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Leben

Wochenendspaß mit der WAZ (1)

Am Morgen (oder, genauer: Vormittag) nach der “1Live Krone” durchweht den Bochumer Hauptbahnhof immer ein entfernter Hauch von Jetset und Glamour: Musikindustriemitarbeiter, leicht zu erkennen an der Kombination “Jogginganzug/Louis-Vuitton-Weekender” und der Baseballkappe auf dem Kopf, warten auf ihre Züge, die sie zurück nach Hamburg, Berlin oder … äh, ja: nach Hamburg oder Berlin bringen.

Ich habe gestern kurz den Schluss der Veranstaltung im WDR Fernsehen gesehen und bekam das wohlige Gefühl, es mir gerade exakt in dem Lebensabschnitt bequem machen zu können, wo ich 90% der dort vertretenen Leute nicht mehr bzw. noch nicht kennen muss.

Das bringt aber auch gewisse Schwierigkeiten mit sich, wenn man sich über Verlauf und Ausgang der Veranstaltung bei WAZ.de (ehemals Der Westen) informieren will.

Oder können Sie mir sagen, wie viele Personen die folgende Aufzählung umfasst?

Mark Foster, Silbermond, die Katze, Daniela Katzenberger mit ihrem Mann, Felix Jaehn, die Rapper von Bonez MC & Raf Camora.

Meine Lieblingsstelle in dem Artikel, die bei mir wildestes Kopfkino ausgelöst hat, ist aber diese hier:

Nach dem Ende der Veranstaltung aber hat [Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD)] dann ein anderes Problem. Er müsste dringend auf die Toilette, die Halle füllt sich nur langsam.

Und wo wir einmal auf der “Bochum”-Seite von WAZ.de sind, möchte ich Ihnen noch zwei weitere aktuelle Highlights mit an die Hand geben: Diese Bildergalerie, die beweist, dass man im Ruhrgebiet wirklich zu feiern weiß (und zwar alles), und diesen Blaulichtmeldung über einen Mann, der mit 2,8 Promille im Blut einen Notarztwagen in Wattenscheid mit Butter beworfen hatte, weil ihn dessen Martinshorn störte.

So weit, so normal. Spektakulär wird die Meldung durch diesen Satz:

Spontan entriss der 46-Jährige seiner ebenfalls betrunkenen Begleiterin zwei Päckchen Butter, wie die Polizei berichtete.

Laut Pressemitteilung der Polizei Bochum waren es übrigens sogar “zwei zuvor gekaufte Pakete Butter und ein Kunststoffteil, das aus einer Baustellenabsperrung stammte”.

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Digital

Tränen lügen nicht

In Bochum beginnen sie nun nach langem Hin und Her endlich mit dem Bau des Musikzentrums. Nachdem ein (wie üblich viel zu spätes) Bürgerbegehren dagegen vergangene Woche spektakulär gescheitert war, wurden am Montag die ersten Bäume am Bauplatz in der Innenstadt gefällt.

Wenn man dem “Westen” glauben darf, war es eine extrem feucht-traurige Veranstaltung:

Bochum. Tränen flossen, als zu Wochenbeginn die Platanen an der Marienkirche fielen. Für die Urbanatix-Familie markiert die umstrittene Fällung den Abschied von ihrer Trainingsstätte. Und neue Probenräume sind derzeit nicht in Sicht. Tränen flossen, als zu Wochenbeginn die Platanen an der Marienkirche fielen. Tränen flossen, als zu Wochenbeginn die Platanen an der Marienkirche fielen. Für die Urbanatix-Familie markiert die umstrittene Fällung den Abschied von ihrer Trainingsstätte. Und neue Probenräume sind derzeit nicht in Sicht.

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Alles aus Liebe

Stop the press!

Die Toten Hosen haben die Tracklist ihres neuen Albums “Ballast der Republik” veröffentlicht und dabei kam raus: Lied Nr. 14 wird “Oberhausen” heißen.

Ein gefundenes Fressen ((Ich hätte gewettet, dass es ein Hosen-Lied oder -Album namens “Gefundenes Fressen” gibt, das scheint aber nicht der Fall zu sein.)) für die Lokalmedien: “Bild” brachte heute einen kleinen Artikel über den “noch geheimen” Song, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was die “WAZ” gestern in Oberhausen veranstaltet hat.

Wenn Anfang Mai die neue CD “Ballast der Republik” der Düsseldorfer Punk-Rocker “Die Toten Hosen” erscheint, ist das Revier offenbar dabei: Ein Song trägt den Titel “Oberhausen” – über den Inhalt wird noch gerätselt.

Das mit dem Rätseln ist durchaus wörtlich zu verstehen — und der Ort dieses Rätselns ist die “WAZ”. Man kann den Redakteuren allerdings nicht vorwerfen, da nur selbst in der Teeküche drüber gegrübelt zu haben:

Selbst szenekundige Musiker zeigten sich davon völlig überrascht.

Fürwahr: Die “WAZ” hat keine Kosten und Mühen gescheut und so ziemlich alles, was in der lokalen Musikszene Rang und Namen hat, mit dem Thema behelligt.

“Das ist eine Riesenüberraschung”, sagt etwa Kevin Kerndl von der hiesigen Musikvereinigung “RockO”. Auch wenn der blanke Songtext für den Organisator des Festivals “Olgas Rock” angesichts des Albumtitels “Ballast der Republik” zunächst eher negativ wirkt. “Da muss man abwarten, aber das wird für die hiesige Musikszene auf jeden Fall interessant.”

(Lassen Sie sich nicht verwirren: Mit dem “blanken Songtext” ist nicht etwa der … äh: Songtext gemeint, der ist ja – wir erinnern uns – immer noch unbekannt.)

Tim Kleinrensing von der Punkband Sondaschule erklärt:

“Ich könnte mir vorstellen, dass dies im Geiste des Punk-Rocks ein Lobgesang auf die Stadt mit der höchsten Verschuldung wird.”

Und:

“Ironie ist im Genre nicht selten – da kann alles kommen!”

Na, dann kann die “WAZ” ja auch ihre Assoziationsmaschine anschmeißen:

Oberhausen und die “Toten Hosen” – die Verbindung ist nicht aus der Luft gegriffen: Die Band hat mehrere große Auftritte in der Arena gespielt – und die Halle unlängst zu einem ihrer Lieblingsplätze geadelt. Zuvor absolvierten die Düsseldorfer im Sterkrader “Old Daddy” in den frühen 80er Jahren die ersten Konzerte ihrer Karriere überhaupt.

Und überhaupt:

Fragt man auf der Straße nach, vermuten die Oberhausener hinter dem Hosen-Song gar ein Cover des wohl bekanntesten Oberhausen-Liedes: der Missfits.

Ja, ich hab an der Stelle auch kurz gedacht, wann zum Henker Glenn Danzig oder einer von den anderen jemals über Oberhausen gesungen haben soll. Es stellte sich dann aber raus, dass das auch kein Schreibfehler war und tatsächlich das regional bekannte Frauenkabarett-Duo “Missfits” gemeint war.

Und weil Lokalpolitiker natürlich jede Chance wahrnehmen, ihren Namen in der Zeitung lesen zu können, ((Außer natürlich, es geht mal um was Wichtiges.)) hat auch der Oberbürgermeister der “WAZ” auf Anfrage nicht erklärt, da müsse man doch erst mal abwarten, da könne man noch nichts sagen und überhaupt sei das nicht seine Aufgabe, sondern:

OB Klaus Wehling möchte von “tote Hose” in Oberhausen natürlich nichts wissen, will sich das Lied aber trotzdem anhören. “Das gehört doch zum Pflichtenheft eines Oberbürgermeisters.” Auch wenn Wehling gesteht: “Die gesamte CD wird es wohl nicht werden.”

Jetzt wissen die “WAZ”-Leser in Oberhausen (geschätztes Durchschnittsalter: 55) also, dass die Toten Hosen ein Lied über ihre Stadt geschrieben haben. Also: mutmaßlich. Vielleicht geht’s auch um was ganz anderes, man weiß es ja noch nicht. Aber wenigstens, man hat schon mal ‘ne Seite damit gefüllt.

Weitere Titel von “Ballast der Republik” sind übrigens “Traurig einen Sommer lang”, “Altes Fieber”, “Europa”, “Draußen vor der Tür” und “Vogelfrei”. Was man da bis zur Veröffentlichung am 4. Mai noch für Artikel drüber schreiben kann!

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Apropos kafkaesk

Drei Fragen an: Honke RambowDa staunte Honke Rambow, Sprecher des Bochumer Off-Theaters Rottstr 5 Theater, nicht schlecht, als er heute die Lokalausgabe der “Westdeutschen Allgemeinen Zeitung” aufschlug!

Verzeihung, da ist mir der Einstieg jetzt doch eine Spur zu lokaljournalistisch geraten! Honke Rambow muss aber tatsächlich erstaunt gewesen sein, als er in der “WAZ” ein Kurzinterview mit sich selbst las — hatte er der Zeitung doch gar keines gegeben.

Er schreibt mir:

Merkwürdig daran ist, dass die Person auf dem Foto ich bin, ich aber nicht mit dem Autor kommuniziert habe, weder telefonisch, noch per mail.

Er habe ihm lediglich im Auftrag der Filmemacher eine Pressemitteilung zugesandt — in der dann ziemlich genau all das steht, was der “WAZ”-Rambow auf die “WAZ”-Fragen antwortet. Lediglich ein paar Rechtschreibfehler habe der zuständige Redakteur in den Text eingebaut:

Pressemitteilung
“Interview” in der “WAZ”
Noch nie wurde ein Text des indisch-britischen Autors Salman Rushdie verfilmt. Schon diese Tatsache macht den Kurzfilm DER GOLDENE ZWEIG von Drehbuchautor und Regisseur Matthias Zucker bemerkenswert. Noch nie wurde ein Text des indisch-britischen Autors Salman Rushdie verfilmt. Schon diese Tatsache macht den Kurzfilm “Der goldene Zweig” besonders. Was sind dessen Bochumer Bezüge?
Entstanden ist der 25minütige Film als Diplomarbeit des Kameramannes Etienne Kordys. Produziert wurde er von der Bochumer Produktionsfirma rougharts mit Unterstützung der Film und Medien Stiftung NRW und der Fachhochschule Dortmund. Die Dreharbeiten fanden in Dortmund, Bochum und Essen statt. Rambow: Entstanden ist der 25minütige Film des Drehbuchautos und Regisseurs Matthias Zucker als Diplomarbeit des Kameramannes Etienne Kordys. Produziert wurde er von der BO-Produktionsfirma Rough Arts, wobei die Dreharbeiten in Dortmund, Bochum und Essen stattfanden, unter Beteiligung viele Bochumer Schauspieler wie Roland Riebeling, Arne Nobel, Katja Uffelmann, Andreas Bittl, Magdalena Helmig oder Martin Bretschneider.
  Worum geht es?
DER GOLDENE ZWEIG erzählt nach der gleichnamigen Shortstory Rushdies die Geschichte von David Gularski, der verzweifelt einen neuen Job sucht. Nach monatelanger erfolgloser Suche, wird ihm klar, dass alle Bewerbungsgespräche stets von der gleichen Person geführt werden, die offensichtlich nur dazu da ist ihn abzulehnen. Gularski entscheidet, dass nur noch drastische Maßnahmen helfen können. In der Kurzgeschichte “Der goldene Zweig” erzählt Rushdie von David Gularski, der einen Job sucht. Nach monatelanger erfolgloser Suche, wird ihm klar, dass alle Bewerbungsgespräche stets von der gleichen Person geführt werden, die offensichtlich nur dazu da ist, ihn abzulehnen. Gularski entscheidet, dass nur noch drastische Maßnahmen helfen…
Die Darsteller dieser durchaus kafkaesken Story sind überwiegend als Schauspieler der Bochumer Theaterszene bekannt und spielen oder spielten sowohl am Schauspielhaus Bochum wie auch am Rottstr5Theater und am Prinz Regent Theater. Allen voran Alexander Ritter, der die Hauptrolle übernommen hat. Neben ihm sind unter anderen Roland Riebeling, Arne Nobel, Katja Uffelmann, Andreas Bittl, Magdalena Helmig und Martin Bretschneider zu sehen. Aus Film- und Fernsehproduktionen wie “Großstadtrevier” und “SOKO Köln” ist Dietrich Adam bekannt, Timur Isik spielte im Ensemble des Münchner Volkstheaters sowie Kino- und Fernsehproduktionen. Die Darsteller dieser durchaus kafkaesken Story sind durch ihre Arbeit am Schauspielhaus, am Theater Rottstraße 5 und am Prinz Regent Theater bekannt. Allen voran Alexander Ritter in der Hauptrolle.
  Wann läuft der Film an?
DER GOLDENE ZWEIG
Premiere Sonntag, 22.4., 12 Uhr Metropolis Kino Bochum, Kurt-Schumacher-Platz 1

Der Vorverkauf beginnt am 1.4.

Premiere ist am Sonntag, 22. April, um 12 Uhr im Metropolis Kino im Hauptbahnhof. Der Vorverkauf startet am 1. April.

Rambow erklärt weiter, dass er das abgedruckte Foto tatsächlich mal der WAZ zur Verfügung gestellt habe, “allerdings in einem völlig anderen Zusammenhang”.

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Print Politik Gesellschaft

Siehste!

Hinterher hat man es ja sowieso immer gewusst. Im Nachhinein ist jedem klar, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, die Loveparade 2009 in Bochum abzusagen. Aber was haben wir damals auf den Stadtoberen rumgehackt …

Gut, die Art und Weise der Absage war peinlich gewesen: Nach Monaten plötzlich festzustellen, dass die Stadt dann doch irgendwie zu klein ist, deutete entweder auf erstaunlich schwache Ortskenntnisse hin — oder auf einen besorgniserregenden “Das muss doch irgendwie zu schaffen sein”-Aktionismus, der die Augen vor der Realität verschließt. Letztlich haben sie es in Bochum noch gemerkt, die Schuld an der Absage der Deutschen Bahn in die Schuhe geschoben und Häme und Spott einfach ausgesessen. Dass der damalige Polizeipräsident, der sich lautstark gegen die Durchführung der Loveparade ausgesprochen hatte, neun Monate später in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde, hatte ja ganz andere Gründe.

Erstaunlich aber: Von der Sicherheit war in all den Artikeln, Kommentaren und Pressemitteilungen kaum die Rede. Das kam nur am Rande zur Sprache:

Ganz andere Risiken bewegen Martin Jansen. Dem Leitenden Polizeidirektor wäre die Rolle zugefallen, den wohl größten Polizeieinsatz aller Zeiten in Bochum zu koordinieren. “Wir hätten die Loveparade nur unter Zurückstellung erheblicher Sicherheitsbedenken vertreten.” Knackpunkt ist nach seiner Einschätzung der Bochumer Hauptbahnhof.

Aber um die Sicherheit der zu erwartenden Menschenmassen ging es auch im Vorfeld der Duisburger Loveparade öffentlich nie, immer nur um die Kosten:

Fritz Pleitgen, Vorsitzender und Geschäftsführer der Ruhr.2010, beobachtet mit großer Sorge, wie sehr die Auswirkungen der Finanzkrise den Städten der Metropole Ruhr zu schaffen machen. Besonders prägnant sei das aktuelle Beispiel Loveparade in Duisburg. “Hier müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um dieses Fest der Szenekultur mit seiner internationalen Strahlkraft auf die Beine zu stellen.”

Dabei hätte das Argument “Menschenleben” bestimmt auch Dampfplauderer wie Prof. Dieter Gorny beeindrucken können, der im Januar mal wieder das tat, was er am Besten kann, und groß tönte:

“Man muss sich an einen Tisch setzten und den Willen bekunden, die Loveparade durchzuführen, statt klein beizugeben.” Die Politik müsse sich dahingehend erklären, dass sie sagt: “Wir wollen die Veranstaltung und alle Kraft einsetzen, sie zu retten!”

Gorny, der sonst keinen öffentlichen Auftritt auslässt, hat sich seit Samstagnachmittag zurückgezogen. Er sei “schwer erschüttert”, erklärte die Ruhr.2010 auf Anfrage, und fügte hinzu:

Wir haben beschlossen, dass für die Kulturhauptstadt ausschließlich Fritz Pleitgen als Vorsitzender der Geschäftsführung spricht und bitten, dies zu respektieren.

Aber es gibt ja immer noch die Journalisten, die sich spätestens seit der denkwürdigen Pressekonferenz am Sonntagmittag als Ermittler, Ankläger und Richter sehen. Und als Sachverständige:

“We were the only newspaper that said: ‘No. Stop it. The city is not prepared. We will not be able to cope with all these people,”

lässt sich Götz Middeldorf von der “Neuen Ruhr Zeitung” in der “New York Times” zitieren.

Bei “Der Westen” forderte Middeldorf bereits am Sonntag lautstark den Rücktritt von Oberbürgermeister Sauerland und kommentierte:

Auf die Frage der NRZ, ob man nicht gesehen habe, dass Duisburg nicht geignet ist für die Loveparade ging der OB nicht ein, sprach von “Unterstellung” und wies mögliches Mitverschulden der Stadt zurück.

Ich habe mich lange durch alte Artikel gewühlt, aber nichts dergleichen gefunden. Da das auch an der unfassbar unübersichtlichen Archivsuche bei “Der Westen” liegen kann, habe ich Herrn Middeldorf gefragt, nach welchen Artikeln ich Ausschau halten sollte. Eine Antwort habe ich bisher nicht erhalten.

Wie kritisch die Duisburger Presse war, kann man zum Beispiel an Passagen wie dieser ablesen:

Die Organisatoren gaben sich am Dienstag allerdings sehr optimistisch, dass es kein Chaos geben werde. “Die eine Million Besucher wird ja nicht auf einmal, sondern über den Tag verteilt kommen”, so Rabe. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass der Zugang während der zehnstündigen Veranstaltung kurzzeitig gesperrt werden müsse, aber derzeit gehe man nicht davon aus. Und wenn der Fall doch eintrete, “dann haben wir ganz unterschiedliche Maßnahmen, mit denen wir das problemlos steuern können”, verspricht der Sicherheitsdezernent – bei den Details wollte er sich nicht in die Karten schauen lassen.

(Kritisch ist da der letzte Halbsatz, nehme ich an.)

Artikel wie der Kommentar “Die Loveparade als Glücksfall” vom 23. Juli oder die großspurigen Übertreibungen von Ordnungsdezernent Rabe und Veranstalter Lopavent die Kapazität des Festivalgeländes betreffend sind plötzlich offline — “Technikprobleme”, wie mir der Pressesprecher der WAZ-Gruppe bereits am Dienstag erklärte.

Den (vorläufigen) Gipfel des Irrsinns erklomm aber Rolf Hartmann, stellvertretender Redaktionsleiter der “WAZ” Bochum. Anders als seine Kollegen, die sich hinterher als aktive Mahner und Warner sahen, schaffte es Hartmann in seinem Kommentar am Dienstag, völlig hinter dem Thema zu verschwinden:

Meine Güte, war man Anfang 2009 über OB & Co hergefallen, als die Stadt Bochum die Loveparade 2009 in Bochum absagte.

“Man.”

Nachtrag, 1. August: Stefan Niggemeier hat in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” über das gleiche Thema geschrieben.

Ihm hat Götz Middeldorf auch geantwortet:

Auf Nachfrage räumt Middeldorf ein, dass Sicherheitsbedenken nicht das Thema waren. “Wir waren immer gegen die Loveparade, aber aus anderen Gründen.” Dann muss die “International Herald Tribune” ihn mit seinem Lob für die eigene, einzigartige Weitsichtigkeit wohl falsch verstanden haben? “Das vermute ich mal”, antwortet Middeldorf. “Das ist nicht ganz richtig.” Er klingt nicht zerknirscht.

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Digital Gesellschaft

Wohlfaile Empörung

Ich hab mir heute nach fast sechs Jahren in Bochum zum ersten Mal eine “WAZ” gekauft — für einen Artikel im BILDblog über das Koma-Saufen, zu dem die Junge Union hier in der Stadt angeblich einlädt.

Ich weiß nicht, was ich von einer Party halten soll, bei der man für 10 Euro Eintritt 25 Euro vertrinken kann, so dass die rot-grünen Shots, die “weg müssen”, im Endeffekt weniger als einen Euro kosten. Aber ich würde auch noch viel weniger ins Playa gehen, als ich CDU wählen würde.

Was ich weiß, ist, dass die ganze Aufregung um diese Party irgendwie typisch war: Beim “Westen” steht, die Gutscheine müssten in anderthalb Stunden vertrunken werden, und kurz darauf steht es so in vielen Blogs und mehr als 300 Leute twitterten, dass die Junge Union …

Auch ich hatte den Link zum “Westen” für eine Minute in meinen delicious-Links, ehe mir bei den dortigen Trackbacks der Link zu Waynes Blog auffiel, in dem dieser der “WAZ” schlechten Journalismus vorwarf.

Ob die Junge Union möglicherweise erst nach Erscheinen des Artikels beim “Westen” auf ihrer Website klargestellt hat, “dass der Gutschein zwar bis 23:30 an der Kasse erworben werden muss aber die ganze Nacht genutzt werden darf”, ist eigentlich unerheblich — die Blogger, die sich auf die Story stürzten, hätten wenigstens den Versuch unternehmen müssen, bei der Jungen Union nach Informationen zu suchen. (Ich natürlich auch, bevor ich den Link gespeichert habe. Ganz besonders, wenn die Quelle “WAZ Bochum” heißt.)

Es kann doch nicht sein, dass wir immer wieder die Informationen loben, die im Internet für jeden überall und frei verfügbar sind, und dann nicht mal drei Minuten darauf verwenden, bei einer solchen Geschichte auch die Gegenseite abzuchecken. Stattdessen wird der Link blindlings bei Twitter weiterverbreitet — natürlich nicht, ohne ihn vorher nicht noch mit “#fail”, “#cdu-” und “#piraten+” (aus Prinzip!) versehen zu haben.

Natürlich traue auch ich den Parteien (und zwar allen) im Wahlkampf so ziemlich alles zu. Aber es spricht trotzdem nicht für die Medienkompetenz von Internet-Powerusern, wenn sie blind auf eine Geschichte anspringen, die ihnen zufälligerweise ins Weltbild passt. Im Gegenteil: In solchen Momenten sind wir keinen Deut aufgeklärter als der alte Mann, der seit 60 Jahren immer die gleiche Partei wählt.

Nachtrag, 22:50 Uhr: Wie hatte ich nur “BO-Alternativ”, das lokale “Indymedia”-Pendant vergessen können? Dort sorgte die Junge Union schon gestern Nachmittag “mal wieder für einen Skandal”.

Andererseits hatte man sich dort die Mühe gemacht, bei der CDU-Jugendorganisation selbst nachzufragen:

Der Pressesprecher der JU Torsten Bade hält das alles für ein Missverständnis: Die Gäste könnten länger trinken und für jugendliche Disko-BesucherInnen sei das ein ganz normales Angebot. Er räumte aber auch ein, dass es schon mehrere Anrufe wegen der Geschichte gegeben habe und einige Plakate auch wieder abgehängt worden seien.

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Klickbefehl (16)

In einer riesigen Beitragsserie, die mich mitunter an Besessenheit glauben lässt, dokumentiert Jens vom Pottblog die “Umstrukturierung” des WAZ-Konzerns, was im Wesentlichen heißt: Eigenständigkeit der einzelnen Titel aufgeben, Leute entlassen und völlig den Bezug zur Realität verlieren. (In der letzten Disziplin sind WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz und WAZ-Gruppen-Geschäftsführer Bodo Hombach besonders gut, denn sie waren früher bei der “Rheinischen Post” bzw. im Kabinett Schröder.)

Gerade hat er den Brief eines anonymen WAZ-Mitarbeiters veröffentlicht, in dem dieser (oder diese) sich über die letzte Betriebsversammlung auslässt und sehr schlüssig erklärt, warum die Lokalteile (die ja das eigentlich bzw. einzig Interessante an den WAZ-Titeln sind) so schlecht sind, wie sie sind: Zu wenig Personal, zu viele Anforderungen gleichzeitig, Konzentration auf andere Sachen (wie den Mantelteil und derwesten.de).

Es ist ein wütendes, aber nichtsdestotrotz sehr lesenswertes Dokument, das sicher keine alleinige Erklärung für das Zeitungssterben ist, aber sehr schön aufzeigt, wie weit sich Chefs von ihren Angestellten entfernen können.

“WAZ-Betriebsversammlung: Was für eine Scheiße!” im Pottblog

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Alltägliche, aber allerliebste Alliterationen

Vielleicht muss ich demnächst noch ein Tochterblog aufmachen: das für schöne Überschriften.

Nachdem die Lokalredakteure aus Dinslaken letzte Woche gut vorgelegt hatten, wollten die Zeitungsmacher einer anderen Stadt nicht hintanstehen:

Bald blühen bunte Blumen

Wo man derart liebliche Stabreime mit “B” aus dem Ärmel schüttelt?

Na, in Bochum natürlich!

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Ich bin nur zugezogen, holt mich hier raus!

Die peinliche Absage der Loveparade, die dieses Jahr eigentlich in Bochum stattfinden sollte, bestimmt in den letzten Tagen die Lokalpresse:

Nein, von einem Imageschaden könne keine Rede sein, gab Stadtrat Paul Aschenbrenner (SPD) zu Protokoll. „Weil wir eine verantwortungsbewusste Entscheidung getroffen haben.“

(“Ruhrnachrichten”)

Gut, dass Bochum kein Image hat, was zu Schaden kommen könnte. Und wen interessieren schon junge Menschen, die Krach hören und Rauschgift konsumieren?

Die SPD jedenfalls nicht:

So hatte etwa der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme, der schon Wolfgang Clement politisch weitgehend über die Klinge springen ließ, einen Antrag für den Rat vorbereitet, wegen drohender Vermüllung der Anliegerstraßen vom Raver-Tanzvergnügen ganz abzulassen.

In dem Antrag vom 31. Juli 2008 heißt es wörtlich: „Der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme sieht in der Ausrichtung der Loveparade 2009 in Bochum keinen kulturellen bzw. nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung des Images des Ruhrgebietes bzw. für das Kulturhauptstadtjahr 2010. Die im Rahmen der Organisation entstehenden Kosten und Nachfolgeschäden stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen dieser Veranstaltung und sind öffentlich nicht vertretbar.” Bochum solle deshalb die Veranstaltung zurückgeben.

(“WAZ”)

Aber die sehr endliche Kompetenz der SPD manifestiert sich bis ins kleinste Detail:

Im Sommer 2008 verabschiedete der Ortsverein den Antrag an den Rat, die Loveparade in Bochum abzublasen, wegen Gefahr der Vermüllung und anderer Schäden. Zwar wurde der Antrag nie abgeschickt, doch in den SPD-Gremien wie Ratsfraktion und Unterbezirksparteitag sickerte die Ablehnung gleichwohl durch.

(Noch mal die “WAZ”)

Entsprechend gut lässt sich dieser Eiertanz kommentieren:

Wie eine Nachgeburt kommen nun Einschätzungen zu Tage, die darauf hinweisen, dass die Macher der Bochumer Politik mit der Loveparade wenig am Hut hatten. Stattdessen ging die Sorge um, das Thema spalte und könne im Superwahljahr 2009 Wählerstimmen kosten.

Das allerdings ist nicht von der Hand zu weisen. Zu auffällig, wie eindrucksvoll und wortmächtig sich Bochumer Politiker über Konzerthausbau, Cross-Border-Deal und Gott und die Welt verbreitet haben, das Thema Loveparade aber fast gänzlich mieden. […]

Und dann die Kosten: 130 000 Euro allein durch den Einsatz der Feuerwehr und Rettungsdienste. Ganz zu schweigen von hunder-ten Extrabussen. Und der befürchteten Vermüllung. Das wirkt doch sehr wie ein rundes bestelltes Gutachten. Von Leuten, die nicht wirklich wollen.

(Kommentar in der “WAZ”)

Insgeheim dürften spätestens seit dem Erfolg der Loveparade in Essen klar gewesen sein: Bochum ist dem nicht gewachsen. Da das niemand sagen will, fehlte nur ein Grund für die Absage.

Zum Glück gibt es die Gleisbauarbeiten der Bahn.

(Kommentar in den “Ruhr Nachrichten”)

Der publizistische Todesstoß kam allerdings aus der alten Heimat der Loveparade. Ein Provinzporträt in zweieinhalb Sätzen:

Herbert Grönemeyer hat Bochum groß gemacht, aber nicht groß genug. Die Loveparade – Ältere werden sich erinnern – kann dort in diesem Jahr mangels Kapazität nicht stattfinden: Bahnhof zu klein, Miettoiletten ausgebucht, zu wenig Papierkörbe, so etwa.

(“Der Tagesspiegel”)

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bochumer Stadtrat wird von der “WAZ” übrigens wie folgt zitiert:

Es wurde der Eindruck erweckt, als wären nur Deppen am Werk.

Wie jetzt? “Eindruck”? “als”?

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Kunst im Alltag: Lokalredaktion Bochum “Überschriften”

Bochum ist mit dem gesamten Ruhrgebiet Teil der Kulturhauptstadt 2010. Eine kleine Gruppe von Sprachakrobaten möchte sich daran mit ihrem Literaturprojekt beteiligen, das sie “Überschriften” nennt.

Erste Kostproben ihres Könnens werden derzeit im Kunstmagazin “WAZ (Lokalteil Bochum)” abgedruckt und sollen auch hier angemessen gewürdigt werden:

Da gibt es informative Kurzprosa mit verstörenden Satzanfängen, die nur wenig länger ist als ein Artikel in der Regionalpresse zum selben Thema:

Opel plant am Standort Bochum ab 2010 eine Kapazität bis zu 260 000 Wagen pro Jahr:
Aber England baut den neuen Astra-Caravan früher

Es gibt humoristische Spielereien mit Präpositionen:

Polizisten im Einsatz am Bordell verletzt

Und es gibt (über der Metahpern- und Vergleichereichen Parodie auf das journalistische Genre des Kommentars) Kleinode, die in der Tradition der japanischen Haikus stehen:

Jacke mit Luft

Halten Sie die Augen offen für weitere Arbeiten des Künstlerkollektivs “Lokalredaktion Bochum”. Unvorstellbar, was passieren würde, wenn diese kreativen Köpfe auch noch die Möglichkeiten des Internets für sich entdeckten!

[mehr Kunst im Alltag]

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20 Jahre Totalversagen

Journalisten lieben Jubiläen. Im Gegensatz zu tatsächlichen, tagesaktuellen Ereignissen treten diese nicht überraschend auf, man kann die Themen gründlich recherchieren, mit Zeitzeugen sprechen und das Geschehen frei von Affekten in seinen historischen Kontext einordnen. Ich würde nicht ausschließen, dass die ersten Reporter am Abend des 11. September 2001 begannen, ihre große “Ten years after”-Geschichte vorzubereiten.

Dieser Tage jährt sich das Geiseldrama von Gladbeck zum zwanzigsten Mal. Ein im wahrsten Wortsinne tragisches Ereignis, bei dem schlichtweg alles schief ging, was schief gehen konnte, und das insofern in einer Reihe mit dem Olympia-Attentat von München und der Schleyer-Entführung steht. Eine Verkettung von Unerfahrenheit und Inkompetenz auf Seiten der Behörden, ein Totalversagen der berichterstattenden Presse.

Ich bin zu jung, um mich an die drei Tage im August 1988 erinnern zu können, aber man kennt ja die Bilder von Silke Bischoff mit der Pistole an der Schläfe und Hans-Jürgen Rösner mit der Pistole zwischen den Zähnen. Und gerade das Foto von Silke Bischoff macht die große Erinnerungsparade, die schon seit einigen Wochen in den deutschen Medien abgehalten wird, zu einer Gratwanderung.

Bereits vor einem Monat brachte “Bild” im Zuge einer großen Gladbeck-Serie einen Artikel über Silke Bischoffs Mutter, der wie folgt überschrieben war:

20 Jahre nach Gladbeck: Dieses Bild lässt die Mutter der toten Silke nie mehr los

Das Demonstrativpronomen stand da natürlich nicht versehentlich, denn “dieses Bild” war darüber natürlich noch einmal riesengroß abgedruckt. ((Dass das Foto inzwischen aus der Online-Version des Artikels entfernt wurde, hat wenig zu bedeuten – erfahrungsgemäß hat das bei Bild.de häufig mit Bildrechten und selten mit Anstand zu tun.))

Fast ähnlich bizarr ist der Spagat, den die “WAZ” vollbringt: auf derwesten.de ist ein Foto von Tätern, Waffen und Geisel zu sehen, nur wenige Zentimeter über diesem Absatz:

Dass es überhaupt dieses Bild gibt: der Täter, die Waffe, die Geisel. Und dann aus dem Off diese Frage, was für eine Frage! "Was fühlen Sie so, mit der Waffe am Hals?" Silke Bischoff guckt fast freundlich über das Mikrofon, es ist ihr bald so nah wie der Revolver. "Gut", sagt sie, sie habe bloß Angst, "dass jemand umgebracht wird oder so".

Da weiß man auch nicht, ob die folgende Passage Selbstkritik oder Rechtfertigung sein soll:

Journalisten handeln statt nur zu beobachten. Angesehene Reporter sind unter ihnen, von öffentlich-rechtlichen Sendern und auch von der WAZ. Oft weiß die Presse mehr als die Polizei.

Es ist schwierig, über die Fehler der Presse von damals zu berichten, in der Presse von heute. Und es ist schwierig, diese Fotos zu verwenden. Einerseits gibt es sie, sie sind journalistische Fakten, die damals geschaffen wurden und nicht rückgängig gemacht werden können. Andererseits besteht die Gefahr, mit jedem Wiederabdruck nicht nur das Leid der Angehörigen (s. o.) zu vergrößern, sondern auch die Demütigung der damaligen Opfer zu wiederholen. Wir haben es natürlich mit Zeitdokumenten zu tun, aber man kann sie heute nur zeigen, weil die Medien damals versagt haben. Und so ist es einigermaßen schizophren, das Medienversagen von damals mit genau diesen Fotos zu bebildern.

Wenn man länger über diesen Sachverhalt nachdenkt, befindet man sich plötzlich tief in einer ethischen Grundsatzdiskussion. Wozu sind Bilder wie die von der verängstigten Silke Bischoff auf der Rückbank oder von Hanns Martin Schleyer im durchgeschwitzten Unterhemd da? Sollen sie mahnen, dass sich das Gezeigte nicht wiederholen dürfe, sollen sie Mitleid erzeugen oder sollen sie (abermals) die Sensationsgier befriedigen? ((Der Fall Schleyer unterscheidet sich vom Fall Bischoff insofern, als die Entführer die Fotos selbst gemacht haben – zum einen, um zu beweisen, dass sie Schleyer tatsächlich in ihrer Gewalt haben und er noch lebt, zum anderen sicher auch, um ihr Opfer zu demütigen.)) Solche Bilder sind durch ihre ständige Wiederholung irgendwann mehr als nur die Abbildung von Ereignissen. Sie werden zu popkulturellen Ikonen, so wie die Einschläge der Flugzeuge am 11. September 2001, die bereits einen Tag später als Dauerschleife Teil des On-Screen-Designs in den Sondersendungen von RTL waren. Sie waren aber genau genommen auch nie nur die Abbildung von Ereignissen, gerade diese Bilder waren selbst Teil der Ereignisse.

Auch stellt sich die Frage, ob es “gut”, “schlecht” oder “egal” ist, wenn solche Bilder zu Ikonen werden. Vermutlich kommt es da unter anderem darauf an, ob man sich an die Täter oder an die Opfer erinnert. Es laufen ja ernsthaft immer noch Menschen mit dem Foto von Charles Manson auf dem T-Shirt herum und Marilyn Manson hat sich ja bewusst nach Marilyn Monroe und Charles Manson benannt. Die Band 18 Summers hieß übrigens lange Jahre Silke Bischoff, was man ganz und gar geschmacklos finden, aber vielleicht auch verstehen kann, wenn Sänger Felix Flaucher erklärt, dass es ihm um das Schicksal einer Einzelperson gehe, das viel stärker berühren kann als das einer anonymen Menge.

Wenn wir als Schüler im Geschichtsunterricht Fotos aus den frisch befreiten Konzentrationslagern gezeigt bekamen, war die Botschaft klar: So etwas darf nie wieder passieren, sorgt gefälligst dafür! Was aber sollen uns die Fotos von Gladbeck ((“Gladbeck” ist ja in diesem Fall auch nur ein vereinfachendes Schlagwort, Silke Bischoff wurde ja in Bremen als Geisel genommen, die berühmt-berüchtigten Fotos entstanden auf der Domplatte in Köln.)) heute sagen? Für Journalisten schwingt da natürlich ein “nie wieder” mit und die – zugegeben eher theoretische – Frage, wie man sich eigentlich selbst in einem solchen Fall verhalten würde. Aber Journalisten sind eine ziemliche Minderheit.

Andererseits rufen Medien in Großbritannien oder den USA schon länger ihre Zuschauer bzw. Leser dazu auf, sich bei großen Ereignissen (also spannenden Katastrophen) an der Berichterstattung zu beteiligen. So kam CNN im vergangenen Jahr an einen Teil seiner Bilder vom Amoklauf in Blacksburg, VA. Udo Röbel, der sich damals als Reporter des Kölner “Express” besonders unrühmlich hervortat, als er zu den Tätern ins Auto stieg und sie aus der Stadt lotste, sagt jetzt in einem sehr lesenswerten Artikel der “Süddeutschen Zeitung”:

“Aber was ich schon glaube, ist, dass wir irgendwann ein Gladbeck anderer Art kriegen könnten. Inzwischen tummeln sich ja Leute in der Medienwelt, die Journalismus gar nicht gelernt haben. Es gibt Müller, Meier, Schulze, die mit dem Handy unterwegs sind und jederzeit in Situationen kommen können, wo etwas passiert, was sie dann filmen.”

Vielleicht würde ein ähnliches Verbrechen heute unter der 1414 stattfinden.

Lange wird die Erinnerung an “Gladbeck” und die Selbstreflexion allerdings sowieso nicht vorhalten: am 28. August steht “20 Jahre Ramstein” an.

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Der Westen hält an Sex-Angeboten fest

Fehler macht wirklich jeder mal. Oft ist man auch noch zu betriebsblind, sie wahrzunehmen. Aber dafür gibt es ja immer wieder Menschen, die einen auf den Fehler hinweisen. Nicht, weil sie selber frei von Fehlern wären, sondern gerade weil sie wissen, wie ärgerlich Fehler sind und wie gerne und schnell man sie wiedergutmachen oder korrigieren möchte.

Soweit die Theorie. Kommen wir nun zum Onlinejournalismus: Vor etwa anderthalb Monaten hatte die “WAZ” über eine Pressekonferenz des Ryanair-Chefs Michael O’Leary berichtet und dabei einen Scherz nicht als solchen erkannt (die Älteren werden sich erinnern).

Nicht weiter schlimm, man erkannte den Fehler im Haus als solchen und Katharina Borchert, Chefredakteurin des “WAZ”-Onlineportals derwesten.de) schrieb mir direkt am nächsten Morgen:

Ich warte auf einen Rückruf von Herrn Pott, dann sollte es einen Beitrag im Korrekturblog geben, der auch unter dem Artikel verlinkt wird.

[Herr Pott war der Verfasser des fehlerhaften Artikels – er hatte auf meinen Kontaktversuch gar nicht erst reagiert.]

Das Ganze ist, wie gesagt, etwa anderthalb Monate her und passiert ist seitdem – Sie werden es angesichts des Vorspanns und des versuchten Spannungsaufbaus längst erraten haben – nichts. Der Artikel steht immer noch fröhlich in seiner ursprünglichen Form online und wer heute oder in ein paar Jahren per Suchmaschine oder im Westen-Archiv darauf stößt, wird nach wie vor glauben, eine Fluggesellschaft habe sexuelle Leistungen an Bord anbieten wollen.

Nun fragt man sich natürlich (zumindest tue ich das): Warum tut der Westen nicht, was seine Chefin angekündigt hat? Immerhin musste man ja damit rechnen, dass ich den Artikel im Auge behalte und hier wieder und wieder darauf herumreite.

Eine mögliche Lösung: Es ist ihnen egal. Und zwar nicht nur, was schlecht gelaunte Blogger über sie schreiben, sondern auch, was in ihrem eigenen Portal steht. Das wäre (vor allem der zweite Teil) aus journalistischer Hinsicht fatal. Besonders, wenn man sich extra ein Korrekturblog leistet und ankündigt einen Fehler korrigieren zu wollen.

Eine andere Lösung: Herr Pott hat nie zurückgerufen und deshalb konnte Frau Borchert das alles gar nicht korrigieren (lassen).

Was mich zu einer (irgendwie beunruhigenden) Frage brachte, die ich Katharina Borchert am 23. Juni und am 18. Juli zukommen ließ:

Gehört es zur Redaktionspolitik der “WAZ” bzw. von derwesten.de, Fehler nur im Einvernehmen mit dem Autor eines Artikels zu korrigieren (bzw. eben nicht zu korrigieren, wenn der Autor uneinsichtig ist)?

Ich habe bis heute keine Antwort erhalten.