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Shut Down Volume 2

Ich habe Men­schen, die beruf­lich so etwas wie „Social-Media-Opti­mie­rung“ betrei­ben, schon immer für die Wun­der­hei­ler des 21. Jahr­hun­derts gehal­ten: Da sit­zen sie, in ihren Loft-Büros mit Kicker­tisch und Fixie an der Wand, spre­chen (oder noch schlim­mer: schrei­ben in Slack) über „orga­ni­sche Reich­wei­ten“ wie ande­re Schar­la­ta­ne über „hei­len­de Stei­ne“, und erklä­ren auf Face­book unge­fragt jedem, wie Face­book funk­tio­nie­re und wie nicht.

Seit die­ser Woche wis­sen wir: Wenn sie sich nur genug Mühe geben und ein biss­chen kri­mi­nel­le Ener­gie mit­brin­gen, kann ihr Hokus­po­kus funk­tio­nie­ren. Und plötz­lich wol­len alle ande­ren ihre Face­book-Accounts löschen.

Facebook (Symbolbild).

Face­book und Mark Zucker­berg eig­nen sich dabei natür­lich wun­der­bar als James-Bond-Schur­ken, weil wir alle unse­re Ängs­te auf das Unter­neh­men pro­ji­zie­ren kön­nen. Nie­mand ver­steht so recht, wie das eigent­lich funk­tio­niert, was man da täg­lich nutzt. Das gilt auch für Flug­zeu­ge und Kern­kraft­wer­ke, aber da gibt es Men­schen, die was Ordent­li­ches stu­diert haben und wis­sen, was sie da tun – und meis­tens geht ja auch alles gut. Bei Face­book bin ich mir inzwi­schen sehr unsi­cher, ob Mark Zucker­berg selbst weiß, was da eigent­lich pas­siert. Und wenn dann wei­te­re Schur­ken­ro­man-Moti­ve wie rus­si­sche Hacker, noch dubio­se­re Unter­neh­men mit so geil seri­ös-unse­riö­sen Namen wie „Cam­bridge Ana­ly­ti­ca“ und die Wahl von Donald Trump ins Spiel kom­men, ist die Sci­ence-Fic­tion-Dys­to­pie kom­plett.

Dabei geht es bei Face­book eigent­lich immer um zwei Fra­gen: die daten­schutz­recht­li­chen Beden­ken, die es immer schon gab, bis­her aber ger­ne von den Anwender*innen igno­riert wur­den, und „Was bringt mir das noch außer schlech­ter Lau­ne und täg­li­cher Volks­ver­het­zung?“ Jetzt kommt aber bei­des auf unheil­vol­le Wei­se zusam­men.

In mei­nem Face­book-Feed sind eigent­lich fast nur noch Kolleg*innen, die „was mit Medi­en“ machen und ihre aktu­ells­ten Arbei­ten anprei­sen, und ent­fern­te Ver­wand­te oder frü­he­re Mitschüler*innen, die fröh­lich die Per­sön­lich­keits­rech­te ihrer Klein­kin­der ver­letz­ten, indem sie Fotos von denen online stel­len. Freund*innen und Ver­wand­te, die seriö­se Beru­fe ergrif­fen haben, gucken da immer noch rein, was man an deren Reak­tio­nen auf eige­ne Posts sehen kann, pos­ten aber selbst nichts mehr. Das war mal anders.

Wenn man Face­book jetzt mit dem gro­ßen, roten Knopf abschal­ten wür­de, den ich mir manch­mal wün­sche, wür­den die Leu­te, die mit den Früh­for­men des Inter­nets auf­ge­wach­sen sind, wie­der in ihre IRC-Chan­nels und zu jetzt.de zurück­keh­ren. Die gan­zen Extre­mis­ten ver­schie­dens­ter Coleur, die sich dort rum­trei­ben, wür­den sicher­lich auch schnell eine neue Platt­form fin­den. Aber die­se gan­zen Leu­te zwi­schen 45 und 60, die sich dort ange­mel­det haben, um mit ihren groß gewor­de­nen Kin­dern in Kon­takt zu blei­ben, die Pro­fil­fo­tos vol­ler Rosen oder Motor­rä­der und deut­lich zu viel Tages­frei­zeit haben und des­halb unter jedem Zei­tungs­ar­ti­kel oder Fern­seh­bei­trag kom­men­tie­ren und die Schuld für alles Elend die­ser Welt bei Ange­la Mer­kel und ihrer Flücht­lings­po­li­tik suchen und fin­den, die wür­den dann viel­leicht ein­fach nur noch „Can­dy Crush“ auf ihren Smart­phones spie­len.

Nun ist es sicher­lich so, dass man in man­chen Beru­fen, vor allem in den Medi­en, auf Face­book sein muss – auch, wenn man kein Scha­ma­ne mit Breit­band-Anschluss in der Agen­tur ist. Weil man den Face­book-Auf­tritt des Unter­neh­mens oder der Behör­de befüllt, weil man mit Kun­den oder Bür­gern in Kon­takt tre­ten soll, oder mal schau­en kön­nen muss, „was das Netz so sagt“. Eigent­lich müss­te der Arbeit­ge­ber da zusätz­li­ches Schmer­zens­geld zah­len.

Aber auch pri­vat kann man dem Elend gar nicht so leicht ent­kom­men: Ver­su­chen Sie mal, ohne Face­book und/​oder Whats­App mit einer grö­ße­ren Grup­pe Men­schen (Eltern­rat in der Kita, Ein­la­dung zum Oster­früh­stück, Orga­ni­sa­ti­on von Geburts­tags­ge­schen­ken oder – ger­ne nicht – Jung­ge­sel­len­ab­schie­den) zu kom­mu­ni­zie­ren! Das geht viel­leicht, wenn alle ein iPho­ne haben und iMes­sa­ge nut­zen kön­nen, oder wenn man aus­schließ­lich Nerd-Freun­de hat, die Diens­te wie Three­ma oder Tele­gram nut­zen.

Und Whats­App gehört ja genau­so zu Face­book wie Insta­gram und Face­book selbst. Wenn man da ein­mal einen Haken falsch gesetzt hat, hat man der Fir­ma die Daten all sei­ner Kon­tak­te über­mit­telt. Whats­App funk­tio­niert sowie­so nur noch, nach­dem man das getan hat – und sich damit nach Ansicht vie­ler Daten­schüt­zer und Juris­ten straf­bar gemacht hat, weil man die­se Daten nie­mals hät­te wei­ter­ge­ben dür­fen.

Wel­cher Flucht­punkt bleibt uns noch? Vor drei Wochen war Vero – iro­nisch gebro­chen – das gro­ße Ding. Dahin­ter ste­cken ein liba­ne­si­scher Mil­li­ar­där, der vor­her als Bau­un­ter­neh­mer erfolg­reich wur­de, indem er sei­ne Arbei­ter nicht bezahl­te, und jede Men­ge rus­si­sche Ent­wick­ler, was für vie­le gleich ein Alarm­si­gnal war wegen der rus­si­schen Umtrie­be bei Face­book und Twit­ter. Ande­rer­seits könn­te man sagen: Bei Vero steht wenigs­tens schon „schön dubi­os“ dran.

Wenn Leu­te (ger­ne natür­lich: Journalist*innen) jetzt auf Face­book schrei­ben, man kön­ne Face­book doch nicht ein­fach so hin­ter sich las­sen – die vie­len Lese-Emp­feh­lun­gen, die net­ten Kon­tak­te -, schei­nen sie ver­ges­sen zu haben, dass es mal eine Zeit gab im Inter­net, als wir alle noch nicht bei Face­book unter­wegs waren. Son­dern z.B. in Blogs.

Die­ser Text besteht aus Gedan­ken, die ich mir gemacht habe, bevor ich mit Bre­men Zwei über Face­book gespro­chen habe, die aber nicht alle im Gespräch Platz fan­den.

Außer­dem habe ich heu­te (hof­fent­lich) sämt­li­che Face­book-Inter­ak­ti­ons-Tools aus dem Blog gewor­fen.

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Straßenbahn des Todes

Dies ist kein Abschied, denn ich war nie will­kom­men
Will auf und davon und nie wie­der­kom­men
Kein Lebe­wohl, will euch nicht ken­nen
Die Stadt muss bren­nen

(Cas­per – Im Asche­re­gen)

Ich hab in die­sem Jahr schon mehr­fach Social-Media-Pau­sen gemacht, die „digi­tal detox“ zu nen­nen ich mich scheue: Als mein Sohn Kita-Feri­en hat­te, wenn wir mal übers Wochen­en­de oder etwas län­ger weg­ge­fah­ren sind, hab ich Face­book und Twit­ter ein­fach aus­ge­las­sen. Zum einen, weil die iPho­nes-Apps im Ver­gleich zur rich­ti­gen Nut­zung (ich bin ver­mut­lich der ein­zi­ge Mensch Mit­te Drei­ßig, für den ein Com­pu­ter mit Bild­schirm, Tas­ta­tur und Brow­ser die „rich­ti­ge“ Anwen­dung ist und ein Smart­phone maxi­mal eine hilf­rei­che Krü­cke für unter­wegs, aber das ist mir – wie so vie­les – egal) ein­fach noch unprak­ti­scher sind (und das will schon was hei­ßen), zum ande­ren, weil ich gemerkt habe, dass Social Media mir schlecht Lau­ne macht.

Jetzt war ich übers Wochen­en­de am Meer, hab gera­de wie­der den Lap­top auf­ge­klappt, kurz in Face­book rein­ge­guckt und schon wäre die gan­ze wun­der­ba­re Erho­lung (Strah­lend blau­er Him­mel, knal­len­de Son­ne und 24 Grad Mit­te Okto­ber! 17 Grad Was­ser­tem­pe­ra­tur! In der Nord­see!) fast wie­der weg gewe­sen.

Und dann traf mich die Erkennt­nis und ich hat­te end­lich einen Ver­gleich bzw. eine Meta­pher für das gefun­den, was mich an Social Media so sehr nervt, dass ich gera­de­zu von „krank machen“ spre­chen wür­de: Es ist, als säße man in der Stra­ßen­bahn und könn­te die Gedan­ken jedes ein­zel­nen Men­schen mit­hö­ren. Da sitzt ein Mann, der gera­de sei­nen Job ver­lo­ren hat und nicht weiß, wie es wei­ter­ge­hen soll. Dort ist eine Frau, die gera­de auf dem Weg in die Kli­nik ist: Ihre Mut­ter hat Krebs im End­sta­di­um. Hier sitzt ein 16-jäh­ri­ges Mäd­chen, des­sen Freund, ihre ers­te gro­ße Lie­be, gera­de Schluss gemacht hat und schon mit einer ande­ren zusam­men ist. Und da drü­ben ein klei­ner Jun­ge, des­sen Hams­ter ges­tern gestor­ben ist.

Natür­lich sit­zen da auch wel­che, denen es gut geht: Eine Fami­lie auf dem Weg in den Zoo. Ein alter Mann, der gera­de sei­nen neu­ge­bo­re­nen Uren­kel besucht hat und sich gleich eine Dose Lin­sen­sup­pe warm­ma­chen wird, sein Leib­ge­richt. Eine jun­ge Frau auf dem Weg zum ers­ten Date – sie weiß es noch nicht, aber sie wird den Mann spä­ter hei­ra­ten und eine glück­li­che Fami­lie mit ihm grün­den. Doch ihre Gedan­ken sind nicht so laut, weil sie nicht immer nur um das eine schlech­te Ding krei­sen, son­dern sie ent­spannt und glück­lich in sich ruhen. Eher das Schnur­ren einer zufrie­de­nen Kat­ze – und damit unhör­bar im Ver­gleich zu dem Geschrei einer Metall­stan­ge, die sich in einem sehr gro­ßen Getrie­be ver­kan­tet hat.

Aber mehr noch: Nicht nur ich kann all die­se Gedan­ken hören – alle kön­nen ein­an­der hören. Und die, die selbst schon völ­lig durch sind, schrei­en dann die ande­ren an: „Sie sind eh unfä­hig, völ­lig klar, dass Sie ent­las­sen wur­den!“, „Inter­es­siert mich nicht mit Dei­ner Mut­ter, jeder muss mal ster­ben!“, „Dum­me Schlam­pe! Was lässt Du Dich auch mit so einem Typen ein? Schlech­ter Män­ner­ge­schmack und kei­ner­lei Men­schen­kennt­nis!“, „Hams­ter sind eh häss­lich und dumm!“

Das ist kein Ort, an dem ich ger­ne wäre. Da möch­te ich nicht mal feh­len.

Und doch set­ze ich mich dem regel­mä­ßig frei­wil­lig aus – oder glau­be, es tun zu müs­sen. Weil ich beruf­lich wis­sen muss, „was das Netz so sagt“. Bei Face­book sieht die Wahr­heit eher so aus: Jour­na­lis­ten­kol­le­gen berich­ten Jour­na­lis­ten­kol­le­gen, was in der Welt so Schlech­tes los ist. „Nor­ma­le“ Men­schen aus mei­nem Umfeld pos­ten schon kaum noch bei Face­book. Und, klar: Es ist die Auf­ga­be von Jour­na­lis­ten, zu berich­ten – auch und vor allem über Schlech­tes. Aber dann doch viel­leicht in einem Medi­um? Face­book war mal als digi­ta­les Wohn­zim­mer gestar­tet, inzwi­schen weiß nie­mand mehr, was es genau sein soll/​will, nur, dass es so gefähr­lich ist, dass es mut­maß­lich durch exter­ne Mani­pu­la­ti­on die US-Wahl mit ent­schie­den haben könn­te. Die wenigs­ten Din­ge star­ten als leicht schram­me­li­ge Wohn­zim­mer-Couch und lan­den als Atom­bom­be.

Und natür­lich: Es sind extre­me Zei­ten. Der Brexit, die US-Wahl, der Auf­stieg der AfD, jetzt die Wahl in Öster­reich – wenn die Offen­ba­rung von der Redak­ti­on des „Eco­no­mist“ geschrie­ben wor­den wäre, kämen dar­in ver­mut­lich weni­ger Scha­fe und Sie­gel vor und mehr von sol­chen Schlag­zei­len. Die letz­ten Tage waren geprägt von immer neu­en Ent­hül­lun­gen über den ehe­ma­li­gen Film­pro­du­zen­ten und hof­fent­lich ange­hen­den Straf­ge­fan­ge­nen Har­vey Wein­stein, des­sen Umgangs­for­men gegen­über Frau­en allen­falls mit denen des amtie­ren­den US-Prä­si­den­ten zu ver­glei­chen sind. Nach zahl­rei­chen Frau­en, die von Wein­stein beläs­tigt oder gar ver­ge­wal­tigt wur­den, mel­den sich jetzt auch vie­le zu Wort, die in ande­ren Situa­tio­nen Opfer von beschis­se­nem Ver­hal­ten wider­li­cher Män­ner gewor­den sind. Und, Spoi­ler-Alert: Es sind vie­le. Ver­dammt vie­le. Mut­maß­lich ein­fach alle.

Auf­tritt wei­te­re Arsch­lö­cher: „PR-Akti­on!“, „Dich wür­de doch eh nie­mand anpa­cken!“, „Habt Ihr doch vor vier Jah­ren schon gepos­tet, #auf­schrei!“ Und wäh­rend man sich mit der Hoff­nung ret­ten kann, dass sich dies­mal viel­leicht wirk­lich etwas ändern könn­te (eini­ges deu­tet dar­auf hin, dass Har­vey Wein­stein tat­säch­lich von jener Hol­ly­wood-Gesell­schaft aus­ge­schlos­sen wer­den könn­te, die sich all­zu­lang in sei­nem Licht gesonnt hat­te), kom­men die nächs­ten Kom­men­ta­re rein und man zwei­felt dar­an, ob da über­haupt noch irgend­wo irgend­was zu ret­ten ist.

Nimm einen ganz nor­ma­len Typen, so wie er im Buche steht
Gib die­sem Typen Anony­mi­tät
Gib ihm Publi­kum, das nicht weiß, wer er ist
Du kriegst das dümms­te Arsch­loch, das man nicht ver­gisst

(Mar­cus Wie­busch – Haters Gon­na Hate)

Es gibt ver­dien­te Kol­le­gen wie Sebas­ti­an Dal­kow­ski, die sich wirk­lich die Mühe machen, denen, die sich nicht für Fak­ten inter­es­sie­ren, wei­ter­hin Fak­ten ent­ge­gen­zu­set­zen. Die all den klei­nen und gro­ßen Scheiß, den die so apo­stro­phier­ten Besorg­ten Bür­ger und ihre media­len Für­spre­cher so von sich geben, gegen­che­cken – und dafür wie­der nur Hass und Spott ern­ten. Für Men­schen wie ihn haben kett­car „Den Revol­ver ent­si­chern“ geschrie­ben, den klu­gen Schluss­song des gran­dio­sen neu­en Albums „Ich vs. Wir“, in dem sie auch die viel­leicht zen­trals­te Fra­ge unse­rer Zeit stel­len: „What’s so fun­ny about peace, love, and under­stan­ding?“

Aber selbst, wenn Sebas­ti­an ein oder zwei Men­schen über­zeu­gen soll­te (was ich, so viel Opti­mis­mus ist durch­aus noch da, ein­fach mal hof­fe), muss ich jeden Mor­gen bei ihm lesen, wel­che Sau jene Leu­te, die Voka­beln wie „Gut­men­schen“ und „Ban­hofs­klat­scher“ ver­wen­den, um damit Men­schen zu bezeich­nen, die noch nicht ganz so viel Welt­hass, Pes­si­mis­mus und Mis­an­thro­pen­tum in ihren Her­zen tra­gen wie sie selbst, jetzt wie­der durchs Dorf getrie­ben haben. Und ich weiß, dass man es als „igno­rant“ und „unpro­fes­sio­nell“ abtun kann, wenn ich all das nicht mehr hören und lesen will, aber: krank und ver­bit­tert nüt­ze ich der Welt noch weni­ger. Ich hab sechs Jah­re BILD­blog gemacht – wenn ich heu­te wis­sen will, was in Juli­an Rei­chelts Kopf wie­der schief gelau­fen ist, kann ich das bei den Kol­le­gen nach­le­sen, die unse­re Arbeit dan­kens­wer­ter­wei­se immer noch wei­ter­füh­ren. Ich muss das nicht zwi­schen den ver­ein­zel­ten Kin­der­fo­tos ent­fern­ter Bekann­ter in mei­nem Face­book-Feed haben. Das gute Leben fin­det inzwi­schen eh bei Insta­gram statt.

Ich woll­te nie gro­ße Ansa­gen machen wie „Ich hab mich jetzt bei Twit­ter abge­mel­det“ – muss ja jeder selbst wis­sen, kann ja jeder hal­ten, wie er/​sie will, wirkt auch immer ein biss­chen eitel. Nur: Face­book und Twit­ter haben mitt­ler­wei­le eine Macht, die ihren Erfin­dern kaum klar ist. Sie kom­men nicht mehr klar mit dem Irr­sinn, der dort abgeht. Und dazu kommt noch der gan­ze Quatsch, dass rich­ti­ge Medi­en ihre Inhal­te dort abkip­pen, um wenigs­tens ein paar Krü­mel abzu­be­kom­men. Natür­lich inter­es­siert es Face­book und Twit­ter kein biss­chen, wenn ihnen ein unbe­deu­ten­der Blog­ger aus Bochum alle ver­füg­ba­ren Mit­tel­fin­ger zeigt, aber: Hey, immer­hin bin ich Blog­ger! Immer­hin hab ich hier ein Zuhau­se im Inter­net. Und wenn mir einer auf den Tep­pich pisst, kann ich ihn acht­kan­tig raus­wer­fen.

Ich weiß, dass Tei­le der Welt immer schlecht waren, sind und sein wer­den – ich brau­che nicht die täg­li­che Bestä­ti­gung. Wie kön­nen es uns hier so gemüt­lich machen, wie es in die­ser Welt (die übri­gens auch ganz vie­le wun­der­vol­le Tei­le hat) eben geht. Und dann hab ich ja auch noch mei­nen News­let­ter.

Ich hab ein Kind zu erzieh’n,
Dir einen Brief zu schrei­ben
Und ein Fuß­ball Team zu sup­port­en.

(Thees Uhl­mann – 17 Wor­te)

PS: Am Meer war es übri­gens wirk­lich wun­der­schön, das kriegt kein Social Media die­ser Welt kaputt!

Gestern am Strand von Scheveningen

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Feedbackschleife

Ich mag Whats­App nicht – ich kann noch nicht mal genau sagen, war­um. Viel­leicht ist es das Design, viel­leicht der Hin­weis­ton, viel­leicht auch der Umstand, dass es jah­re­lang kei­ne Mög­lich­keit gab, die Funk­tio­nen der App auf einem rich­ti­gen Com­pu­ter zu nut­zen. Jeden­falls fand ich Whats­App schon doof, bevor die App ((Nach­dem ich jetzt vier Mal „App“ geschrie­ben habe, hal­te ich es auch für mög­lich, dass ich Whats­App des­halb doof fin­de, weil ich den Begriff „App“ so super-doof fin­de.)) neue AGBs ver­öf­fent­licht hat, die for­dern, dass man nicht nur die Daten aller Kon­tak­te auf sei­nem Tele­fon mit der Whats­App-Mut­ter Face­book teilt, son­dern man auch noch erklä­ren soll, dass man die Geneh­mi­gung hat, die­se Daten wei­ter­zu­ge­ben – was eine lus­ti­ge, gro­ße Abmahn­wel­le aus­lö­sen könn­te.

Mal davon ab, dass ich E‑Mail immer noch für das sinn­volls­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um hal­te (so man denn rudi­men­tär in der Lage ist, die­ses ver­nünf­tig zu nut­zen), war ich aber auch immer ein gro­ßer Fan von ICQ. In den Blü­te­zei­ten von BILD­blog, Oslog und co haben Ste­fan Nig­ge­mei­er und ich ver­mut­lich Tau­sen­de von Stun­den über ICQ kom­mu­ni­ziert und dabei zahl­rei­che Stern­stun­den des Humors pro­du­ziert.

Ich kann mich aber seit län­ge­rem nicht mehr bei ICQ ein­log­gen, weil alle poten­ti­el­len Pass­wör­ter, die ich jemals ver­wen­det habe, nicht funk­tio­nie­ren und auch die „Pass­wort zurücksetzen“-Funktion auf der ICQ-Web­site für mei­nen Account aus irgend­wel­chen Grün­den nicht zur Ver­fü­gung steht.

Ich schrieb also im April die­ses Jah­res eine E‑Mail an den ICQ-Sup­port mit der Bit­te um Hil­fe:

Hal­lo, lie­be Men­schen,

ich habe seit ca. 1998 ein ICQ-Kon­to (Nr. XXX), das ich in den letz­ten Jah­ren nicht benutzt habe. Weil Face­book, Whats­App und co alle schreck­lich sind, woll­te ich mein Kon­to reak­ti­vie­ren, aber alle Pass­wör­ter, die ich womög­lich mal ver­wen­det habe, pas­sen nicht mehr. Auch ein Zurück­set­zen des Pass­worts klappt aus irgend­wel­chen obsku­ren Grün­den nicht. Könnt Ihr mir viel­leicht hel­fen?

Vie­len Dank und bes­te Grü­ße,
Lukas Hein­ser

Die Ant­wort aus dem Hau­se mail.ru, zu dem ICQ seit 2010 gehört, kam erstaun­lich schnell – und war erstaun­lich umfang­reich:

Hal­lo,
Vie­len Dank, dass Du uns kon­tak­tiert hast!
Wir benö­ti­gen so viel wie mög­lich Infor­ma­tio­nen, um sicher­zu­stel­len, dass das Kon­to auch dir gehört:
1. Geschätz­tes Datum der Regis­trie­rung
2. Die dem Kon­to ver­knüpf­te E‑Mail-Adres­se
3. Die mit dem Kon­to ver­knüpf­te Tele­fon­num­mer
4. Falls Du eine Sicher­heits­fra­ge hat­test, wel­che und wie lau­tet die Ant­wort?
5. Geschätz­tes Datum, an dem Du das Pro­blem her­aus­ge­fun­den hast
6. Bit­te geben Sie die ICQ-Num­mern Kon­tak­te in Ihrer Kon­takt­lis­te waren
7. IP-Adres­sen, von denen Sie Zugriff auf das Netz­werk in den letz­ten Jah­ren.
8. Han­dy-Modell und das Betriebs­sys­tem , auf dem Sie die Anwen­dung instal­lie­ren.
Die kom­plet­ten Infor­ma­tio­nen erlau­ben uns, den Zugriff auf Dein Kon­to wie­der­her­zu­stel­len.
Mit freund­li­chen Grü­ßen,
Dein ICQ-Sup­port-Team
Bit­te zitie­re bei einer Ant­wort die gesam­te Unter­hal­tung.

Ich tat mein Mög­lichs­tes, um wenigs­tens einen Teil die­ser Fra­gen zu beant­wor­ten. Da ich mich mit der ICQ-App, die auf mei­nem anti­quier­ten iPod Touch instal­liert ist, sogar noch ein­log­gen kann (Pass­wort her­aus­fin­den oder ändern geht lei­der nicht), war es mir sogar mög­lich, die ICQ-Num­mern von Men­schen her­aus­zu­fin­den, mit denen ich vor vie­len Jah­ren via ICQ kom­mu­ni­ziert hat­te.

Ich bekam eine Ant­wort, die mich in nicht mehr ganz so ver­ständ­li­chem Deutsch dar­um bat, Kon­takt mit den Inha­bern die­ser ICQ-Num­mern auf­zu­neh­men, damit die­se unter Anga­be einer Berichts­num­mer Kon­takt mit ICQ/mail.ru auf­neh­men, um zu bestä­ti­gen, dass ich ich bin. Mit zwei die­ser Men­schen war ich zum Glück immer noch befreun­det und konn­te sie so bit­ten, sich an ICQ zu wen­den, was sie auch taten.

Die nächs­ten vier Mona­te hör­te ich: nichts. Als dann die Nach­richt von den neu­en Whats­App-AGBs kam, fiel mir wie­der ein, dass ich ja mei­nen ICQ-Account reak­ti­vie­ren woll­te, und hak­te noch mal nach:

Guten Tag!

Im April hat­te ich ver­sucht, mei­nen ICQ-Account zu reak­ti­vie­ren. Ist dies inzwi­schen irgend­wie mög­lich?

Bes­te Grü­ße,
Lukas Hein­ser

Ich bekam die­se Ant­wort:

Hal­lo,

Bit­te geben Sie Ihre gül­ti­ge Han­dy-Num­mer, die nicht an ICQ-Account ver­bun­den ist.
Die­se Zahl wer­den wir auf Ihr Kon­to legen.

Da ich ver­mu­te­te, dass die Nach­fra­ge mei­ner Han­dy­num­mer galt, schick­te ich die­se als Ant­wort.

Dar­auf­hin schrieb mir ICQ:

Hal­lo,

Über­prü­fen Sie die Rich­tig­keit Tele­fon­num­mer ein­zu­ge­ben.

Ich inter­pre­tier­te das als Auf­for­de­rung, mich auf der ICQ-Web­site mit mei­ner Han­dy­num­mer ein­zu­log­gen, schei­ter­te bei dem Ver­such aber kläg­lich:

Hel­lo,

I just tried to log­in with my pho­ne num­ber (+49 XXX) but I got log­ged into the account num­ber XXX and not mine (XXX).

Als Ant­wort bekam ich:

Hal­lo,

Die­se Tele­fon­num­mer +49 XXX ist ungül­tig. Es bleibt noch eine Zif­fer ein­zu­ge­ben.

Das war … merk­wür­dig, denn mein Han­dy­num­mer besteht seit lan­ger, lan­ger Zeit aus einer vier­stel­li­gen Vor­wahl und einer sie­ben­stel­li­gen Durch­wahl. Noch glaub­te ich des­halb an eine lös­ba­re Auf­ga­be:

Hal­lo,

die­se Num­mer ist seit 15 Jah­ren mei­ne Tele­fon­num­mer, Sie kön­nen ger­ne anru­fen.

Ich weiß nicht, ob sie die Num­mer mit oder ohne 0 nach der Län­der­ken­nung (+49) brau­chen, also ist es ent­we­der

0XXX

oder +49XXX.

Vie­len Dank!

Das sah der Cus­to­mer Sup­port bei ICQ aber anders:

Hal­lo,

Wir kön­nen die­se Tele­fon­num­mer nicht anhän­gen, es fehlt eine Zif­fer.

Mit freund­li­chen Grü­ßen,
Dein ICQ-Sup­port-Team
Bit­te zitie­re bei einer Ant­wort die gesam­te Unter­hal­tung.

Ich gebe zu, dass ich lang­sam genervt war, als ich am Frei­tag ant­wor­te­te:

Hal­lo,

ich ver­ste­he nicht, wo das Pro­blem liegt: 0XX-XXX ist mei­ne Tele­fon­num­mer. Mehr Zif­fern gibt es nicht. Wenn Ihr Sys­tem die­se gül­ti­ge Tele­fon­num­mer nicht aner­kennt, stimmt etwas mit Ihrem Sys­tem nicht.

Vie­le Grü­ße,
Lukas Hein­ser

Nun kam gera­de eine E‑Mail aus Russ­land, die uns über­ra­schend vier Mona­te zurück­warf:

Hal­lo,
Lei­der ohne Bestä­ti­gung Ihrer Kon­tak­te, kön­nen wir Ihnen nicht hel­fen.

Ich wer­de es aber wei­ter ver­su­chen. Viel­leicht schaf­fen die es ja, mei­nen Account zu reak­ti­vie­ren, solan­ge ICQ noch min­des­tens einen wei­te­ren Nut­zer hat!

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Schwarm, wir müssen reden!

Vor ziem­lich genau zehn Jah­ren habe ich mit dem Blog­gen ange­fan­gen. Erst drü­ben in unse­rem dama­li­gen Aus­lands­se­mes­ter-Blog und spä­ter dann hier. Mit einer klei­nen Trup­pe von AutorIn­nen woll­ten wir „die Zei­tung machen, die wir sel­ber ger­ne lesen wür­den“ – was bei Licht bese­hen auch damals schon etwas ver­mes­sen war, aber wir woll­ten ein­fach mal gucken, was so pas­siert.

Es wur­de sehr schnell ein Blog, in dem ich mich vor allem über Medi­en und Jour­na­lis­ten aus­ließ – was dar­an lag, dass ich damals vor allem das Blog von Ste­fan Nig­ge­mei­er und das BILD­blog gele­sen habe. Es wäre aber falsch, Ste­fan und Chris­toph Schult­heis die Schuld an mei­nem alt­klu­gen, übel­lau­ni­gen Geblog­ge zu geben – ich dach­te, glau­be ich, wirk­lich, dass sie bei „RP Online“ irgend­wann mit ihren Klick­stre­cken auf­hö­ren wür­den, wenn ich mich nur oft genug dar­über auf­re­ge. Inzwi­schen gibt es BuzzFeed und Social Media und ich sehe ein, dass „RP Online“ allen­falls einen vor­läu­fi­gen Tief­punkt dar­ge­stellt hat.

Blogs waren damals noch etwas ande­res, näm­lich die mut­maß­li­che Zukunft. Wir lasen gegen­sei­tig unse­re Blogs, ver­link­ten unse­re Ein­trä­ge unter­ein­an­der, führ­ten Debat­ten wei­ter und mach­ten uns gegen­sei­tig auf ner­vi­ge, aber auch auf tol­le Din­ge auf­merk­sam. Dann kamen Face­book und Twit­ter und inzwi­schen redet unge­fähr nie­mand mehr über Blogs, wenn es um die Zukunft des Jour­na­lis­mus geht. ((Okay: So rich­tig redet nie­mand mehr über die Zukunft des Jour­na­lis­mus.)) You­Tube ist der neue hei­ße Scheiß und die glei­chen Medi­en, die ein Leis­tungs­schutz­recht ein­füh­ren woll­ten, weil Goog­le News Tei­le ihrer Tex­te zitiert, ent­sor­gen ihren Con­tent heu­te direkt bei Face­book, in der Hoff­nung, wenigs­tens noch ein paar Krü­mel abzu­be­kom­men.

Wäh­rend Face­book frü­her noch das digi­ta­le Wohn­zim­mer war, wo man Freun­de und Bekann­te um sich sam­mel­te und lus­ti­ge Vide­os mit ihnen teil­te, sind inzwi­schen alle Sei­ten­wän­de abge­baut wor­den wie wei­land im „Torn“-Video und wir kön­nen sehen, dass neben­an der Stamm­tisch tobt, den man frü­her nie wahr- oder gar ernst­ge­nom­men hät­te, und ein merk­wür­di­ger Mob jede Nach­richt kom­men­tiert, so dass man anschlie­ßend glaubt, die Welt sei vol­ler recht­schreib­schwa­cher Men­schen­has­ser, die wie­der­um glau­ben, die Welt sei vol­ler Ter­ro­ris­ten und „links­grün-ver­siff­ter Gut­men­schen“. Men­schen mit aus­ge­dach­ten Berufs­be­zeich­nun­gen sind der­weil damit beschäf­tigt, jede Woche eine neue App zu fin­den, die angeb­lich „das neue Face­book“ sei.

Kurz­um: Ich bekom­me rich­tig schlech­te Lau­ne, wor­auf­hin ich rich­tig übel­lau­ni­ge Sachen bei Face­book und Twit­ter pos­te, wo es dar­auf­hin aus­sieht, als sei ich ein rich­tig übel­lau­ni­ger Mensch. Zum Blog­gen kom­me ich nicht, weil ich die gan­ze Zeit mit Social Media beschäf­tigt bin und des­halb lei­der nicht mehr auf­schrei­ben kann, was mir eigent­lich gute Lau­ne macht und was ich gera­de toll fin­de.

Die­ses Dilem­ma hat­te ich vor zwei Jah­ren schon ein­mal zu behe­ben ver­sucht, indem ich jeden Tag einen „Song des Tages“ pos­ten woll­te. Klei­ner Haken: Durch die Fest­le­gung auf die­ses For­mat wur­de die schö­ne Idee bald zur läs­ti­gen Auf­ga­be, die mir – kor­rekt! – schlech­te Lau­ne mach­te.

Sue Reind­ke, deren Blog ich frü­her sehr ger­ne gele­sen habe und die ich heu­te (s.o.) eigent­lich nur noch über Social Media mit­be­kom­me, hat letz­te Woche ein Expe­ri­ment gestar­tet: Sie will unge­fähr jede Woche einen News­let­ter ver­schi­cken mit Din­gen, die sie beschäf­ti­gen. Ich hat­te frü­her schon öfter über das Medi­um News­let­ter nach­ge­dacht und fin­de die Idee rich­tig gut: Statt die Inhal­te alle bei Face­book zu ver­bal­lern, wo Face­book damit auch noch Geld macht und wo sie – vor allem außer­halb eines Web­brow­sers – auf tech­nisch grau­en­haf­tes­te und unbrauch­bars­te Art irgend­wo ins Nir­wa­na dif­fun­die­ren, kann man sie auch per E‑Mail schi­cken, dem unge­fähr ein­zig brauch­ba­ren Kom­mu­ni­ka­ti­ons­weg, den das Inter­net jemals her­vor­ge­bracht hat. Die Pro­duk­ti­on geht nicht so schnell und impul­siv von­stat­ten wie die eines Tweets und man kann die E‑Mail in Ruhe lesen, wenn man mal Zeit hat. Das will ich direkt auch mal pro­bie­ren!

Ich wer­de mein Pri­vat­le­ben wei­ter weit­ge­hend aus dem Inter­net raus­hal­ten, aber statt wei­ter bun­te Papier­schmet­ter­lin­ge in Pin­kel­rin­nen zu wer­fen, will ich ver­su­chen, posi­ti­ve oder zumin­dest inter­es­san­te Din­ge an einem Ort zu ver­sam­meln: Musik, Trai­ler, emp­feh­lens­wer­te Tex­te, Pod­casts oder Vide­os und ein paar eige­ne Gedan­ken. Gleich­zei­tig will ich ver­su­chen, wie­der mehr in die­sem Blog zu machen (immer­hin fei­ert das im Febru­ar sei­nen zehn­ten Geburts­tag), aber das alles ohne Zwang.

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Old man yells at cloud

Seit mei­ne Fami­lie ihre Som­mer­ur­lau­be in den Nie­der­lan­den ver­bringt (also seit kurz nach Ende des Wie­ner Kon­gress), ist es lieb gewon­ne­ne Tra­di­ti­on, bei Aus­flü­gen ins Nach­bar­land die dor­ti­gen Super­märk­te auf­zu­su­chen und all jene klei­nen Köst­lich­kei­ten in gera­de noch haus­halts­üb­li­chen Men­gen raus­zu­schlep­pen, die in Deutsch­land rät­sel­haf­ter­wei­se nicht zu haben sind: Pinda­kaas, Pas­ta Cho­ca, Kren­ten­bol­len, Vla und Hagels­lag. Erst letz­ten Monat nutz­te ich eine Fami­li­en­fei­er im Grenz­ge­biet, um anschlie­ßend noch mal ordent­lich was fürs hol­län­di­sche Brut­to­in­lands­pro­dukt zu tun. ((Wie das unge­fähr aus­sieht, hat­te ich vor sie­ben Jah­ren hier im Blog schon­mal gezeigt.)) In Zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung sind die­se gro­cery shop­ping sprees aller­dings zuneh­mend sym­bo­li­scher gewor­den: Scho­ko­la­denstreu­sel bekommt man hier schon lan­ge, seit eini­ger Zeit auch Vla und seit kur­zem bekommt man bei jedem Dis­coun­ter abge­pack­te Rosi­nen­bröt­chen, die den nie­der­län­di­schen Ori­gi­na­len zumin­dest in Kon­sins­tenz und Optik zum Ver­wech­seln ähneln. Das nimmt den Pro­duk­ten den Reiz der begrenz­ten Ver­füg­bar­keit und sorgt neben­her für so ernüch­tern­de Erkennt­nis­se wie die, dass ich eigent­lich gar kei­nen Pud­ding mag.

Holländische Spezialitäten.

Ich habe Pro­ble­me, mich zu ent­schei­den. Des­we­gen mei­de ich Restau­rants mit gro­ßen Kar­ten, ((Ich ver­fü­ge näm­lich auch nicht über eine die­ser Lebens­mit­tel­un­ver­träg­lich­kei­ten, die einem die Aus­wahl mas­siv ein­grenzt – solan­ge kei­ne Wal­nüs­se im Essen sind oder es sich um gefüll­te Nudeln han­delt, kann und mag ich alles essen.)) Kauf­häu­ser und die­se Bars mit 246 Sor­ten Gin. Noch schlim­mer sind Früh­stücks­büf­fets und „All you can eat“-Läden, weil ich da immer das Gefühl habe, ich müss­te jetzt wirk­lich alles pro­bie­ren und ver­zeh­ren – ich hab ja schließ­lich dafür gezahlt und das Zeugs steht da jetzt rum und darf eh nicht zurück in die Küche. Und wäh­rend ich beim Betre­ten von Buch­hand­lun­gen seit jeher leicht depres­si­ve Schü­be bekom­me, weil ich den­ke: „Das wer­de ich bis zum Ende mei­nes Lebens nie­mals alles lesen kön­nen“, sind Leih­bü­che­rei­en noch schlim­mer, denn da kann ich ja nicht mal mehr auf eine Inter­ven­ti­on mei­nes Kon­to­stands hof­fen. Lau­ter offe­ne Türen, also Zeit, klaus­tro­pho­bisch zu wer­den.

Und so kom­me ich dann auch mit dem Kon­zept „Strea­ming“ über­haupt nicht klar: Seit ich Kun­de bei Musik­strea­ming­diens­ten bin (erst Spo­ti­fy, dann Apple Music) habe ich weni­ger Musik gehört als je zuvor in mei­nem Leben. Jede Woche wer­den mir dut­zen­de neue Songs und Alben ange­zeigt, von denen ein Algo­rith­mus glaubt, dass sie mir gefal­len könn­ten – also höre ich lie­ber das, was ich ken­ne, und kau­fe die neu­es­ten Wer­ke der Künst­ler, von denen ich sonst schon alles habe. ((Tol­le neue Alben von Weezer und den Pet Shop Boys, übri­gens!)) Natür­lich auf CD, denn das ist ja mein ande­res Dilem­ma: Ich will den gan­zen Kram natür­lich auch besit­zen. Ins Regal stel­len. Anfas­sen kön­nen. Haben. MP3s waren irgend­wie auch noch okay, denn da „habe“ ich ja die Datei auf der Fest­plat­te. Strea­ming ist da wie Auto lea­sen: zah­len, aber am Ende nichts besit­zen.

Glei­ches Dilem­ma bei Fern­seh­se­ri­en: Weil ich es mag, wenn mei­ne Ama­zon-Bestel­lun­gen noch am sel­ben Tag ver­schickt wer­den, damit ich sie am über­nächs­ten Werk­tag im Post­amt abho­len kann, bin ich „Prime“-Kunde – und bekom­me unge­fragt die Opti­on, hun­der­te Fern­seh­se­ri­en jeder­zeit kos­ten­los anschau­en zu kön­nen. So könn­te ich die Stun­den, in denen Pro­Sie­ben kei­ne Wie­der­ho­lun­gen von „The Big Bang Theo­ry“ zeigt, mit Wie­der­ho­lun­gen von „The Big Bang Theo­ry“ über­brü­cken. Wenn ich denn „The Big Bang Theo­ry“ gucken wol­len wür­de – oder irgend­ei­ne ande­re Fern­seh­se­rie.

Fern­se­hen ist für mich wie für ande­re Leu­te Sport: Wenn jemand mit­kommt und mich dazu zwingt, ist es meist ganz okay. Allei­ne fal­len mir meist hun­dert Sachen ein, die ich drin­gen­der erle­di­gen müss­te. ((Sport, zum Bei­spiel.)) Dann möch­te ich aber ger­ne auch, dass die Pro­gramm­pla­ner mir gna­den­los vor­ge­ben, was ich wann zu gucken habe. So wie frü­her, als ich jeden Mon­tag­abend zu mei­nen Groß­el­tern gegan­gen bin, um „Akte X“ zu gucken, weil mei­ne Eltern kei­ne Satel­li­ten­schüs­sel hat­ten. Der 50 Meter lan­ge Rück­weg durch einen nächt­li­chen Gar­ten gewinnt für einen 12-Jäh­ri­gen deut­lich an Span­nung, wenn er sich vor­her mit Ali­ens, Zom­bies oder Ver­schwö­run­gen beschäf­tigt hat. Wenn ich Fern­se­hen nicht line­ar (oder, wie ich es nen­ne: „nor­mal“) gucken kann, will ich es gar nicht sehen. Und dann die­se Men­gen! „Guck Dir ‚Brea­king Bad‘ an!“ – alles klar: 62 Fol­gen, ((Und damit noch für ame­ri­ka­ni­sche Seri­en noch ver­gleichs­wei­se wenig.)) sehe ich aus, als hät­te ich so viel Zeit?! Ich habe bei mei­nen Eltern noch einen lau­fen­den Meter VHS-Kas­set­ten mit über hun­dert Fol­gen „Nash Bridges“ ste­hen, die ich Ende der 1990er Jah­re auf Vox mit­ge­schnit­ten habe!

Die­se moder­nen Fern­seh­se­ri­en sind aber eh nichts für mich: Hand­lungs­strän­ge, die sich über Wochen und Mona­te ent­fal­ten, „hori­zon­ta­les Erzäh­len“, Chro­no­lo­gie­sprün­ge – urgs! Genau­so schlimm wie die­se unend­li­chen Kino­fil­me von Chris­to­pher Nolan und Zack Sny­der! Ich lese auch am liebs­ten Bücher mit weni­ger als 300 Sei­ten, dann kann ich mehr ver­schie­de­ne lesen. Wie dem älte­ren Herrn im War­te­zim­mer beim Arzt, der sehr detail­liert, aber völ­lig poin­ten­frei erzählt, was er neu­lich im War­te­zim­mer beim Bür­ger­bü­ro erlebt hat, möch­te ich sonst immer rufen: „Komm zum Punkt!“ Aber ich schwei­fe ab.

Neu­lich woll­te ich „Sols­bu­ry Hill“ von Peter Gabri­el hören. Zu Schul­zei­ten hät­te ich dazu erst mei­nen Vater befragt und wäre dann in die Stadt­bi­blio­thek gefah­ren. ((Musik aus der Stadt­bi­blio­thek ging übri­gens immer total in Ord­nung, die konn­te man ja erst auf Kas­set­te und spä­ter dann auf die Fest­plat­te kopie­ren, also „haben“ – ver­su­chen Sie das mal mit einem Buch!)) Wenn das ent­spre­chen­de Album dort auch nicht ver­füg­bar gewe­sen wäre, hät­te ich nach­ein­an­der die – mitt­ler­wei­le natür­lich alle geschlos­se­nen – Plat­ten­lä­den mei­ner Hei­mat­stadt abklap­pern müs­sen. Ich erin­ne­re mich, wie ich Anfang 2000 bei bit­te­rer Käl­te mit mei­nem Fahr­rad jeden Ort in Dins­la­ken ansteu­er­te, an dem ich Ton­trä­ger hät­te käuf­lich erwer­ben kön­nen – sogar den Kar­stadt und die drei Video­the­ken. ((Video­the­ken! „Wie Net­flix, nur mit Kos­ten für Mie­te und Per­so­nal.“)) Nir­gend­wo gab es den Sound­track zu „Fight Club“. Andert­halb Wochen spä­ter fuhr ich mit mei­nen Freun­den mit dem Zug nach Essen, um die CD dort, in der gro­ßen Stadt, end­lich zu erwer­ben. Das glei­che ein paar Mona­te spä­ter mit dem Album „St. Amour“ von Tom Liwa. Was mei­nen Sie, wie eupho­risch ich jeweils war, als ich die CDs end­lich nach hau­se schlep­pen und dort hören konn­te? Heu­te: drei Klicks – Mega-Span­nungs­bo­gen! Und so habe ich dann neu­lich auch blitz­schnell das (wirk­lich phan­tas­ti­sche) ers­te selbst­be­ti­tel­te Album von Peter Gabri­el ((Oder „Car“, wie wir Nerds sagen.)) hören kön­nen. Und seit­dem nie wie­der, denn es wäre ja theo­re­tisch jeder­zeit ver­füg­bar, genau­so wie fast jedes ande­re Album der Musik­ge­schich­te. Kein „Ich hab das jetzt gekauft, da muss ich es auch jeden Tag hören“-Rechtfertigungszwang mehr, kein „Ich hab doch nur sound­so vie­le CDs“-Ressourcenmangel. Kein Wun­der, dass Kon­zep­te wie Poly­amo­rie und Offe­ne Bezie­hung plötz­lich näher lie­gen als auf dem Dorf.

Musiksammlung.

Dou­glas Adams hat über das Ver­hält­nis von Men­schen und Tech­no­lo­gie geschrie­ben:

I’ve come up with a set of rules that descri­be our reac­tions to tech­no­lo­gies:

1. Any­thing that is in the world when you’­re born is nor­mal and ordi­na­ry and is just a natu­ral part of the way the world works.

2. Any­thing that’s inven­ted bet­ween when you’­re fif­teen and thir­ty-five is new and exci­ting and revo­lu­tio­na­ry and you can pro­ba­b­ly get a care­er in it.

3. Any­thing inven­ted after you’­re thir­ty-five is against the natu­ral order of things.

Die Zahl „thir­ty-five“ kann man bei mir bequem durch „twen­ty-five“ erset­zen. Mit 13 war ich online, ((Wenn auch anfangs nur sehr wenig, sehr lang­sam, dafür aber sehr teu­er.)) es ist für mich so nor­mal wie elek­tri­scher Strom oder ana­lo­ges Anten­nen­fern­se­hen. Mit 15 habe ich mei­ne ers­ten Tex­te ins Inter­net geschrie­ben und das war so, wie eine eige­ne Zei­tung her­aus­zu­ge­ben: toll. Des­we­gen habe ich dann mit 23 einen Blog auf­ge­macht. Und obwohl ich hier in den nach unten offe­nen Kom­men­tar­spal­ten ((Die Älte­ren erin­nern sich viel­leicht noch an die­ses Bon­mot aus der guten, alten Zeit.)) eini­ge Freun­de gefun­den habe, muss ich zuge­ben, dass ich die­sen Rück­ka­nal gar nicht zwin­gend gebraucht hät­te. Und hier sind ja zumeist total ver­nünf­ti­ge Leu­te unter­wegs! Stel­len Sie sich mal vor, Sie arbei­ten für die „Tages­schau“, hal­ten Ihre Zuschau­er für eini­ger­ma­ßen auf­ge­klärt und müs­sen dann erle­ben, was die auf Ihrer Sei­te oder gar bei Face­book kom­men­tie­ren. Da wird der Betreu­ungs­schlüs­sel nahe­ge­le­ge­ner The­ra­pie­ein­rich­tun­gen schnell über­reizt!

Ich hät­te des­halb ger­ne mein Inter­net von 2010 zurück: Blogs statt Face­book, ICQ statt Whats­App und E‑Mail statt Slack. Auch die Com­pu­ter waren damals noch bes­ser: Mac­Books hat­ten ver­schie­de­ne Anschlüs­se für ver­schie­de­ne Gerä­te und ein CD/DVD-Lauf­werk, Mobil­te­le­fo­ne pass­ten noch in Hosen­ta­schen und auch die Betriebs­sys­te­me waren noch bedeu­tend bes­ser als nach dem 17. Upgrade. „Online gehen“ setz­te, wenn schon nicht mehr die leicht umständ­li­che Ein­wahl per Modem, so doch zumin­dest einen Com­pu­ter vor­aus, der zumeist auch noch an einen Platz gebun­den war. Heu­te „geht“ man ja nicht mehr online, man ist es. Immer, über­all. Kein drin­nen und drau­ßen mehr. ((Vie­le Leu­te wis­sen dabei nicht mal, dass sie das Inter­net nut­zen, die nut­zen nur Face­book.)) Das Foto, gera­de gemacht, ist jetzt schon auf allen Gerä­ten, die mit dem Kon­to ver­bun­den sind – oder, wenn Sie pro­mi­nent sind, beim Hacker.

Neu­es­ter Trend: Live-Vide­os. Jour­na­lis­ten, glei­cher­ma­ßen geblen­det vom Moment des Dabei­seins und den neu­en tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten, strea­men wie besof­fen von Par­tei­ta­gen, Kon­fe­ren­zen und Fes­ti­vals, ((Wenn’s gut läuft. Wenn’s schlecht läuft, strea­men sie live aus Poli­zei­ope­ra­tio­nen.)) die sie eigent­lich besu­chen, um zu beob­ach­ten, zu ana­ly­sie­ren und ein­zu­ord­nen. Posi­ti­ver Neben­aspekt von so viel Live-Leben aller­dings: Der frü­her oft so gefürch­te­te Dia- oder Video­abend nach einer gro­ßen (oder auch klei­nen) Rei­se ist zurecht fast kom­plett aus­ge­stor­ben.

Mag sein, dass ande­re Men­schen mit die­ser per­ma­nen­ten Ver­füg­bar­keit von allem, inkl. ihrer selbst, bes­ser klar­kom­men als ich. Gesprä­che mit Psy­cho­lo­gen und Sozio­lo­gen legen aller­dings nahe, dass dem nicht so ist. Aber man kann sich ja jeder­zeit sein Ent­schleu­ni­gungs-Maga­zin mit Land­haus­flair und Laven­del­duft auf dem iPad angu­cken oder die Medi­ta­ti­ons-App star­ten. Oder halt ein­fach durch­dre­hen, die Möbel aus dem Fens­ter schmei­ßen und den Kopf gegen die Wand schla­gen.

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Lucky & Fred: Episode 7

Nach einem gewohnt lau­ni­gen Auf­takt wol­len wir uns kri­tisch zum Zeit­ge­sche­hen äußern: Was haben Leb­ku­chen, Sha­ria und Wasch­stra­ßen mit­ein­an­der zu tun und was ist das Yoko-Ono-Prin­zip bei deut­schen Kanz­ler­gat­tin­nen?
Wir spre­chen über WDR-Redak­teur Heri­bert Schwan, der 600 Stun­den im Kel­ler von Hel­mut Kohl gefan­gen war, die Wie­der­ver­ei­ni­gung des maro­den Deutsch­lands und die Drei­tei­lung des Ruhr­ge­biets, grün­den die Bewe­gung der Hei­mat­ver­trie­be­nen der Alten Bun­des­re­pu­blik und erklä­ren, wofür es die FDP und die Pira­ten­par­tei braucht.
Außer­dem: Kar­tof­fel­ern­te auf Face­book.

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Bochum, ein bisschen

Die Ver­an­stal­ter des Bochu­mer Volks­fests „Bochum Total“ haben heu­te in einer Pres­se­mit­tei­lung bekannt gege­ben, ab dem nächs­ten Jahr nicht mehr mit der ört­li­chen Braue­rei Moritz Fie­ge (indi­rekt bekannt aus unse­ren „Cine­ma And Beer“-Podcasts) zusam­men­zu­ar­bei­ten, son­dern die Geträn­ke für ihre Groß­ver­an­stal­tung von der Duis­bur­ger König-Braue­rei zu bezie­hen. Das war theo­re­tisch schon bekannt, seit vor eini­gen Wochen ein (inzwi­schen wie­der gelösch­tes) Pla­kat mit „Köpi“-Schriftzug auf der Face­book-Sei­te von „Bochum Total“ auf­ge­taucht war, aber viel­leicht darf man von Lokal­jour­na­lis­ten auch nicht zu viel erwar­ten.

Jetzt ist die Nach­richt jeden­falls offi­zi­ell in der Welt und es bahnt sich das an, was sie im Inter­net einen „Shit­s­torm“ nen­nen, wes­we­gen ich die Gele­gen­heit nicht unge­nützt ver­strei­chen las­sen möch­te, für die­sen Zweck den/​die/​das Hash­tag „Sauf­schrei“ vor­zu­schla­gen.

Die Empö­rung ist nach­voll­zieh­bar und zielt zugleich weit­ge­hend ins Lee­re: Die Annah­me, ein Volks­fest die­ser Grö­ßen­ord­nung hät­te irgend­was mit dem Volk zu tun, wäre naiv. Natür­lich geht es bei „Bochum Total“, dem Mün­che­ner „Okto­ber­fest“, dem Ham­bur­ger „Hafen­ge­burts­tag“ und womög­lich selbst beim Kar­ne­val heut­zu­ta­ge vor allem ums Geld. Zwar wür­den sie beim Okto­ber­fest ver­mut­lich eher nicht auf die Idee kom­men, das Bier aus dem Umland zu bezie­hen, aber so viel Tra­di­ti­on hat „Bochum Total“ dann auch noch nicht anhäu­fen kön­nen. Selbst wenn alle Lokal­pa­trio­ten, die die aus­rich­ten­de Agen­tur „Cool­tour“ gera­de auf Face­book beschimp­fen, im kom­men­den Jahr tat­säch­lich zuhau­se blie­ben, dürf­te das bei den vie­len hun­dert­tau­send Besu­chern, die sich all­jähr­lich durch die Bochu­mer Innen­stadt schie­ben, kaum ins Gewicht fal­len. Viel­leicht kom­men sogar wie­der ein paar mehr, um sich das bana­le Musik­pro­gramm, das oft wie direkt von Plat­ten­fir­men und Medi­en­part­nern zusam­men­ge­stellt aus­sieht, die Brat­wurst­bu­den und – dann neu­en – Bier­stän­de anzu­schau­en.

Die Ver­an­stal­ter beeil­ten sich, sogleich noch ein State­ment der mut­maß­lich geschass­ten Fie­ge-Braue­rei zu ver­öf­fent­li­chen, in dem der Inha­ber Hugo Fie­ge den – für mei­nen Geschmack etwas zu sehr an gefeu­er­te Fuß­ball­trai­ner erin­nern­den – Satz sagt, es sei „es an der Zeit, neue Per­spek­ti­ven zu suchen und zu fin­den“. Das klingt ehr­lich gesagt nicht sehr über­zeu­gend, kann aber auch völ­lig ernst gemeint sein.

Part­ner­schaf­ten auf die­sem Gebiet gehen oft genug mit dem Adjek­tiv „stra­te­gisch“ ein­her. Das darf man nicht mit Tra­di­ti­on ver­wech­seln: Auch beim Hald­ern Pop Fes­ti­val wird seit 2012 König Pil­se­ner aus­ge­schenkt und damit die mehr als 15 Jah­re wäh­ren­de „nie­der­rhei­ni­sche Freund­schaft“ zwi­schen dem Fes­ti­val und der Die­bels-Braue­rei been­det. Die­bels kommt theo­re­tisch aus Issum, gehört aber zum glo­bal play­er Anheu­ser-Busch InBev und wer weiß, was des­sen Con­trol­ler von „nie­der­rhei­ni­scher Freund­schaft“ ver­ste­hen.

Auch die Ver­an­stal­ter des Hald­ern Pop zeig­ten sich ein Stück weit fle­xi­bel und erklär­ten:

Bier ist Hei­mat. Und so muss­te es ‚das König der Bie­re‘ aus dem nahen Duis­burg-Beek sein.

Eine Kern­ziel­grup­pe von „Bochum Total“ sind – über­spitzt gesagt – Jugend­li­che, die mit etwas Glück schon legal Bier trin­ken dür­fen und dies ver­mut­lich eher nicht an Bier­stän­den tun – die sind eher für eine ande­re Kern­ziel­grup­pe: die Fami­li­en und Ver­ei­ne, für die die über­füll­te Innen­stadt ein belieb­tes Aus­flugs­ziel ist. Wenn bei­de jetzt bei Face­book ihrem Ärger Luft machen, zei­gen sie damit ein Ver­ständ­nis für Tra­di­tio­nen, das es andern­orts schon nicht mehr gibt. So kann man das sehen.

Man könn­te aber auch sagen: Die Leu­te sind so unfle­xi­bel wie jene Leser­brief­schrei­ber, die mit Abo-Kün­di­gung dro­hen, wenn ihre Tages­zei­tung nach zehn Jah­ren mal wie­der ein neu­es Lay­out bekom­men hat. Der Mensch ist ein Gewohn­heits­tier, heißt es dann, aber er gewöhnt sich auch erstaun­lich schnell um.

Fie­ge schmeckt mir trotz­dem bedeu­tend bes­ser als „Köpi“.

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Glühwein gegen den Hunger 2012

Im Som­mer des ver­gan­ge­nen Jah­res, als die Hun­ger­ka­ta­stro­phe im Osten Afri­kas es gera­de mal für ein paar Wochen in die deut­schen Medi­en geschafft hat­te, hat­te mein Kum­pel Jan eine Idee: Er woll­te den glei­chen Betrag, den er an einem Wochen­en­de fürs Fei­ern aus­gibt, für das „Bünd­nis Ent­wick­lung hilft“ spen­den. Wir sind mit dem Blog auf­ge­sprun­gen und so war die Face­book-Akti­on „Sau­fen gegen den Hun­ger“ gebo­ren, die wir im Win­ter als „Glüh­wein gegen den Hun­ger“ wie­der­holt haben.

Jetzt ist wie­der Advents­zeit und im Fern­se­hen fin­den aller­lei Wohl­tä­tig­keits­ver­an­stal­tun­gen statt, also wol­len auch wir nicht mehr war­ten und star­ten die 2012er Auf­la­ge von „Glüh­wein gegen den Hun­ger“.

Die Regeln sind wie immer idio­ten­si­cher:

Wir wer­de den glei­chen Betrag, den wir am Wochen­en­de (14. – 16. Dezem­ber) ver­fei­ern/­ver­kös­ti­gen/­ver­sau­fen/­weg-eska­lie­ren/nach der Par­ty ver­fres­sen, für Afri­ka spen­den.

Also, für jeden Ein­tritt, jedes Bier, jeden Schnaps/​Sekt/​Döner/​sonstwas kommt der glei­che Betrag auf das Spen­den­kon­to der ARD (s.u).

Dann wirds zwar logi­scher­wei­se dop­pelt so teu­er, aber der Kater wird durch ein gutes Gewis­sen aus­ge­gli­chen! (und wenn das nicht wirkt: Aspi­rin)

Wie bei den letz­ten Malen kön­nen und wol­len wir nicht über­prü­fen, ob die Teil­neh­mer sich auch tat­säch­lich an die (recht vagen) Regeln hal­ten, aber wir glau­ben wei­ter­hin an das Gute im Men­schen.

Alles Wei­te­re zu „Glüh­wein gegen den Hun­ger“ erfah­ren Sie bei Face­book – und wenn Sie spen­den wol­len, ohne etwas zu trin­ken, kön­nen Sie das selbst­ver­ständ­lich auch tun.

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Digital Gesellschaft

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Mar­kus Becke­dahl hat bei netzpolitik.org einen Arti­kel über Blog­kom­men­ta­re ver­öf­fent­licht, den ich selbst­ver­ständ­lich nicht gele­sen habe, so wie Blog­kom­men­ta­to­ren in den aller­meis­ten Fäl­len die Arti­kel nicht lesen (oder zumin­dest offen­kun­dig nicht ver­ste­hen), unter denen sie kom­men­tie­ren.

Als ich ange­fan­gen habe zu blog­gen und plötz­lich Leu­te anfin­gen, die Kom­men­tar­funk­ti­on zu nut­zen, gab es in den Kom­men­ta­ren Zustim­mung, ande­re Denk­an­sät­ze, Lob, Kri­tik, Humor, irgend­wann Run­ning Gags. Mit eini­gen treu­en Kom­men­ta­to­ren die­ser Anfangs­pha­se ver­bin­den mich inzwi­schen enge Freund­schaf­ten.

Dann kam Face­book. Lesens­wer­te Arti­kel wur­den nicht mehr ver­linkt, Blogs rekur­rier­ten nicht mehr auf­ein­an­der, die gan­ze Idee der „Blogo­sphä­re“ fiel in sich zusam­men. Lesens­wer­te Arti­kel wer­den heu­te bei Face­book geteilt und eben­da auch dis­ku­tiert, bei den aller­meis­ten im über­schau­ba­ren Rah­men ihrer Facebook-„Freunde“. Das führt einer­seits dazu, dass das Mei­nungs­spek­trum nicht mehr ganz so groß ist ((Ich zum Bei­spiel habe kei­nen ein­zi­gen offen homo­pho­ben oder natio­na­lis­tisch ein­ge­stell­ten Face­book-Kon­takt, wor­über ich sehr froh bin und wor­auf ich auch sehr ach­te.)), ande­rer­seits funk­tio­nie­ren Anspie­lun­gen und Run­ning Gags viel bes­ser, man­che trau­en sich gar wie­der ans Stil­mit­tel der Iro­nie. In sel­te­nen Fäl­len kommt es zu Rei­bungs­punk­ten, wenn Men­schen, deren ein­zi­ge Gemein­sam­keit die Face­book-Bekannt­schaft mit mir ist, unglück­lich auf­ein­an­der­pral­len, aber meis­tens ver­läuft alles harm­los und har­mo­nisch.

Das bedeu­tet aber auch, dass die aller­meis­ten Men­schen, die heu­te noch Blog­bei­trä­ge kom­men­tie­ren, ent­we­der die letz­ten treu­en See­len sind – oder die letz­ten Irren. Die Leu­te, die einem Arti­kel ein­fach nur zustim­men, kli­cken auf „Gefällt mir“ (bzw. „Emp­feh­len“) oder ver­lin­ken ihn ander­wei­tig bei Face­book (bzw. um das Wort ein­mal geschrie­ben zu haben: auf Twit­ter) und sind dann wie­der weg. Wer in die Kom­men­ta­re unter dem Text guckt, bekommt den Ein­druck, dass Blogs aus­schließ­lich von Men­schen gele­sen wer­den, die mit der Mei­nung des Autoren nicht über­ein­stim­men. ((In den Kom­men­ta­ren des News­por­tals „Der Wes­ten“ ent­steht bis­wei­len der Ein­druck, die WAZ-Grup­pe wür­de Frei­schär­ler beschäf­ti­gen, die Men­schen mit Waf­fen­ge­walt dazu zwin­gen, die dort online gestell­ten Arti­kel zu lesen und anschlie­ßend zu kom­men­tie­ren. Das ist aller­dings immer noch harm­los ver­gli­chen mit den nach unten offe­nen Kom­men­tar­spal­ten von „Welt Online“, in denen sich offen­sicht­lich jene Stamm­tisch­gän­ger ver­sam­meln, gegen die der Deut­sche Hotel- und Gast­stät­ten­ver­band DeHo­Ga ein bun­des­wei­tes Knei­pen­ver­bot aus­ge­spro­chen hat.)) In eini­gen Fäl­len könn­te man dar­über hin­aus glau­ben, die Kom­men­ta­re bezö­gen sich auf einen ursprüng­lich dort gepos­te­ten Arti­kel, in dem der Autor vom Geschlechts­ver­kehr mit Tie­ren geschwärmt hat­te und den er anschlie­ßend durch einen etwas weni­ger kon­tro­ver­sen ersetzt hat. So ent­steht ein selt­sa­mes Zerr­bild der Rea­li­tät.

Manch­mal sind Kom­men­ta­re natür­lich auch ein Gewinn. Nicht nur, wenn man expli­zit um Hil­fe gebe­ten hat, son­dern auch, wenn es um das gemein­sa­me Schwel­gen in Erin­ne­run­gen geht. Wenn das The­ma aber nur gering­fü­gig kon­tro­vers ist, ist das Desas­ter pro­gram­miert. Und wenn dann noch durch irgend­wel­che Ver­lin­kun­gen vie­le Leser von außer­halb ange­spült wer­den, die viel­leicht mit Autor, Blog und Rest­kom­men­ta­to­ren nicht ver­traut sind, wird es spä­tes­tens ab Kom­men­tar #20 so lus­tig wie an einem schlech­ten Tag im Nahen Osten.

Ein wei­te­res Pro­blem ist natür­lich, dass in Deutsch­land kei­ne Dis­kus­si­ons­kul­tur exis­tiert wie im angel­säch­si­schen Raum. Mehr noch, im Fern­se­hen bekom­men wir täg­lich – und ich wünsch­te, „täg­lich“ wäre hier eine Über­trei­bung – gezeigt, wie man mit Men­schen umgeht, die ande­rer Mei­nung sind: Unter­bre­chen, Anschrei­en, alle Argu­men­te für nich­tig erklä­ren. Rhe­to­ri­sche Grund­prin­zi­pi­en wer­den in die Ton­ne gekloppt, auf der dann laut rum­ge­trom­melt wird. Was übri­gens noch viel leich­ter geht, wenn man dem Gegen­über dabei nicht in die Augen gucken muss, weil es an einer Com­pu­ter­tas­ta­tur ganz woan­ders sitzt.

Wenn eine kon­struk­ti­ve Dis­kus­si­on also eh unmög­lich ist, kön­nen wir uns alle die Mühe auch spa­ren. Es bringt nichts, den isla­mo­pho­ben Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kern in ihren Wahn­sinns­fo­ren mit Fak­ten, Argu­men­ten oder Ver­wei­sen auf die Wirk­lich­keit ent­ge­gen­tre­ten zu wol­len, aber es bringt noch ein biss­chen weni­ger, unter einen Arti­kel, der isla­mo­pho­ben Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kern mit Fak­ten, Argu­men­ten oder Ver­wei­sen auf die Wirk­lich­keit ent­ge­gen­tritt, zu schrei­ben, die­se Leu­te sei­en aber echt dum­me Nazis und hät­ten klei­ne Pim­mel. Das mag ja stim­men, aber es hilft den­noch nie­man­dem. Außer viel­leicht für einen kur­zen Moment dem Kom­men­ta­tor.

Natür­lich wird einem jeder alte Zei­tungs­ha­se bestä­ti­gen, dass Leser­brie­fe schon immer zu maxi­mal zehn Pro­zent aus Zustim­mung bestan­den (außer, es geht gera­de gegen Kin­der­mör­der) und zu min­des­tens hun­dert Pro­zent aus gal­le­trie­fen­den Abo-Kün­di­gun­gen, aber ein Blog­kom­men­tar ist noch leicht­fer­ti­ger in die Tas­ta­tur erbro­chen als das Wort „Schrei­ber­ling“ in Süt­ter­lin aufs Büt­ten­pa­pier getropft. Und wäh­rend hier­zu­lan­de tat­säch­lich nie­mand dazu gezwun­gen wird, ein bestimm­tes Medi­um zu kon­su­mie­ren, ver­hält es sich bei den Leser­kom­men­ta­ren genau umge­kehrt: Die müs­sen, schon aus Selbst­schutz des Blog­be­trei­bers, von irgend­je­man­dem auf mög­li­che Ver­stö­ße gegen die guten Sit­ten und gegen bestehen­de Geset­ze über­prüft wer­den. Die Ver­stö­ße gegen Logik und Recht­schreib­kon­ven­tio­nen wür­de eh nie­mand nach­hal­ten wol­len.

Es ist nicht mehr 2007. Blogs sind jetzt ein­fach da und gehen auch nicht mehr weg. Aber sie sind nicht ganz das gewor­den, was wir uns viel­leicht mal erhofft hat­ten. „Wir“ sind nicht das gewor­den. Men­schen, die alle eine Blog­soft­ware benut­zen, haben grund­sätz­lich erst mal genau die­se eine Gemein­sam­keit. Wer will, kann sich mit Men­schen, die auch irgend­wie ins Inter­net schrei­ben, tref­fen, wer nicht will, nicht. Wer sei­ne Sicht auf die Welt für so wich­tig hält, dass ande­re davon erfah­ren soll­ten, soll­te nicht irgend­wo Kom­men­ta­re hin­ter­las­sen, son­dern mit dem Blog­gen anfan­gen.

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Rundfunk

Bretter, die die Welt bedeuten

Vor etwa vier Wochen habe ich auf Face­book ein Video ent­deckt, das ich seit­dem öfter ange­schaut habe als das der jon­glie­ren­den Ellen Page.

Hier mal die Ver­si­on von You­Tube, wo das Video seit März 2009 zu sehen ist:

Die ers­ten zwan­zig, drei­ßig Male habe ich anschlie­ßend vor Lachen kei­ne Luft mehr bekom­men, aber inzwi­schen geht’s.

So unge­fähr alles an die­sem Video ist rät­sel­haft – und damit mei­ne ich nicht ein­mal die Fra­ge, ob es irgend­je­man­den auf die­sem Pla­ne­ten gibt, der sagt: „Hey, rutsch­fes­te Küchen­bret­ter! Das hab ich mir immer gewünscht! Komisch, dass es die erst jetzt gibt.“

Ich mei­ne: Was macht der Mann da? Wer im Sport­un­ter­richt mal Gerä­te­tur­nen auf dem Lehr­plan hat­te, weiß, wie schwer es ist, über einen Kas­ten oder einen Bock zu kom­men. Jer­ry Knoll (so, haben mei­ne Recher­chen erge­ben, heißt der Mann) fliegt aus dem Stand über die hal­be The­ke und zieht sich dann, einem Rod­ler gleich, nach vor­ne.

In die­sem Clip, den QVC im ver­gan­ge­nen Dezem­ber ver­öf­fent­licht hat, sieht man es noch bes­ser:

Eine mög­li­che Erklä­rung für die­sen Move wäre die Fern­be­die­nung in der Hand von Chris­ti­ne Marks: Sekun­den, bevor Knoll abhebt, sen­det die­se Fern­be­die­nung offen­bar irgend­ein Signal aus, jeden­falls leuch­tet sie vor­ne. Was will die Frau in einer Sen­dung für Koch­ge­rä­te über­haupt mit einer Fern­be­die­nung – außer, ihren Gast mit­hil­fe eines klei­nen Kata­pults, eines Trak­tor­strahls oder irgend­ei­ner ande­ren Vor­rich­tung über die The­ke zu schleu­dern?

Und woher nimmt der Kame­ra­mann, der ja bis zu die­sem Moment eine eher behä­bi­ge Prä­sen­ta­ti­on von Küchen­uten­si­li­en ein­ge­fan­gen hat, die Geis­tes­ge­gen­wart, in die­sem Moment auf­zu­zie­hen, und den Stunt somit in vol­ler Schön­heit in die hei­mi­schen Wohn­zim­mer vol­ler Tif­fa­ny-Lam­pen, Por­zel­lan­pup­pen und Schmink­uten­si­li­en zu über­tra­gen?

All das ist merk­wür­dig, meis­ter­haft aber ist Knolls Aus­ruf: „Uargh, die Bret­ter!“, den er wäh­rend des Falls absetzt und mit einem „Da sind sie!“ abschließt, das vie­le Inter­net­kom­men­ta­to­ren an Gollum aus „Der Herr der Rin­ge“ erin­ner­te.

Ich habe einen guten Teil der letz­ten vier Wochen damit zuge­bracht, die­sen Aus­ruf in sei­ner rhei­ni­schen Fär­bung genau­es­tens zu stu­die­ren und nach­zu­ah­men. Mit ein wenig Kon­zen­tra­ti­on ist es mir auch gelun­gen, mich der­art zu kon­di­tio­nie­ren, dass ich mitt­ler­wei­le ohne nach­zu­den­ken „Uargh, die Bret­ter!“ aus­ru­fe, wann immer mir etwas run­ter­fällt – also etwa 40 Mal am Tag.

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Musik Digital

Something That I Didn’t Want To Know

Das Inter­net sorgt mit sei­ner stän­di­gen Ver­füg­bar­keit von unter­schied­lichs­ten Musi­ken bekannt­lich für eine immer stär­ke­re Indi­vi­dua­li­sie­rung des Musik­ge­schmacks. Der Ein­fluss der gro­ßen Plat­ten­fir­men geht zurück, jeder hört nur noch das, was ihm gefällt und was er irgend­wo ent­deckt hat. So weit die Theo­rie.

Wenn sich die Men­schen im Inter­net aber mal auf einen gemein­sa­men Song eini­gen kön­nen, dann rich­tig: Seit Wochen pos­ten mei­ne Face­book-Kon­tak­te jed­we­den Alters, Musik­ge­schmacks und jed­we­der sexu­el­ler Ori­en­tie­rung immer wie­der ein Musik­vi­deo. Gefühlt müs­sen alle aktu­ell 255 Freun­de den Clip min­des­tens zwei Mal „geteilt“ haben.

Da ich nicht jedes Video anschaue und jeden Song anhö­re, den irgend­je­mand bei Face­book gepos­tet hat, ging der Song anfangs an mir vor­bei. Gehört hab ich ihn tat­säch­lich das ers­te Mal im Radio, als alle ande­ren schon mit­sin­gen konn­ten, auch wenn ich Song und Video-Posts erst anschlie­ßend in Ver­bin­dung zuein­an­der set­zen konn­te:

Ich mag „Some­bo­dy That I Used To Know“ von Gotye nicht beson­ders. ((Das Video habe ich gera­de für die­sen Arti­kel tat­säch­lich zum ers­ten Mal gese­hen und ich mag es noch viel, viel weni­ger. Das sieht ja aus, als sei es von den ält­li­chen Haus­frau­en gedreht wor­den, die sonst Stepp­de­cken für die Wän­de von Pfarr­ge­mein­de­häu­sern und Arzt­pra­xen­war­te­zim­mern quil­ten!)) Den Refrain fin­de ich sehr anstren­gend und der ech­te Peter Gabri­el hät­te das schö­ner hin­be­kom­men. Aber ich will nicht aus­schlie­ßen, dass mei­ne Ableh­nung nicht allein auf dem Song selbst beruht, son­dern auch auf dem merk­wür­di­gen Hype, der ihn beglei­tet.

Ich habe näm­lich fest­ge­stellt, dass, wenn nur genug Men­schen in einem kur­zen Zeit­raum ein Video, einen Arti­kel oder ähn­li­ches, das ich noch nicht ken­ne, auf Face­book geteilt haben, ich kein Inter­es­se mehr dar­an habe, es über­haupt ken­nen­zu­ler­nen. Es ist qua­si ein inne­rer Back­lash, der eigent­lich ein Prelash ist. Ich nen­ne es: das „Videogames“-Paradox.

Denn auch Lana Del Reys Debüt­sin­gle hat einen der­ar­ti­gen Marsch durch alle Insti­tu­tio­nen hin­ter sich, dass mich Nach­fol­ge­sin­gles und Album gar nicht mehr inter­es­sie­ren – dabei moch­te ich den Song anfangs sogar.

Ich kann gar nicht erklä­ren, war­um sich man­che Lie­der so schnell „abnut­zen“, ande­re schon vor dem Hören ner­ven und wie­der ande­re mit jedem Mal bes­ser wer­den. „We Found Love“ von Rihan­na und Cal­vin Har­ris lie­be ich zum Bei­spiel umso mehr, je öfter ich es höre (und ich fand’s von Anfang an spit­zen­mä­ßig).

Bemer­kens­wert ist aber noch etwas: Auch wenn ich glau­be, dass sich Hits nicht mit letz­ter Gewiss­heit pla­nen las­sen, wenn ich zuge­be, dass „Some­bo­dy That I Used To Know“ und „Video­ga­mes“ bei­des sehr unwahr­schein­li­che Hits (Num­mer-Eins-Hits in Deutsch­land gar) sind, und ich aner­ken­ne, dass bei­de Songs in über­ra­schen­dem Maße alle Alters­grup­pen und sozia­len Schich­ten errei­chen – bei­de erschei­nen beim bei­na­he letz­ten exis­tie­ren­den Major­la­bel Uni­ver­sal.

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Gesellschaft

Glühwein gegen den Hunger

Eines muss man der Poli­tik las­sen: Wir haben jah­re­lang unent­deck­te Rechts­ter­ro­ris­ten, eine sich täg­lich ver­schär­fen­de Euro­kri­se, den längs­ten Cas­tor-Trans­port aller Zei­ten und doch haben es die Poli­ti­ker geschafft, heim­lich still und lei­se die Hun­ger­ka­ta­stro­phe in Ost­afri­ka zu lösen. Zumin­dest hat man davon seit Mona­ten nichts mehr gehört und gele­sen.

Sar­kas­mus bei­sei­te: Die Hun­ger­ka­ta­stro­phe ist natür­lich noch nicht gelöst. Und da die Vor­weih­nachts­zeit ja eh die Hoch­pha­se der Cha­ri­ty-Events ist und unse­re Akti­on „Sau­fen gegen den Hun­ger“ im August in jeder Hin­sicht erfolg­reich ver­lau­fen ist, haben Jan und ich uns etwas neu­es ein­fal­len las­sen:

Die Regeln der Akti­on blei­ben denk­bar ein­fach:

Wir wer­de den glei­chen Betrag, den wir am Wochen­en­de (16. – 18.12) ver­fei­ern/­ver­kös­ti­gen/­ver­sau­fen/­weg-eska­lie­ren/nach der Par­ty ver­fres­sen für Afri­ka spen­den.

Wir haben uns wie­der für die­ses Pro­jekt ent­schie­den gera­de weil es momen­tan kom­plett aus den Medi­en ver­schwun­den ist und die Gut­ten­bergs und Co. wie­der alle Auf­merk­sam­keit auf sich zie­hen.

Also, für jeden Ein­tritt, jedes Bier, jeden Schnaps/​Sekt/​Döner/​sonstwas kommt der glei­che Betrag auf das Spen­den­kon­to der ARD.

Dann wirds zwar logi­scher­wei­se dop­pelt so teu­er, aber der Kater wird durch ein gutes Gewis­sen aus­ge­gli­chen…! (und wenn das nicht wirkt: Aspi­rin)

Wie beim ers­ten Mal kön­nen und wol­len wir nicht über­prü­fen, ob die Teil­neh­mer sich auch tat­säch­lich an die (recht vagen) Regeln hal­ten, aber wir glau­ben wei­ter­hin an das Gute im Men­schen.

Alles Wei­te­re zu „Glüh­wein gegen den Hun­ger“ erfah­ren Sie bei Face­book – und wenn Sie spen­den wol­len, ohne etwas zu trin­ken, kön­nen Sie das selbst­ver­ständ­lich auch tun.

Ob es auch eine Bene­fiz-Sin­gle zu dem Pro­jekt geben wird, ist noch nicht ent­schie­den.