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Furchtbar

Durch Umstände, die diesmal nichts zur Sache tun, bin ich gerade über eine rund zweieinhalb Jahre alte Überschrift auf bunte.de gestolpert:

Kai Wiesinger: "Es ist furchtbar!"

Im Vorspann steht:

Der Tod von Chantal de Freitas im Sommer 2013 war überraschend. Die damals 45-jährige Schauspielerin und getrennt lebende Ehefrau von Kai Wiesinger starb plötzlich und unerwartet. Zurück blieben ihre zwei Töchter – und ein trauernder Kai Wiesinger …

Und das kann man sich ja gut vorstellen, dass eine solche Situation furchtbar ist.

Allein — wenn man den dazugehörigen Artikel auf bunte.de komplett liest, stellt man fest, dass das Zitat in der Schlagzeile vielleicht ein bisschen … nennen wir es mal: aus dem Zusammenhang gerissen ist:

"Es ist furchtbar, wie Medien ein falsches Bild von jemandem erschaffen können" Chantal de Freitas hinterließ zwei Töchter aus ihrer Ehe mit Kai Wiesinger. Im Interview mit dem Magazin "DONNA"​ spricht der 48-Jährige jetzt über die schwere Zeit. "Es ist furchtbar, wie Medien durch aus dem Zusammenhang gerissene Zitate ein falsches Bild von jemandem erschaffen können. Es ist sehr schwer, so etwas auszuhalten und dabei öffentlich keine Stellung zu beziehen."

Womöglich braucht man gar nicht viel mehr als dieses Beispiel, um das Wesen von Boulevardjournalismus zu erklären.

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Man hat sich entschuldigt

In unserer beliebten Reihe “Öfter mal ‘man’ sagen” heute zu Gast: Karl-Theodor zu Guttenberg, Ex-Verteidigungsminister und Ex-Doktor.

In dem ohnehin hochgradig verstörenden Gespräch, das “Zeit”-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo mit Guttenberg geführt hat, ereignet sich unter anderem folgender Dialog:

ZEIT: Welche Fragen sind es denn, die Ihnen die Wohlmeinenden stellen?

Guttenberg: Es ist vor allem die Frage, wie es bei jemandem, dessen politische Arbeit man sehr geschätzt hat, zu einer so unglaublichen Dummheit wie dieser Doktorarbeit kommen konnte. Und ich hatte noch nicht die Möglichkeit, diese Fragen in aller Offenheit zu beantworten.

ZEIT: Was können Sie denn jetzt in aller Offenheit sagen?

Guttenberg: Es steht völlig außer Frage, dass ich einen auch für mich selbst ungeheuerlichen Fehler begangen habe, den ich auch von Herzen bedauere. Das ist in dieser sehr hektischen Zeit damals auch ein Stück weit untergegangen. Ebenso, wie man sich damals bereits entschuldigt hat.

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Rundfunk Gesellschaft

Man wird sprachlos

In der ARD läuft heute um 23.30 Uhr eine Dokumentation über die letztjährige Loveparade in Duisburg, bei der bei einer Massenpanik 21 Menschen gestorben sind und mehr als 500 verletzt wurden. Der WDR bewirbt diese Doku, indem er seit Tagen via Pressemitteilung einzelne O-Töne von Verantwortlichen in die Verwertungskette gibt.

Vergangene Woche warf er Zitate des Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland unters Volk:

“Ich habe mir immer gesagt: Du musst so lange durchhalten, bist du allen zeigen kannst, dass diese Katastrophe nicht durch dein Verhalten entstanden ist”, erklärt Adolf Sauerland. Er habe am Anfang das Gefühl gehabt, wenn er sich entschuldige, werde er automatisch für das Unglück verantwortlich gemacht. “Und das hat dazu geführt, dass man sprachlos wird.”

Gestern kam Rainer Schaller, Veranstalter der Loveparade, zu Wort:

Zum ersten Mal äußert sich Schaller im Film auch zur Problematik des Tunnels als einzigem Ein- und Ausgang zum Veranstaltungsgelände: “Man hat Monate geplant, und für mich ist es natürlich ein Rätsel, wie man das über Monate gemeinsam nicht hat sehen können. Das ist etwas, was ich mich bis heute frage: Wie konnte man das nicht sehen?”

Ist Ihnen an der Wortwahl der beiden Herren etwas aufgefallen?

Um mal Benjamin von Stuckrad-Barre zu zitieren:

Das erste, was einem ein Psychotherapeut beibringt: Sagen Sie nicht “man”, sagen Sie “ich”. Das erste, was man als Profipolitiker wahrscheinlich lernt: öfter mal “man” sagen, dann kann nichts groß passieren.

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Sport

Abseitige Klagen

“Das nicht gegebene Tor war der Knackpunkt des Spiels. Das Spiel wäre ganz anders gelaufen. Die Deutschen haben ein gutes Team mit viel Qualität. Sie haben eine gute Chance, die WM zu gewinnen.”

Soweit der englische Mittelfeldspieler James Milner laut “FR Online”.

Trainer Fabio Capello äußerte sich demnach wie folgt:

“Es wäre für uns sehr wichtig gewesen, dass zweite Tor anerkannt zu bekommen. Ich verstehe nicht, warum wor in unser heutigen Zeit mit soviel Technologie immer noch über solche Dinge reden müssen. Ich glaube, dass wir nach dem 1:2 gut gespielt haben. Es hätte 2:2 stehen müssen. Was danach passiert, war enttäuschend aufgrund der Fehler. Die Deutschen haben ihre Konter sehr gut gefahren. Deutschland ist eine große Mannschaft und hat gut gespielt, wir haben Fehler gemacht, aber der Schiedsrichter hat einen noch größeren gemacht. Aber das ist Fußball.”

Werfen wir nun einen Blick auf die “Stimmen zum Spiel” auf der offiziellen Website des Fußballweltverbands FIFA:

Dort sagt Milner vollständig:

“Die Deutschen haben ein gutes Team mit viel Qualität. Sie haben eine gute Chance, die WM zu gewinnen.”

Und Capello doziert:

“Wir haben gut gespielt, Deutschland ist eine der größten Mannschaften hier. Wir haben einige Fehler gemacht, die haben sie mit Kontern ausgenutzt. Die kleinen Dinge entscheiden immer über die Ergebnisse. Nach dem dritten Gegentor waren wir etwas niedergeschlagen. Der Fehler war, nach eingenem Freistoß den Konter zum Tor zu bekommen.”

Mit keinem Wort geht die FIFA auf das nicht gegebene Tor für England ein und auch zum Spiel Argentinien gegen Mexiko gibt es auf fifa.com keinerlei Kritik am Schiedsrichter, der ein Tor für Argentinien gegeben hatte, nachdem er auf der Stadionleinwand gesehen hatte, dass es eindeutig Abseits war.

Offenbar sieht die FIFA noch schlechter als die Schiedsrichter, die sie bei dieser WM einsetzt.

Mit Dank auch an Sebastian.

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Literatur Digital

Die Arroganz der Jungen, die Ignoranz der Alten

Wir müssen dann leider noch mal auf “Axolotl Roadkill” zurückkommen, das literarische Hype-Thema der Stunde. Nicht, dass ich das Buch inzwischen gelesen hätte, aber: Das von der Literaturkritik auf Lautstärke 11 gefeierte Werk von Helene Hegemann (17) weist in etlichen Passagen erstaunliche Ähnlichkeit mit einem anderen Buch auf.

Deef Pirmasens hat in seinem Blog Die Gefühlskonserve eine Gegenüberstellung von Textstellen aus “Axolotl Roadkill” und aus dem Buch “Strobo” des Berliner Bloggers Airen veröffentlicht, das im vergangenen Jahr erschienen war. Um es vorsichtig auszudrücken: Da kommt schon Einiges an Auffällig- und Ähnlichkeiten zusammen.

Als gelernter Literaturwissenschaftler stehe ich diesen Enthüllungen etwas schulterzuckend gegenüber: Montagen und Intertextualität gibt es seit kurz nach Erfindung der Schriftsprache — Georg Büchners Novelle “Lenz” ist knapp zur Hälfte aus Aufzeichnungen des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin übernommen, Johann Wolfgang von Goethe hat sich mehr als einmal massiv von anderen Texten inspirieren lassen. Auf den Platz in der Literaturgeschichte hatte das für die beiden Herren keine Auswirkungen, aber über den entscheidet naheliegenderweise die Nachwelt und nicht der Zeitgenosse. Überhaupt gilt ja, was Oscar Wilde zugeschrieben wird, der gemeine Pop-Konsument (also ich) aber erst seit Tocotronic weiß: “Talent borrows, genius steals”.

Als jemand, der mit dem Schreiben von Texten seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften versucht, sehe ich es naturgemäß kritischer, wenn jemand (mutmaßlich) gutes Geld mit Inhalten verdient, die zumindest zu einem nicht ganz unerheblichen Teil aus dem Werk eines Anderen stammen.

Die Grenzen zwischen Zitat und Diebstahl geistigen Eigentums sind fließend — der Unterschied zwischen den Groß-Zitierern Quentin Tarantino und Dieter Wedel besteht letztlich auch nur darin, dass Tarantinos Filme cool sind und Wedels spießig. Und dass die Übernahme bestimmter Worte oder ganzer Textpassagen noch mal ein bisschen was anderes ist als das zufällige Wieder-Erstellen einer bereits komponierten Melodie (man erinnere sich nur an die rund tausend Songs, von denen Coldplay ihr “Viva La Vida” samt und sonders abgepinnt haben sollen), lässt sich einerseits mit den unterschiedlichen Materiallagen (zehntausende Wörter vs. zwölf Töne) erklären, ist aber andererseits auch nur Geschmacks- und Definitionssache.

Man könnte also Helene Hegemann und Dieter Wedel zu Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski ins “Philosophische Quartett” setzen und eine Stunde lang über Blues-Motive und Bastardpop, Williams Shakespeare und Heiner Müller diskutieren lassen und hätte am Ende vielleicht ein bisschen Erkenntnisgewinn oder wenigstens was zum drüber aufregen. Man würde sich womöglich darauf einigen, dass Zitate, Remixe und Mashups Teil unserer (Pop-)Kultur sind, es aber nur höflich wäre, wenigstens seine Quellen zu benennen und nicht Andererleuts Gedanken als eigene auszugeben.

Aber das sind philosophische und kulturwissenschaftliche Gedanken allgemeiner Art. Der “Fall Hegemann” dagegen ist leider der Super-GAU der öffentlichen Auseinandersetzung, weil er sich genau an der (leider immer noch von vielen Menschen auf beiden Seiten imaginierten) Verwerfung zwischen analoger und digitaler Welt ereignet hat: Da hat also so eine Berliner Künstlertochter abgeschrieben — und zwar bei einem Blogger! Hurra, der Klassenkampf beginnt erneut, auf die Barrikaden!

Jetzt kriegen die Literaturkritiker, denen man sicher vieles vorwerfen kann, ernsthaft um die Ohren gehauen, sie hätten ja mal Googeln können.

Googeln. Einen Roman! Dabei erzählt Deef Pirmasens, dem die ganzen textlichen Parallelen als Erstem aufgefallen waren, im Interview mit sueddeutsche.de, dass ihm bei der Lektüre von “Axolotl Roadkill” bestimmte Worte bekannt vorgekommen seien — weil er “Strobo” gelesen hatte. Beim Erkennen von ungenannten Querverweisen hilft es also offenbar immer noch, das Original zu kennen. Dass lange Zeit niemandem aufgefallen ist, dass eine andere Textstelle aus dem Song “Fuck U” von Archive übernommen wurde, spricht dann eben leider nicht für die Popularität der Band.

Der Kampf der Welten endet in Sätzen wie diesen:

In Wirklichkeit scheint sich als Abwehrhaltung des Feuilletons herauszukristallisieren: Es ist nicht so schlimm, von einem weitgehend unbekannten Medium aus dem Web geklaut zu haben – Hegemann kann zur Not noch als Transkribistin vom Internet ins Buch gefeiert werden.

Es ist jener passiv-aggressive Ton, gepaart mit dem Hinweis, dass das Internet immer noch etwas anderes sein soll als der Rest der Welt, der den genauso verbohrten Menschen im Kulturbetrieb dann wieder als Vorlage dient, wenn es darum geht, über die Meckereien und das merkwürdige Selbstbewusstsein (bzw. offensichtlich dessen Fehlen) der Blogger zu lästern. Ich frage mich, ob die Geschichte in der deutschsprachigen Netzwelt genauso hohe Wellen geschlagen hätte, wenn der “beraubte” Autor nicht gleichzeitig Blogger wäre, und liefere mir die Antwort gleich selbst: “Vermutlich nicht”. Statt sich also auf den konkreten Vorgang zu konzentrieren, wird mal wieder das übel riechende Fass “wir Blogger gegen die Nichtsblicker bei den Totholzmedien” aufgemacht und es grenzt an ein Wunder, dass sich die “#fail”s bei Twitter bisher in Grenzen halten.

Der Verleger von “Strobo” klingt da im Gespräch mit Spreeblick wesentlich entspannter. Der gleiche Verleger übrigens, der munter erzählt, wann Vater Hegemann das Buch für seine Tochter gekauft hat:

Während Hegemann sagt, dass sie das Buch nicht kenne, kann der Verlag SuKuLTur einen Beleg vorweisen, aus dem hervorgeht, dass Carl Hegemann den Roman Airens am 28. August 2009 über Amazon Marketplace bestellt und an seine Tochter Helene hat liefern lassen.

[via otterstedt.de]

Wenn’s um die gute eigene Sache geht, ist das mit dem Datenschutz – sonst die Domäne der Netzgemeinde – offenbar auch nicht mehr ganz so wichtig.

Die Überschrift dieses Eintrags, übrigens, die stammt von Virginia Jetzt!

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Rundfunk Gesellschaft

Staatsakt

Wenn Sie der Meinung sind, die Veranstaltung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls heute Abend im ZDF sei irgendwie würdelos, albern oder klamottig gewesen, dann haben Sie ganz sicher den Festakt zur Wiedereröffnung des Brandenburger Tors am 3. Oktober 2002 vergessen verdrängt.

Aber da kann ich Ihnen vielleicht kurz mit einem zeitgenössischen Zitat von Martin Hoefs aus de.rec.tv.misc wieder auf die Sprünge helfen:

Wenn mir jemand vorher gesagt hätte: “Zur Feier der 12jährigen Einheit wird ein ältlicher Modeschöpfer an einem Heliumballon übers Brandenburger Tor fliegen, derweil eine dickliche Opernsängerin auf einem Hubstapler vor einem Schild “Kandierte Früchte” Filmmelodien von Peter Thomas zum besten gibt. Anschließend öffnet der fliegende Mann vor dem 42ten Präsidenten der USA und anderer Prominenz seinen (Werbe-)Reißverschluss. Nena singt als Gute-Nacht-Lied eine Coverversion von ’99 Luftballons’ in halber Geschwindigkeit.” …ich hätte es nicht geglaubt.
[Formatierung angepasst]

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Mit Dir sind wir vier

Gar nicht mal so selten (im Sinne von: “Wenn ich überhaupt mal etwas gefragt werde, dann …”) werde ich gefragt, wie man eigentlich so ein “Medienblogger” wird.

Das ist eigentlich ganz einfach: Eine Zeit lang muss man sehr aufmerksam durch die Welt gehen und allen Quatsch aufschreiben, der einem in die Finger kommt. Dann hat man irgendwann seine Leser, seinen Freundeskreis und seine Familie derart für die kleinen und großen Fehler der Medien sensibilisiert, dass man mit Einsendungen überhäuft wird und sie nur noch aufschreiben muss.

Eingesandt von meiner Mutter:

Ein anderer Trompeter begeisterte ebenfalls: Julian Wasserfuhr, der im Quartett mit seinem Bruder Roman am Piano auch Stücke aus dem gerade erschienenen, fantastischen gemeinsamen Album "Upgraded In Gothenburg" spielte. Die beiden noch jungen Musiker haben die Jazztradition begriffen und überführten sie behutsam in ihre eigene Musik, meist mit wundervollem Understatement.
(Neue Rhein/Ruhr Zeitung vom 22. September 2009)

Das erinnert natürlich fatal an die von Fritz Walter d.J. überlieferte Sentenz:

Der Jürgen Klinsmann und ich sind schon ein tolles Trio, …äh Quartett.

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Digital Politik

Internet Gaga

Wer sich zaghaft der ganz eigenen Welt von Politikern annähern will, sollte folgende Worte ein paar Mal im Kopf hin- und herschieben:

Ich halte es für falsch und nicht machbar, im Internet unliebsame Inhalte durch Sperren oder das Kappen von Verbindungen zu unterdrücken.

Das hat nicht etwa irgendein Kritiker der vor einer Woche beschlossenen Internetsperren gegen Kinderpornographie gesagt, sondern Dr. Martina Krogmann, Verhandlungsführerin der CDU/CSU bei genau diesem Gesetz.

Allerdings jetzt und zu einem etwas anderen Thema.

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Politik

Der neue Hitler

Vor ein paar Wochen hatte ich geschrieben, Kinderpornographie habe Terrorismus als … äh: Totschlagargument bei der Einschränkung von Rechten abgelöst.

Kinderpornographie ist aber nicht nur der neue Osama, sie ist auch der neue Hitler.

Den Eindruck könnte man zumindest bekommen, wenn man sich anhört, welch beeindruckende Vergleichskette Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gestern aus dem Hut zauberte:

Killerspiele widersprechen dem Wertekonsens unserer auf einem friedlichen Miteinander beruhenden Gesellschaft und gehören geächtet. In ihren schädlichen Auswirkungen stehen sie auf einer Stufe mit Drogen und Kinderpornografie, deren Verbot zurecht niemand infrage stellt.

[Zitiert nach golem.de]

Mir fällt leider beim besten Willen nichts ein, womit ich diesen Unfug vergleichen könnte.

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Musik

Die Kilians-Festspiele 2009 sind eröffnet

Kilians beim Haldern Pop 2008.

Das großartigste Urteil, das ich je über die Kilians gehört oder gelesen habe, ist dieses hier:

Das ist die langweiligste aufgesetzte Langeweile die ich seit langem gesehen UND gehört habe.

Immerhin passt das Video in seiner aufgestylten roughness, die die angeschraubte Wehmut dieser jammerlappigen Luschen unterstreicht zur Seierigkeit des Songs.
Trotzdem: Why?
Niemand wird gezwungen, Musik zu machen und es gibt viele Wege, die schmerzhafte Abwesenheit von Persönlichkeit, Charisma und Talent zu kompensieren.
Macht doch was mit Holz oder im sozialen Bereich oder betrinkt euch. Habt Sex, bloggt, wechselt mal den Stadtbezirk oder den Arzt oder, der Songtitel legt es nah: geht nach Hause!

Diese Worte entstammen einem Kommentar von Tanja Haeusler bei Spreeblick und obwohl ich mich ihr natürlich nicht anschließen kann, finde ich diesen kleinen Ausbruch sehr sympathisch. Allein schon, weil Tanja die Band offenbar einfach so doof fand und sie nicht den Umweg über Dinslaken, Thees Uhlmann oder die Strokes gehen musste.

Ich kann mich in keiner Weise objektiv über die Kilians äußern: Ich verehre die Band länger, als ich mit ihren Mitgliedern befreundet bin, ich war schon mal mit auf Tour und ich habe darüberhinaus auch noch die Bandinfo zum neuen Album geschrieben. (Es ist übrigens eine sehr interessante Erfahrung, eigene Formulierungen plötzlich in den Meldungen irgendwelcher Musikmagazine zu lesen.)

Gestern Vormittag habe ich die neue Single “Said And Done” zum ersten Mal im Radio gehört (natürlich auf CT das radio), gestern Nachmittag war dann Videopremiere (sowas findet mittlerweile im Internet statt) und jetzt ist das Video auch schon offiziell bei YouTube online:

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Ja, das ist durchaus poppiger geworden. Klingt wie die kleine, niedliche Schwester von “When Will I Ever Get Home”. Mich erinnert der Song auch ein wenig an die Shout Out Louds, Starsailor und Feeder. Auch das Video ist noch eine Spur opulenter ausgefallen als die bisherigen — Occident-Bassist Benjamin Klimczak fühlte sich glatt an den Clip zu “November Rain” erinnert, was mich allerdings ein bisschen ratlos zurücklässt.

Versuchen wir es trotzdem für einen Moment mit der Objektivität: Ja, das ist ein toller Song, der auch bei jeder anderen Band toll gewesen wäre. Und nach allem, was ich bisher vom neuen Album gehört habe (natürlich unter den üblichen Sicherheitsvorkehrungen und Strafandrohungen), bin ich mir sicher: da wird auch einiges gehen.

Charts? Warum nicht? Am 27. März erscheint die Single, am 3. April das Album “They Are Calling Your Name”.

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Print Politik

Ich bin nur zugezogen, holt mich hier raus!

Die peinliche Absage der Loveparade, die dieses Jahr eigentlich in Bochum stattfinden sollte, bestimmt in den letzten Tagen die Lokalpresse:

Nein, von einem Imageschaden könne keine Rede sein, gab Stadtrat Paul Aschenbrenner (SPD) zu Protokoll. „Weil wir eine verantwortungsbewusste Entscheidung getroffen haben.“

(“Ruhrnachrichten”)

Gut, dass Bochum kein Image hat, was zu Schaden kommen könnte. Und wen interessieren schon junge Menschen, die Krach hören und Rauschgift konsumieren?

Die SPD jedenfalls nicht:

So hatte etwa der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme, der schon Wolfgang Clement politisch weitgehend über die Klinge springen ließ, einen Antrag für den Rat vorbereitet, wegen drohender Vermüllung der Anliegerstraßen vom Raver-Tanzvergnügen ganz abzulassen.

In dem Antrag vom 31. Juli 2008 heißt es wörtlich: „Der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme sieht in der Ausrichtung der Loveparade 2009 in Bochum keinen kulturellen bzw. nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung des Images des Ruhrgebietes bzw. für das Kulturhauptstadtjahr 2010. Die im Rahmen der Organisation entstehenden Kosten und Nachfolgeschäden stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen dieser Veranstaltung und sind öffentlich nicht vertretbar.” Bochum solle deshalb die Veranstaltung zurückgeben.

(“WAZ”)

Aber die sehr endliche Kompetenz der SPD manifestiert sich bis ins kleinste Detail:

Im Sommer 2008 verabschiedete der Ortsverein den Antrag an den Rat, die Loveparade in Bochum abzublasen, wegen Gefahr der Vermüllung und anderer Schäden. Zwar wurde der Antrag nie abgeschickt, doch in den SPD-Gremien wie Ratsfraktion und Unterbezirksparteitag sickerte die Ablehnung gleichwohl durch.

(Noch mal die “WAZ”)

Entsprechend gut lässt sich dieser Eiertanz kommentieren:

Wie eine Nachgeburt kommen nun Einschätzungen zu Tage, die darauf hinweisen, dass die Macher der Bochumer Politik mit der Loveparade wenig am Hut hatten. Stattdessen ging die Sorge um, das Thema spalte und könne im Superwahljahr 2009 Wählerstimmen kosten.

Das allerdings ist nicht von der Hand zu weisen. Zu auffällig, wie eindrucksvoll und wortmächtig sich Bochumer Politiker über Konzerthausbau, Cross-Border-Deal und Gott und die Welt verbreitet haben, das Thema Loveparade aber fast gänzlich mieden. […]

Und dann die Kosten: 130 000 Euro allein durch den Einsatz der Feuerwehr und Rettungsdienste. Ganz zu schweigen von hunder-ten Extrabussen. Und der befürchteten Vermüllung. Das wirkt doch sehr wie ein rundes bestelltes Gutachten. Von Leuten, die nicht wirklich wollen.

(Kommentar in der “WAZ”)

Insgeheim dürften spätestens seit dem Erfolg der Loveparade in Essen klar gewesen sein: Bochum ist dem nicht gewachsen. Da das niemand sagen will, fehlte nur ein Grund für die Absage.

Zum Glück gibt es die Gleisbauarbeiten der Bahn.

(Kommentar in den “Ruhr Nachrichten”)

Der publizistische Todesstoß kam allerdings aus der alten Heimat der Loveparade. Ein Provinzporträt in zweieinhalb Sätzen:

Herbert Grönemeyer hat Bochum groß gemacht, aber nicht groß genug. Die Loveparade – Ältere werden sich erinnern – kann dort in diesem Jahr mangels Kapazität nicht stattfinden: Bahnhof zu klein, Miettoiletten ausgebucht, zu wenig Papierkörbe, so etwa.

(“Der Tagesspiegel”)

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bochumer Stadtrat wird von der “WAZ” übrigens wie folgt zitiert:

Es wurde der Eindruck erweckt, als wären nur Deppen am Werk.

Wie jetzt? “Eindruck”? “als”?

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Verunglückte Vergleiche (317)

Nun wucherten Anfeindungen und Intrigen wie Fußpilz auf alten Buletten.

Der Artikel von Lydia Harder auf Seite 4 wirft heute unbeabsichtigt die Frage auf, wie es eigentlich in der Kantine der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” (online nur kostenpflichtig verfügbar) aussieht.

[Eingesandt von Mutti.]