Kategorien
Rundfunk

Cinema And Beer: Die Folge für 2020

Seit 2012 machen Tom Thelen und Lukas Heinser „Cinema And Beer“: Erst gehen sie ins Kino, dann in eine Kneipe, um beim Bier über das gerade Gesehene zu sprechen. Jedes Jahr gab es mindestens eine Folge dieses Erfolgspodcasts — dann kam 2020 …

… und sie nahmen trotzdem eine auf! Ohne Kino, ohne Bier, aber mit jeder Menge Empfehlungen für Zeugs, was man während der Feiertage und des Lockdowns so bingen kann. „Zwei weiße Dudes reden über Serien — Der Podcast“! Unser Weihnachtsgeschenk für Euch!

Shownotes:

Kategorien
Digital Gesellschaft

Old man yells at cloud

Seit meine Familie ihre Sommerurlaube in den Niederlanden verbringt (also seit kurz nach Ende des Wiener Kongress), ist es lieb gewonnene Tradition, bei Ausflügen ins Nachbarland die dortigen Supermärkte aufzusuchen und all jene kleinen Köstlichkeiten in gerade noch haushaltsüblichen Mengen rauszuschleppen, die in Deutschland rätselhafterweise nicht zu haben sind: Pindakaas, Pasta Choca, Krentenbollen, Vla und Hagelslag. Erst letzten Monat nutzte ich eine Familienfeier im Grenzgebiet, um anschließend noch mal ordentlich was fürs holländische Bruttoinlandsprodukt zu tun. ((Wie das ungefähr aussieht, hatte ich vor sieben Jahren hier im Blog schonmal gezeigt.)) In Zeiten der Globalisierung sind diese grocery shopping sprees allerdings zunehmend symbolischer geworden: Schokoladenstreusel bekommt man hier schon lange, seit einiger Zeit auch Vla und seit kurzem bekommt man bei jedem Discounter abgepackte Rosinenbrötchen, die den niederländischen Originalen zumindest in Konsinstenz und Optik zum Verwechseln ähneln. Das nimmt den Produkten den Reiz der begrenzten Verfügbarkeit und sorgt nebenher für so ernüchternde Erkenntnisse wie die, dass ich eigentlich gar keinen Pudding mag.

Holländische Spezialitäten.

Ich habe Probleme, mich zu entscheiden. Deswegen meide ich Restaurants mit großen Karten, ((Ich verfüge nämlich auch nicht über eine dieser Lebensmittelunverträglichkeiten, die einem die Auswahl massiv eingrenzt — solange keine Walnüsse im Essen sind oder es sich um gefüllte Nudeln handelt, kann und mag ich alles essen.)) Kaufhäuser und diese Bars mit 246 Sorten Gin. Noch schlimmer sind Frühstücksbüffets und “All you can eat”-Läden, weil ich da immer das Gefühl habe, ich müsste jetzt wirklich alles probieren und verzehren — ich hab ja schließlich dafür gezahlt und das Zeugs steht da jetzt rum und darf eh nicht zurück in die Küche. Und während ich beim Betreten von Buchhandlungen seit jeher leicht depressive Schübe bekomme, weil ich denke: “Das werde ich bis zum Ende meines Lebens niemals alles lesen können”, sind Leihbüchereien noch schlimmer, denn da kann ich ja nicht mal mehr auf eine Intervention meines Kontostands hoffen. Lauter offene Türen, also Zeit, klaustrophobisch zu werden.

Und so komme ich dann auch mit dem Konzept “Streaming” überhaupt nicht klar: Seit ich Kunde bei Musikstreamingdiensten bin (erst Spotify, dann Apple Music) habe ich weniger Musik gehört als je zuvor in meinem Leben. Jede Woche werden mir dutzende neue Songs und Alben angezeigt, von denen ein Algorithmus glaubt, dass sie mir gefallen könnten — also höre ich lieber das, was ich kenne, und kaufe die neuesten Werke der Künstler, von denen ich sonst schon alles habe. ((Tolle neue Alben von Weezer und den Pet Shop Boys, übrigens!)) Natürlich auf CD, denn das ist ja mein anderes Dilemma: Ich will den ganzen Kram natürlich auch besitzen. Ins Regal stellen. Anfassen können. Haben. MP3s waren irgendwie auch noch okay, denn da “habe” ich ja die Datei auf der Festplatte. Streaming ist da wie Auto leasen: zahlen, aber am Ende nichts besitzen.

Gleiches Dilemma bei Fernsehserien: Weil ich es mag, wenn meine Amazon-Bestellungen noch am selben Tag verschickt werden, damit ich sie am übernächsten Werktag im Postamt abholen kann, bin ich “Prime”-Kunde — und bekomme ungefragt die Option, hunderte Fernsehserien jederzeit kostenlos anschauen zu können. So könnte ich die Stunden, in denen ProSieben keine Wiederholungen von “The Big Bang Theory” zeigt, mit Wiederholungen von “The Big Bang Theory” überbrücken. Wenn ich denn “The Big Bang Theory” gucken wollen würde — oder irgendeine andere Fernsehserie.

Fernsehen ist für mich wie für andere Leute Sport: Wenn jemand mitkommt und mich dazu zwingt, ist es meist ganz okay. Alleine fallen mir meist hundert Sachen ein, die ich dringender erledigen müsste. ((Sport, zum Beispiel.)) Dann möchte ich aber gerne auch, dass die Programmplaner mir gnadenlos vorgeben, was ich wann zu gucken habe. So wie früher, als ich jeden Montagabend zu meinen Großeltern gegangen bin, um “Akte X” zu gucken, weil meine Eltern keine Satellitenschüssel hatten. Der 50 Meter lange Rückweg durch einen nächtlichen Garten gewinnt für einen 12-Jährigen deutlich an Spannung, wenn er sich vorher mit Aliens, Zombies oder Verschwörungen beschäftigt hat. Wenn ich Fernsehen nicht linear (oder, wie ich es nenne: “normal”) gucken kann, will ich es gar nicht sehen. Und dann diese Mengen! “Guck Dir ‘Breaking Bad’ an!” — alles klar: 62 Folgen, ((Und damit noch für amerikanische Serien noch vergleichsweise wenig.)) sehe ich aus, als hätte ich so viel Zeit?! Ich habe bei meinen Eltern noch einen laufenden Meter VHS-Kassetten mit über hundert Folgen “Nash Bridges” stehen, die ich Ende der 1990er Jahre auf Vox mitgeschnitten habe!

Diese modernen Fernsehserien sind aber eh nichts für mich: Handlungsstränge, die sich über Wochen und Monate entfalten, “horizontales Erzählen”, Chronologiesprünge — urgs! Genauso schlimm wie diese unendlichen Kinofilme von Christopher Nolan und Zack Snyder! Ich lese auch am liebsten Bücher mit weniger als 300 Seiten, dann kann ich mehr verschiedene lesen. Wie dem älteren Herrn im Wartezimmer beim Arzt, der sehr detailliert, aber völlig pointenfrei erzählt, was er neulich im Wartezimmer beim Bürgerbüro erlebt hat, möchte ich sonst immer rufen: “Komm zum Punkt!” Aber ich schweife ab.

Neulich wollte ich “Solsbury Hill” von Peter Gabriel hören. Zu Schulzeiten hätte ich dazu erst meinen Vater befragt und wäre dann in die Stadtbibliothek gefahren. ((Musik aus der Stadtbibliothek ging übrigens immer total in Ordnung, die konnte man ja erst auf Kassette und später dann auf die Festplatte kopieren, also “haben” — versuchen Sie das mal mit einem Buch!)) Wenn das entsprechende Album dort auch nicht verfügbar gewesen wäre, hätte ich nacheinander die – mittlerweile natürlich alle geschlossenen – Plattenläden meiner Heimatstadt abklappern müssen. Ich erinnere mich, wie ich Anfang 2000 bei bitterer Kälte mit meinem Fahrrad jeden Ort in Dinslaken ansteuerte, an dem ich Tonträger hätte käuflich erwerben können — sogar den Karstadt und die drei Videotheken. ((Videotheken! “Wie Netflix, nur mit Kosten für Miete und Personal.”)) Nirgendwo gab es den Soundtrack zu “Fight Club”. Anderthalb Wochen später fuhr ich mit meinen Freunden mit dem Zug nach Essen, um die CD dort, in der großen Stadt, endlich zu erwerben. Das gleiche ein paar Monate später mit dem Album “St. Amour” von Tom Liwa. Was meinen Sie, wie euphorisch ich jeweils war, als ich die CDs endlich nach hause schleppen und dort hören konnte? Heute: drei Klicks — Mega-Spannungsbogen! Und so habe ich dann neulich auch blitzschnell das (wirklich phantastische) erste selbstbetitelte Album von Peter Gabriel ((Oder “Car”, wie wir Nerds sagen.)) hören können. Und seitdem nie wieder, denn es wäre ja theoretisch jederzeit verfügbar, genauso wie fast jedes andere Album der Musikgeschichte. Kein “Ich hab das jetzt gekauft, da muss ich es auch jeden Tag hören”-Rechtfertigungszwang mehr, kein “Ich hab doch nur soundso viele CDs”-Ressourcenmangel. Kein Wunder, dass Konzepte wie Polyamorie und Offene Beziehung plötzlich näher liegen als auf dem Dorf.

Musiksammlung.

Douglas Adams hat über das Verhältnis von Menschen und Technologie geschrieben:

I’ve come up with a set of rules that describe our reactions to technologies:

1. Anything that is in the world when you’re born is normal and ordinary and is just a natural part of the way the world works.

2. Anything that’s invented between when you’re fifteen and thirty-five is new and exciting and revolutionary and you can probably get a career in it.

3. Anything invented after you’re thirty-five is against the natural order of things.

Die Zahl “thirty-five” kann man bei mir bequem durch “twenty-five” ersetzen. Mit 13 war ich online, ((Wenn auch anfangs nur sehr wenig, sehr langsam, dafür aber sehr teuer.)) es ist für mich so normal wie elektrischer Strom oder analoges Antennenfernsehen. Mit 15 habe ich meine ersten Texte ins Internet geschrieben und das war so, wie eine eigene Zeitung herauszugeben: toll. Deswegen habe ich dann mit 23 einen Blog aufgemacht. Und obwohl ich hier in den nach unten offenen Kommentarspalten ((Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an dieses Bonmot aus der guten, alten Zeit.)) einige Freunde gefunden habe, muss ich zugeben, dass ich diesen Rückkanal gar nicht zwingend gebraucht hätte. Und hier sind ja zumeist total vernünftige Leute unterwegs! Stellen Sie sich mal vor, Sie arbeiten für die “Tagesschau”, halten Ihre Zuschauer für einigermaßen aufgeklärt und müssen dann erleben, was die auf Ihrer Seite oder gar bei Facebook kommentieren. Da wird der Betreuungsschlüssel nahegelegener Therapieeinrichtungen schnell überreizt!

Ich hätte deshalb gerne mein Internet von 2010 zurück: Blogs statt Facebook, ICQ statt WhatsApp und E-Mail statt Slack. Auch die Computer waren damals noch besser: MacBooks hatten verschiedene Anschlüsse für verschiedene Geräte und ein CD/DVD-Laufwerk, Mobiltelefone passten noch in Hosentaschen und auch die Betriebssysteme waren noch bedeutend besser als nach dem 17. Upgrade. “Online gehen” setzte, wenn schon nicht mehr die leicht umständliche Einwahl per Modem, so doch zumindest einen Computer voraus, der zumeist auch noch an einen Platz gebunden war. Heute “geht” man ja nicht mehr online, man ist es. Immer, überall. Kein drinnen und draußen mehr. ((Viele Leute wissen dabei nicht mal, dass sie das Internet nutzen, die nutzen nur Facebook.)) Das Foto, gerade gemacht, ist jetzt schon auf allen Geräten, die mit dem Konto verbunden sind — oder, wenn Sie prominent sind, beim Hacker.

Neuester Trend: Live-Videos. Journalisten, gleichermaßen geblendet vom Moment des Dabeiseins und den neuen technischen Möglichkeiten, streamen wie besoffen von Parteitagen, Konferenzen und Festivals, ((Wenn’s gut läuft. Wenn’s schlecht läuft, streamen sie live aus Polizeioperationen.)) die sie eigentlich besuchen, um zu beobachten, zu analysieren und einzuordnen. Positiver Nebenaspekt von so viel Live-Leben allerdings: Der früher oft so gefürchtete Dia- oder Videoabend nach einer großen (oder auch kleinen) Reise ist zurecht fast komplett ausgestorben.

Mag sein, dass andere Menschen mit dieser permanenten Verfügbarkeit von allem, inkl. ihrer selbst, besser klarkommen als ich. Gespräche mit Psychologen und Soziologen legen allerdings nahe, dass dem nicht so ist. Aber man kann sich ja jederzeit sein Entschleunigungs-Magazin mit Landhausflair und Lavendelduft auf dem iPad angucken oder die Meditations-App starten. Oder halt einfach durchdrehen, die Möbel aus dem Fenster schmeißen und den Kopf gegen die Wand schlagen.

Kategorien
Rundfunk Gesellschaft

Vom Fernsehen und der Wirklichkeit

Gestern Abend habe ich die dritte Staffel meiner neuen Lieblingsserie “Skins” auf DVD zu Ende geguckt (die übrigens wieder sehr gut ist). Anschließend hing ich der nicht gerade neuen Frage nach, was eigentlich eine Fernsehserie – und sei sie noch so realistisch – von der Wirklichkeit unterscheidet.

Ein Schlüssel liegt in den Staffeln, in denen Serien ausgestrahlt werden, und vor allem an deren Finalen: Lose Enden werden zusammengefügt, lange aufgestaute Konflikte endlich gelöst und am Ende schippern die Hauptfiguren in den Sonnenuntergang. ((Ich sag nur: dritte Staffel “Dawson’s Creek”!)) Pünktlich zum Beginn der neuen Staffel gibt es dann neue Konflikte.

Die Wirklichkeit kennt natürlich so etwas ähnliches: Jedes Jahr endet mit einem Weihnachtsfest, auf das ab dem beginnenden Herbst alles hinsteuert, und das immer wieder dafür herhalten muss, einem ansonsten hin- und herschlingernden Jahr einen würdigen Abschluss zu geben. ((Und bestehe der nur aus Geschenken und Verwandtenbesuchen.)) Schuljahre enden auch mit großen Ereignissen und gehen danach in eine Auszeit, die wir Ferien nennen. ((Deshalb haben Jugendserien eine dankbarere und fast immer bessere Dramaturgie als Serien mit Erwachsenen als Hauptpersonen. “Emergency Room” hat sogar mal das Kunststück vollbracht, zum Beginn einer neuen Staffel direkt an den Cliffhanger der vorhergehenden Folge anzuschließen, während in der Rahmenhandlung mehrere Monate vergangen sind.)) An die letzten Jahre an meinem Gymnasium kann ich mich wegen der klaren zeitlichen Struktur bestens erinnern, während ich bei manchen Ereignissen in meiner Studienzeit nicht mal weiß, in welchem Jahr sie eigentlich stattgefunden haben.

Und dennoch: Wir können uns die Wirklichkeit durch Zeitzyklen zu strukturieren versuchen, aber sie findet doch unabhängig von derartigen Dramaturgien statt. Die Welt dreht sich weiter, egal ob jemand stirbt und jemand anders nicht über diesen Verlust hinweg kommt, egal ob jemand um sich schießt oder ein Haus einstürzt, ((Wenn ich mich recht entsinne wiederum “Emergency Room”, nicht Deutschland im März 2009.)) egal ob man sich trennt oder zusammenkommt. ((Eine Beziehung ist übrigens das, was anfängt, wenn im Kino der Abspann läuft oder man das Buch zuschlägt, nachdem sich die beiden Liebenden endlich gefunden haben.))

Es ist dieses Immer-weiter-Gehen, das das Leben von seinen medialen Abbildungen unterscheidet. Daily Soaps sind – formal betrachtet – daher sehr viel realistischer als abgeschlossene Filme, weil immer wieder neue Menschen hinzukommen, die vom Schicksal dahingerafft werden können. ((Der Regisseur Niko von Glasow hat mir mal erzählt, Daily Soaps seien “gute Geschichten, nur scheiße gemacht.”))

Überhaupt, der Realismus: Da belächelt man die Familie Beimer, weil sich die Eltern scheiden lassen, der eine Sohn zwischendurch Nazi wird und dann eine komische Frau heiratet, während der andere auf dem Weg zur neuen Hochzeit seiner Mutter ums Leben kommt (und das alles innert 20 Jahren und mehr) — aber es bedarf nur eines Telefonats mit der eigenen Mutter, um Geschichten aus seiner Heimatstadt zu hören, die so absurd und unrealistisch erscheinen, dass man einen Autoren geschlagen hätte, wenn er damit angekommen wäre.

Wirklichkeitsnähe ist ja sowieso kein Wert an sich, sonst bräuchte man ja gar nichts anderes mehr als ein paar doofe Realityshows und die Schilderungen der Nachbarin aus dem ersten Stock. “Skins” ist ja beispielsweise so gut, weil das, was Millionen Jugendliche jeden Tag erleben, sortiert, künstlerisch überhöht und dann von und mit kompetenten Leuten gut umgesetzt wurde. Die Geschichte eines alten Mannes, der unbedingt einen Fisch fangen will, wird ja auch erst spannend, wenn man sie ordentlich erzählen kann.

Kategorien
Rundfunk

Leute Häute

Vor vielen, vielen Jahren war “Dawson’s Creek” meine liebste Fernsehserie. Nicht nur, weil sie gut gemacht und sehr stimmungsvoll war, und nicht nur, weil sie damals auf dem idealen Sendeplatz (Sonntagnachmittag) lief — die Serie hatte auch viel mit meinem Leben gemein: Ich war eindeutig Dawson Leery (ich wollte ja selber lang genug Regisseur werden), mein bester Freund war eindeutig Pacey Whitter und für einen halben Sommer hatten wir sogar eine Joey Potter. Dann wechselte “Dawson’s Creek” in Deutschland den Sendeplatz, die Serie wurde immer dramatischer und merkwürdiger und die letzten drei Staffeln habe ich (bis auf das große Finale) nie gesehen.

Während Katie “Joey Potter” Holmes eine Beziehung mit Tom Cruise begann und uns lehrte, dass die tollsten Mädchen immer bei den größten Freaks enden, lief eine neue Jugendserie an: “O.C., California”. Die hatte mit meinem Leben schon weniger zu tun (mal von Seth Cohens, also meinem Musikgeschmack abgesehen), war aber immerhin eine Staffel lang gut und unterhaltsam. Dann wurde sie erst schal, dann sehr, sehr schlimm, dann eingestellt.

Ich war zu alt geworden für Jugendserien. Meine neuen Lieblingsserien hießen “Scrubs”, “Dr. House” und “Weeds” und hatten vordergründig nichts mehr mit meinem Leben als Nicht-Mediziner und Nicht-Kiffer am Hut.

Und dann kam – Gottseidank, wir haben soeben die Einleitung hinter uns gebracht! – “Skins”. Bei Julia hatte ich etwas über die Serie gelesen und da ich das unbestimmte Gefühl hatte, vorher schon mal lobende Worte vernommen zu haben, guckte ich mir die erste Folge im Internet an.

Ich war so begeistert, dass ich – so viel zum Thema “Copy kills irgendwas” – Minuten später die DVDs der ersten beiden Staffeln bestellte. Natürlich bei amazon.co.uk, wo ja im Moment alles so herrlich günstig ist, und sich Serien-Fans deshalb reihenweise ins Unglück stürzen. Ich hatte vorher noch nie das Bedürfnis gehabt, Fernsehserien auf DVD zu gucken (meine erste Staffel “Dawson’s Creek” habe ich bis zur vierten oder fünften Folge geschafft), aber “Skins” wollte ich unbedingt sehen. Sonntag Abend hatte ich bestellt, Mittwoch früh war das Paket da.

Die Serie hat dabei den (für soziale Restkontakte sehr nützlichen) Vorteil, dass die ersten beiden Staffeln zusammen aus nur 19 Folgen á 45 Minuten besteht, was man theoretisch locker an einem Wochenende weggucken könnte.

Aber worum geht’s eigentlich? Um eine Gruppe von Teenagern in Bristol und ihre Probleme mit Schule, Eltern, Liebe, Sex und sich selbst. Nun bin ich selbst nicht mehr 17 (ich war selbst mit 17 kein großer Partygänger) und kenne mich besonders mit britischen Jugendkulturen nicht hundertprozentig aus, aber ich habe das Gefühl, die Serie könnte zum Realistischsten zählen, was man je auf dem Gebiet der Jugendserie gesehen hat. (Was wiederum am 23-jährigen Jamie Brittain liegen könnte, der die Serie gemeinsam mit seinem Vater Bryan Elsley entwickelt hat.)

Da “Skins” keine amerikanische Serie ist, dürfen die jungen Hauptpersonen hemmungslos fluchen, Drogen konsumieren, in Unterwäsche rumlaufen und Sex haben. Und trotzdem ist “Skins” nicht nur eine Jugendserie, sie funktioniert auf vielen Ebenen: Die Dialoge sind oftmals brillant, Kameraarbeit und Tonschnitt fügen eine eigene Erzählebene hinzu und überhaupt ist die ganze Serie so voll von literarischen Anspielungen (und ein paar auf “Dawson’s Creek” und “The O.C.”), dass man selbst mit einem Magister in griechischer Mythologie noch seinen Spaß daran haben kann.

Große Konflikte um Loyalität, Religion, Sexualität und Entscheidungen werden holzschnittartig, aber gar nicht mal so plump verhandelt. Die Darsteller sind durch die Bank gut, im gleichen Alter wie ihre Rollen und nicht übertrieben hübsch (man sieht regelmäßig deutlich ihr notdürftig überpuderten Pickel). Nicholas Hoult, der den coolen Tony spielt, kennt man noch aus “About A Boy”, alle anderen wird man sicherlich noch in irgendwelchen großen Filmprojekten wiedersehen. Sogar ich habe mit dem nerdigen Sid wieder eine Identifikationsfigur.

Das einzige, was ich an “Skins” kritisieren könnte, ist der klassische Serien-Fluch: In der zweiten Staffel sind ein paar Konflikte zu viel in die Drehbücher gerutscht. Zwar bewegt sich alles noch im realistischen Rahmen (Schicksalsschläge treten ja bekanntlich immer in Gruppen auf), aber ein kleines bisschen weniger wäre auch okay gewesen. Und dann ist am Ende von Staffel 2 plötzlich Schluss mit den altbekannten Gesichtern der ersten beiden Staffeln und in der dritten (die im Moment im UK im Fernsehen läuft) geht es um ganz andere Personen. Das ist ein guter Kunstgriff, den die Autoren da gemacht haben, um ihre Charaktere nicht totzuerzählen, aber nach allem, was man gemeinsam “durchgemacht” hat, schmerzt der Abschied schon.

Sie entnehmen meinen ungewohnt euphorischen Schilderungen, dass “Skins” eine Serie ist, die jeder, wirklich jeder, von Ihnen gesehen haben sollte (einzige Ausnahme: Eltern von Kindern, die gerade zwischen 15 und 18 Jahre alt sind). Ich habe in meinem Leben keine Fernsehserie gesehen, die so witzig, aufrichtig, realistisch, traurig, sexy, wahr und großartig ist, wie “Skins” — und dann haben die Macher auch handwerklich noch alles richtig gemacht.

Bei aller Verehrung für die amerikanische Popkultur: Das haben die Briten wirklich verdammt gut hingekriegt.

Kategorien
Digital Fernsehen

Klickbefehl (14)

Da mögen Fans noch so sehr darauf schwören, die “Lindenstraße” sei heute ja eine ganze andere als vor 20 Jahren. Humorvoll, selbstironisch und dergleichen. In Wahrheit ist die Kleinbürger-Soap immer noch ein Panoptikum der Piefigkeit. Wie fast alle Soaps sind ihre Kulissen vollgestellt mit uninspirierten Charakteren und zugeschüttet mit grauenhaften Dialogzeilen der Sorte: “Ah, meine Umweltplakette, endlich!”

Markus Brauck rechnet im “Spiegel” mit der “Lindenstraße” ab. Dazu gibt es eine Bildergalerie, die dem Wort “Graustufen” eine ganz neue Bedeutung zukommen lässt. (Bitte markieren Sie sich diesen Tag im Kalender: ich empfehle eine Bildergalerie bei “Spiegel Online”!)

* * *

Das ist die wohl ungewöhnlichste Meldung des Tages: Die ARD kauft RTL die Serie “Die Anwälte” ab – also die Serie, die RTL Anfang des Jahres nach nur einer Folge, die mit 10,8 Prozent Marktanteil die Erwartungen nicht erfüllen konnte. aus dem Programm genommen hat. Fortan diente die Serie als Musterbeispiel für fehlendes Vertrauen der Sender in die eigenen Produktionen.

DWDL.de berichtet über das überraschende Comeback einer Serie, die (also deren erste Folge) ich eigentlich ganz gut fand und deren Absetzung mein Verhältnis zu RTL nachhaltig gestört hat.

* * *

Einfacher wäre zu sagen: Ich mag ihn. Ich freue mich, dass ich neben dem Mitglied der „Achse des Guten“ auch schon drei Mal dort als Gastautor auftreten durfte und dass wir nun gemeinsam ein Netzwerk Gegenrecherche starten.

Timo Rieg erläutert in der “Spiegelkritik” die Hintergründe zu einem sehr, sehr merkwürdigen “Spiegel Online”-Artikel über einen der angeblich ganz wenigen deutschen TV-Blogger.

Warum diese Geschichte nur mit äußerster Vorsicht zu genießen ist (wenn überhaupt), erzähle ich Ihnen später steht hier.

* * *

Einen Vorschlag zur Güte hatte Broder abgelehnt. Er werde sich keinen “Maulkorb” verpassen lassen, “weil sonst Antisemiten entscheiden dürften, was Antisemitismus ist”. Nun befanden die Richter, Broders Vorwurf habe die Grenze zur Schmähkritik überschritten, weil “im konkreten Kontext der Äußerung die Diffamierung der Klägerin, nicht die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund” gestanden hätte.

Henryk M. Broder stand mal wieder vor Gericht und die “taz” versucht zu erklären, was los war.

Patrick Bahners hatte vor einigen Wochen in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” ebenfalls über den Prozess geschrieben und Broders Lebenswerk damals beeindruckend zusammengefasst:

Seine preisgekrönte publizistische Strategie der verbalen Aggression nutzt den Spielraum der Meinungsfreiheit, um ihn einzuschränken: Kritiker Israels sollen eingeschüchtert werden.

* * *

Weitere Linktipps können Sie übrigens seit Neuestem dem delicious-Account von Coffee And TV entnehmen. Und falls ich endlich rauskriege, wie ich den dazugehörigen Feed hier in die Sidebar eingebaut kriege, wird das alles viel praktischer und übersichtlicher.

Kategorien
Rundfunk

Frau Doktor und das liebe Vieh

Kaum weist der Kalender zwei fußballfreie Tage auf, haben RTL und ProSieben ihren ganzen Mut in die Waagschale geworfen ((Es handelt sich um eine sehr fein justierte Waage aus dem Betäubungsmittelzubehörfachgeschäft.)) und etliche Serien- und Staffelstarts auf diese zwei Abende gelegt.

“24” habe ich nie gesehen und wenn ich den Menschen, denen ich in solchen Belangen blind vertraue, vertrauen darf, sollte ich besser die erste Staffel sehen. “Moonlight” interessiert mich nicht die Bohne und “Dr. Psycho” habe ich zu Beginn ziemlich genau anderthalb Folgen ertragen, dann war für mich Schluss. Die Serie wurde hoch gelobt, mit Grimmepreisen ausgezeichnet und trotzdem fortgesetzt, aber sie ist nichts für mich – aus den gleichen Gründen, warum ich mir “Stromberg” und “Dittsche” nicht ansehen kann: dieses ganz offensichtliche Scheitern, das sich aus zweihundert Metern Entfernung mit Leuchtfeuern ankündigt, macht mich wahnsinnig. Ich habe es als Kind im Kindertheater gehasst ((Falls Sie sich fragen, ob ein Kind überhaupt hassen kann, hatten Sie offenbar das Glück, dass ich fern von Ihnen aufgewachsen bin.)), wenn ein Stück nur allzu deutlich auf eine Katastrophe zusteuerte und das alle außer den Akteuren bemerkten, und ich hasse es noch heute.

Demnach müsste ich auch “Doctor’s Diary” hassen, die neue Serie, mit der RTL gerade den letzten Versuch unternimmt, eine deutsche Serie im Abendprogramm zu platzieren. Und in der Tat gab es in den ersten beiden Folgen, die am Montag liefen, einige Szenen, in denen dieser Wegschau-Reflex aus dem Kindertheater wieder aufkam: “Gleich wird dieses und jenes passieren, das sieht jeder, der nicht gerade als Schiedsrichter bei der Fußball-EM arbeitet, Ihr braucht es nicht auch noch zu zeigen.” Manchmal passierte es dann, manchmal aber auch nicht. Und es passierte noch so viel mehr, dass das Vorhersehbare sehr schnell egal war angesichts der witzigen Einfälle. Es war, als hätte jemand “Scrubs” und “Mein Leben und ich” bei hoher Temperatur zu amalgamieren versucht – und der Versuch war gelungen. Ganz nebenbei schaffte es die Serie mit Verweisen auf die “Schwarzwaldklinik” und “Dr. Stefan Frank”, meiner festen Überzeugung, es gäbe in Deutschland keine Popkultur, leichte Kratzer beizubringen.

Gescheitert wird auch bei ProSieben am Dienstag, zum Beispiel in “Gülcan und Collien ziehen aufs Land”, der möglicherweise dämlichst betitelten Serie seit … “Doctor’s Diary”. Andererseits erklärt der Titel, worum es geht, so dass man nicht einschalten muss. Ich habe auch nur ein paar Minuten gesehen, die mir wiederum gereicht haben: zwei Viva-Starlets, die beide unheimlich nerven, tun so, als wären sie Paris Hilton und Nicole Richie, was sie aber nicht sind, weswegen jede (von mir gesehene) Szene der Serie künstlich und auf Konflikt gebürstet wirkte. Doku-Soaps sind eh ein Genre, das mich – so es sich nicht um “Toto und Harry”, “Das perfekte Promi-Dinner” oder irgendwas mit kleinen Eichhörnchen und Katzen handelt – nur äußerst peripher tangiert. Mir fehlt einfach das, was Hans Hoff die “Lust am Unfall” nennt. ((Es wäre für mich kein Problem, mich 24 Stunden am Tag mit dem Schlager-Grand-Prix zu beschäftigen, bei dem alles immer eine Nummer größer und oft genug zum Scheitern verdammt ist. Der Grand Prix ist camp, ist eine eigene Welt, in der allen Beteiligten klar ist, dass es sich um ein Paralleluniversum handelt. Aber “Schwiegertochter gesucht”, “Bauer sucht Frau” oder das Bügelbegleitprogramm am Vormittag erzeugen in mir eine Mischung aus Mitleid, Fremdschämen und Fluchtinstinkt, die ich außerhalb von Familienfeiern nicht erleben muss.))

Unfälle gab es hingegen bei “Elton vs. Simon – Die Show”, die ich auch ungefähr zehn Minuten ausgehalten habe. Das Amalgam besteht hier aus “Schlag den Raab” und “Jackass” und bringt mit Elton und Simon Gosejohann gleich zwei gute Abschaltargumente mit. Dass die Sendung auch noch von Johanna Klum “moderiert” wird, die laut einhelliger, von mir geteilter Medienjournalistenmeinung zwar “süüüüüß” ist, aber laut ebenso einhelliger, von mir nicht minder geteilter Medienjournalistenmeinung fast so schlecht moderiert wie Marco Schreyl, macht die Sache nicht besser. Ich mochte die pubertären “Wer kann länger/schneller/lauter $eklige_Sache machen”-Spiele nicht, als die Sendung noch keine “Show” war und ich mag sie auch nicht vor Publikum.

An den zwei Tagen fiel für mich außer “Doctor’s Diary” und der neuen Staffel von “Kalkofes Mattscheibe” also nicht all zuviel ab, aber allein der Umstand, dass mir mal wieder eine deutsche Fiction gefallen hat, ist einen kleinen Freudentanz und einen ausufernden Blog-Eintrag wert. Ich bin daher sehr gespannt, wie RTL trotz guter Quoten ein Argument für eine Absetzung finden will. Vielleicht diesmal ganz aufrichtig: “Uns ist zu Ohren gekommen, dass Herr Lukas Heinser diese Serie gut findet. Wir werden sie deshalb mit sofortiger Wirkung aus dem Programm verbannen.”

Kategorien
Rundfunk

Housebesuch

Ich habe erst heute (und damit passend zum gestern gesendeten Staffelfinale) festgestellt, dass “RP Online” vor mehr als einem Jahr sechs Mediziner zu “Dr. House” befragt hat.

Sie finden die Serie allesamt unrealistisch und Dr. Gregory House mindestens unsympathisch, wenn nicht gar unhaltbar, aber das soll uns nicht groß interessieren, denn es handelt sich ja um eine fiktionale Serie und nicht um einen medizinischen Fachaufsatz.

Ihre Einschätzungen sind nichtsdestotrotz fast durchgängig interessant und hier in einer siebenteiligen Klickstrecke nachzulesen.

Nachtrag, 8. Mai: Meine Mutter wies mich darauf hin, dass die “NRZ” vor ein paar Wochen etwas ganz ähnliches gemacht hat. Allerdings ist der Arzt, der die Serie dort analysiert, Fan.

Kategorien
Digital

Klickbefehl (8)

The German news media have reported that no prominent executive from a German blue-chip company was implicated in the scandal. If that turns out to be true, experts said, a reason may be that these executives have more experience with the exigencies of global norms and ethics.

Wieso muss ich eigentlich immer erst Texte in der “New York Times” lesen, bis ich das Gefühl habe zu verstehen, was in Deutschland los ist? Dieser beleuchtet den aktuellen Steuerskandal jedenfalls mal unaufgeregt aus einer anderen Richtung.

* * *

Es ist kein angenehmes Gefühl, in Unkenntnis der genauen Steuerung eines Spiels von einem Neunjährigen umdribbelt zu werden.

Es ist kein angenehmes Gefühl, selbst mit f’ing Ronaldinho keinen Paß und keinen Schuß gegen einen Neunjährigen durchzukriegen.

Es ist kein angenehmes Gefühl, einen Neunjährigen nur durch ein brutales Foul im innersten Strafraum von einem sicheren Tor abhalten zu können.

Andreas C. Lazar berichtet über seine “Nahtoderfahrung” beim Konsole-Spielen in einem Elektronikmarkt.

* * *

Die deutschen Sender scheuen sich noch etwas davor, dies zu erkennen. Man müsste sich selbst zu unangenehme Fragen stellen, wenn eine Serie im DVD-Verkauf verhältnismäßig erfolgreicher ist als im eigenen Programm. Es würde entlarven, dass es offenbar im Sender zu verantwortende Fehler bei Programmierung oder Bewerbung gab oder der Zuschauer die immer häufigeren Werbeeinblendungen im laufenden Programm einfach gezielt vermeiden will. So oder so keine schöne Erkenntnis. Sie würde den Sendern in solchen Fällen eine noch größere Verantwortung für Quotenflops bescheinigen.

Bei dwdl.de beschäftigt man sich mit Serienabsetzungen und -wiederaufnahmen in den USA und in Deutschland und der Macht des Zuschauers (Kurzzusammenfassung: In Deutschland hat er keine).

Kategorien
Fernsehen Rundfunk

Die Abwürger

Ich weiß nicht, welche geistigen Voraussetzungen man erfüllen muss, um Programmplaner bei einem (Privat-)Fernsehsender zu werden. Logisches Denken oder gesunder Menschenverstand jedenfalls scheinen Ausschlusskriterien für den Job zu sein.

Da lief vergangene Woche mit “Die Anwälte” die erste RTL-Eigenproduktion seit Ewigkeiten an, die mir gefällt (genauer: seit “SK Babies” – und die fand ich bestimmt auch nur gut, weil ich damals zwölf Jahre alt war), und – Zack! – wird diese nach nur einer einzigen Folge abgesetzt.

Sicher, die Quoten waren nicht so doll, dafür aber die Kritiken. Wer vom Start der Serie nichts mitbekommen hatte (also beispielsweise Leute, die sonst nie RTL gucken, für eine gute Serie mit Kai Wiesinger aber mal eine Ausnahme machen würden), aber durch Kritiken oder Erzählungen im Freundeskreis neugierig geworden war, hat jetzt aber nicht mal mehr die Gelegenheit, sich selbst ein Bild zu machen. Stattdessen läuft nun “CSI”, das ja regelmäßig hohe Quoten einfährt – wenn es denn in den TV-Zeitschriften angekündigt wird.

Deutsches Fernsehen wird von Menschen gemacht, die ihr Programm und ihre Zuschauer hassen. Man sollte diese Leute dringend in psychologische Behandlung schicken. Und darüber keine Dokusoap drehen.

PS: “Herzog” fand ich übrigens auch gut, RTL. Der Eintrag, in dem ich diese sensationelle Häufung von einheimischen Qualitätsserien auf Eurem Sender loben wollte, war schon in der Produktion.

Nachtrag 6. Februar: … und mit beeindruckender Konsequenz hat RTL jetzt auch Herzog gekillt.

Kategorien
Rundfunk Fernsehen

Frühstücksfernsehen

Wie ich etwas überrascht festgestellt habe, sendet ProSieben seit dem letzten Wochenende die sechste Staffel “Scrubs”. Von der beliebtesten Serie deutscher Studenten (zumindest laut dieser Facebook-Erhebung) werden Samstags um 15 Uhr jeweils zwei Folgen hintereinander gezeigt und nach den etwas schwachen Staffeln 4 und 5 wird die Serie hier wieder richtig gut.

Ich hätte zwar gedacht, dass der Sendeplatz ein bisschen abgelegen ist (immerhin hat ProSieben am Samstagnachmittag auch schon “Dawson’s Creek” und “O.C., California” versendet, wobei die Serien ja wirklich immer schwächer wurden), aber ich sollte nicht immer von mir auf andere schließen und Einschaltquoten von 13,3 bzw 15,4% in der Zielgruppe scheinen der Programmplanung ausnahmsweise mal Recht zu geben.

Für alle, die nicht elf Wochen warten wollen oder die (wirklich brauchbare) deutsche Synchro nicht mögen, erscheint in drei Wochen die DVD. In den USA …

Kategorien
Fernsehen Rundfunk

“Hoffentlich sieht das keiner!” [Teil 2]

Wo wir schon gerade dabei sind, über die Programmplanung des ZDFs zu motzen: Ein Schicksal, das dem von Charlotte Roche und Gert Scobel nicht unähnlich ist, widerfährt der ausgezeichneten Fernsehserie “Veronica Mars” im Zweiten nun schon seit über einem Jahr. Ursprünglich am Samstag Nachmittag um 14 Uhr gestartet, werden die Geschichten der Highschool-Schülerin und Hilfsdetektivin mittlerweile in der Nacht von Freitag auf Samstag versendet – dann also, wenn das Zielpublikum bestimmt keine Zeit für öffentlich-rechtliches Fernsehen hat, weil es den Wochenendporno auf Kabel 1 gucken muss.

Warum es schade ist um “Veronica Mars”? Weil die Serie – man kann sie wahlweise als “O.C. California Deluxe” oder “Twin Peaks Light” verfolgen – neben einer großartig konstruierten Haupthandlung, in der Veronica versucht, den Mord an ihrer besten Freundin aufzuklären und nach ihrer verschwundenen Mutter sucht (ist viel spannender, als es klingt), immer wieder mit kleinen Nebenschauplätzen verblüfft, die ebenso komplex und clever aufgebaut werden wie die eigentliche Geschichte. Weil die aufwendig entworfenen und durchgängig hervorragend besetzten Charaktere über die häufig üblichen drei Eigenschaften pro Person hinausgehen, sehr realistisch gezeichnet werden und ein glaubhaftes Bild von amerikanischen (Nobel-)Highschools vermitteln. Weil gerade der spielerische Umgang zwischen Veronica (Kristen Bell) und ihrem Vater Keith (Enrico Colantoni) durch trockenen, schlagfertigen Humor besticht. Und weil die Serie nicht zuletzt in ihren Film-Noir-informierten Rückblenden immer wieder mit visueller Brillanz überrascht.

Im ZDF steckt die Serie derzeit in der Mitte der zweiten Staffel, was Quereinsteigern den Zugang zusätzlich erschweren dürfte. Eigentlich ist “Veronica Mars” aber ohnehin eine klassische DVD-Serie, weshalb eher dazu geraten sei, die zwei bisher (nur als Region-1-DVDs) erschienen Staffeln über amazon.co.uk zu importieren. Das dann aber dringend.

[Zur Verteidigung des ZDFs sei fairerweise gesagt, dass die Serie auch in den USA trotz sehr guter Kritiken (bei Popmatters wurde sie bspw. zur TV-Show des Jahres 2006 gewähtl) nur wenig Anklang fand und vor wenigen Wochen nach drei Staffeln beendet wurde. “Veronica Mars”-Erfinder Rob Thomas denkt nun darüber nach, die Geschichte als Kinofilm und/oder Comic weiter zu erzählen.]