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Siehste!

Hinterher hat man es ja sowieso immer gewusst. Im Nachhinein ist jedem klar, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, die Loveparade 2009 in Bochum abzusagen. Aber was haben wir damals auf den Stadtoberen rumgehackt …

Gut, die Art und Weise der Absage war peinlich gewesen: Nach Monaten plötzlich festzustellen, dass die Stadt dann doch irgendwie zu klein ist, deutete entweder auf erstaunlich schwache Ortskenntnisse hin — oder auf einen besorgniserregenden “Das muss doch irgendwie zu schaffen sein”-Aktionismus, der die Augen vor der Realität verschließt. Letztlich haben sie es in Bochum noch gemerkt, die Schuld an der Absage der Deutschen Bahn in die Schuhe geschoben und Häme und Spott einfach ausgesessen. Dass der damalige Polizeipräsident, der sich lautstark gegen die Durchführung der Loveparade ausgesprochen hatte, neun Monate später in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde, hatte ja ganz andere Gründe.

Erstaunlich aber: Von der Sicherheit war in all den Artikeln, Kommentaren und Pressemitteilungen kaum die Rede. Das kam nur am Rande zur Sprache:

Ganz andere Risiken bewegen Martin Jansen. Dem Leitenden Polizeidirektor wäre die Rolle zugefallen, den wohl größten Polizeieinsatz aller Zeiten in Bochum zu koordinieren. “Wir hätten die Loveparade nur unter Zurückstellung erheblicher Sicherheitsbedenken vertreten.” Knackpunkt ist nach seiner Einschätzung der Bochumer Hauptbahnhof.

Aber um die Sicherheit der zu erwartenden Menschenmassen ging es auch im Vorfeld der Duisburger Loveparade öffentlich nie, immer nur um die Kosten:

Fritz Pleitgen, Vorsitzender und Geschäftsführer der Ruhr.2010, beobachtet mit großer Sorge, wie sehr die Auswirkungen der Finanzkrise den Städten der Metropole Ruhr zu schaffen machen. Besonders prägnant sei das aktuelle Beispiel Loveparade in Duisburg. “Hier müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um dieses Fest der Szenekultur mit seiner internationalen Strahlkraft auf die Beine zu stellen.”

Dabei hätte das Argument “Menschenleben” bestimmt auch Dampfplauderer wie Prof. Dieter Gorny beeindrucken können, der im Januar mal wieder das tat, was er am Besten kann, und groß tönte:

“Man muss sich an einen Tisch setzten und den Willen bekunden, die Loveparade durchzuführen, statt klein beizugeben.” Die Politik müsse sich dahingehend erklären, dass sie sagt: “Wir wollen die Veranstaltung und alle Kraft einsetzen, sie zu retten!”

Gorny, der sonst keinen öffentlichen Auftritt auslässt, hat sich seit Samstagnachmittag zurückgezogen. Er sei “schwer erschüttert”, erklärte die Ruhr.2010 auf Anfrage, und fügte hinzu:

Wir haben beschlossen, dass für die Kulturhauptstadt ausschließlich Fritz Pleitgen als Vorsitzender der Geschäftsführung spricht und bitten, dies zu respektieren.

Aber es gibt ja immer noch die Journalisten, die sich spätestens seit der denkwürdigen Pressekonferenz am Sonntagmittag als Ermittler, Ankläger und Richter sehen. Und als Sachverständige:

“We were the only newspaper that said: ‘No. Stop it. The city is not prepared. We will not be able to cope with all these people,”

lässt sich Götz Middeldorf von der “Neuen Ruhr Zeitung” in der “New York Times” zitieren.

Bei “Der Westen” forderte Middeldorf bereits am Sonntag lautstark den Rücktritt von Oberbürgermeister Sauerland und kommentierte:

Auf die Frage der NRZ, ob man nicht gesehen habe, dass Duisburg nicht geignet ist für die Loveparade ging der OB nicht ein, sprach von “Unterstellung” und wies mögliches Mitverschulden der Stadt zurück.

Ich habe mich lange durch alte Artikel gewühlt, aber nichts dergleichen gefunden. Da das auch an der unfassbar unübersichtlichen Archivsuche bei “Der Westen” liegen kann, habe ich Herrn Middeldorf gefragt, nach welchen Artikeln ich Ausschau halten sollte. Eine Antwort habe ich bisher nicht erhalten.

Wie kritisch die Duisburger Presse war, kann man zum Beispiel an Passagen wie dieser ablesen:

Die Organisatoren gaben sich am Dienstag allerdings sehr optimistisch, dass es kein Chaos geben werde. “Die eine Million Besucher wird ja nicht auf einmal, sondern über den Tag verteilt kommen”, so Rabe. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass der Zugang während der zehnstündigen Veranstaltung kurzzeitig gesperrt werden müsse, aber derzeit gehe man nicht davon aus. Und wenn der Fall doch eintrete, “dann haben wir ganz unterschiedliche Maßnahmen, mit denen wir das problemlos steuern können”, verspricht der Sicherheitsdezernent – bei den Details wollte er sich nicht in die Karten schauen lassen.

(Kritisch ist da der letzte Halbsatz, nehme ich an.)

Artikel wie der Kommentar “Die Loveparade als Glücksfall” vom 23. Juli oder die großspurigen Übertreibungen von Ordnungsdezernent Rabe und Veranstalter Lopavent die Kapazität des Festivalgeländes betreffend sind plötzlich offline — “Technikprobleme”, wie mir der Pressesprecher der WAZ-Gruppe bereits am Dienstag erklärte.

Den (vorläufigen) Gipfel des Irrsinns erklomm aber Rolf Hartmann, stellvertretender Redaktionsleiter der “WAZ” Bochum. Anders als seine Kollegen, die sich hinterher als aktive Mahner und Warner sahen, schaffte es Hartmann in seinem Kommentar am Dienstag, völlig hinter dem Thema zu verschwinden:

Meine Güte, war man Anfang 2009 über OB & Co hergefallen, als die Stadt Bochum die Loveparade 2009 in Bochum absagte.

“Man.”

Nachtrag, 1. August: Stefan Niggemeier hat in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” über das gleiche Thema geschrieben.

Ihm hat Götz Middeldorf auch geantwortet:

Auf Nachfrage räumt Middeldorf ein, dass Sicherheitsbedenken nicht das Thema waren. “Wir waren immer gegen die Loveparade, aber aus anderen Gründen.” Dann muss die “International Herald Tribune” ihn mit seinem Lob für die eigene, einzigartige Weitsichtigkeit wohl falsch verstanden haben? “Das vermute ich mal”, antwortet Middeldorf. “Das ist nicht ganz richtig.” Er klingt nicht zerknirscht.

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Mit Dir sind wir vier

Gar nicht mal so selten (im Sinne von: “Wenn ich überhaupt mal etwas gefragt werde, dann …”) werde ich gefragt, wie man eigentlich so ein “Medienblogger” wird.

Das ist eigentlich ganz einfach: Eine Zeit lang muss man sehr aufmerksam durch die Welt gehen und allen Quatsch aufschreiben, der einem in die Finger kommt. Dann hat man irgendwann seine Leser, seinen Freundeskreis und seine Familie derart für die kleinen und großen Fehler der Medien sensibilisiert, dass man mit Einsendungen überhäuft wird und sie nur noch aufschreiben muss.

Eingesandt von meiner Mutter:

Ein anderer Trompeter begeisterte ebenfalls: Julian Wasserfuhr, der im Quartett mit seinem Bruder Roman am Piano auch Stücke aus dem gerade erschienenen, fantastischen gemeinsamen Album "Upgraded In Gothenburg" spielte. Die beiden noch jungen Musiker haben die Jazztradition begriffen und überführten sie behutsam in ihre eigene Musik, meist mit wundervollem Understatement.
(Neue Rhein/Ruhr Zeitung vom 22. September 2009)

Das erinnert natürlich fatal an die von Fritz Walter d.J. überlieferte Sentenz:

Der Jürgen Klinsmann und ich sind schon ein tolles Trio, …äh Quartett.

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Nächste Woche: Koli-Quiz

Ich bin ja auch der Meinung, dass man mit der intellektuellen Förderung von Kindern gar nicht früh genug anfangen kann. Aber muss man diese verantwortungsvolle Aufgabe denn ausgerechnet Bakterien überlassen?

Salmonellen in Dinslakener Kitas geben Rätsel auf

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Klickbefehl (16)

In einer riesigen Beitragsserie, die mich mitunter an Besessenheit glauben lässt, dokumentiert Jens vom Pottblog die “Umstrukturierung” des WAZ-Konzerns, was im Wesentlichen heißt: Eigenständigkeit der einzelnen Titel aufgeben, Leute entlassen und völlig den Bezug zur Realität verlieren. (In der letzten Disziplin sind WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz und WAZ-Gruppen-Geschäftsführer Bodo Hombach besonders gut, denn sie waren früher bei der “Rheinischen Post” bzw. im Kabinett Schröder.)

Gerade hat er den Brief eines anonymen WAZ-Mitarbeiters veröffentlicht, in dem dieser (oder diese) sich über die letzte Betriebsversammlung auslässt und sehr schlüssig erklärt, warum die Lokalteile (die ja das eigentlich bzw. einzig Interessante an den WAZ-Titeln sind) so schlecht sind, wie sie sind: Zu wenig Personal, zu viele Anforderungen gleichzeitig, Konzentration auf andere Sachen (wie den Mantelteil und derwesten.de).

Es ist ein wütendes, aber nichtsdestotrotz sehr lesenswertes Dokument, das sicher keine alleinige Erklärung für das Zeitungssterben ist, aber sehr schön aufzeigt, wie weit sich Chefs von ihren Angestellten entfernen können.

“WAZ-Betriebsversammlung: Was für eine Scheiße!” im Pottblog

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Versackzentrum

Beim großen Dinslakener Karnevals-Überschriften-Wettbewerb war die “Rheinische Post” bekanntlich vorgestern in Führung gegangen.

Das konnte die “Neue Rhein Zeitung” natürlich nicht auf sich sitzen lassen und legte heute nach:

Architektur: In der Altstadt versackt. NRZ, Niederrhein, 25.02.2009, Andreas Gebbink

Aber auch hier gilt wieder: Alles ganz anders gemeint.

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Wir können auch Meta

Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören? Das, was dem Schweizer “Blick” da als Titelschlagzeile für heute eingefallen ist, ist gar nicht schlecht. Zumindest ist es witziger als “Wir sind Papst”:

Barack Obama endlich im Amt: Jetzt we can!

[Eingesandt von Leser Benjamin Sch.]

Ich würde wirklich gerne schreiben, dass diese Karikatur von Thomas Plaßmann aus der “NRZ” einen würdigen Abschluss für unsere kleine Reihe bildet. Aber ich fürchte, da wird noch einiges kommen:

Yes we can!

[Entdeckt von Mutti, mal wieder]

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Uschi Blum macht Lokalredakteure schwach

Hape Kerkelings neue Komödie “Ein Mann, ein Fjord” läuft am 21. Januar um 20:15 Uhr im ZDF. Für den Film hat der Komiker ein alte Rolle reaktiviert, die auch schon in “Kein Pardon” zu sehen war: die der Schlagersängerin Uschi Blum.

Weil man das eben heutzutage so macht, bekam Uschi Blum eine Art Viralkampagne spendiert. Das ist zwar bei einem kostümierten Prominenten ein wenig albern, aber mit eigenem MySpace-Profil, offizieller und Agentur-Website (vor dem Anklicken die Lautsprecher runterdrehen!) durchaus aufwendig und mit … äh: Liebe zum Detail gemacht.

Natürlich hat man auch an eine fiktive Biographie gedacht und die besagt, dass Uschi Blum als Hildegard Sterczinski in Dinslaken geboren wurde, sie 1978 4. bei der Wahl zur “Miss Dinslaken” war und sie einige Jahre das Hunde-Nagelstudio “Uschi’s Pfötchen-Salon” in der Dinkelgasse in Dinslaken betrieb.

Nun ist es offen gestanden nur so mittelabsurd, ein Schlagersternchen ausgerechnet aus Dinslaken kommen zu lassen, wenn doch schon der König des Popschlagers dort zuhause ist. Aber als inoffizieller Stadtblogger Dinslakens habe ich natürlich trotzdem versucht, über sein Management Kontakt mit Hape Kerkeling aufzunehmen. Dass der im Moment fleißig Promo macht und nicht auf die Anfragen jedes Feld-, Wald- und Wiesenbloggers reagiert, kann ich durchaus verstehen. Offenbar ist es aber auch den Kollegen in der Lokalredaktion der “Rheinischen Post” (für die ich früher geschrieben habe) nicht gelungen, eigene O-Töne des beliebten Komikers zu bekommen, weswegen man dort den Helbseiter, der wohl unbedingt in die Samstagsausgabe sollte, irgendwie anders füllen muss.

Sie können den Artikel gerne selbst mit der offiziellen “Biographie” und den weiteren Promotexten vergleichen, ich hab Ihnen aber die wichtigste Eigenkreation des Autors hier mal kurz rüberkopiert:

Die [Internetseite] von Uschi ist der Hammer.

Nun ist es vielleicht etwas anderes, ob man eine (fiktive) Künstlerbiographie in weiten Teilen für einen redaktionellen Text übernimmt, oder einfach Werbetexte für Unternehmen abschreibt (wie “RP Online” das ja schon mal macht).

Trotzdem hat der Artikel aus der “Rheinischen Post” in meinen Augen wenig mit Journalismus zu tun. Sein Autor Ralf Schreiner versäumt es, auch nur ein Mal auf die Presseinfo hinzuweisen. Nach einer Einleitung, in der Kerkelings Verkleidung erklärt, folgt über sechs Absätze der leicht modifizierte Promotext. Sowas kann man machen, wenn man Konzerte von Bergarbeiterchören oder Nachwuchsbands ankündigen will — aber nicht, wenn man aus eigenem Antrieb ein großes Porträt für die Samstagsausgabe schreibt.

Die “Neue Rhein Zeitung”, das andere Blatt mit Dinslakener Lokalredaktion, hat am Samstag ebenfalls einen großen Artikel über Uschi Blum gebracht — der allerdings im Super-Duper-Onlineportal Der Westen nicht zu finden ist. Dort steht im Wesentlichen das Selbe drin (Dinslaken, “Miss Dinslaken”, “Uschi’s Pfötchen-Salon”), aber wesentlich kürzer und sogar anmoderiert:

Außerdem hat Uschi im Internet ihren lesenswerten Lebenslauf veröffentlicht. Daraus:

Auch dass die “NRZ” bei der Kontaktaufnahme mit Kerkeling gescheitert ist, erfährt der Leser. Verpackt in einen Infokasten, der zumindest eine nähere Auseinandersetzung mit dem Gegenstand nahelegt:

Warum ausgerechnet Dinslaken? Im vergangenen Jahr ließen ein Ehepaar, das sich mit einem anderen aus Dinslaken ein Hotelzimmer teilen musste und dafür Rabatt bekam (Cartoon "Hippenstocks Strategen", Süddeutsche Zeitung), ein weiterer Cartoon und eine Äußerung von Roger Willemsen die Frage aufkommen: Warum ausgerechnet Dinslaken? Hat Dinslaken einen lustigen Klang? Steht Dinslaken für etwas Besonderes? Für das Nirgendwo? Das Kleinstädtische? Das Geheimnisvolle? Oder für das Ende der Welt? Zumindest Hape Kerkeling konnte es uns nicht beantworten. Er sei bis Ende 2010 zu ausgebucht, um derartigen Anfragen nachzukommen, teilte sein Büro mit.

Ich glaube, ich sollte mich bei Roger Willemsen entschuldigen

Mit Dank auch an Michael M. für den Hinweis und an meine Mutter für den Scan!

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Der schwarze Gürtel im Nervensägen

Als ich noch ein kleiner Junge war und mit meiner Familie in der Innenstadt von Dinslaken wohnte, fuhr die Straßenbahnlinie 903 direkt hinter unserem Haus entlang. Mit meinem besten Freund habe ich oft an den Gleisen gespielt (was man natürlich, liebe Kinder an den Bildschirmen zuhause, nie tun sollte) und ein, zwei Mal bin ich auch (natürlich in Begleitung Erwachsener) mit der Straßenbahn nach Duisburg und von da aus weiter in den Zoo gefahren.

Warum erzähle ich Ihnen das? Ralf Birkhan hat für die “NRZ” eine Reportage über die Linie 903, mit der man durch halb Duisburg juckeln kann, geschrieben. Es ist eine sehr atmosphärische Schilderung geworden, die sprachlichen Bilder sind manchmal etwas zu bemüht, aber manche Sätze sind auch ganz großartig in ihrer Schlichtheit:

An der Haltestelle „Fischerstraße” in Hochfeld ist der Mittag gekommen, sonst niemand.

Und weil hier ja viel zu oft über schlechten Journalismus gemeckert und guter viel zu selten gelobt wird, möchte ich Ihnen die Reportage mit dem leider fürchterlich verunglückten Titel “Straßenbahn-Linie 903: mittags beim „Kuaför” – abends das Arbeiter-Bier” hiermit ans Herz legen — auch, wenn Sie noch nie in Duisburg waren.

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Das ästhetische Wiesel

Ich komme im Moment nicht so recht zum Bloggen, was ein bisschen mit dem üblichen Weihnachtsstress zu tun hat, ((Es war ein grausamer Moment, als ich feststellte, das es zwar noch sieben Tage bis Weihnachten sind, aber nur dreieinhalb Werktage.)) ein bisschen mit neuen und alten Jobs, ein bisschen mit Zahnarzt- ((Meine Krankenversicherung erwartet von mir, dass ich einmal im Jahr zur Vorsorgeuntersuchung gehe. Dies geschieht meist am letzten möglichen Termin.)) und Friseurbesuchen, ((Herr König sagt, vor Weihnachten kämen sie alle noch mal vorbei, vom Opa bis zum Enkel, weil niemand von der Familie hören wolle, wie ungepflegt man aussehe.)) ein bisschen hiermit und damit — und ein bisschen auch mit einer Erkältung, die in Sachen Rückzug und Wiederkehr offensichtlich in pakistanischen Terrorcamps ausgebildet wurde.

Na gut: das sind alles halbherzige Entschuldigungen.

Ich möchte Ihnen trotzdem einen weiteren Favoriten bei der Wahl zur “Überschrift des Jahres” vorstellen. Die heutige headline entstammt der Lokalredaktion der NRZ in Dinslaken und wurde im – für kunstvolle Überschriften bekannten – Portal “Der Westen” veröffentlicht:

Aale senden Signale

Die heutige Überschrift ist bei Christian Morgenstern geklaut.

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Digital

Überraschende Klickstreckenverweigerung

In Dinslaken finden zur Zeit die “DIN-Tage” statt, das Stadtfest in Dinslaken. Da ich aus gutem Grund nicht in Dinslaken bin, ((Dort finden nämlich zur Zeit die “DIN-Tage” statt – außerdem bin ich da eh schon oft genug.)) wollte ich mich im Internet bzw. bei den beiden führenden Lokalzeitungsportale der Region, ach was: Deutschlands ((Der Welt!)) ein wenig darüber informieren, was im Weltzentrum der Selbstironie so “geht”. ((i.e. Wie viele Jugendliche wurden bereits mit Alkoholvergiftung in die örtlichen Krankenhäuser verbracht? Wer hat die traditionelle Teckelzuchtschau auf dem Schulhof meines früheren Gymnasiums gewonnen? Finde ich peinliche Fotos von jemandem, den ich kennen könnte/sollte?))

Die “Neue Rhein Zeitung” beantwortet diese Frage mit einer 79-teiligen Bildergalerie, die vor allem durch ihre unkonventionelle Sortierung und eine gewisse Lässigkeit besticht: Hardrock, Shanty- und Kinderchor wechseln sich auf verstörende Weise ab, ((Ich kann das leider nicht direkt verlinken, in dieser Beziehung liegt der “Westen” weit hinter “RP Online” zurück.)) die sowieso mehr als halbherzige Betextung reißt mittendrin einfach ganz ab.

Natürlich nicht, ohne vorher noch die Grenzen des technisch Machbaren aufgezeigt zu haben:

Din Tage 2008 , Achim [...] machte seiner großen Liebe, Ramona [...] auf der Bühne am Neutorplatz Foto:Heinz Kunkel Honorarpflichtig

Was Achim Ramona dort machte, kann der Leser leider nur erraten. Der Blumenstrauß auf dem dazugehörigen Foto legt allerdings nahe, dass es sich um einen Heiratsantrag gehandelt haben könnte.

Dann folgen wieder Trödel- und Mittelaltermarkt, Kirmes, angeheiterte Herrenrunden und Fragen Sie mich nicht, ich habe keine Ahnung, was das mit den Totenköpfen sein soll in munterer Reihenfolge. Das alles ist zwar etwas wüst und halbgar, ((“Nicht schön, aber selten”, wie meine Mutter sagen würde.)) aber diese 79 Bilder vom Samstag lassen keinen Zweifel: in Dinslaken herrscht das, was man “Volksfeststimmung” nennt.

Kommen wir nun zu “RP Online”, bzw. zur Lokalredaktion der “Rheinischen Post”: dort gibt es einen Artikel aus der gestrigen Print-Ausgabe, der auf den Freitag zurückschaut:

Mit dem fairen Kulturcafé und dem Kabarett-Duo „Thekentratsch“ im Burginnenhof sowie einem Senioren-Nachmittag mit Wiener Kaffeehausmusik im Dachstudio starteten gestern die 34. DIN-Tage.

Dazu gibt es einige Fotos ((Noch mal zur Erinnerung: Wir sprechen von “RP Online”!)), die ich hier gerne vollständig und in Originalgröße wiedergeben möchte:

Im Dachstudio gab es Kaffeehaus-Atmosphäre und Operettenmelodien. Im Kulturcafé gab es fair gehandelten Kaffee und Kuchen. Luftballons statt Fassanstich: Auf dem Altmarkt ließen Kinder gestern zur DIN-Tage-Eröffnung mit Bürgermeisterin Sabine Weiss bunte Luftballons mit ihren Wünschen für das Wochenende in Richtung Himmel fliegen. RP-Fotos (3): Kazur

Als wäre man selbst dabeigewesen, nech?

Andererseits will ich nicht meckern: auf der Dinslakener Startseite hat “RP Online” dann doch noch so einiges an Bildergalerien im Angebot. Zum Beispiel den nur acht Wochen alten Klassiker “Toter in Sack gefunden”.

Nachtrag, 23:28 Uhr: Naja. Zu früh gelobt, irgendwie:

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Leben

Alea iacta est

Ich wollte nicht mehr so viel über Dinslaken bloggen. Wirklich, ich wollte mich lösen. Roger Willemsen hatte ja eh alles gesagt.

Aber dann passierte das hier:

Bei einer Inventur stellte die Stadt vor Kurzem fest, dass ein riesiges Kunstwerk, das seit sieben Jahren im Stadtpark mitten in der Stadt hing, verschwunden war. Man ging an die Presse, befürchtete Diebstahl.

Gestern stellte sich heraus: Der Würfel aus Edelstahlrohren war vor grob einem halben Jahr bei einem Unwetter abgestürzt, von den Mitarbeitern der städtischen Entsorgungsbetriebe eingesammelt und sicher weggeschlossen worden. Sogar das Hinweisschild wurde abmontiert. Seit Februar oder März war niemandem das Fehlen des Objekts aufgefallen und auch bei den Entsorgern hatte niemand mehr daran gedacht. Der Moment, als der Chef des Betriebs in der Zeitung von dem verschwundenen Würfel las, muss ein großer gewesen sein.

(Und wie besonders anstrengender und ironischer Lokaljournalismus geht, zeigen Ihnen heute mal die Kollegen von der “NRZ”.)

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Digital

Mehr Selbstreferentialität kann ich nicht

Für ihre Juni-Ausgabe ihres Magazins hatten mir (und drei anderen Medienschaffenden) die Redakteure des Medienmagazins “Insight” die Frage “Wie stopfen Sie das Sommerloch? gestellt”

Damals hielt ich folgende Antwort für witzig:

Da ich viel über Medien schreibe, gibt es bei mir kein Sommerloch. Die zahlreichen "lustigen" Reportagen und Schalten, mit denen Zuschauer und Leser so qequält werden, bieten genug Stoff bis September. Und falls ich doch ein Sommerloch verspüre, erzähle ich einfach dem nächsten Reporter, ich hätte einen Pottwal im Baggerloch gesehen, und warte ab.

Ich würde die Frage heute anders beantworten.

Unter Bezugnahme auf meinen Eintrag von letzter Woche und nach loser Rücksprache mit mir veröffentlichte die Pressestelle der Stadt Dinslaken am vergangenen Donnerstag folgende Pressemitteilung:

Dinslaken in den Medien
Selbstironie ist gefragt – auch Gelassenheit

Dinslaken/München/Frankfurt. Pünktlich zur Reisezeit erschien kürzlich in der renommierten Süddeutschen Zeitung (SZ) unter „Hippenstocks Strategien“ ein Cartoon: Vor der Rezeption eines offenbar überbuchten Hotels ein Ehepaar mit Koffern. Der Portier dahinter zu den Touristen: „In der ersten Woche teilen Sie Ihr Zimmer mit einem Ehepaar aus Dinslaken – ich denke, deshalb der Rabatt.“

In der aktuellen Ausgabe des Satiremagazins „Titanic“ geht es in einem anderen Cartoon auch um diese Stadt. Der hier geborene Lukas Heinser, derzeit in Bochum wohnend, befürchtet, durch die bundesweit kurz hintereinander verbreiteten Karikaturen sei Dinslaken in der Medienlandschaft offenbar „endgültig irgend so ein hinterwäldlerisches Kaff“ geworden.

Der junge Mann, der in seinem Block (www.coffeeandtv.de) gelegentlich aus und über seine Heimatstadt schreibt, teilte der Stadtpressestelle überdies mit, Wetterexperte Jörg Kachelmann und TV-Plauderer Roger Willemsen hätten sich lästernd über die Stadt im Grünen ausgelassen. Unter anderem soll Willemsen die Star-Sopranistin Sandra Schwarzhaupt gefragt haben, warum sie in New York und nicht zum Beispiel in Dinslaken studiert habe.

Was Jörg Kachelmann, der Intendant der Dinslakener Burghofbühne und ich dazu zu sagen haben, können Sie drüben bei Stefan in den Kommentaren lesen.

Ich warte derweil auf einen Anruf aufgeregter Lokalredakteure, die ein großes Porträt über mich bringen wollen. Ist ja Sommerloch.

PS: Ich bin gar nicht in Dinslaken geboren.

Nachtrag, 9. August: Mehr Selbstreferentialität kann ich wohl