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Wochenendspaß mit der WAZ (1)

Am Mor­gen (oder, genau­er: Vor­mit­tag) nach der „1Live Kro­ne“ durch­weht den Bochu­mer Haupt­bahn­hof immer ein ent­fern­ter Hauch von Jet­set und Gla­mour: Musik­in­dus­trie­mit­ar­bei­ter, leicht zu erken­nen an der Kom­bi­na­ti­on „Jog­ging­an­zu­g/­Lou­is-Vuit­ton-Weeken­der“ und der Base­ball­kap­pe auf dem Kopf, war­ten auf ihre Züge, die sie zurück nach Ham­burg, Ber­lin oder … äh, ja: nach Ham­burg oder Ber­lin brin­gen.

Ich habe ges­tern kurz den Schluss der Ver­an­stal­tung im WDR Fern­se­hen gese­hen und bekam das woh­li­ge Gefühl, es mir gera­de exakt in dem Lebens­ab­schnitt bequem machen zu kön­nen, wo ich 90% der dort ver­tre­te­nen Leu­te nicht mehr bzw. noch nicht ken­nen muss.

Das bringt aber auch gewis­se Schwie­rig­kei­ten mit sich, wenn man sich über Ver­lauf und Aus­gang der Ver­an­stal­tung bei WAZ.de (ehe­mals Der Wes­ten) infor­mie­ren will.

Oder kön­nen Sie mir sagen, wie vie­le Per­so­nen die fol­gen­de Auf­zäh­lung umfasst?

Mark Fos­ter, Sil­ber­mond, die Kat­ze, Danie­la Kat­zen­ber­ger mit ihrem Mann, Felix Jaehn, die Rap­per von Bonez MC & Raf Camo­ra.

Mei­ne Lieb­lings­stel­le in dem Arti­kel, die bei mir wil­des­tes Kopf­ki­no aus­ge­löst hat, ist aber die­se hier:

Nach dem Ende der Ver­an­stal­tung aber hat [Ober­bür­ger­meis­ter Tho­mas Eis­kirch (SPD)] dann ein ande­res Pro­blem. Er müss­te drin­gend auf die Toi­let­te, die Hal­le füllt sich nur lang­sam.

Und wo wir ein­mal auf der „Bochum“-Seite von WAZ.de sind, möch­te ich Ihnen noch zwei wei­te­re aktu­el­le High­lights mit an die Hand geben: Die­se Bil­der­ga­le­rie, die beweist, dass man im Ruhr­ge­biet wirk­lich zu fei­ern weiß (und zwar alles), und die­sen Blau­licht­mel­dung über einen Mann, der mit 2,8 Pro­mil­le im Blut einen Not­arzt­wa­gen in Wat­ten­scheid mit But­ter bewor­fen hat­te, weil ihn des­sen Mar­tins­horn stör­te.

So weit, so nor­mal. Spek­ta­ku­lär wird die Mel­dung durch die­sen Satz:

Spon­tan ent­riss der 46-Jäh­ri­ge sei­ner eben­falls betrun­ke­nen Beglei­te­rin zwei Päck­chen But­ter, wie die Poli­zei berich­te­te.

Laut Pres­se­mit­tei­lung der Poli­zei Bochum waren es übri­gens sogar „zwei zuvor gekauf­te Pake­te But­ter und ein Kunst­stoff­teil, das aus einer Bau­stel­len­ab­sper­rung stamm­te“.

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Tränen lügen nicht

In Bochum begin­nen sie nun nach lan­gem Hin und Her end­lich mit dem Bau des Musik­zen­trums. Nach­dem ein (wie üblich viel zu spä­tes) Bür­ger­be­geh­ren dage­gen ver­gan­ge­ne Woche spek­ta­ku­lär geschei­tert war, wur­den am Mon­tag die ers­ten Bäu­me am Bau­platz in der Innen­stadt gefällt.

Wenn man dem „Wes­ten“ glau­ben darf, war es eine extrem feucht-trau­ri­ge Ver­an­stal­tung:

Bochum. Tränen flossen, als zu Wochenbeginn die Platanen an der Marienkirche fielen. Für die Urbanatix-Familie markiert die umstrittene Fällung den Abschied von ihrer Trainingsstätte. Und neue Probenräume sind derzeit nicht in Sicht. Tränen flossen, als zu Wochenbeginn die Platanen an der Marienkirche fielen. Tränen flossen, als zu Wochenbeginn die Platanen an der Marienkirche fielen. Für die Urbanatix-Familie markiert die umstrittene Fällung den Abschied von ihrer Trainingsstätte. Und neue Probenräume sind derzeit nicht in Sicht.

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Alles aus Liebe

Stop the press!

Die Toten Hosen haben die Track­list ihres neu­en Albums „Bal­last der Repu­blik“ ver­öf­fent­licht und dabei kam raus: Lied Nr. 14 wird „Ober­hau­sen“ hei­ßen.

Ein gefun­de­nes Fres­sen ((Ich hät­te gewet­tet, dass es ein Hosen-Lied oder ‑Album namens „Gefun­de­nes Fres­sen“ gibt, das scheint aber nicht der Fall zu sein.)) für die Lokal­me­di­en: „Bild“ brach­te heu­te einen klei­nen Arti­kel über den „noch gehei­men“ Song, aber das ist nichts im Ver­gleich zu dem, was die „WAZ“ ges­tern in Ober­hau­sen ver­an­stal­tet hat.

Wenn Anfang Mai die neue CD „Bal­last der Repu­blik“ der Düs­sel­dor­fer Punk-Rocker „Die Toten Hosen“ erscheint, ist das Revier offen­bar dabei: Ein Song trägt den Titel „Ober­hau­sen“ – über den Inhalt wird noch gerät­selt.

Das mit dem Rät­seln ist durch­aus wört­lich zu ver­ste­hen – und der Ort die­ses Rät­selns ist die „WAZ“. Man kann den Redak­teu­ren aller­dings nicht vor­wer­fen, da nur selbst in der Tee­kü­che drü­ber gegrü­belt zu haben:

Selbst sze­ne­kun­di­ge Musi­ker zeig­ten sich davon völ­lig über­rascht.

Für­wahr: Die „WAZ“ hat kei­ne Kos­ten und Mühen gescheut und so ziem­lich alles, was in der loka­len Musik­sze­ne Rang und Namen hat, mit dem The­ma behel­ligt.

„Das ist eine Rie­sen­über­ra­schung“, sagt etwa Kevin Kerndl von der hie­si­gen Musik­ver­ei­ni­gung „RockO“. Auch wenn der blan­ke Song­text für den Orga­ni­sa­tor des Fes­ti­vals „Olgas Rock“ ange­sichts des Album­ti­tels „Bal­last der Repu­blik“ zunächst eher nega­tiv wirkt. „Da muss man abwar­ten, aber das wird für die hie­si­ge Musik­sze­ne auf jeden Fall inter­es­sant.“

(Las­sen Sie sich nicht ver­wir­ren: Mit dem „blan­ken Song­text“ ist nicht etwa der … äh: Song­text gemeint, der ist ja – wir erin­nern uns – immer noch unbe­kannt.)

Tim Klein­rensing von der Punk­band Son­daschu­le erklärt:

„Ich könn­te mir vor­stel­len, dass dies im Geis­te des Punk-Rocks ein Lob­ge­sang auf die Stadt mit der höchs­ten Ver­schul­dung wird.“

Und:

„Iro­nie ist im Gen­re nicht sel­ten – da kann alles kom­men!“

Na, dann kann die „WAZ“ ja auch ihre Asso­zia­ti­ons­ma­schi­ne anschmei­ßen:

Ober­hau­sen und die „Toten Hosen“ – die Ver­bin­dung ist nicht aus der Luft gegrif­fen: Die Band hat meh­re­re gro­ße Auf­trit­te in der Are­na gespielt – und die Hal­le unlängst zu einem ihrer Lieb­lings­plät­ze geadelt. Zuvor absol­vier­ten die Düs­sel­dor­fer im Ster­k­ra­der „Old Dad­dy“ in den frü­hen 80er Jah­ren die ers­ten Kon­zer­te ihrer Kar­rie­re über­haupt.

Und über­haupt:

Fragt man auf der Stra­ße nach, ver­mu­ten die Ober­hau­se­ner hin­ter dem Hosen-Song gar ein Cover des wohl bekann­tes­ten Ober­hau­sen-Lie­des: der Miss­fits.

Ja, ich hab an der Stel­le auch kurz gedacht, wann zum Hen­ker Glenn Dan­zig oder einer von den ande­ren jemals über Ober­hau­sen gesun­gen haben soll. Es stell­te sich dann aber raus, dass das auch kein Schreib­feh­ler war und tat­säch­lich das regio­nal bekann­te Frau­en­ka­ba­rett-Duo „Miss­fits“ gemeint war.

Und weil Lokal­po­li­ti­ker natür­lich jede Chan­ce wahr­neh­men, ihren Namen in der Zei­tung lesen zu kön­nen, ((Außer natür­lich, es geht mal um was Wich­ti­ges.)) hat auch der Ober­bür­ger­meis­ter der „WAZ“ auf Anfra­ge nicht erklärt, da müs­se man doch erst mal abwar­ten, da kön­ne man noch nichts sagen und über­haupt sei das nicht sei­ne Auf­ga­be, son­dern:

OB Klaus Weh­ling möch­te von „tote Hose“ in Ober­hau­sen natür­lich nichts wis­sen, will sich das Lied aber trotz­dem anhö­ren. „Das gehört doch zum Pflich­ten­heft eines Ober­bür­ger­meis­ters.“ Auch wenn Weh­ling gesteht: „Die gesam­te CD wird es wohl nicht wer­den.“

Jetzt wis­sen die „WAZ“-Leser in Ober­hau­sen (geschätz­tes Durch­schnitts­al­ter: 55) also, dass die Toten Hosen ein Lied über ihre Stadt geschrie­ben haben. Also: mut­maß­lich. Viel­leicht geht’s auch um was ganz ande­res, man weiß es ja noch nicht. Aber wenigs­tens, man hat schon mal ’ne Sei­te damit gefüllt.

Wei­te­re Titel von „Bal­last der Repu­blik“ sind übri­gens „Trau­rig einen Som­mer lang“, „Altes Fie­ber“, „Euro­pa“, „Drau­ßen vor der Tür“ und „Vogel­frei“. Was man da bis zur Ver­öf­fent­li­chung am 4. Mai noch für Arti­kel drü­ber schrei­ben kann!

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Apropos kafkaesk

Drei Fragen an: Honke RambowDa staun­te Hon­ke Ram­bow, Spre­cher des Bochu­mer Off-Thea­ters Rott­str 5 Thea­ter, nicht schlecht, als er heu­te die Lokal­aus­ga­be der „West­deut­schen All­ge­mei­nen Zei­tung“ auf­schlug!

Ver­zei­hung, da ist mir der Ein­stieg jetzt doch eine Spur zu lokal­jour­na­lis­tisch gera­ten! Hon­ke Ram­bow muss aber tat­säch­lich erstaunt gewe­sen sein, als er in der „WAZ“ ein Kurz­in­ter­view mit sich selbst las – hat­te er der Zei­tung doch gar kei­nes gege­ben.

Er schreibt mir:

Merk­wür­dig dar­an ist, dass die Per­son auf dem Foto ich bin, ich aber nicht mit dem Autor kom­mu­ni­ziert habe, weder tele­fo­nisch, noch per mail.

Er habe ihm ledig­lich im Auf­trag der Fil­me­ma­cher eine Pres­se­mit­tei­lung zuge­sandt – in der dann ziem­lich genau all das steht, was der „WAZ“-Rambow auf die „WAZ“-Fragen ant­wor­tet. Ledig­lich ein paar Recht­schreib­feh­ler habe der zustän­di­ge Redak­teur in den Text ein­ge­baut:

Pres­se­mit­tei­lung
„Inter­view“ in der „WAZ“
Noch nie wur­de ein Text des indisch-bri­ti­schen Autors Sal­man Rush­die ver­filmt. Schon die­se Tat­sa­che macht den Kurz­film DER GOLDENE ZWEIG von Dreh­buch­au­tor und Regis­seur Mat­thi­as Zucker bemer­kens­wert. Noch nie wur­de ein Text des indisch-bri­ti­schen Autors Sal­man Rush­die ver­filmt. Schon die­se Tat­sa­che macht den Kurz­film „Der gol­de­ne Zweig“ beson­ders. Was sind des­sen Bochu­mer Bezü­ge?
Ent­stan­den ist der 25minütige Film als Diplom­ar­beit des Kame­ra­man­nes Eti­en­ne Kor­dys. Pro­du­ziert wur­de er von der Bochu­mer Pro­duk­ti­ons­fir­ma roug­harts mit Unter­stüt­zung der Film und Medi­en Stif­tung NRW und der Fach­hoch­schu­le Dort­mund. Die Dreh­ar­bei­ten fan­den in Dort­mund, Bochum und Essen statt. Ram­bow: Ent­stan­den ist der 25minütige Film des Dreh­buch­au­tos und Regis­seurs Mat­thi­as Zucker als Diplom­ar­beit des Kame­ra­man­nes Eti­en­ne Kor­dys. Pro­du­ziert wur­de er von der BO-Pro­duk­ti­ons­fir­ma Rough Arts, wobei die Dreh­ar­bei­ten in Dort­mund, Bochum und Essen statt­fan­den, unter Betei­li­gung vie­le Bochu­mer Schau­spie­ler wie Roland Rie­be­l­ing, Arne Nobel, Kat­ja Uffel­mann, Andre­as Bittl, Mag­da­le­na Hel­mig oder Mar­tin Bret­schnei­der.
  Wor­um geht es?
DER GOLDENE ZWEIG erzählt nach der gleich­na­mi­gen Short­sto­ry Rush­dies die Geschich­te von David Gular­ski, der ver­zwei­felt einen neu­en Job sucht. Nach mona­te­lan­ger erfolg­lo­ser Suche, wird ihm klar, dass alle Bewer­bungs­ge­sprä­che stets von der glei­chen Per­son geführt wer­den, die offen­sicht­lich nur dazu da ist ihn abzu­leh­nen. Gular­ski ent­schei­det, dass nur noch dras­ti­sche Maß­nah­men hel­fen kön­nen. In der Kurz­ge­schich­te „Der gol­de­ne Zweig“ erzählt Rush­die von David Gular­ski, der einen Job sucht. Nach mona­te­lan­ger erfolg­lo­ser Suche, wird ihm klar, dass alle Bewer­bungs­ge­sprä­che stets von der glei­chen Per­son geführt wer­den, die offen­sicht­lich nur dazu da ist, ihn abzu­leh­nen. Gular­ski ent­schei­det, dass nur noch dras­ti­sche Maß­nah­men hel­fen…
Die Dar­stel­ler die­ser durch­aus kaf­ka­es­ken Sto­ry sind über­wie­gend als Schau­spie­ler der Bochu­mer Thea­ter­sze­ne bekannt und spie­len oder spiel­ten sowohl am Schau­spiel­haus Bochum wie auch am Rottstr5Theater und am Prinz Regent Thea­ter. Allen vor­an Alex­an­der Rit­ter, der die Haupt­rol­le über­nom­men hat. Neben ihm sind unter ande­ren Roland Rie­be­l­ing, Arne Nobel, Kat­ja Uffel­mann, Andre­as Bittl, Mag­da­le­na Hel­mig und Mar­tin Bret­schnei­der zu sehen. Aus Film- und Fern­seh­pro­duk­tio­nen wie „Groß­stadt­re­vier“ und „SOKO Köln“ ist Diet­rich Adam bekannt, Timur Isik spiel­te im Ensem­ble des Münch­ner Volks­thea­ters sowie Kino- und Fern­seh­pro­duk­tio­nen. Die Dar­stel­ler die­ser durch­aus kaf­ka­es­ken Sto­ry sind durch ihre Arbeit am Schau­spiel­haus, am Thea­ter Rott­stra­ße 5 und am Prinz Regent Thea­ter bekannt. Allen vor­an Alex­an­der Rit­ter in der Haupt­rol­le.
  Wann läuft der Film an?
DER GOLDENE ZWEIG
Pre­mie­re Sonn­tag, 22.4., 12 Uhr Metro­po­lis Kino Bochum, Kurt-Schu­ma­cher-Platz 1

Der Vor­ver­kauf beginnt am 1.4.

Pre­mie­re ist am Sonn­tag, 22. April, um 12 Uhr im Metro­po­lis Kino im Haupt­bahn­hof. Der Vor­ver­kauf star­tet am 1. April.

Ram­bow erklärt wei­ter, dass er das abge­druck­te Foto tat­säch­lich mal der WAZ zur Ver­fü­gung gestellt habe, „aller­dings in einem völ­lig ande­ren Zusam­men­hang“.

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Siehste!

Hin­ter­her hat man es ja sowie­so immer gewusst. Im Nach­hin­ein ist jedem klar, dass es die rich­ti­ge Ent­schei­dung gewe­sen war, die Love­pa­ra­de 2009 in Bochum abzu­sa­gen. Aber was haben wir damals auf den Stadt­obe­ren rum­ge­hackt …

Gut, die Art und Wei­se der Absa­ge war pein­lich gewe­sen: Nach Mona­ten plötz­lich fest­zu­stel­len, dass die Stadt dann doch irgend­wie zu klein ist, deu­te­te ent­we­der auf erstaun­lich schwa­che Orts­kennt­nis­se hin – oder auf einen besorg­nis­er­re­gen­den „Das muss doch irgend­wie zu schaf­fen sein“-Aktionismus, der die Augen vor der Rea­li­tät ver­schließt. Letzt­lich haben sie es in Bochum noch gemerkt, die Schuld an der Absa­ge der Deut­schen Bahn in die Schu­he gescho­ben und Häme und Spott ein­fach aus­ge­ses­sen. Dass der dama­li­ge Poli­zei­prä­si­dent, der sich laut­stark gegen die Durch­füh­rung der Love­pa­ra­de aus­ge­spro­chen hat­te, neun Mona­te spä­ter in den vor­zei­ti­gen Ruhe­stand ver­setzt wur­de, hat­te ja ganz ande­re Grün­de.

Erstaun­lich aber: Von der Sicher­heit war in all den Arti­keln, Kom­men­ta­ren und Pres­se­mit­tei­lun­gen kaum die Rede. Das kam nur am Ran­de zur Spra­che:

Ganz ande­re Risi­ken bewe­gen Mar­tin Jan­sen. Dem Lei­ten­den Poli­zei­di­rek­tor wäre die Rol­le zuge­fal­len, den wohl größ­ten Poli­zei­ein­satz aller Zei­ten in Bochum zu koor­di­nie­ren. „Wir hät­ten die Love­pa­ra­de nur unter Zurück­stel­lung erheb­li­cher Sicher­heits­be­den­ken ver­tre­ten.“ Knack­punkt ist nach sei­ner Ein­schät­zung der Bochu­mer Haupt­bahn­hof.

Aber um die Sicher­heit der zu erwar­ten­den Men­schen­mas­sen ging es auch im Vor­feld der Duis­bur­ger Love­pa­ra­de öffent­lich nie, immer nur um die Kos­ten:

Fritz Pleit­gen, Vor­sit­zen­der und Geschäfts­füh­rer der Ruhr.2010, beob­ach­tet mit gro­ßer Sor­ge, wie sehr die Aus­wir­kun­gen der Finanz­kri­se den Städ­ten der Metro­po­le Ruhr zu schaf­fen machen. Beson­ders prä­gnant sei das aktu­el­le Bei­spiel Love­pa­ra­de in Duis­burg. „Hier müs­sen alle Anstren­gun­gen unter­nom­men wer­den, um die­ses Fest der Sze­ne­kul­tur mit sei­ner inter­na­tio­na­len Strahl­kraft auf die Bei­ne zu stel­len.“

Dabei hät­te das Argu­ment „Men­schen­le­ben“ bestimmt auch Dampf­plau­de­rer wie Prof. Die­ter Gor­ny beein­dru­cken kön­nen, der im Janu­ar mal wie­der das tat, was er am Bes­ten kann, und groß tön­te:

„Man muss sich an einen Tisch setz­ten und den Wil­len bekun­den, die Love­pa­ra­de durch­zu­füh­ren, statt klein bei­zu­ge­ben.“ Die Poli­tik müs­se sich dahin­ge­hend erklä­ren, dass sie sagt: „Wir wol­len die Ver­an­stal­tung und alle Kraft ein­set­zen, sie zu ret­ten!“

Gor­ny, der sonst kei­nen öffent­li­chen Auf­tritt aus­lässt, hat sich seit Sams­tag­nach­mit­tag zurück­ge­zo­gen. Er sei „schwer erschüt­tert“, erklär­te die Ruhr.2010 auf Anfra­ge, und füg­te hin­zu:

Wir haben beschlos­sen, dass für die Kul­tur­haupt­stadt aus­schließ­lich Fritz Pleit­gen als Vor­sit­zen­der der Geschäfts­füh­rung spricht und bit­ten, dies zu respek­tie­ren.

Aber es gibt ja immer noch die Jour­na­lis­ten, die sich spä­tes­tens seit der denk­wür­di­gen Pres­se­kon­fe­renz am Sonn­tag­mit­tag als Ermitt­ler, Anklä­ger und Rich­ter sehen. Und als Sach­ver­stän­di­ge:

„We were the only news­pa­per that said: ‚No. Stop it. The city is not pre­pared. We will not be able to cope with all the­se peo­p­le,“

lässt sich Götz Mid­del­dorf von der „Neu­en Ruhr Zei­tung“ in der „New York Times“ zitie­ren.

Bei „Der Wes­ten“ for­der­te Mid­del­dorf bereits am Sonn­tag laut­stark den Rück­tritt von Ober­bür­ger­meis­ter Sau­er­land und kom­men­tier­te:

Auf die Fra­ge der NRZ, ob man nicht gese­hen habe, dass Duis­burg nicht geig­net ist für die Love­pa­ra­de ging der OB nicht ein, sprach von „Unter­stel­lung“ und wies mög­li­ches Mit­ver­schul­den der Stadt zurück.

Ich habe mich lan­ge durch alte Arti­kel gewühlt, aber nichts der­glei­chen gefun­den. Da das auch an der unfass­bar unüber­sicht­li­chen Archiv­su­che bei „Der Wes­ten“ lie­gen kann, habe ich Herrn Mid­del­dorf gefragt, nach wel­chen Arti­keln ich Aus­schau hal­ten soll­te. Eine Ant­wort habe ich bis­her nicht erhal­ten.

Wie kri­tisch die Duis­bur­ger Pres­se war, kann man zum Bei­spiel an Pas­sa­gen wie die­ser able­sen:

Die Orga­ni­sa­to­ren gaben sich am Diens­tag aller­dings sehr opti­mis­tisch, dass es kein Cha­os geben wer­de. „Die eine Mil­li­on Besu­cher wird ja nicht auf ein­mal, son­dern über den Tag ver­teilt kom­men“, so Rabe. Es sei zwar nicht aus­zu­schlie­ßen, dass der Zugang wäh­rend der zehn­stün­di­gen Ver­an­stal­tung kurz­zei­tig gesperrt wer­den müs­se, aber der­zeit gehe man nicht davon aus. Und wenn der Fall doch ein­tre­te, „dann haben wir ganz unter­schied­li­che Maß­nah­men, mit denen wir das pro­blem­los steu­ern kön­nen“, ver­spricht der Sicher­heits­de­zer­nent – bei den Details woll­te er sich nicht in die Kar­ten schau­en las­sen.

(Kri­tisch ist da der letz­te Halb­satz, neh­me ich an.)

Arti­kel wie der Kom­men­tar „Die Love­pa­ra­de als Glücks­fall“ vom 23. Juli oder die groß­spu­ri­gen Über­trei­bun­gen von Ord­nungs­de­zer­nent Rabe und Ver­an­stal­ter Lopa­vent die Kapa­zi­tät des Fes­ti­val­ge­län­des betref­fend sind plötz­lich off­line – „Tech­nik­pro­ble­me“, wie mir der Pres­se­spre­cher der WAZ-Grup­pe bereits am Diens­tag erklär­te.

Den (vor­läu­fi­gen) Gip­fel des Irr­sinns erklomm aber Rolf Hart­mann, stell­ver­tre­ten­der Redak­ti­ons­lei­ter der „WAZ“ Bochum. Anders als sei­ne Kol­le­gen, die sich hin­ter­her als akti­ve Mah­ner und War­ner sahen, schaff­te es Hart­mann in sei­nem Kom­men­tar am Diens­tag, völ­lig hin­ter dem The­ma zu ver­schwin­den:

Mei­ne Güte, war man Anfang 2009 über OB & Co her­ge­fal­len, als die Stadt Bochum die Love­pa­ra­de 2009 in Bochum absag­te.

„Man.“

Nach­trag, 1. August: Ste­fan Nig­ge­mei­er hat in der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung“ über das glei­che The­ma geschrie­ben.

Ihm hat Götz Mid­del­dorf auch geant­wor­tet:

Auf Nach­fra­ge räumt Mid­del­dorf ein, dass Sicher­heits­be­den­ken nicht das The­ma waren. „Wir waren immer gegen die Love­pa­ra­de, aber aus ande­ren Grün­den.“ Dann muss die „Inter­na­tio­nal Herald Tri­bu­ne“ ihn mit sei­nem Lob für die eige­ne, ein­zig­ar­ti­ge Weit­sich­tig­keit wohl falsch ver­stan­den haben? „Das ver­mu­te ich mal“, ant­wor­tet Mid­del­dorf. „Das ist nicht ganz rich­tig.“ Er klingt nicht zer­knirscht.

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Wohlfaile Empörung

Ich hab mir heu­te nach fast sechs Jah­ren in Bochum zum ers­ten Mal eine „WAZ“ gekauft – für einen Arti­kel im BILD­blog über das Koma-Sau­fen, zu dem die Jun­ge Uni­on hier in der Stadt angeb­lich ein­lädt.

Ich weiß nicht, was ich von einer Par­ty hal­ten soll, bei der man für 10 Euro Ein­tritt 25 Euro ver­trin­ken kann, so dass die rot-grü­nen Shots, die „weg müs­sen“, im End­ef­fekt weni­ger als einen Euro kos­ten. Aber ich wür­de auch noch viel weni­ger ins Playa gehen, als ich CDU wäh­len wür­de.

Was ich weiß, ist, dass die gan­ze Auf­re­gung um die­se Par­ty irgend­wie typisch war: Beim „Wes­ten“ steht, die Gut­schei­ne müss­ten in andert­halb Stun­den ver­trun­ken wer­den, und kurz dar­auf steht es so in vie­len Blogs und mehr als 300 Leu­te twit­ter­ten, dass die Jun­ge Uni­on …

Auch ich hat­te den Link zum „Wes­ten“ für eine Minu­te in mei­nen deli­cious-Links, ehe mir bei den dor­ti­gen Track­backs der Link zu Way­nes Blog auf­fiel, in dem die­ser der „WAZ“ schlech­ten Jour­na­lis­mus vor­warf.

Ob die Jun­ge Uni­on mög­li­cher­wei­se erst nach Erschei­nen des Arti­kels beim „Wes­ten“ auf ihrer Web­site klar­ge­stellt hat, „dass der Gut­schein zwar bis 23:30 an der Kas­se erwor­ben wer­den muss aber die gan­ze Nacht genutzt wer­den darf“, ist eigent­lich uner­heb­lich – die Blog­ger, die sich auf die Sto­ry stürz­ten, hät­ten wenigs­tens den Ver­such unter­neh­men müs­sen, bei der Jun­gen Uni­on nach Infor­ma­tio­nen zu suchen. (Ich natür­lich auch, bevor ich den Link gespei­chert habe. Ganz beson­ders, wenn die Quel­le „WAZ Bochum“ heißt.)

Es kann doch nicht sein, dass wir immer wie­der die Infor­ma­tio­nen loben, die im Inter­net für jeden über­all und frei ver­füg­bar sind, und dann nicht mal drei Minu­ten dar­auf ver­wen­den, bei einer sol­chen Geschich­te auch die Gegen­sei­te abzu­che­cken. Statt­des­sen wird der Link blind­lings bei Twit­ter wei­ter­ver­brei­tet – natür­lich nicht, ohne ihn vor­her nicht noch mit „#fail“, „#cdu-“ und „#pira­ten+“ (aus Prin­zip!) ver­se­hen zu haben.

Natür­lich traue auch ich den Par­tei­en (und zwar allen) im Wahl­kampf so ziem­lich alles zu. Aber es spricht trotz­dem nicht für die Medi­en­kom­pe­tenz von Inter­net-Power­usern, wenn sie blind auf eine Geschich­te ansprin­gen, die ihnen zufäl­li­ger­wei­se ins Welt­bild passt. Im Gegen­teil: In sol­chen Momen­ten sind wir kei­nen Deut auf­ge­klär­ter als der alte Mann, der seit 60 Jah­ren immer die glei­che Par­tei wählt.

Nach­trag, 22:50 Uhr: Wie hat­te ich nur „BO-Alter­na­tiv“, das loka­le „Indymedia“-Pendant ver­ges­sen kön­nen? Dort sorg­te die Jun­ge Uni­on schon ges­tern Nach­mit­tag „mal wie­der für einen Skan­dal“.

Ande­rer­seits hat­te man sich dort die Mühe gemacht, bei der CDU-Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on selbst nach­zu­fra­gen:

Der Pres­se­spre­cher der JU Tors­ten Bade hält das alles für ein Miss­ver­ständ­nis: Die Gäs­te könn­ten län­ger trin­ken und für jugend­li­che Dis­ko-Besu­che­rIn­nen sei das ein ganz nor­ma­les Ange­bot. Er räum­te aber auch ein, dass es schon meh­re­re Anru­fe wegen der Geschich­te gege­ben habe und eini­ge Pla­ka­te auch wie­der abge­hängt wor­den sei­en.

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Klickbefehl (16)

In einer rie­si­gen Bei­trags­se­rie, die mich mit­un­ter an Beses­sen­heit glau­ben lässt, doku­men­tiert Jens vom Pott­blog die „Umstruk­tu­rie­rung“ des WAZ-Kon­zerns, was im Wesent­li­chen heißt: Eigen­stän­dig­keit der ein­zel­nen Titel auf­ge­ben, Leu­te ent­las­sen und völ­lig den Bezug zur Rea­li­tät ver­lie­ren. (In der letz­ten Dis­zi­plin sind WAZ-Chef­re­dak­teur Ulrich Reitz und WAZ-Grup­pen-Geschäfts­füh­rer Bodo Hom­bach beson­ders gut, denn sie waren frü­her bei der „Rhei­ni­schen Post“ bzw. im Kabi­nett Schrö­der.)

Gera­de hat er den Brief eines anony­men WAZ-Mit­ar­bei­ters ver­öf­fent­licht, in dem die­ser (oder die­se) sich über die letz­te Betriebs­ver­samm­lung aus­lässt und sehr schlüs­sig erklärt, war­um die Lokal­tei­le (die ja das eigent­lich bzw. ein­zig Inter­es­san­te an den WAZ-Titeln sind) so schlecht sind, wie sie sind: Zu wenig Per­so­nal, zu vie­le Anfor­de­run­gen gleich­zei­tig, Kon­zen­tra­ti­on auf ande­re Sachen (wie den Man­tel­teil und derwesten.de).

Es ist ein wüten­des, aber nichts­des­to­trotz sehr lesens­wer­tes Doku­ment, das sicher kei­ne allei­ni­ge Erklä­rung für das Zei­tungs­ster­ben ist, aber sehr schön auf­zeigt, wie weit sich Chefs von ihren Ange­stell­ten ent­fer­nen kön­nen.

„WAZ-Betriebs­ver­samm­lung: Was für eine Schei­ße!“ im Pott­blog

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Alltägliche, aber allerliebste Alliterationen

Viel­leicht muss ich dem­nächst noch ein Toch­ter­blog auf­ma­chen: das für schö­ne Über­schrif­ten.

Nach­dem die Lokal­re­dak­teu­re aus Dins­la­ken letz­te Woche gut vor­ge­legt hat­ten, woll­ten die Zei­tungs­ma­cher einer ande­ren Stadt nicht hint­an­ste­hen:

Bald blühen bunte Blumen

Wo man der­art lieb­li­che Stab­rei­me mit „B“ aus dem Ärmel schüt­telt?

Na, in Bochum natür­lich!

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Ich bin nur zugezogen, holt mich hier raus!

Die pein­li­che Absa­ge der Love­pa­ra­de, die die­ses Jahr eigent­lich in Bochum statt­fin­den soll­te, bestimmt in den letz­ten Tagen die Lokal­pres­se:

Nein, von einem Image­scha­den kön­ne kei­ne Rede sein, gab Stadt­rat Paul Aschen­bren­ner (SPD) zu Pro­to­koll. „Weil wir eine ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te Ent­schei­dung getrof­fen haben.“

(„Ruhr­nach­rich­ten“)

Gut, dass Bochum kein Image hat, was zu Scha­den kom­men könn­te. Und wen inter­es­sie­ren schon jun­ge Men­schen, die Krach hören und Rausch­gift kon­su­mie­ren?

Die SPD jeden­falls nicht:

So hat­te etwa der SPD-Orts­ver­ein Bochum-Ham­me, der schon Wolf­gang Cle­ment poli­tisch weit­ge­hend über die Klin­ge sprin­gen ließ, einen Antrag für den Rat vor­be­rei­tet, wegen dro­hen­der Ver­mül­lung der Anlie­ger­stra­ßen vom Raver-Tanz­ver­gnü­gen ganz abzu­las­sen.

In dem Antrag vom 31. Juli 2008 heißt es wört­lich: „Der SPD-Orts­ver­ein Bochum-Ham­me sieht in der Aus­rich­tung der Love­pa­ra­de 2009 in Bochum kei­nen kul­tu­rel­len bzw. nach­hal­ti­gen Bei­trag zur Ver­bes­se­rung des Images des Ruhr­ge­bie­tes bzw. für das Kul­tur­haupt­stadt­jahr 2010. Die im Rah­men der Orga­ni­sa­ti­on ent­ste­hen­den Kos­ten und Nach­fol­ge­schä­den ste­hen in kei­nem Ver­hält­nis zum Nut­zen die­ser Ver­an­stal­tung und sind öffent­lich nicht ver­tret­bar.” Bochum sol­le des­halb die Ver­an­stal­tung zurück­ge­ben.

(„WAZ“)

Aber die sehr end­li­che Kom­pe­tenz der SPD mani­fes­tiert sich bis ins kleins­te Detail:

Im Som­mer 2008 ver­ab­schie­de­te der Orts­ver­ein den Antrag an den Rat, die Love­pa­ra­de in Bochum abzu­bla­sen, wegen Gefahr der Ver­mül­lung und ande­rer Schä­den. Zwar wur­de der Antrag nie abge­schickt, doch in den SPD-Gre­mi­en wie Rats­frak­ti­on und Unter­be­zirks­par­tei­tag sicker­te die Ableh­nung gleich­wohl durch.

(Noch mal die „WAZ“)

Ent­spre­chend gut lässt sich die­ser Eier­tanz kom­men­tie­ren:

Wie eine Nach­ge­burt kom­men nun Ein­schät­zun­gen zu Tage, die dar­auf hin­wei­sen, dass die Macher der Bochu­mer Poli­tik mit der Love­pa­ra­de wenig am Hut hat­ten. Statt­des­sen ging die Sor­ge um, das The­ma spal­te und kön­ne im Super­wahl­jahr 2009 Wäh­ler­stim­men kos­ten.

Das aller­dings ist nicht von der Hand zu wei­sen. Zu auf­fäl­lig, wie ein­drucks­voll und wort­mäch­tig sich Bochu­mer Poli­ti­ker über Kon­zert­haus­bau, Cross-Bor­der-Deal und Gott und die Welt ver­brei­tet haben, das The­ma Love­pa­ra­de aber fast gänz­lich mie­den. […]

Und dann die Kos­ten: 130 000 Euro allein durch den Ein­satz der Feu­er­wehr und Ret­tungs­diens­te. Ganz zu schwei­gen von hun­der-ten Extrabus­sen. Und der befürch­te­ten Ver­mül­lung. Das wirkt doch sehr wie ein run­des bestell­tes Gut­ach­ten. Von Leu­ten, die nicht wirk­lich wol­len.

(Kom­men­tar in der „WAZ“)

Ins­ge­heim dürf­ten spä­tes­tens seit dem Erfolg der Love­pa­ra­de in Essen klar gewe­sen sein: Bochum ist dem nicht gewach­sen. Da das nie­mand sagen will, fehl­te nur ein Grund für die Absa­ge.

Zum Glück gibt es die Gleis­bau­ar­bei­ten der Bahn.

(Kom­men­tar in den „Ruhr Nach­rich­ten“)

Der publi­zis­ti­sche Todes­stoß kam aller­dings aus der alten Hei­mat der Love­pa­ra­de. Ein Pro­vinz­por­trät in zwei­ein­halb Sät­zen:

Her­bert Grö­ne­mey­er hat Bochum groß gemacht, aber nicht groß genug. Die Love­pa­ra­de – Älte­re wer­den sich erin­nern – kann dort in die­sem Jahr man­gels Kapa­zi­tät nicht statt­fin­den: Bahn­hof zu klein, Miet­toi­let­ten aus­ge­bucht, zu wenig Papier­kör­be, so etwa.

(„Der Tages­spie­gel“)

Der SPD-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de im Bochu­mer Stadt­rat wird von der „WAZ“ übri­gens wie folgt zitiert:

Es wur­de der Ein­druck erweckt, als wären nur Dep­pen am Werk.

Wie jetzt? „Ein­druck“? „als“?

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Kunst im Alltag: Lokalredaktion Bochum „Überschriften“

Bochum ist mit dem gesam­ten Ruhr­ge­biet Teil der Kul­tur­haupt­stadt 2010. Eine klei­ne Grup­pe von Sprach­akro­ba­ten möch­te sich dar­an mit ihrem Lite­ra­tur­pro­jekt betei­li­gen, das sie „Über­schrif­ten“ nennt.

Ers­te Kost­pro­ben ihres Kön­nens wer­den der­zeit im Kunst­ma­ga­zin „WAZ (Lokal­teil Bochum)“ abge­druckt und sol­len auch hier ange­mes­sen gewür­digt wer­den:

Da gibt es infor­ma­ti­ve Kurz­pro­sa mit ver­stö­ren­den Satz­an­fän­gen, die nur wenig län­ger ist als ein Arti­kel in der Regio­nal­pres­se zum sel­ben The­ma:

Opel plant am Standort Bochum ab 2010 eine Kapazität bis zu 260 000 Wagen pro Jahr:
Aber England baut den neuen Astra-Caravan früher

Es gibt humo­ris­ti­sche Spie­le­rei­en mit Prä­po­si­tio­nen:

Polizisten im Einsatz am Bordell verletzt

Und es gibt (über der Metah­pern- und Ver­glei­che­rei­chen Par­odie auf das jour­na­lis­ti­sche Gen­re des Kom­men­tars) Klein­ode, die in der Tra­di­ti­on der japa­ni­schen Hai­kus ste­hen:

Jacke mit Luft

Hal­ten Sie die Augen offen für wei­te­re Arbei­ten des Künst­ler­kol­lek­tivs „Lokal­re­dak­ti­on Bochum“. Unvor­stell­bar, was pas­sie­ren wür­de, wenn die­se krea­ti­ven Köp­fe auch noch die Mög­lich­kei­ten des Inter­nets für sich ent­deck­ten!

[mehr Kunst im All­tag]

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20 Jahre Totalversagen

Jour­na­lis­ten lie­ben Jubi­lä­en. Im Gegen­satz zu tat­säch­li­chen, tages­ak­tu­el­len Ereig­nis­sen tre­ten die­se nicht über­ra­schend auf, man kann die The­men gründ­lich recher­chie­ren, mit Zeit­zeu­gen spre­chen und das Gesche­hen frei von Affek­ten in sei­nen his­to­ri­schen Kon­text ein­ord­nen. Ich wür­de nicht aus­schlie­ßen, dass die ers­ten Repor­ter am Abend des 11. Sep­tem­ber 2001 began­nen, ihre gro­ße „Ten years after“-Geschichte vor­zu­be­rei­ten.

Die­ser Tage jährt sich das Gei­sel­dra­ma von Glad­beck zum zwan­zigs­ten Mal. Ein im wahrs­ten Wort­sin­ne tra­gi­sches Ereig­nis, bei dem schlicht­weg alles schief ging, was schief gehen konn­te, und das inso­fern in einer Rei­he mit dem Olym­pia-Atten­tat von Mün­chen und der Schley­er-Ent­füh­rung steht. Eine Ver­ket­tung von Uner­fah­ren­heit und Inkom­pe­tenz auf Sei­ten der Behör­den, ein Total­ver­sa­gen der bericht­erstat­ten­den Pres­se.

Ich bin zu jung, um mich an die drei Tage im August 1988 erin­nern zu kön­nen, aber man kennt ja die Bil­der von Sil­ke Bisch­off mit der Pis­to­le an der Schlä­fe und Hans-Jür­gen Rös­ner mit der Pis­to­le zwi­schen den Zäh­nen. Und gera­de das Foto von Sil­ke Bisch­off macht die gro­ße Erin­ne­rungs­pa­ra­de, die schon seit eini­gen Wochen in den deut­schen Medi­en abge­hal­ten wird, zu einer Grat­wan­de­rung.

Bereits vor einem Monat brach­te „Bild“ im Zuge einer gro­ßen Glad­beck-Serie einen Arti­kel über Sil­ke Bisch­offs Mut­ter, der wie folgt über­schrie­ben war:

20 Jahre nach Gladbeck: Dieses Bild lässt die Mutter der toten Silke nie mehr los

Das Demons­tra­tiv­pro­no­men stand da natür­lich nicht ver­se­hent­lich, denn „die­ses Bild“ war dar­über natür­lich noch ein­mal rie­sen­groß abge­druckt. ((Dass das Foto inzwi­schen aus der Online-Ver­si­on des Arti­kels ent­fernt wur­de, hat wenig zu bedeu­ten – erfah­rungs­ge­mäß hat das bei Bild.de häu­fig mit Bild­rech­ten und sel­ten mit Anstand zu tun.))

Fast ähn­lich bizarr ist der Spa­gat, den die „WAZ“ voll­bringt: auf derwesten.de ist ein Foto von Tätern, Waf­fen und Gei­sel zu sehen, nur weni­ge Zen­ti­me­ter über die­sem Absatz:

Dass es überhaupt dieses Bild gibt: der Täter, die Waffe, die Geisel. Und dann aus dem Off diese Frage, was für eine Frage! "Was fühlen Sie so, mit der Waffe am Hals?" Silke Bischoff guckt fast freundlich über das Mikrofon, es ist ihr bald so nah wie der Revolver. "Gut", sagt sie, sie habe bloß Angst, "dass jemand umgebracht wird oder so".

Da weiß man auch nicht, ob die fol­gen­de Pas­sa­ge Selbst­kri­tik oder Recht­fer­ti­gung sein soll:

Jour­na­lis­ten han­deln statt nur zu beob­ach­ten. Ange­se­he­ne Repor­ter sind unter ihnen, von öffent­lich-recht­li­chen Sen­dern und auch von der WAZ. Oft weiß die Pres­se mehr als die Poli­zei.

Es ist schwie­rig, über die Feh­ler der Pres­se von damals zu berich­ten, in der Pres­se von heu­te. Und es ist schwie­rig, die­se Fotos zu ver­wen­den. Einer­seits gibt es sie, sie sind jour­na­lis­ti­sche Fak­ten, die damals geschaf­fen wur­den und nicht rück­gän­gig gemacht wer­den kön­nen. Ande­rer­seits besteht die Gefahr, mit jedem Wie­der­ab­druck nicht nur das Leid der Ange­hö­ri­gen (s. o.) zu ver­grö­ßern, son­dern auch die Demü­ti­gung der dama­li­gen Opfer zu wie­der­ho­len. Wir haben es natür­lich mit Zeit­do­ku­men­ten zu tun, aber man kann sie heu­te nur zei­gen, weil die Medi­en damals ver­sagt haben. Und so ist es eini­ger­ma­ßen schi­zo­phren, das Medi­en­ver­sa­gen von damals mit genau die­sen Fotos zu bebil­dern.

Wenn man län­ger über die­sen Sach­ver­halt nach­denkt, befin­det man sich plötz­lich tief in einer ethi­schen Grund­satz­dis­kus­si­on. Wozu sind Bil­der wie die von der ver­ängs­tig­ten Sil­ke Bisch­off auf der Rück­bank oder von Hanns Mar­tin Schley­er im durch­ge­schwitz­ten Unter­hemd da? Sol­len sie mah­nen, dass sich das Gezeig­te nicht wie­der­ho­len dür­fe, sol­len sie Mit­leid erzeu­gen oder sol­len sie (aber­mals) die Sen­sa­ti­ons­gier befrie­di­gen? ((Der Fall Schley­er unter­schei­det sich vom Fall Bisch­off inso­fern, als die Ent­füh­rer die Fotos selbst gemacht haben – zum einen, um zu bewei­sen, dass sie Schley­er tat­säch­lich in ihrer Gewalt haben und er noch lebt, zum ande­ren sicher auch, um ihr Opfer zu demü­ti­gen.)) Sol­che Bil­der sind durch ihre stän­di­ge Wie­der­ho­lung irgend­wann mehr als nur die Abbil­dung von Ereig­nis­sen. Sie wer­den zu pop­kul­tu­rel­len Iko­nen, so wie die Ein­schlä­ge der Flug­zeu­ge am 11. Sep­tem­ber 2001, die bereits einen Tag spä­ter als Dau­er­schlei­fe Teil des On-Screen-Designs in den Son­der­sen­dun­gen von RTL waren. Sie waren aber genau genom­men auch nie nur die Abbil­dung von Ereig­nis­sen, gera­de die­se Bil­der waren selbst Teil der Ereig­nis­se.

Auch stellt sich die Fra­ge, ob es „gut“, „schlecht“ oder „egal“ ist, wenn sol­che Bil­der zu Iko­nen wer­den. Ver­mut­lich kommt es da unter ande­rem dar­auf an, ob man sich an die Täter oder an die Opfer erin­nert. Es lau­fen ja ernst­haft immer noch Men­schen mit dem Foto von Charles Man­son auf dem T‑Shirt her­um und Mari­lyn Man­son hat sich ja bewusst nach Mari­lyn Mon­roe und Charles Man­son benannt. Die Band 18 Sum­mers hieß übri­gens lan­ge Jah­re Sil­ke Bisch­off, was man ganz und gar geschmack­los fin­den, aber viel­leicht auch ver­ste­hen kann, wenn Sän­ger Felix Flau­cher erklärt, dass es ihm um das Schick­sal einer Ein­zel­per­son gehe, das viel stär­ker berüh­ren kann als das einer anony­men Men­ge.

Wenn wir als Schü­ler im Geschichts­un­ter­richt Fotos aus den frisch befrei­ten Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern gezeigt beka­men, war die Bot­schaft klar: So etwas darf nie wie­der pas­sie­ren, sorgt gefäl­ligst dafür! Was aber sol­len uns die Fotos von Glad­beck ((„Glad­beck“ ist ja in die­sem Fall auch nur ein ver­ein­fa­chen­des Schlag­wort, Sil­ke Bisch­off wur­de ja in Bre­men als Gei­sel genom­men, die berühmt-berüch­tig­ten Fotos ent­stan­den auf der Dom­plat­te in Köln.)) heu­te sagen? Für Jour­na­lis­ten schwingt da natür­lich ein „nie wie­der“ mit und die – zuge­ge­ben eher theo­re­ti­sche – Fra­ge, wie man sich eigent­lich selbst in einem sol­chen Fall ver­hal­ten wür­de. Aber Jour­na­lis­ten sind eine ziem­li­che Min­der­heit.

Ande­rer­seits rufen Medi­en in Groß­bri­tan­ni­en oder den USA schon län­ger ihre Zuschau­er bzw. Leser dazu auf, sich bei gro­ßen Ereig­nis­sen (also span­nen­den Kata­stro­phen) an der Bericht­erstat­tung zu betei­li­gen. So kam CNN im ver­gan­ge­nen Jahr an einen Teil sei­ner Bil­der vom Amok­lauf in Blacksburg, VA. Udo Röbel, der sich damals als Repor­ter des Köl­ner „Express“ beson­ders unrühm­lich her­vor­tat, als er zu den Tätern ins Auto stieg und sie aus der Stadt lots­te, sagt jetzt in einem sehr lesens­wer­ten Arti­kel der „Süd­deut­schen Zei­tung“:

„Aber was ich schon glau­be, ist, dass wir irgend­wann ein Glad­beck ande­rer Art krie­gen könn­ten. Inzwi­schen tum­meln sich ja Leu­te in der Medi­en­welt, die Jour­na­lis­mus gar nicht gelernt haben. Es gibt Mül­ler, Mei­er, Schul­ze, die mit dem Han­dy unter­wegs sind und jeder­zeit in Situa­tio­nen kom­men kön­nen, wo etwas pas­siert, was sie dann fil­men.“

Viel­leicht wür­de ein ähn­li­ches Ver­bre­chen heu­te unter der 1414 statt­fin­den.

Lan­ge wird die Erin­ne­rung an „Glad­beck“ und die Selbst­re­fle­xi­on aller­dings sowie­so nicht vor­hal­ten: am 28. August steht „20 Jah­re Ram­stein“ an.

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Der Westen hält an Sex-Angeboten fest

Feh­ler macht wirk­lich jeder mal. Oft ist man auch noch zu betriebs­blind, sie wahr­zu­neh­men. Aber dafür gibt es ja immer wie­der Men­schen, die einen auf den Feh­ler hin­wei­sen. Nicht, weil sie sel­ber frei von Feh­lern wären, son­dern gera­de weil sie wis­sen, wie ärger­lich Feh­ler sind und wie ger­ne und schnell man sie wie­der­gut­ma­chen oder kor­ri­gie­ren möch­te.

Soweit die Theo­rie. Kom­men wir nun zum Online­jour­na­lis­mus: Vor etwa andert­halb Mona­ten hat­te die „WAZ“ über eine Pres­se­kon­fe­renz des Ryan­air-Chefs Micha­el O’Lea­ry berich­tet und dabei einen Scherz nicht als sol­chen erkannt (die Älte­ren wer­den sich erin­nern).

Nicht wei­ter schlimm, man erkann­te den Feh­ler im Haus als sol­chen und Katha­ri­na Bor­chert, Chef­re­dak­teu­rin des „WAZ“-Onlineportals derwesten.de) schrieb mir direkt am nächs­ten Mor­gen:

Ich war­te auf einen Rück­ruf von Herrn Pott, dann soll­te es einen Bei­trag im Kor­rek­tur­blog geben, der auch unter dem Arti­kel ver­linkt wird.

[Herr Pott war der Ver­fas­ser des feh­ler­haf­ten Arti­kels – er hat­te auf mei­nen Kon­takt­ver­such gar nicht erst reagiert.]

Das Gan­ze ist, wie gesagt, etwa andert­halb Mona­te her und pas­siert ist seit­dem – Sie wer­den es ange­sichts des Vor­spanns und des ver­such­ten Span­nungs­auf­baus längst erra­ten haben – nichts. Der Arti­kel steht immer noch fröh­lich in sei­ner ursprüng­li­chen Form online und wer heu­te oder in ein paar Jah­ren per Such­ma­schi­ne oder im Wes­ten-Archiv dar­auf stößt, wird nach wie vor glau­ben, eine Flug­ge­sell­schaft habe sexu­el­le Leis­tun­gen an Bord anbie­ten wol­len.

Nun fragt man sich natür­lich (zumin­dest tue ich das): War­um tut der Wes­ten nicht, was sei­ne Che­fin ange­kün­digt hat? Immer­hin muss­te man ja damit rech­nen, dass ich den Arti­kel im Auge behal­te und hier wie­der und wie­der dar­auf her­um­rei­te.

Eine mög­li­che Lösung: Es ist ihnen egal. Und zwar nicht nur, was schlecht gelaun­te Blog­ger über sie schrei­ben, son­dern auch, was in ihrem eige­nen Por­tal steht. Das wäre (vor allem der zwei­te Teil) aus jour­na­lis­ti­scher Hin­sicht fatal. Beson­ders, wenn man sich extra ein Kor­rek­tur­blog leis­tet und ankün­digt einen Feh­ler kor­ri­gie­ren zu wol­len.

Eine ande­re Lösung: Herr Pott hat nie zurück­ge­ru­fen und des­halb konn­te Frau Bor­chert das alles gar nicht kor­ri­gie­ren (las­sen).

Was mich zu einer (irgend­wie beun­ru­hi­gen­den) Fra­ge brach­te, die ich Katha­ri­na Bor­chert am 23. Juni und am 18. Juli zukom­men ließ:

Gehört es zur Redak­ti­ons­po­li­tik der „WAZ“ bzw. von derwesten.de, Feh­ler nur im Ein­ver­neh­men mit dem Autor eines Arti­kels zu kor­ri­gie­ren (bzw. eben nicht zu kor­ri­gie­ren, wenn der Autor unein­sich­tig ist)?

Ich habe bis heu­te kei­ne Ant­wort erhal­ten.