider nicht untertitelten O-Ton des bayerischen Grünen-Politikers Anton Hofreiter, von dem man als Nicht-Bayer entsprechend wenig verstand.

Also weiter im Off-Text:

Die Chancen, dass die Grünenspitze sich für eine schwarz-grüne Koalition ausspricht, sind indes gering. Zu groß die Unterschiede zur Union, etwa bei der Klimapolitik, beim Umgang mit Flüchtlingen. Auf beiden Seiten aber will sich niemand dem Vorwurf aussetzen, die neue Machtpaarung nicht wirklich geprüft zu haben.

Klingt soweit metaphern-unverdächtig, wenn ZDF-Reporter Thomas Reichart beim Wort “Machtpaarung” nicht die Anführungszeichen, die Kursivsetzung und Fettung aus dem Skript mitgesprochen hätte.

Dann schwang er sich wieder auf sein von vorne herein ziemlich angeschlagenes Metaphern-Pferd:

Bei den Grünen gehen sie trotzdem davon aus, dass es am Ende wohl zur Großen Koalition kommt, auch wenn Scharz und Rot gestern miteinander ein eher ruppiges Spiel hatten.

Das Werk schließt mit den Worten:

Solange die Vorhänge zugezogen sind, ist schwarz-grün noch im Spiel. Es hat aber: nur noch Außenseiterchancen.

Das “Heute Journal” in der ZDF-Mediathek.

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Rundfunk Politik

Ich bin ein Kalauer

Eines ist schon mal sicher: US-Präsident Barack Obama wird heute Nachmittag in Berlin eine historische Rede halten. Drunter geht nicht, sonst ist Kai Diekmann enttäuscht.

Es ist ein willkommener Anlass, mich einem Trauma zu widmen, das mich seit fast zwanzig Jahren verfolgt: Im Sommer 1994 hatten mir meine Eltern anlässlich der Fußballweltmeisterschaft in den USA erlaubt, während der großen Ferien einen Fernseher in meinem Kinderzimmer aufzustellen. ((Die WM ist noch nicht das Trauma, aber nah dran.)) Da nicht die ganze Zeit Fußball lief, ich den Fernseher während der sechs Wochen aber ausgiebig nutzen wollte, musste ich mich auch an die anderen Inhalte der damals sechs frei empfangbaren Programme heranarbeiten. Ich sah also alle Folgen der Wiederholung der inzwischen völlig in Vergessenheit geratenen TV-Serie “Wenn die Liebe hinfällt” mit Brigitte Mira, die RTL-Late-Night-Show von Thomas Koschwitz und auch ein eher trashiges ZDF-Format mit dem damaligen In-ein-Bananen-Mikrofon-Sprecher und heutigen Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen, das offenbar “Mondscheinshow” hieß.

Ich erinnere mich an wenige Inhalte dieser Sendung, aber ich erinnere mich dunkel, dass ich sie schon als Zehnjähriger ziemlich doof fand. Fernsehproduzenten wären also gut beraten, die alten Bänder noch einmal rauszusuchen — die gleichen Inhalte kann man ja heute sicher noch mal auf die Zuschauer loslassen, wenn man sie nur milde überfordern will.

Jedenfalls fiel in diesen Sommer auch der Besuch von US-Präsident Bill Clinton in Berlin. Bei Koschwitz war ein Schülerzeitungsreporter zu Gast, der ein Interview mit Clinton geführt hatte, und in der “Mondscheinshow” alberte sich Jebsen im Vorfeld durch Berlin und suchte nach deutschsprachigen Sätzen, die Clinton in der Tradition von Kennedys “Ich bin ein Berliner” zum Besten geben könnte. ((Ich merke gerade: Die stets der Zukunft zugewandten Leute von der “Bild”-Zeitung haben sich offenbar die alten Bänder kommen lassen.))

Die Idee, mit der er am Ende selbst ankam, hat sich seitdem in meinem Hirn festgefressen:

Berlin ist schön, so steht’s im Skript. Ich, Clinton, hab es nicht getippt!

Was macht eigentlich Oliver Pocher heute?

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Rundfunk

Liveblog: “Wetten dass..?” mit Markus Lanz

Es ist angeblich das TV-Ereignis des Jahres: Heute Abend übernimmt ein Mann namens Markus Lanz die Moderation einer TV-Sendung namens “Wetten dass..?”

Wenn die Technik funktioniert, werden Oliver Thiemann und ich diesen jetzt schon legendären Abend hier in einem Liveblog festhalten.

Das ZDF überträgt zwar schon ab 19.25 Uhr einen sogenannten Countdown, aber wir starten erst gegen 20 Uhr mit unserem Liveblog. Man muss es ja auch nicht übertreiben.

[liveblog]

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Rundfunk Print

Der charmante Froschkoch mit der blonden Laune

Seit heute ist offiziell, dass Markus Lanz die Nachfolger von Thomas Gottschalk als “Wetten, dass..?!”-Moderator antreten wird. Christopher Keil, Medienredakteur der “Süddeutschen Zeitung”, hat die Gelegenheit genutzt, am Sonntagabend schnell noch einen Text dazu im Internet zu deponieren, der vermutlich morgen auch gedruckt im Blatt erscheinen wird.

Sein Problem: Die Logik war noch im Wochenend-Kurzurlaub — und hatte die deutsche Sprache mitgenommen.

Er wird nicht mit einem Assistenten oder einer Assistentin arbeiten, so viel steht fest. Gottschalk, der mittlerweile versucht, für die ARD eine halbstündige Late Light Show vor der Tagesschau durchzusetzen, stand zuletzt die attraktive Schweizerin Michelle Hunziker zur Seite.

Gottschalk versucht, “Gottschalk live” “durchzusetzen”? Nicht eher “auszusitzen” oder so?

Keil weiter über Gottschalk:

Er war darin ein großer Entertainer, ein Virtuose des Mainstream, der “Wetten dass ..?” als deutschen Staatszirkus mit blonder Laune und lockigem Humor führte.

Vielleicht könnte die Bundeswehr, wenn sie alle afghanischen Mohnfelder zerstört hat, kurz bei einem Einsatz im eigenen Land die Stilblütenwiesen des Christopher Keil umpflügen? Womöglich bliebe uns dann auch ein vollends rätselhafter Absatz wie dieser hier erspart:

Sehr schnell wurde die Frage gestellt, was “Wetten, dass ..?” ohne ihn künftig wert und wer ihm als Nachfolger ebenbürtig sei. Viele meldeten sich und verkündeten, sie stünden nicht zur Verfügung – ohne je bedacht worden zu sein, und Günther Jauch war der Einzige, der es nicht ernst gemeint hatte. Über andere wie Nazan Eckes wurde spekuliert, dabei, das wird sie selbst am besten wissen, reichte es bei ihr nicht einmal zur Spekulation.

Es wirkt nicht so, als wüsste Keil um die Bedeutung des Verbs “bedenken”. Andererseits verblasst dieser Satz in seiner (nicht eben geringen) Merkwürdigkeit vollständig gegenüber dem nachfolgenden: Über Nazan Eckes wurde spekuliert, aber es reichte nicht einmal zur Spekulation? Also quasi die Spekulation interrupta, die sich auf dem Weg zu sich selbst verlaufen hatte?

Über Thomas Bellut, den designierten ZDF-Intendanten, an dessen 57. Geburtstag “das Treffen” in einem italienischen Restaurant in Mainz stattgefunden hatte, weiß Keil immerhin zu berichten, dass der gebürtiger Niedersachse sei. Inwiefern das in einem Zusammenhang damit steht, dass Bellut “offenbar belastbar und auch durch Schlagzeilen nicht zu erschüttern” sei, weiß wohl nur Christopher Keil. Oder – haha – Christian Wulff.

Vielleicht interessiert sich Keil aber privat auch einfach nur für Chaostheorien, weswegen er Schlussfolgerungen wie diese hier für sinnvoll hält:

Weil sich Lanz privat für die Polargebiete interessiert, könnte es aber sein, dass das ZDF ein Winter-“Wetten, dass ..?” einführt und offenbar spricht das ZDF mit Lanz auch über eine Ausgabe Kinder-“Wetten, dass ..?”. Mit Gottschalk gab es eine Sommershow, die bevorzugt in der Stierkampf-Arena von Palma de Mallorca stattfand.

Woher Keil das mit der Kinder-Sendung weiß? Nun, er scheint einen charmanten, gut aussehenden Informanten zu haben:

Dass Lanz als Dritter gefragt wurde, bedeutet nicht, dass er dritte Wahl ist. In seinen Talkshows erfährt man vieles über Menschen, viel mehr als gerade bei den meisten, wenn auch viel Belangloses. Doch Lanz kennt seine Gäste, er lässt sich auf sie ein, bietet ihnen charmant die Stirn. Man darf sich von seinen guten Manieren, seinem guten Aussehen und seinem guten Ton, den er trifft, nicht täuschen lassen.

… denn in Wahrheit ist Lanz was? Ein gemeingefährlicher Irrer? Ein ungehobelter Rohling? Ein hässlicher Schiefsänger?

Stellt sich raus: In Wahrheit ist Lanz ein phantastischer Investigativjournalist.

Als neulich Vizekanzler Philipp Rösler bei ihm war, begrüßte ihn Lanz mit dem Lob: Er, der FDP-Boss Rösler, sei ja in seinen politischen Reden zuweilen komischer als Harald Schmidt. Rösler hat sich daraufhin für eine halbe Stunde sehr geliebt, hat bei der Wiedergabe des Streits mit der Bundeskanzlerin in der Frage Gauck jedes Maß für Vernunft und wohl auch Anstand verloren. Er erklärte noch einmal, was es mit seinem Gleichnis vom Frosch auf sich hatte, der nicht merkt, wie er gekocht wird, sofern man das kalte Wasser, in dem er sitzt, langsam erhitzt. Alle haben sehr über Rösler gelacht, auch Rösler über sich. Dass er der Frosch im Wasser war, den Lanz in aller Ruhe zum Kochen brachte, merkte er nicht.

Das deckt sich nicht ganz mit dem Eindruck, den ich oder sonst jemand von der Sendung gehabt hätte, in der Lanz als komplett distanzloser Märchenonkel vollends die Orientierung zwischen Unterwürfigkeit, Kumpelei und Überheblichkeit verloren hatte. Aber gut: Lanz hat den Frosch Philipp Rösler gekocht. Das wird er künftig nicht mehr können, denn Lanz “wird seine nächtlichen Gesprächsrunden im Zweiten weiterführen, seine Kochsendung am Freitag allerdings abgeben”.

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Rundfunk Digital

Gelegentlich angeblich

Falls Sie die letzten Tage unter einem Stein oder auf einem anderen Planeten verbracht haben sollten: Hape Kerkeling hat am Samstag bei “Wetten dass..?” verkündet, dass er nicht als Nachfolger von Thomas Gottschalk zur Verfügung stünde. Eines der “drei wichtigen Ämter in Deutschland” (neben Kanzler/in und Bundestrainer) ist damit nach wie vor unbesetzt.

Das … äh: “Nachrichtenportal” rentner-news.de (“Von Rentnern – für Rentner”) hat heute Vormittag die “ultimative Wahrheit über die ‘Wetten dass….?’-Nachfolge von Thomas Gottschalk” enthüllt:

Wie aus dem näheren Umfeld des ZDF nach der Sendung verlautete, sollen einige Vorstandsmitglieder des ZDF erst während der Live-Übertragung erfahren haben, dass Hape Kerkeling gelegentlich angeblich homosexuell ist.

Aufgrund mangelnder Erfahrungen auf diesem Gebiet erschien ihnen dies inkompatibel zu den Programmrichtlinien des ZDF , und man verzichtete vorsichtshalber auf ein Engagement von Hape Kerkeling.

Die anderen Medien, sonst hyperaktiv, wenn es um das Thema “Wetten dass..?” geht, haben die Geschichte bisher nicht aufgegriffen. Was womöglich damit zusammenhängen könnte, dass 20 Jahre dann doch eine Zeit sind, in der selbst beim ZDF eine Nachricht ankommt. So lang ist Kerkelings Outing durch Rosa von Praunheim bei “Explosiv — Der heiße Stuhl” fast auf den Tag genau her.

Nachtrag, 16.45 Uhr: Womöglich handelt es sich bei rentner-news.de aber auch einfach nur um eine SatireSeite

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Digital Fernsehen Rundfunk

Auswärtsspiel: TVLab

Auf ZDF_neo startet demnächst das “TVLab”, wo völlig neuartige TV-Konzepte vorgestellt und erprobt werden sollen.

Begleitet wird das Projekt von einem Blog und ich hatte die Ehre, den ersten Eintrag zu verfassen. Die Ausgangsfrage lautete “Worüber sollen wir reden, wenn nicht über das Fernsehen?” und – ohne zu viel zu verraten – ich komme zu dem Schluss: über nichts, bitte!

Der Beitrag bei blog.zdf.de

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Musik Rundfunk

Leser fragen, Heinser antworten (1)

Leserin Katharina S. aus K. fragt: “Unheilig. Was ist das für Musik, wer hört das?”

Lukas Heinser antwortet: Viele Menschen, die sich sonst nicht für Musik interessieren

Und: Elmar Theveßen, Stellvertretender Chefredakteur und Terrorismusexperte des ZDF:

Was hat ihn am meisten beschäftigt, beeindruckt, betroffen gemacht?

“Zwischen all dem Leid in diesem Jahr haben die Bilder von der Rettung der Bergleute in Chile so unendlich gut getan. Dazu noch der Song ‘Geboren, um zu leben’. Genau darum geht es doch eigentlich bei allem, auch wenn wir das manchmal vergessen”, so Theveßen.

[Quelle: Pressenewsletter des ZDF.]

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Musik Rundfunk

In Assoziationsketten gelegt

Die ZDF-Pressestelle verkündet soeben folgende Nachricht:

Claus Theo Gärtner alias Detektiv Josef Matula hat Grund zum Feiern: Wenn am heutigen Mittwoch, 4. August 2010, die erste Klappe zur neuen Folge der ZDF-Krimiserie “Ein Fall für zwei” fällt, hat er den Krimiklassiker “Derrick” überrundet. Mit 282 Folgen in der Rolle des Privatdetektivs bricht Gärtner den Rekord von Horst Tappert, der insgesamt 281 Mal in der Rolle des Oberinspektors “Derrick” die Zuschauer begeisterte.

Ich nehme das als Vorwand, Ihnen die folgenden Videos zu zeigen:

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Und wenn Sie jetzt sagen: “Das ist doch alles alt!”, dann sage ich: “Stimmt! Allen voran Claus Theo Gärtner.”

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Rundfunk Print Sport

Sprachlosigkeit: Die nächsten Tage

Editorische Notiz: Diesen Eintrag habe ich gestern Nacht und heute Morgen konzipiert. Als er fertig war, war er schon lange überholt. Ich veröffentliche ihn trotzdem.

11. November
Die ARD eröffnet ihren Abend mit einem “Brennpunkt” zum Tode Robert Enkes, es moderiert Reinhold Beckmann. Weil die DFB-Pressekonferenz fast schon in ganzer Länge in der “Tagesschau” zu sehen war, unterhält sich Beckmann für den Rest der Sendung mit “Kicker”-Chefredakteur Rainer Holzschuh. Zu Gast bei “Stern TV” sind Ex-Nationaltorhüter Eike Immel, irgendein Psychologe und “Supernanny” Katharina Saalfrank, die erklären soll, welche Perspektiven ein acht Monate altes Mädchen hat, deren Adoptivvater sich gerade umgebracht hat. Günther Jauch verspricht, dass man sich für die nächste Ausgabe um den Zugfahrer bemühen werde, der zur Zeit leider noch unter Schock stehe. Zu Gast bei “Markus Lanz” ist Ex-Nationaltorhüter und ZDF-Experte Oliver Kahn, der zum Thema “Sportler und Emotionen” leider wenig beizutragen hat.

12. November
“Bild” macht mit einem ganzseitigen Foto von der Pressekonferenz von Enkes Witwe auf. Auf Seite 6 ist ein Faksimile des Abschiedsbriefs abgebildet, darüber: “So sieht der BILD-Zeichner die letzten Sekunden im Leben von Robert Enke.” Die “ZDF-Reporter” haben “aus gegebenem Anlass” mal untersucht, wie leicht man eigentlich auf so Bahngleise gelangen kann. Bei “Harald Schmidt” parodiert man die Medienhysterie, indem man im Verlauf der Sendung ganze 19 Mal zu einem Reporter schaltet, der neben dem Eingang zur Studiotoilette steht.

13. November
“Enke tot, Schweinegrippe und heute auch noch Freitag der 13.”, titelt “Bild” etwas ungelenk, aber in Horrorfilm-Optik. Der NDR muss eine andere Folge der “NDR-Quizshow” senden als vorgesehen, weil einem Redakteur gerade noch eingefallen ist, dass es bei einer Frage um den Torwart von Hannover 96 geht. Bei “Aspekte” im ZDF hat man sich entschieden, Peter Handkes “Die Angst des Tormanns beim Elfmeter” mit ein paar Versatzstücken antiker Tragödien zu kombinieren.

14. November
Nachdem “Bild” den vierten Tag in Folge mit Enke aufmacht, macht sich in Fanforen Empörung breit. Einzelne Kommentatoren rufen zum Boykott der Zeitung auf. Statt des abgesagten Länderspiels Deutschland – Chile zeigt das ZDF einen Film mit Veronika Ferres.

15. November
Horst-Eberhard Richter verhandelt in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” anhand der Beispiele Robert Enke und Sebastian Deisler die Unmenschlichkeit des Profifußballs. Im “Doppelpass” des DSF stoßen Jörg Wontorra und Udo Lattek auf das Andenken von Robert Enke an.