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Geburtstagskaffee

Heu­te vor 18 Jah­ren ging die­ses klei­ne Pop­kul­tur-Blog an den Start — mit einem Kick­off-Text, der zuvor den 4. Platz beim Wett­be­werb „Schü­ler ver­su­chen, wie Max Goldt zu schrei­ben“ belegt hat­te.

Das heißt: Cof­fee And TV ist jetzt voll­jäh­rig, darf Auto fah­ren, har­ten Alko­hol kau­fen und wäh­len. Uff!

So einen Geburts­tag muss man natür­lich ordent­lich fei­ern, des­we­gen ist heu­te Nacht, exakt 157.800 Stun­den nach dem Sta­pel­lauf, mein Pro­jekt 18 Jah­re, 18 Songs online gegan­gen, das eigent­lich nur eine Play­list mit ein paar Anmer­kun­gen wer­den soll­te und jetzt – natür­lich – einer der längs­ten Tex­te der Blog-His­to­rie ist.

Außer­dem fei­ert die kurz­le­bi­ge 2014er-Serie „Song des Tages“ eine Wie­der­auf­er­ste­hung — und zwar exklu­siv in unse­rem Whats­App-Kanal. Da soll es aber extra kei­ne Begleit­tex­te in Roman-Län­ge geben, son­dern ein­fach nur jeden Tag einen Song, der mir gera­de pas­send erscheint — obskur oder Hit, aktu­ell oder uralt.

Und dann woll­ten wir Ihnen noch das zei­gen:

The rumours are true: Aus Anlass des 18. Geburts­tags wer­de ich aus den schöns­ten Blog-Tex­ten (oder den schöns­ten, die ich wie­der­ge­fun­den habe) lesen!

18 Jah­re Cof­fee And TV
Frei­tag, 7. März 2025, 20 Uhr (anschl. Par­ty)
Gold­kan­te, Alte Hat­tin­ger Str. 22, 44789 Bochum
Ein­tritt frei, hin­ter­her geht ein Hut rum

Das wird super, ich freu mich!

Mein beson­de­rer Dank geht heu­te an die ande­ren Gründungs-Autor*innen Kath­rin, Oli­ver, Ste­phan, Dani­el, Mar­ta, Tho­mas und Gor­di­an, die gleich­zei­tig mei­ne ers­ten Leser*innen waren, und an Anni­ka, Mar­kus, Ste­fan, Katha­ri­na, Bas­ti, Lisa, Tom­my, Tom, Fried­rich, Domi­nik, Sari­na, Sue, Sel­ma, Peter, Jens, Thors­ten und Jus­tus, die spä­ter zu die­sem Blog bei­getra­gen haben! They cal­led us the pop kids.

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Leben Musik

18 Jahre, 18 Songs

Für Gün­ter und Jür­gen, die ich ohne die­ses Blog nie ken­nen­ge­lernt hät­te.
Und für Dör­te, die immer alles gele­sen hat.

Es war die nahe­lie­gends­te Idee der Welt: Zum 18. Geburts­tag des Blogs wäh­le ich einen Song aus jedem Jahr aus — fer­tig ist die Play­list!

Aber nach wel­chen Kri­te­ri­en? Ein­fach das Lied neh­men, das jeweils mei­ne Lis­te „Song des Jah­res“ ange­führt hat? Das wäre ja ein biss­chen lang­wei­lig — und sol­che Lis­ten gab es auch gar nicht in jedem Jahr.

Die Kaffeetasse aus dem ersten Coffee-And-TV-Logo

Also: 18 ande­re Songs. Wel­che, die ihr jewei­li­ges Jahr, aber auch die­ses Blog gut reprä­sen­tie­ren; die für mich eine per­sön­li­che Bedeu­tung haben; die ich auch heu­te noch höre. Eine halb­wegs aus­ge­wo­ge­ne Mischung aus Gen­res, Geschlech­tern und Spra­chen, also eben dann doch auch: Kon­text.

Und so wur­de aus einem klei­nen Gim­mick zum Jubi­lä­um eine aus­ufern­de Recher­che-Akti­on im eige­nen Leben ’n‘ Werk und einer der längs­ten Tex­te, der hier in den letz­ten 18 Jah­ren erschie­nen ist:

2007: Mika – Grace Kel­ly
Als die­ses Blog an den Start geht, sind Gitar­ren­mu­sik im All­ge­mei­nen und Indie­rock im Spe­zi­el­len noch ein Ding. Bei der damals noch statt­fin­den­den „Leser­wahl“ (ein Kon­strukt, das wir uns rela­tiv offen­sicht­lich von „Plat­ten­tests online“ abge­schaut haben), wird „A Weekend In The City“ von Bloc Par­ty (Wann habt Ihr zuletzt an die­se Band gedacht?) zum „Album des Jah­res“ gewählt und „Ruby“ von Kai­ser Chiefs (Oder an die­se Band?!) zum „Song des Jah­res“.

Auf mei­ner Jah­res­bes­ten­lis­te ganz vor­ne ist „Tonight I Have To Lea­ve It“ von Shout Out Louds, das ich auch ewig nicht mehr gehört habe. Und ganz ver­steckt, auf Platz 22: „Grace Kel­ly“ von Mika, ein etwas exal­tier­ter over-the-top-Pop­song mit Vau­de­ville- und Musi­cal-Anlei­hen von einem jun­gen Mann, den das Adjek­tiv „andro­gyn“ beglei­tet. (Es waren, wie gesagt, ande­re Zei­ten.) Ein Song, den mir „Plan B“, die etwas anspruchs­vol­le­re Musik­sen­dung von 1Live (ich unter­schied damals noch puber­tär zwi­schen „guter“ Indie- und „schlech­ter“ Main­stream-Musik; ande­re Zei­ten inde­ed), in die WG-Küche gebracht hat.

15 Jah­re spä­ter sit­ze ich beim Euro­vi­si­on Song Con­test in Turin in der deut­schen Kom­men­ta­to­ren­ka­bi­ne, zum neun­ten Mal als Assis­tent von Peter Urban, der wegen der aus­klin­gen­den COVID-19-Pan­de­mie von Ham­burg aus kom­men­tiert. Gelan­det war ich bei die­ser Ver­an­stal­tung über­haupt nur, weil Ste­fan Nig­ge­mei­er 2007 mei­ne Kom­men­ta­re in sei­nem Blog gele­sen und mich gefragt hat­te, ob ich mit ihm einen „Grand-Prix-Füh­rer“ schrei­ben wür­de. Der Rest ist Geschich­te, bzw. BILD­blog, Oslog, Dus­log, Baku­b­log, besag­ter Job als Kom­men­ta­to­ren-Assis­tent und mein Buch. Und die­ser Mika mit sei­nem Song über Grace Kel­ly (bzw. dar­über, wie man sich anpasst, um den Men­schen zu gefal­len) mode­riert da jetzt die­se Ver­an­stal­tung gemein­sam mit Lau­ra Pausi­ni und Ales­san­dro Cat­tel­an, er bringt inter­na­tio­na­len Gla­mour in eine (vor allem hin­ter den Kulis­sen) eher chao­ti­sche TV-Sen­dung und er singt ein Med­ley sei­ner Hits.

Es ist ein selt­sa­mer, rüh­ren­der full-cir­cle-Moment, der die größ­te Musik­show der Welt mit mei­ner alten WG-Küche und allem dazwi­schen kurz­schließt, und in einem Anfall von Geis­tes­ge­gen­wart und emo­tio­na­ler Über­for­de­rung schrei­be ich auf jener Social-Media-Platt­form, die damals noch Twit­ter heißt: „Es ist schön, an das Jahr 2007 erin­nert zu wer­den. Es ist noch schö­ner, dass in mei­nem Leben heu­te unge­fähr alles bes­ser ist als damals.“ Oder, mit Mikas Wor­ten: „Ca-ching!
[Songs 2007 von damals]

2008: The Hold Ste­ady – Con­s­truc­ti­ve Sum­mer
Die Leser*innen, die ich damals noch „Leser“ nen­ne, wäh­len „Sex On Fire“ von Kings Of Leon zum Song und „Heu­re­ka“ von Tom­te zum Album des Jah­res. Ich samm­le die wich­tigs­ten Nazi-Ver­glei­che (eine Kate­go­rie, der damals noch ein gewis­ser Unter­hal­tungs­fak­tor anzu­haf­ten scheint) und Barack-Oba­ma-Refe­ren­zen und arbei­te den Rest der Zeit fürs BILD­blog.

Mei­ne wich­tigs­te Quel­le für neue Musik ist „All Songs Con­side­red“, ein Pod­cast von NPR, der auch das Vor­bild für mei­ne eige­ne, kurz­le­bi­ge Musik­sen­dung bei Spo­ti­fy 2023/​24 wird. Hier sto­ße ich erst­mals auf The Hold Ste­ady, eine Band aus Brook­lyn (ursprüng­lich: Minneapolis/​St. Paul), die Geschich­ten von Ver­lie­rern und Under­dogs in hym­ni­schen Rock­songs erzählt wie sonst nur Bruce Springsteen. Ihr Album „Stay Posi­ti­ve“ bringt mich durch ein Jahr, von dem ich heu­te so gut wie nichts mehr weiß, des­halb las­se ich mir das Sym­bol vom Album­co­ver 2011 auf mei­ne Wade täto­wie­ren.

Auch ihre Musik bleibt: 2009 kau­fe ich mir alle Alben und höre sie rauf und run­ter (wie man es in einer Welt ohne Strea­ming eben so mach­te), 2010 rufe ich den „Con­s­truc­ti­ve Sum­mer“ aus: „We’­re gon­na build some­thing this sum­mer.“ Hier ent­ste­hen dann end­lich Erin­ne­run­gen, die für immer blei­ben wer­den, unter­malt von „Boys And Girls In Ame­ri­ca“, „Stay Posi­ti­ve“ und dem damals neu­en Nach­fol­ge-Album „Hea­ven Is When­ever“.
[Songs 2008 von damals]

2009: Kili­ans – Home­town
Nach über fünf Jah­ren im Stu­den­ten­wohn­heim muss ich mir mal lang­sam eine eige­ne Woh­nung suchen und ich über­le­ge: In Bochum blei­ben oder nach Ham­burg zie­hen? Es ist ein Jahr der gro­ßen Gefüh­le zwi­schen Welt erobern wol­len und zuhau­se ein­sper­ren, beglei­tet von der ganz gro­ßen, uner­füll­ten Lie­be.

Mei­ne Freun­de von den Kili­ans (Bru­der, Demo-CD, Thees Uhl­mann, Tom­te-Tour — you know the sto­ry!) ver­öf­fent­li­chen im April ihr zwei­tes Album „They Are Cal­ling Your Name“ und spie­len aus die­sem Anlass ein Kon­zert auf dem Hans-Böck­ler-Platz in Dins­la­ken, jener Stadt, in der wir alle – die Kili­ans, ich und die ganz gro­ße, uner­füll­te Lie­be – auf­ge­wach­sen waren. Ihr Song „Home­town“ ist das Ange­bot einer Hym­ne.

Die Band löst sich 2013 auf, da wird der Hans-Böck­ler-Platz gera­de mit einem Ein­kaufs­zen­trum über­baut. Wenn man heu­te „Dins­la­ken“ sagt, reagie­ren nicht mehr vie­le Men­schen mit „Aaaah, die Kili­ans!“ (aber – und das wird die Bür­ger­meis­te­rin freu­en – auch nicht mehr mit „Aaaah, der Wend­ler!“ oder „Aaaah, die Sala­fis­ten!“). Die Stadt hat sogar die Emscher­mün­dung ver­lo­ren. Aber Erin­ne­run­gen und Musik wer­den ja immer blei­ben.

(Ich ent­schei­de mich 2009 übri­gens für Bochum. My home­town.)

2010: Lena – Satel­li­te
„Irgend­wann musst Du Dir das mal vor Ort anschau­en“, hat­te Ste­fan Nig­ge­mei­er 2008 über den Euro­vi­si­on Song Con­test (damals und immer schon: „Euro­vi­si­on Song Con­test“) gesagt, aber weil Mos­kau schon damals kein Ort ist, an dem man ger­ne sein möch­te, ver­schie­ben wir unser Pro­jekt auf das Fol­ge­jahr und nach Oslo. Womit wir nicht rech­nen: dass in Deutsch­land ein regel­rech­ter ESC-Hype um eine 18-jäh­ri­ge Abitu­ri­en­tin aus Han­no­ver aus­bricht und die die­se merk­wür­di­ge Quatsch-Ver­an­stal­tung tat­säch­lich gewinnt. (Also: In der ers­ten Fol­ge des Oslog wet­te ich natür­lich genau das, aller­dings ohne auch nur einen ande­ren Wett­be­werbs­bei­trag zu ken­nen.)

Als altes Thea­ter-Kind zieht mich die jähr­li­che Leis­tungs­schau der Büh­nen­tech­nik-Indus­trie sofort in ihren Bann und auch musi­ka­lisch ist das alles gar nicht mehr so schlimm, wenn man es nur oft genug gehört hat. Aber trotz der ein­schnei­den­den, im Nach­hin­ein lebens­weg­wei­sen­den Erfah­rung in Oslo traue ich mich nicht, „Satel­li­te“ auf mei­ne Jah­res­bes­ten­lis­te zu packen. Da sol­len auch wei­ter nur Indie-kre­di­be­le Sachen zu fin­den zu fin­den sein (und so igno­rie­re ich offen­bar auch das tol­le Take-That-mit-Rob­bie-Album „Pro­gress“ kom­plett). Das passt zu einem Jahr, in dem ich nicht gera­de dadurch auf­fal­le, irgend­wel­che Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, son­dern mich lie­ber vom Großstadt‑, vor allem aber Nacht­le­ben rund um mei­ne neue Woh­nung in der Innen­stadt mit­rei­ßen las­se und als neu­er BILD­blog-Chef in Talk­shows gehe und zu Jour­na­lis­ten­kon­gres­sen ins Aus­land flie­ge. („It’s phy­sics /​ There’s no escape.“)

Hier also spä­te Genug­tu­ung für einen Song und ein Ereig­nis, ohne die ich heu­te nicht da wäre, wo ich bin, und ohne die der ESC in Deutsch­land immer noch als „Schla­ger-Grand-Prix“ fir­mie­ren wür­de, bei dem man ohne­hin nichts rei­ßen kann.
[Songs 2010 von damals]

2011: Thees Uhl­mann – 17 Wor­te
Mein Kum­pel Thees Uhl­mann ist im Jahr 2011 wie so oft wei­ter als ich: Vater gewor­den, Bezie­hung zer­bro­chen, dabei, das Glück im Klei­nen zu suchen. Ich bin vier bis fünf Aben­de die Woche im Frei­beu­ter im Bochu­mer Bermuda3eck und schrei­be neben­her das BILD­blog voll. Des­we­gen igno­rie­re ich Thees‘ selbst­be­ti­tel­tes Solo-Debüt damals auch rüpe­lig bei den „Alben des Jah­res“ (und lobe lie­ber das nächs­te ega­le Cold­play-Album), obwohl ich es wirk­lich oft höre.

Aber die­se Lis­te hier ist auch eine Chan­ce auf Wie­der­gut­ma­chung, denn sechs Jah­re spä­ter ste­he ich beim GHvC-Geburts­tag in Ham­burg im Nie­sel­re­gen: Vater gewor­den, Bezie­hung zer­bro­chen, dabei, das Glück im Klei­nen zu suchen. Also völ­lig ande­re Prio­ri­tä­ten und Prin­zi­pi­en: „Mei­ne Wahr­heit in 17 Wor­ten: /​ Ich hab ein Kind zu erzie­hen /​ Dir einen Brief zu schrei­ben /​ Und ein Fuß­ball-Team zu sup­port­en.“ (Bei Erschei­nen des Albums hat­te ich Thees eine SMS geschrie­ben, dass das nur 16 Wor­te wären, weil man „Fuß­ball­team“ zusam­men­schrei­be. Sei­ne Ant­wort kam natür­lich prompt: „Fuß­ball Team!“)

2021 sehe ich Thees Uhl­mann und Band live im Burg­thea­ter in Dins­la­ken (weil: natür­lich). Es ist mein ers­ter Kon­zert­be­such seit andert­halb Jah­ren, mein Sohn ist an mei­ner Sei­te, mei­ne Eltern irgend­wo in mei­nem Rücken, der VfL Bochum ist auf­ge­stie­gen. Wei­te Tei­le der Öffent­lich­keit sind wäh­rend der immer noch anhal­ten­den Pan­de­mie dem Wahn­sinn anheim­ge­fal­len, aber als Thees „17 Wor­te“ spielt, macht für mich alles Sinn: Wir sin­gen, um uns zu erin­nern.
[Songs 2011 von damals]

2012: Car­ly Rae Jep­sen – Call Me May­be
Die­ser beklopp­te Euro­vi­si­on Song Con­test hat mich nach Aser­bai­dschan ver­schla­gen. Ich sit­ze in Baku im Hotel­zim­mer, gucke rus­si­sches Musik­fern­se­hen und sehe die­ses Video. Als der Song zu Ende ist, zap­pe ich wei­ter und sehe das glei­che Video auf dem nächs­ten Kanal direkt noch mal von vorn. „Komi­sche Rus­sen“, den­ke ich, will den Song bei Face­book pos­ten und stel­le fest, dass ich mit „Call Me May­be“ einen inter­na­tio­na­len Hit ver­passt habe.

Wahr­schein­lich ist es die­ser Moment, in dem ich die­ses eli­tär-puber­tä­re Musik-nur-gut-fin­den-wenn-sie-sonst-kei­ner-hört-Din­gen auf­ge­be und end­lich frei bin, Din­ge gut zu fin­den, nur weil ich sie gut fin­de. Um Din­ge auch öffent­lich gut zu fin­den (jeden­falls meis­tens), star­ten Tom The­len und ich im Blog unse­ren Kino-Pod­cast „Cine­ma And Beer“.

„Befo­re you came into my life /​ I missed you so bad“ ist immer noch eine der bes­ten Zei­len, die je über roman­ti­sche Lie­be geschrie­ben wur­de — und das waren ja nun wirk­lich nicht weni­ge. Car­ly Rae Jep­sen in der Köl­ner Essig­fa­brik ist im Febru­ar 2020 mein letz­tes Kon­zert vor dem Lock­down (ist es nicht Magie, wie hier alles inein­an­der­greift?!) und die fröh­li­che Stim­mung die­ses durch­aus ESC-taug­li­chen Publi­kums trägt mich durch die ers­ten, dunk­len Mona­te der Iso­la­ti­on.
[Songs 2012 von damals]

2013: Daft Punk feat. Phar­rell Wil­liams & Nile Rogers – Get Lucky
Ich sit­ze in einem Auto, das mich vom Hotel zur Mal­mö Are­na bringt, neben mir: ESC-Kom­men­ta­to­ren­le­gen­de Peter Urban. Als wäre das nicht schon absurd genug, wippt die­ser 65-jäh­ri­ge Mann zur Musik aus dem Auto­ra­dio mit: „Get Lucky“ von Daft Punk, Phar­rell Wil­liams und Nile Rogers. Natür­lich kennt er das, denn es ist ja ein inter­na­tio­na­ler Super­hit, dem man nur schwer ent­kom­men kann, und Peter wür­de auch jede Men­ge deut­lich obsku­re­re Songs mit­sin­gen, die in den letz­ten ca. 50 Jah­ren erschie­nen sind, aber irgend­wie über­rascht es mich in die­sem Moment doch, denn Daft Punk, das sind doch die von Viva 2 (wo sie jetzt zuge­ge­be­ner­ma­ßen auch nicht zwin­gend zur Avant­gar­de gezählt hat­ten).

Die Domi­no­stei­ne, von denen die­ses Blog der ers­te war, haben mich hier­her gebracht, ins Epi­zen­trum des Enter­tain­ments. Nur einen Monat spä­ter sol­len sie mich zum Late-Night-Mei­nungs­ma­ga­zin „Tages­schaum“ mit Fried­rich Küp­pers­busch füh­ren und von dort zu unse­rem gemein­sa­men Pod­cast „Lucky & Fred“. Das Leben meint es gut mit mir, beruf­lich wie pri­vat.
[Songs 2013 von damals]

2014: Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness – High Dive
Ich hät­te immer gesagt, dass das Jahr 2014 hier im Blog gar nicht statt­ge­fun­den hat, aber es gibt doch eini­ge Ein­trä­ge aus die­ser Zeit — die meis­ten als Teil der kurz­le­bi­gen Serie „Song des Tages“. Ich erin­ne­re mich an nichts, weil ich zu sehr mit ande­ren Sachen beschäf­tigt bin: Umzug, neue Jobs, Hoch­zeit pla­nen und absa­gen, Vater wer­den, irgend­wie ver­su­chen, mei­ne Bezie­hung zu ret­ten. Alles Din­ge, auf die einen Pop­kul­tur nur unzu­rei­chend vor­be­rei­tet; alles Din­ge, die für Pop­kul­tur wenig Zeit las­sen.

Das ers­te neue Album, das ich mit mei­nem Sohn höre, ist das Solo­de­büt von Andrew McMa­hon, der mich mit sei­nen Bands Some­thing Cor­po­ra­te und Jack’s Man­ne­quin jetzt auch schon mehr als zehn Jah­re beglei­tet. Er ist auch gera­de Papa gewor­den, so kann ich die Ver­ar­bei­tung mei­ner Lebens­wirk­lich­keit wie­der mal auf ihn abwäl­zen und ein­fach sei­ne Songs hören. Obwohl wir doch noch jung sind, ist da viel Nost­al­gie in sei­nen Tex­ten wie „High Dive“, aber Face­book ersetzt Knei­pen­aben­de mit Freund*innen ja auch nur bedingt.

2015: Ben Folds – Pho­ne In A Pool
2015 ist dann tat­säch­lich das Jahr, das nicht war, denn ich schrei­be sen­sa­tio­nel­le sie­ben Blog­ein­trä­ge, von denen die meis­ten ursprüng­lich Face­book-Posts waren. Offen­bar schaf­fe ich es immer­hin ein paar Mal ins Kino. (Ach, „The Force Awa­kens“ ist von 2015?!) Ich kann mich an nichts erin­nern und es geht mir wirk­lich nicht gut.

Ein biss­chen Trost kommt von mei­nem ewi­gen Hel­den Ben Folds, der gera­de die vier­te Schei­dung (von inzwi­schen fünf) hin­ter sich hat und mit dem Kam­mer­mu­sik-Ensem­ble yMu­sic ein Album ein­spielt, auf dem auch sein ers­tes Kla­vier­kon­zert zu hören ist. (Wir gehen alle unter­schied­lich mit Lebens­kri­sen um.) In „Pho­ne In A Pool“ berich­tet er: „Found the love of my life again /​ Y’all knows what I means /​ And I’ll be back on the sofa in a pudd­le in a cou­ple of weeks“. Bei all dem Elend ist es schön, dass jemand, der mich mein hal­bes Leben lang beglei­tet, immer noch Songs schrei­ben kann, die so gut zu mei­nem eige­nen Leben pas­sen. Natür­lich gibt es am Ende des Jah­res kei­ne Lis­ten — ich hab ja eh viel zu wenig Musik gehört und wann hät­te ich die denn noch schrei­ben sol­len?

2016: Weezer – Cali­for­nia Kids
Neu­an­fang in einer eige­nen Woh­nung und das Vor­ha­ben, das Blog jetzt aber wirk­lich wie­der zu befeu­ern. Da passt es ganz gut, dass Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re, des­sent­we­gen ich als Teen­ager mit dem Schrei­ben ange­fan­gen hat­te, ein neu­es Buch ver­öf­fent­licht, unge­fähr zeit­gleich mit dem neu­en Album der von uns hoch ver­ehr­ten Pet Shop Boys und dem von Weezer. Alle drei Acts eint, dass ihr Schaf­fen nicht zu jedem Zeit­punkt ihrer Kar­rie­re den Ansprü­chen des eige­nen Publi­kums genüg­te, aber jetzt sind sie wie­der voll da.

Also eigent­lich eine gute Gele­gen­heit, dar­über zu schrei­ben und über ande­re Din­ge, die mir Freu­de berei­ten, aber das Inter­net ist damals im wesent­li­chen Face­book und dort sind wir alle damit beschäf­tigt, mit irgend­wel­chen AfD-Anhän­gern zu dis­ku­tie­ren, die irgend­wo etwas Dum­mes kom­men­tiert haben. Um die­sem gan­zen Irr­sinn zu ent­flie­hen, schrei­be ich nicht etwa wie­der mehr ins Blog, son­dern star­te mei­nen eige­nen News­let­ter. Da macht das Schrei­ben immer­hin auch Spaß.

Weezer, jeden­falls, ken­ne ich seit mehr als 20 Jah­ren, als das Video zu „Bud­dy Hol­ly“ bei „Hit-Clip“ lief und auf der Win­dows-95-CD-Rom ent­hal­ten war. Jetzt ver­öf­fent­li­chen sie schon das vier­te Album namens „Weezer“ (nach dem blau­en, dem grü­nen und dem roten Album jetzt ganz Beat­les-mäßig das wei­ße), das mei­nen Sohn und mich auf vie­len Aus­flü­gen zum Kem­n­ader See beglei­tet und ihr bes­tes seit Jahr­zehn­ten ist. Der ope­ning cut „Cali­for­nia Kids“ han­delt von den glück­li­chen jun­gen Men­schen aus dem Gol­den Sta­te, die einem das Leben ret­ten. Ich nen­ne Kali­for­ni­en ger­ne „my home away from home“, was viel­leicht etwas prä­ten­ti­ös ist, aber ich hab da halt Fami­lie und es ist auch der ein­zi­ge Ort außer­halb des Ruhr­ge­biets, an dem ich je so viel Zeit am Stück ver­bracht habe. Der Staat bleibt auch nach der Wahl von Donald Trump zum US-Prä­si­den­ten das (natür­lich eher theo­re­ti­sche) Ide­al, das ich bewun­de­re, genau­so wie ich Men­schen auch lie­ber aus der Fer­ne toll fin­de — Cali­for­nia Kids halt.

2017: kett­car – Ankunfts­hal­le
Als die­ses Blog an den Start geht, haben kett­car bereits zwei Alben ver­öf­fent­licht: ihr Debüt „Du und wie­viel von Dei­nen Freun­den“, ein instant clas­sic, und – beglei­tet von Fern­seh­auf­trit­ten und ganz­sei­ti­gen Zei­tungs­ar­ti­keln – den Nach­fol­ger „Von Spat­zen und Tau­ben, Dächern und Hän­den“. Trotz­dem schrei­be ich in all den Jah­ren rela­tiv weni­ge Tex­te über die­se Band, die mir so wich­tig ist. Viel­leicht weil ich den­ke, dass das eh klar ist.

2017 liegt das letz­te (eher okaye) kett­car-Album fünf Jah­re zurück, Mar­cus Wie­busch hat in der Zwi­schen­zeit ein (ziem­lich gutes) Solo­al­bum ver­öf­fent­licht, aber plötz­lich ist die Band wie­der ein Macht­block mit­ten in Euro­pa: Ihre stets kla­re poli­ti­sche Hal­tung, die Jah­re vor­her noch ein biss­chen folk­lo­ris­tisch anmu­te­te, ist inzwi­schen not­wen­dig, aber neben Songs wie „Som­mer ’89“, „Wagen­burg“ und „Mann­schafts­auf­stel­lung“ gibt es auch jene, die sich anfüh­len wie Pola­roids (oder Ins­ta-Posts) aus dem All­tag. „Die Stra­ßen unse­res Vier­tels“ ersetzt eine gan­ze Fern­seh­se­rie über das Fami­li­en­le­ben in Hips­ter-Vier­teln, ohne sich für eine Sekun­de Harald-Schmidt-mäßig über Hafer­milch lus­tig zu machen; „Trost­brü­cke Süd“ ist ein Kame­ra­schwenk durch einen Lini­en­bus vol­ler Men­schen, die auf­ste­hen, atmen, sich anzie­hen und hin­ge­hen, und „Ankunfts­hal­le“ der Blog-Ein­trag, News­let­ter oder Song, den ich immer hat­te schrei­ben wol­len: ein Lob­lied auf die hei­len­de Kraft von Flug­ha­fen-Ankunfts­hal­len, wo Men­schen sich nach lan­ger Zeit der Tren­nung wie­der in die Arme fal­len.

Als kett­car und Thees Uhl­mann im August im Ham­bur­ger Nie­sel­re­gen 15 Jah­re Grand Hotel van Cleef fei­ern, ist weni­ge Tage zuvor mei­ne Oma gestor­ben, die hier von Anfang an mit­ge­le­sen hat­te. Ende Dezem­ber liegt mein Opa im Ster­ben und ich fah­re mit mei­nem Sohn zum Düs­sel­dor­fer Flug­ha­fen, Men­schen in der Ankunfts­hal­le gucken.
[Songs des Jah­res 2017 damals]

2018: Rae Mor­ris – Do It
Hat­te ich oben – also vor ca. 18.000 Zei­chen – nicht noch geschrie­ben, dass in die­ser Lis­te expli­zit nicht die jewei­li­gen Songs des Jah­res auf­tau­chen sol­len? Well: We make up the rules as we go along!

Rae Mor­ris hat sich ihre Son­der­rol­le hier im Blog ver­dient: Weil ich mich 2012 instant­ly in ihren Song „Don’t Go“ aus dem (eigent­li­chen) Seri­en­fi­na­le von „Skins“ (der ein­zi­gen Fern­seh­se­rie neben „Die Brü­cke“, von der ich alle Fol­gen gese­hen habe) ver­liebt habe; weil sie der ers­te (und bis heu­te ein­zi­ge) Act in der Geschich­te die­ses Blogs ist, der in einem Jahr (2018) mei­nen per­sön­li­chen „Song des Jah­res“ und mein „Album des Jah­res“ ver­öf­fent­licht hat (das haben Tom­te 2006 zwar auch geschafft, aber halt sechs Wochen, bevor die­ses Blog an den Start ging, also zählt das nur an unge­ra­den Wochen­ta­gen ohne Neu­mond); weil sie der ers­te (und bis heu­te ein­zi­ge) Act ist, der zwei Mal mei­nen per­sön­li­chen Song des Jah­res (2012 und 2018) geschrie­ben hat.

Irgend­wie alles tro­cke­ner Sta­tis­tik-Kram ange­sichts eines Songs, der davon han­delt, auf die Zwei­fel zu pfei­fen und sich kopf­über in die Lie­be zu stür­zen. Rae Mor­ris singt das über ihren musi­ka­li­schen Part­ner und heu­ti­gen Ehe­mann Fryars und sie macht das so toll, dass ich mit ihr an die gro­ße Lie­be glau­ben will, die sich anfühlt wie Feu­er­werk aus­sieht. Doch mei­ne Ver­su­che, „Do It“ in „Joko Win­ter­scheidts Druckerzeug­nis“ zum Som­mer­hit des Jah­res zu pushen, schei­tern und Men­schen wie ich blei­ben bes­ser allein.

Aber, so den­ke ich heu­te, eigent­lich ist die­ses Blog hier ja auch nichts ande­res als die Umset­zung des Gedan­kens „We could just do it“: Gestar­tet als „die Online-Zei­tung, die wir ger­ne lesen wür­den“ (puh!), konn­te ich mich hier an der Tas­ta­tur und vor der Kame­ra aus­to­ben, aus­pro­bie­ren und dar­an wach­sen, um dann für Zei­tun­gen und Fern­seh­sen­dun­gen zu arbei­ten, die ich frü­her nur rezi­piert hat­te. Wenn man aus 18 Jah­ren Cof­fee And TV unbe­dingt irgend­et­was ler­nen will, dann, dass Selbst­er­mäch­ti­gung manch­mal (es gehört ja auch bei mir sicher­lich eini­ges an Glück dazu) wirk­lich funk­tio­nie­ren kann.
[Songs des Jah­res 2018 damals]

2019: LOKI – The Girl With No Eyes
Für die, die hier ernst­haft Buch füh­ren (also: für mich), mag es etwas über­ra­schend sein, dass ein Song, der auf Platz 59 einer Jah­res­bes­ten­lis­te stand, ein Jahr reprä­sen­tie­ren soll. Nun: Ers­tens kön­nen wir uns glaub ich dar­auf eini­gen, dass es eh schon ein ganz klei­nes biss­chen wahn­sin­nig ist, einen „Platz 59“ auf einer per­sön­li­chen Bes­ten­lis­te zu haben; zwei­tens habe ich erst bei der Durch­sicht mei­ner diver­sen Lis­ten, Ein­trä­ge und Play­lists fest­ge­stellt, dass ich tat­säch­lich schon mal Musik von LOKI gehört haben muss, bevor ich sie letz­tes Jahr beim Fes­ti­val Sounds Like Sugar in Her­ne gese­hen habe und so begeis­tert war, dass ich sie beim Bochum Total direkt wie­der sehen muss­te.

Damit steht „The Girl With No Eyes“, des­sen Bon-Iver-Haf­tig­keit mich schon 2019 über­zeugt haben muss, näm­lich für etwas ande­res: Für das wil­de Über­an­ge­bot an Wer­ken (oder: „Con­tent“, wie die Arsch­lö­cher sagen, die in ihrem Leben nicht einen ein­zel­nen genui­nen Gedan­ken hat­ten), aus dem wir theo­re­tisch wäh­len kön­nen, das aber auch das Risi­ko birgt, alles belie­big und egal zu machen. Dass es etwas ande­res ist, tage­lang in phy­si­schen Läden nach einer CD zu fahn­den und sie dann end­lich zu fin­den, als ein­fach alles immer sofort (terms and con­di­ti­ons app­ly) zur Ver­fü­gung zu haben, hab ich schon 2016 auf­ge­schrie­ben. Es ist seit­dem nicht weni­ger gewor­den. Wenn ich mich nicht mehr an irgend­wel­che Acts erin­nern kann (natür­lich auch, weil ihre Namen nur noch über Bild­schir­me flim­mern und nicht aus­ge­druckt vor mir lie­gen, was mei­nem Gehirn immer­hin ein biss­chen hel­fen wür­de), ist es alles ein biss­chen viel.

Ich selbst tra­ge fröh­lich zum Über­an­ge­bot bei: Mit Fried­rich Küp­pers­busch ste­he ich jetzt regel­mä­ßig auf Büh­nen in Dort­mund und Ber­lin, um „Lucky & Fred“ vor Publi­kum auf­zu­zeich­nen. Da kommt das Thea­ter-Kind von frü­her wie­der zum Vor­schein, Applaus ist immer noch die stärks­te Wäh­rung. Weil Likes dage­gen abstin­ken und dort eh nichts mehr los ist, lösche ich am Sil­ves­ter­abend mei­nen Face­book-Account. Im Nach­hin­ein möch­te ich sagen: Ich habe schon düm­me­re Din­ge zu einem schlech­te­ren Zeit­punkt gemacht.
[Songs des Jah­res 2019 damals]

2020: Tay­lor Swift – Epi­pha­ny
Alles beginnt so schön mit wei­te­ren Live-Auf­trit­ten und Kon­zert­be­su­chen bei kett­car, Ider und Car­ly Rae Jep­sen. Und dann endet alles: Kon­zer­te, Kin­der­gar­ten, Bun­des­li­ga, sogar der Euro­vi­si­on Song Con­test wird erst­mals abge­sagt. „Wegen Coro­na“ wird ein soge­nann­tes geflü­gel­tes Wort, was auch irgend­wie zu den ver­damm­ten Flug­hun­den auf dem Nass­markt von Wuhan passt, die uns die gan­ze Schei­ße (mut­maß­lich) ein­ge­brockt haben.

Popkultur-Freund*innen ver­glei­chen die Stra­ßen mit jenen aus dem Zom­bie­film „28 Days Later“ und wir ler­nen die Wohn­zim­mer von Kolleg*innen und Rock­stars ken­nen, die von dort aus Mini-Kon­zer­te in die Welt strea­men (die Rock­stars, nicht die Kolleg*innen). Die Leu­te erschei­nen all das mit erstaun­li­chem Gleich­mut zu ertra­gen, aber die­ses Bild bekommt – um eine wei­te­re Phra­se zu ver­mei­den – schnell Ris­se: Als sich im April eine Frau, die vor einem Café war­ten muss, um Kuchen zum Mit­neh­men zu kau­fen, über die „Gesund­heits­dik­ta­tur“ beschwert, bin ich viel zu über­rascht und scho­ckiert, ihr vor­zu­schla­gen, dass wir ger­ne gemein­sam einen Bekann­ten von mir, der Arzt in Padua ist, anru­fen könn­ten und sie ja mal mit dem spre­chen kön­ne, wenn er nicht gera­de dabei ist, um Leben zu kämp­fen.

Es ist ein Vor­ge­schmack auf das, was kommt: Weil man sich jetzt nir­gend­wo mehr in die Augen gucken kann, ver­ges­sen nahe­zu alle, dass sie online mit ande­ren Men­schen dis­ku­tie­ren. Man­che von uns nut­zen die vie­le freie Zeit, um sich über Ras­sis­mus fort­zu­bil­den, ande­re, um sich zu radi­ka­li­sie­ren. Ich schrei­be viel in mei­nen News­let­ter und wenig ins Blog, star­te aber zusam­men mit Sue Reind­ke immer­hin einen neu­en Pod­cast namens „Bist Du noch wach?“

In all das hin­ein ver­öf­fent­licht Tay­lor Swift, die nach einer abge­sag­ten Welt-Tour­nee auch zu viel Frei­zeit hat, ein Album, das sie in den ers­ten Mona­ten des Lock­downs mit Aaron Dess­ner von The Natio­nal auf­ge­nom­men hat, remo­te. „Folk­lo­re“ wird zum Sound­track des ers­ten Coro­na-Som­mers und über­zeugt selbst jene, die ihrer Musik bis­her kri­tisch gegen­über­ge­stan­den hat­ten. Mit „Ever­mo­re“ erscheint ein paar Mona­te spä­ter noch so ein gro­ßer Wurf. Nach dem groß­ar­ti­gen „1989“ von 2014 hab ich end­lich die nächs­te era, in der ich mich ein­rich­ten kann. Es ist der Sound­track zu sehr aus­gie­bi­gen Spa­zier­gän­gen durch die ver­schie­de­nen Nach­bar­schaf­ten hier in Bochum. Und mit­ten­drin ein Song über Sol­da­ten und Men­schen im Gesund­heits­we­sen, über das Ster­ben in Ein­sam­keit und über das Wei­ter­ma­chen der Über­le­ben­den: „Epi­pha­ny“. „Someone’s daugh­ter, someone’s mother /​ Holds your hand through pla­s­tic now“ sind Zei­len, die mir auf ewig die Trä­nen in die Augen trei­ben und einen Klos in den Hals drü­cken wer­den. Die gute Nach­richt: Mei­ne Omi, die mit 94 noch allein in ihrem viel zu gro­ßen Haus wohnt, über­lebt all das ohne Anste­ckung. Das ist nicht ihr Song.
[Songs des Jah­res 2020 damals]

2021: Meet Me @ The Altar – Never Gon­na Chan­ge
2021 ist die etwas öde Fort­set­zung des Seu­chen­jah­res, aber als Far­ce: Hash­tag Oster­ru­he. Die Amts­zeit von Donald Trump endet, die von Ange­la Mer­kel auch. In Rot­ter­dam, wo der ESC unter Pan­de­mie-Bedin­gun­gen statt­fin­det, lau­tet der schon 2019 erson­ne­ne Slo­gan pas­sen­der­wei­se „Open Up“. Den Som­mer ver­brin­ge ich damit, mein Buch über den Song Con­test zu schrei­ben, an Omis Geburts­tag und an Weih­nach­ten sind wir wie­der alle ver­eint.

In Aachen tref­fe ich einen mei­ner aller­größ­ten Hel­den: Micha­el Sti­pe von R.E.M. Er ist so bezau­bernd, wie ich erhofft hat­te, und gibt mir das Gefühl, als sei ich der aller­ers­te Mensch, der „You’­ve chan­ged my life“ zu ihm sagt. Der VfL Bochum steigt nach elf Jah­ren wie­der in die Bun­des­li­ga auf. Natu­re is heal­ing.

Mei­ne aktu­el­le Lieb­lings­band heißt Meet Me @ The Altar, que­er Women of Color aus den USA, die Pop-Punk zwi­schen Avril Lavi­gne, Para­mo­re und Blink-182 machen. Zum ers­ten Mal hören tue ich von ihnen bei – natür­lich – „All Songs Con­side­red“ auf – natür­lich – einem mei­ner lan­gen Spa­zier­gän­ge, in Erin­ne­rung blei­ben mir ihre EP „Model Citi­zen“ und der Song „Never Gon­na Chan­ge“ aber vor allem als Sound­track zu den ers­ten Besu­chen im Fit­ness­stu­dio, die jetzt wie­der mög­lich sind.
[Songs des Jah­res 2021 von damals]

2022: Maro – Sau­da­de, Sau­da­de
Am Ende wird es das Jahr gewe­sen sein, das ich so lang gefürch­tet hat­te: das, in dem mei­ne Omi stirbt. Es wer­den lan­ge vier Mona­te des Abschieds, die ihren Kin­dern alles abver­lan­gen, aber es eine Zeit des bewuss­ten, lie­be­vol­len Abschieds und der Lie­be in ihrer reins­ten Form.

All das ahne ich noch nicht, als ich beim ESC in Turin sit­ze und völ­lig gebannt (das eng­li­sche Wort mes­me­ri­zed ken­nen wir im Deut­schen lei­der nicht, obwohl es doch auf einen deut­schen Arzt zurück­geht) dem Auf­tritt der por­tu­gie­si­schen Künst­le­rin fol­ge, die das spe­zi­fisch por­tu­gie­si­sche Gefühl sau­da­de besingt, das mit „ver­mis­sen“ nur unzu­rei­chend über­setzt wer­den kann und das sie nach dem Tod ihres gelieb­ten Groß­va­ters emp­fin­det. „Sau­da­de, Sau­da­de“ erreicht am Ende einen tol­len 9. Platz, Deutsch­land hat auch teil­ge­nom­men. Aller­spä­tes­tens hier in Turin ist der ESC nicht mehr die leicht tra­shi­ge Quatsch-Ver­an­stal­tung, als die er noch galt, als Ste­fan und ich 2007 erst­ma­lig dar­über gebloggt haben. Er ist ein ech­tes Musik­fes­ti­val, bei dem man Gen­res und Acts vor­ge­stellt bekommt, auf die man sonst viel­leicht nie gesto­ßen wäre. Wer hier noch alles doof fin­det, mag wahr­schein­lich ein­fach kei­ne Musik.

Mein Buch über die­se Ver­an­stal­tung erscheint qua­si zeit­gleich mit Beginn des rus­si­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne, was mir eine ordent­lich Por­ti­on der Freu­de raubt. Als ich den Release trotz­dem mit Freund*innen in mei­ner Stamm­knei­pe feie­re, ste­cke ich mich (end­lich) mit COVID-19 an und bin immer noch reich­lich außer Atem, als ich das Buch in einer klei­nen gro­ßen Live­show in der Zeche Carl in Essen vor­stel­le. Irgend­wie schaf­fe ich es sogar, in die­sem Jahr noch einen Pod­cast zu pro­du­zie­ren: die Talk­sen­dung „Woher ken­nen wir uns?“
[Songs des Jah­res 2022 damals]

2023: Foo Figh­ters – Res­cued
Omi und Tay­lor Haw­kins sind im sel­ben Jahr gestor­ben, was inso­fern beson­ders tra­gisch ist, als der Schlag­zeu­ger der Foo Figh­ters 46 Jah­re jün­ger gewe­sen war. Dave Grohl hat­te zum drit­ten Mal einen sei­ner bes­ten Freun­de ver­lo­ren, Mona­te spä­ter sei­ne Mut­ter. Ob das der Beginn einer etwas ver­spä­te­ten mid­life-cri­sis war, in deren Ver­lauf jene Toch­ter ent­stand, die „außer­halb mei­ner Ehe“ gebo­ren wur­de, wie er auf Insta­gram schrieb, ver­mag ich nicht zu beur­tei­len — es war zumin­dest der Aus­lö­ser, „But Here We Are“ auf­zu­neh­men, das bes­te Foo-Figh­ters-Album seit fast 25 Jah­ren, auf dem er wie­der ein­mal Trau­er in Wut ver­wan­delt und umge­kehrt.

„Res­cued“ ist einer der ers­ten Songs, den ich in mei­ner klei­nen Musik­sen­dung spie­le, die ich in einem Anfall beson­de­rer Geis­tes­ge­gen­wart auch „Cof­fee And TV“ genannt habe. Sie ist das, wor­auf ich Jahr­zehn­te lang gewar­tet hat­te: die Mög­lich­keit, Songs in einem Pod­cast zu spie­len, ohne in einem kost­spie­li­gen Büro­kra­tie­ge­wit­ter namens „GEMA“ unter­zu­ge­hen. Das Ergeb­nis kann man zwar nur beim fins­te­ren Tech-Kon­zern Spo­ti­fy hören, aber ent­schei­den­der ist für mich eh, sowas über­haupt machen zu kön­nen. Aber wie so oft mit den schö­nen Din­gen im Inter­net: Nur ein Jahr spä­ter zieht Spo­ti­fy den Ste­cker und schafft die Mög­lich­keit, sol­che Musik­sen­dun­gen zu bau­en, direkt wie­der ab.

„But Here We Are“ wird auch 2024 wie­der für mich da sein: Als mei­ne gelieb­te Tan­te Dör­te stirbt, eine groß­ar­ti­ge Grund­schul­leh­re­rin, höre ich den Song, den Dave Grohl für sei­ne ver­stor­be­ne Mut­ter Vir­gi­nia geschrie­ben hat, die eben­falls Leh­re­rin gewe­sen war: „The Tea­cher“.

2024: Ezra Coll­ec­ti­ve feat. Yaz­min Lacey – God Gave Me Feet For Dancing
Das ist mir in all den Jah­ren auch noch nicht pas­siert, dass ich – trotz aller Play­lis­ten, Noti­zen-Apps und Zet­tel – beim Zusam­men­stel­len der „Alben“ oder „Acts des Jah­res“ ein Album bzw. einen Act kom­plett ver­ges­se. Ob’s am Alter liegt oder dem schon erwähn­ten Über­an­ge­bot?

Immer­hin habe ich hier die Gele­gen­heit, den Feh­ler schnell halb­wegs wett­zu­ma­chen: „God Gave Me Feet For Dancing“ von Ezra Coll­ec­ti­ve und Yaz­min Lacey. Ezra Coll­ec­ti­ve sind eine Jazz-Fusi­on-Band aus Lon­don, die Ele­men­te aus Afro­beat, Calyp­so, Reg­gae, Hip-Hop, Soul und Jazz ver­bin­den und deren Songs bei BBC Radio 6 Music, mei­ner aktu­el­len Haupt­quel­le für neue Musik, rauf und run­ter läuft. Es ist die­se Musik, die ich mit dem leicht­fü­ßi­gen Som­mer 2024 ver­bin­de, als wir alle den­ken, dass Kama­la Har­ris US-Prä­si­den­tin wer­den wird, und die Olym­pi­schen Spie­le in Paris ein Gefühl von Hoff­nung, Zuver­sicht und Gemein­schaft ver­mit­teln, das wir so lan­ge ver­misst hat­ten. Sich ein paar Mona­te spä­ter über die eige­ne ver­meint­li­che Nai­vi­tät lus­tig zu machen, wäre aber auch zynisch.
[Songs des Jah­res 2024 von „damals“]

Epi­log
„Am Ende wird alles okay sein — und wenn es nicht okay ist, ist es nicht das Ende“, hat der bra­si­lia­ni­sche Autor Fer­nan­do Sabi­no geschrie­ben und Weezer nann­ten ihr 2015er Album „Ever­y­thing Will Be Alright In The End“. „Schwimm für die Songs, die noch geschrie­ben wer­den“, hat Mar­cus Wie­busch von kett­car auf sei­nem Solo­al­bum gesun­gen — und dabei Andrew McMa­hon refe­ren­ziert. Alles hängt immer mit allem zusam­men.

Social Media ist, spä­tes­tens seit sich die Tech-Olig­ar­chen um Donald Trump scha­ren, ein dumps­ter fire, das unse­re See­len und Gehir­ne ver­zehrt. Doch das hier sind nur die ers­ten 18 Jah­re und die ers­ten 18 Songs. Cof­fee And TV ist mein Zuhau­se und ich pla­ne zu blei­ben, mein Freund.

Denn wie sang einst Gra­ham Coxon in jenem Blur-Song, des­sen Titel wir uns damals ein­fach gemopst haben?

Take me away from this big bad world
And agree to mar­ry me
So we can start over again

(Auf das mit dem Hei­ra­ten wür­de ich nach den oben erwähn­ten Erfah­run­gen aller­dings ger­ne ver­zich­ten.)

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Digital

15 Jahre Super-Selbstreferentialität

Heu­te vor 15 Jah­ren ging hier mein Blog an den Start — oder damals noch „unser Blog“, denn wir hat­ten das Ding mit eini­gen Leu­ten als Gemein­schafts­pro­jekt geplant (siche­rer Lacher: „Dann hat man direkt acht Leser*innen“) und kei­nen gerin­ge­ren Anspruch als „das Medi­um zu machen, dass wir selbst ger­ne lesen wür­den“. Das hat alles so mit­tel­gut geklappt.

Coffee And TV 2007 (Screenshot)

Es war die Zeit vor Social Media, Pod­casts und so, es gab das Gemein­schafts­ge­fühl einer soge­nann­ten „Blogo­sphä­re“ und wir waren wirk­lich so unver­fro­ren zu glau­ben, dass wir damit die Medi­en­welt ändern könn­ten.

Ich habe kei­ne Ahnung, woher ich damals die Ener­gie genom­men habe, mich tag­ein, tag­aus an „RP Online“, Nazi-Ver­glei­chen und Barack-Oba­ma-Ran­schmis­sen abzu­ar­bei­ten und auch noch jeden Monat Alben, Songs und Fil­me zu emp­feh­len. Ich ver­mu­te, ich war ein­fach jung und hat­te damals kein beson­ders auf­re­gen­des Leben.

Ohne die­ses Blog hät­te mich Ste­fan Nig­ge­mei­er wahr­schein­lich nie gefragt, ob ich mit ihm 42 ESC-Songs bespre­chen möch­te, und er hät­te mich nie zum BILD­blog geholt. Der Rest ist Geschich­te (und ein Buch, das in 18 Tagen erscheint).

Wenn wir dar­aus also irgend­was ler­nen kön­nen, dann das, was Ste­ve Jobs schon 2005 den Absolvent*innen in Stan­ford gesagt hat­te: „You can’t con­nect the dots loo­king for­ward; you can only con­nect them loo­king back­ward. So you have to trust that the dots will somehow con­nect in your future.“

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Print Digital

Blogging like it’s 2007

Nächs­te Woche wird die­ses Blog 14 Jah­re alt. Gera­de in der Anfangs­pha­se, als hier noch rich­tig viel los war, es ein Zusam­men­ge­hö­rig­keits­ge­fühl in der damals soge­nann­ten Blogo­sphä­re gab, und wir alle die Hybris hat­ten, zu glau­ben, Blogs könn­ten den Jour­na­lis­mus ver­än­dern (womög­lich gar zum Bes­se­ren), habe ich mich öfter dar­über auf­ge­regt, dass Online-Medi­en über Blogs schrie­ben, ohne sie zu ver­lin­ken (und das in einem Ton­fall, der sich im Nach­hin­ein allen­falls mit „jugend­li­cher Über­mut“ erklä­ren lässt).

Inzwi­schen sind „Blog­ger“ Men­schen, die auf Insta­gram teu­re Uhren in die Kame­ra hal­ten; der Jour­na­lis­mus hat unge­fähr alles, was am Inter­net immer schon schlecht war, über­nom­men; aber immer­hin fin­det man inzwi­schen selbst in vie­len Print-Medi­en QR-Codes, mit deren Hil­fe man auf im Text erwähn­te Inter­net­sei­ten gelan­gen kann.

So gese­hen ist der Text, den der „Spie­gel“ vor zwei Wochen über eine Aus­stel­lung über die First Ladies der US ver­öf­fent­lich­te, ziem­lich old­school:

Sie war im November kurz zu sehen, bevor das Museum wegen der Pandemie schließen musste. Die Onlineversion der Schau belegt die Aktualität von Gebräuchen und Phänomenen aus nur vorgeblich alten Zeiten.

Japp: Da wird auf die Onlin­ever­si­on einer Aus­stel­lung ver­wie­sen und es gibt kei­nen QR-Code und kei­ne URL, die dort­hin führt.

„Die Leser*innen in Deutsch­land könn­ten die Aus­stel­lung ja schließ­lich auch nicht sehen, wenn sie im Muse­um hängt“, möch­te mein 23-jäh­ri­ges Ich ergän­zen.

Mein 37-jäh­ri­ges Ich ist ein­fach so nett und schreibt: „Every Eye Is Upon Me: First Ladies of the United Sta­tes“ ist auf der Sei­te der Natio­nal Por­trait Gal­lery zu sehen.

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Musik

Song des Tages: The Beatles – All My Loving

Hier im Blog pas­siert in letz­ter Zeit nicht so rich­tig viel: Arbeit und Leben brau­chen schließ­lich auch ihre Zeit. Das ärgert mich trotz­dem – vor allem, weil wenn ich dann mal was blog­ge, der Grund meis­tens ist, dass ich mich über irgend­et­was Jour­na­lis­ten auf­re­ge. So wird das hier auf Dau­er die Abraum­hal­de für mei­ne schlech­te Lau­ne.

Aber das soll sich ändern.

Der Plan ist, jetzt jeden Tag ein Lied zu pos­ten. Ob alt oder neu, bekannt oder unbe­kannt, Indie, Hip­hop oder ESC ist dabei völ­lig wum­pe. Das ein­zi­ge Kri­te­ri­um ist: Es muss mir gefal­len oder für mich irgend­ei­ne Bedeu­tung haben, die ich in zwei, drei Sät­zen erklä­re.

Begin­nen wol­len wir mit einem Vor­schlag von Cap­tain Obvious:

Zum ers­ten Mal gehört: Kei­ne Ahnung. Irgend­wann vor 1993, als ich mei­ne ers­ten eige­nen CDs geschenkt bekam, die tat­säch­lich von den Beat­les waren – wenn auch kei­ne Ori­gi­nal-Alben, son­dern wüs­te Umsor­tie­run­gen der ers­ten fünf Alben durch eine Kaf­fee­rös­te­rei. Ich kann­te das Stück vor­her schon, denn als Instru­men­tal­ver­si­on war es die Titel­me­lo­die der WDR2-Ver­brau­cher­sen­dung „Quint­essenz“, die jeden Tag im Auto­ra­dio lief, wenn unse­re Mut­ter uns Kin­der zu Freun­den, zu Arzt­ter­mi­nen oder zum Ein­kau­fen fuhr.

Wer musi­ziert da? Die Beat­les. Ich bin nicht bereit, das näher zu erklä­ren. Die sind ja kei­ne Tele­fon­zel­le.

War­um gefällt mir das? Na ja, es sind die Beat­les. Es ist sicher­lich nicht ihr bes­ter Song, es ist nicht mal der bes­te Song der frü­hen Pha­se. Aber es ist tat­säch­lich der Song, der mir mir nach lan­ger Über­le­gung als der­je­ni­ge ein­fiel, an den ich die ältes­ten Erin­ne­run­gen habe (von irgend­wel­chen Kin­der­lie­dern jetzt mal ab). Und irgend­wie gefällt mir auch die rüh­ren­de Schlicht­heit der Lyrics: Hey, Dar­ling, mor­gen bin ich weg, aber ich schick Dir jeden Tag einen Brief mit all mei­ner Lie­be. Post von McCar­teny, sozu­sa­gen.

Und jetzt bin ich mal gespannt, wie lan­ge ich durch­hal­te …

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Fernsehen Rundfunk Digital

q.e.d. (Super-Selbstreferentialität)

Ich war heu­te Nach­mit­tag bei Phoe­nix zu Gast, um über das The­ma „Nach­rich­ten­quel­le Inter­net – Medi­en im Wan­del“ zu spre­chen. Ich glau­be nicht, dass Sie was ver­passt haben, aber die Sen­dung wird mor­gen Mit­tag um 12 auch noch mal wie­der­holt.

Die Kern­the­se, auf die die Mode­ra­to­rin Marei­ke Bokern, Fre­de­rik Pleit­gen von CNN Inter­na­tio­nal und ich uns am Ende geei­nigt haben, war unge­fähr: Das Inter­net ist toll, aber man darf nicht alles glau­ben, was dort steht.

Und damit kom­men wir zu dem Tweet, mit dem CNN Ger­ma­ny auf die Sen­dung hin­ge­wie­sen hat:

Heute 16h auf Phoenix: Nachrichtenquelle Internet - Medien im Wandel: Mareike Bokern im Talk mit CNNs @fpleitgenCNN und @Lukas_Heinser

Dabei bin ich gar nicht bei Twit­ter – schon gar nicht als @Lukas_Heinser.

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Musik Digital

Ein Blog kann eine Brücke sein

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Digital

It’s My Lifestyle

Als Blog­ger erhält man erfah­rungs­ge­mäß viel unauf­ge­for­der­te Post. Manch­mal tat­säch­lich per Post, meis­tens per E‑Mail.

Häu­fig wer­den wir hier von Fir­men ange­schrie­ben, die irgend­was mit Kaf­fee machen oder ver­kau­fen wol­len – passt ja zum Namen. Beim BILD­blog sind wir inzwi­schen im Ver­tei­ler von min­des­tens drei Prom­o­agen­tu­ren aus dem Musik­be­reich, was ange­sichts der inhalt­li­chen Aus­rich­tung dort auch eher gewagt ist.

Ges­tern nun bekam ich wie­der eine sol­che Spam-Mail an die Cof­fee-And-TV-Adres­se:

Hal­lo Lukas,

bei mei­ner Suche nach tol­len Blogs bin ich auf Dei­nen Blog „Cof­fee and TV“ auf­merk­sam gewor­den und mir gefal­len Dei­ne Life­style & TV Bil­der sehr.

Das fand ich allei­ne schon steil genug – immer­hin sind wir hier gra­phisch unge­fähr so abwechs­lungs­reich wie die Titel­sei­te der „FAZ“ vor ihrem Relaunch.

Aber die E‑Mail war so ähn­lich auch an mei­ne BILD­blog-Adres­se gegan­gen:

Hal­lo Lukas,

bei mei­ner Suche nach tol­len Blogs bin ich auf Dei­nen Blog „Bild­blog“ auf­merk­sam gewor­den und mir gefal­len Dei­ne News & Life­style Bil­der sehr.

Zur Erin­ne­rung: Hier eines unse­rer aktu­el­len „News & Life­style Bil­der“:

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Rundfunk

Schlagzeilen nach Athen getragen

Paul Ron­z­hei­mer, „Plei­te-Grie­chen“-Beauf­trag­ter von „Bild“, war kürz­lich im grie­chi­schen Fern­se­hen. Dort tat er, was er in sei­nen Arti­keln sel­ten tut, und dif­fe­ren­zier­te zwi­schen der grie­chi­schen Bevöl­ke­rung und der grie­chi­schen Poli­tik, wes­we­gen er jede Men­ge Zustim­mung bekam, wie er selbst schreibt.

Doch Ron­z­hei­mer war nicht allein im Fern­se­hen: Wir waren mit dabei – zumin­dest ein biss­chen.

Die Zei­tungs­aus­ris­se, mit denen die Gra­fi­ker der Sen­dung im Hin­ter­grund Ron­z­hei­mers Lebens­werk bebil­der­ten, hat­ten näm­lich wir aus­ge­ris­sen:

BILD­blog vom 7. März 2010.

Cof­fee And TV vom 22. Juni 2011.

Ich kann übri­gens gut ver­ste­hen, dass die Gra­fi­ker das nicht selbst machen woll­ten: Die obe­re Col­la­ge hat mich andert­halb Stun­den gekos­tet.

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Digital Unterwegs

Ich will Dich treffen, wo es am schönsten war

New York, NY

Face­book macht mein Inter­net kaputt. Wann immer mir etwas halb­wegs beson­de­res wider­fährt oder ich etwas tol­les ent­de­cke, pos­te ich das bei Face­book und dann ist gut. Des­we­gen ver­waist die­ses Blog lang­sam aber sicher und wird nur noch befüllt, wenn sich bei mir genug nega­ti­ve Ener­gie ange­sam­melt hat. Das ist nicht gut.

Mar­kus Herr­mann ali­as Herm, der uns zum Bei­spiel das Oslog und das Dus­log so schön tape­ziert hat, war letz­te Woche in New York. Er hat unge­fähr alles, was er dort erlebt hat (dach­te ich zunächst, waren aber nur zehn Pro­zent des­sen), bei Face­book geteilt, sich hin­ter­her aber auch noch die Mühe gemacht, das aus­führ­li­cher im Blog zu beschrei­ben.

Er war in zahl­rei­chen Fern­seh­stu­di­os, bei Goog­le, an jeder denk­ba­ren Tou­ris­ten­at­trak­ti­on und hat Mark Hop­pus, Conan O’Bri­en und Elmo aus der Sesam­stra­ße getrof­fen. Ihm sind die unglaub­lichs­ten Din­ge pas­siert und man sieht beim Lesen förm­lich, wie er da mit gro­ßen Augen durch die Gegend tappst.

Womög­lich fin­de ich das alles beson­ders toll, weil ich Herms Begeis­te­rung für Pop­kul­tur und die USA tei­le (letz­te­res ein biss­chen ein­ge­schränkt, aber – love them or hate them – irgend­wie kann man sich dem ja nicht ent­zie­hen) und ich fast auf den Tag genau fünf Jah­re vor ihm in New York war und vie­les ganz ähn­lich erlebt habe.

In jedem Fall wäre es viel zu scha­de, wie­der nur auf den „Gefällt mir“-Button zu kli­cken. Des­we­gen sei­en Ihnen die Ein­trä­ge aus New York aus­drück­lich auch hier im Blog emp­foh­len:

Herm in New York

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Digital Gesellschaft

Lesen Sie diese peinliche Einladungskarte im Original

Ich schrei­be jetzt seit ziem­lich genau 12 Jah­ren ins Inter­net: Erst über Kino­fil­me, dann über Musik, dann über alles mög­li­che und das Ver­sa­gen von Jour­na­lis­ten. Mit der Zeit habe ich mir ange­wöhnt, schon im Moment des Erle­bens im Kopf Blog­ein­trä­ge zu For­mu­lie­ren. Das ist sehr läs­tig, weil ich Rock­kon­zer­te zum Bei­spiel nicht mehr als schö­ne Ereig­nis­se wahr­neh­me, son­dern haupt­säch­lich als Vor­la­gen für Tex­te, die in den aller­meis­ten Fäl­len dann doch nie geschrie­ben wer­den.

Face­book hat alles noch schlim­mer gemacht, denn plötz­lich ist – um es mit Hei­ner Mül­ler zu sagen – alles Mate­ri­al: Das leid­lich lus­ti­ge Erleb­nis im Super­markt, der mit­ge­hör­te Dia­log in der Stra­ßen­bahn oder die Fest­stel­lung, dass ich seit eini­gen Mona­ten offen­bar zu doof bin, mir die Schnür­sen­kel so zuzu­bin­den, dass sie nicht unter­wegs auf­ge­hen. Alles kann ich schnell ins Smart­phone tip­pen oder mir bis zuhau­se mer­ken und es dann in die Halb­öf­fent­lich­keit von Face­book kübeln. Und dann ist es ja offi­zi­ell mit­ge­teilt, wes­we­gen ich die Epi­so­den nicht mehr behal­ten muss, um sie in fröh­li­cher Run­de Freun­den oder Ver­wand­ten zu berich­ten. Ich habe gespro­chen, wie der Indi­an­der sagt, und obwohl das Inter­net ja an sich nicht ver­gisst, sind die gan­zen mehr oder weni­ger unter­halt­sa­men Erleb­nis­se, die gan­zen mehr oder weni­ger geist­rei­chen Gedan­ken anschlie­ßend eini­ger­ma­ßen weg und für Tage­buch, etwa­ige Enkel und geplan­te Roma­ne und Dreh­bü­cher irgend­wie nicht mehr ver­füg­bar. Dar­un­ter lei­det auch die­ses Blog.

Blöd ist aber auch die Sche­re im Kopf, die irgend­wann unwei­ger­lich auf­taucht, sobald man begrif­fen hat, dass das, was man da ins Inter­net schreibt, auch von irgend­je­man­dem gele­sen wird. Es ist einer­seits schön, von wild­frem­den Men­schen im öffent­li­chen Raum ange­spro­chen zu wer­den, weil ihnen das eige­ne Blog gefällt (und man selbst so unvor­sich­tig war, die eige­ne Fres­se auch dann und wann in eine Video­ka­me­ra zu hal­ten und somit gesichts­be­kannt ist), aber es ist ande­rer­seits auch ein biss­chen beun­ru­hi­gend, wenn Leu­te, deren Namen man nicht kennt (auch, weil man in dem Moment, da sie ihn genannt haben, wie­der unauf­merk­sam war), einem erzäh­len, wie schön sie die­sen oder jenen Text jetzt gefun­den hät­ten.

Schlim­mer ist nur noch das pri­va­te Umfeld. Ich war in den ver­gan­ge­nen Mona­ten auf meh­re­ren Hoch­zei­ten ein­ge­la­den. Meh­re­re Arti­kel über das Zusam­men­sein von Mann und Frau, über die offen­sicht­li­che Unmög­lich­keit von unpein­li­chen Ein­la­dungs­kar­ten, über die Ein­rich­tung von Woh­nun­gen und über die Mensch­heit im All­ge­mei­nen schwir­ren seit­dem aus­zugs­wei­se durch mein Ober­stüb­chen und har­ren ihrer Nie­der­schrift – doch ich traue mich nicht. Schrie­be ich iden­ti­fi­zier­bar (und für weni­ge Men­schen iden­ti­fi­zier­bar wäre ja schon schlimm genug), wären die Gast­ge­ber aus guten Grün­den belei­digt: „Erst frisst er sich auf unse­re Kos­ten durch den Abend und dann gei­ßelt er unse­re Ein­la­dungs­kar­te.“ Schrie­be ich sehr all­ge­mein, wären womög­lich hin­ter­her die fal­schen Men­schen ange­fres­sen: „Erst frisst er sich auf unse­re Kos­ten durch den Abend und dann gei­ßelt er unse­re Ein­la­dungs­kar­te, von der er vor­her noch gesagt hat, er fän­de sie über­ra­schend unpein­lich.“ Die Arti­kel wer­den also wei­ter auf sich war­ten las­sen.

Über­haupt ist das ja ein inter­es­san­tes Phä­no­men, das frü­her allen­falls Men­schen betraf, die Autoren oder Musi­kan­ten in ihrem Bekann­ten­kreis hat­ten: Alles, was wir heu­te sagen, tun oder nicht tun, könn­te schon mor­gen in irgend­ei­nem Blog­ein­trag oder wenigs­tens in irgend­ei­nem Face­book-Post auf­tau­chen und min­des­tens die 200 engs­ten Freun­de wüss­ten, wer gemeint ist. Dro­gen wer­den seit Erfin­dung von Han­dy­ka­me­ras daher sowie­so von nie­man­dem mehr kon­su­miert und Sex fin­det aus­schließ­lich im Dun­keln statt (das ist auch bes­ser fürs Selbst­be­wusst­sein, steht in jeder zwei­ten Frau­en­zeit­schrift).

Doch wie kam ich drauf? Rich­tig: Ich hat­te heu­te ein leid­lich lus­ti­ges Erleb­nis in der S‑Bahn, das ich im Face­book irgend­wie nicht rich­tig hät­te aus­brei­ten kön­nen (im Twit­ter hät­te ich mit dem Bericht nicht mal begin­nen kön­nen, weil ich es für nach­ge­ra­de unmög­lich hal­te, mei­ne Gedan­ken in 140 Zei­chen zu packen – sonst wäre ich schließ­lich Pro­fi­fuß­bal­ler gewor­den).

Ich stieg also in die S‑Bahn ein und da saß eine schwer blut­ver­schmier­te Per­son.
„Herr Ober, da sitzt eine schwer blut­ver­schmier­te Per­son“, hät­te ich also ins Face­book geschrie­ben, nur um dann zu ergän­zen, dass die Per­son aber offen­bar etwas mit Rol­len­spie­len oder ähn­li­chem zu tun hat­te, jeden­falls sehr ordent­lich geschminkt war. Even­tu­ell hät­te ich noch die Fra­ge an mich selbst hin­zu­ge­fügt, war­um ich in der S‑Bahn eigent­lich nach dem Ober rufe, das ist ja schließ­lich kein Restau­rant.

Im Nach­hin­ein betrach­tet wäre die­se Geschich­te viel­leicht sogar für Twit­ter zu sinn­los gewe­sen.

Des­we­gen schnell noch eine ande­re Geschich­te, die ich auch nicht bei Face­book gepos­tet habe: Ges­tern in der Buch­hand­lung, ein Tisch „Lesen Sie die­se Best­sel­ler im Ori­gi­nal“. Dar­auf: Die „Millennium“-Trilogie von Stieg Lars­son auf Spa­nisch.

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Musik Digital

Haldern-Podcasts

Zwei­tes August­wo­chen­en­de, schlech­tes Wet­ter – die Zeit ist reif fürs Hald­ern Pop Fes­ti­val!

Ich mach mich gleich auf den Weg zu mei­nem 12. Hald­ern machen und freue mich schon sehr auf The Low Anthem, The Wom­bats, James Bla­ke, Fleet Foxes, Yuck, Ale­xi Mur­doch und vie­le ande­re.

Hier im Blog wer­den wir etwas ganz Neu­es aus­pro­bie­ren, von dem ich selbst am Meis­ten über­rascht wäre, wenn es funk­tio­nier­te: Jeden Abend, nach­dem die (meis­ten) Kon­zer­te vor­bei sind, wer­den wir einen klei­nen Pod­cast auf­neh­men und anschlie­ßend direkt hier ver­öf­fent­li­chen. (Das Kon­zept ist natür­lich abge­schaut von der SXSW-Bericht­erstat­tung von „All Songs Con­side­red“.)

Mit etwas Glück, viel Mond­licht und ein paar Hüh­ner­kno­chen soll­ten Sie hier im Blog in den nächs­ten drei Tagen also drei Pod­casts fin­den. Wenn nicht, stel­len sie sich bit­te ein­fach vor, wie ich in mei­nem Zelt sit­ze und Hard- und Soft­ware viel­far­big ver­flu­che.

Nach­trag, 14. August: Ja, gut, äääh …