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Digital Musik

Man sollte die guten Kerzen kaufen

Ich kann mit der Band Unhei­lig und ihrer Musik nichts anfan­gen, habe aber einen gewis­sen Respekt davor, wie der soge­nann­te Graf da seit Jah­ren sein Ding durch­zieht und damit inzwi­schen auch gro­ße Erfol­ge fei­ert. Ver­gan­ge­nen Frei­tag erschien das neue Album „Lich­ter der Stadt“, das natür­lich auf Platz 1 der Charts ein­stei­gen wird.

Der Kol­le­ge Sebas­ti­an Dal­kow­ski hat den Gra­fen für „RP Online“ getrof­fen und es ist das groß­ar­tigs­te Inter­view mit dem König des Gothic-Schla­gers, das ich je gele­sen habe.

Gut: Es ist auch das bis­her Ers­te, aber es ist trotz­dem über­ra­schend unter­halt­sam.

Auf Ihren Kon­zer­ten und in Ihren Vide­os sind immer Ker­zen zu sehen. Wo kau­fen Sie die?

Das sind Altar­ker­zen. Mei­ne ers­ten Ker­zen habe ich, da ich aus Aachen kom­me, noch im Ker­zen­la­den am Dom gekauft. Die haben sich natür­lich gefreut, als ich 30 Stück genom­men habe. Die Din­ger sind schließ­lich schwei­ne­teu­er. Damals war es noch rich­tig schwer, so vie­le auf ein­mal zu kau­fen. Heu­te geht das alles übers Inter­net. Als ich mit Unhei­lig ange­fan­gen habe, war Inter­net noch nicht nor­mal. Ich habe 1999 noch dar­über nach­ge­dacht: Solls­te dir die­ses Inter­net anschaf­fen?

Augen auf beim Ker­zen­kauf?

Man soll­te die guten Ker­zen kau­fen. Die Ker­zen wer­den auf Tour oft an- und aus­ge­macht. Und bei schlech­ten Ker­zen wird der Docht dann immer kür­zer und du bekommst sie nicht mehr an. Das ken­nen wir vom Advents­kranz, wenn schon am zwei­ten Advent die Ker­ze vom ers­ten Advent nicht mehr bren­nen will. Da musst du dann das Schwei­zer Taschen­mes­ser raus­ho­len, um den Docht frei­zu­krat­zen.

„Kauft kei­ne schlech­ten Ker­zen!“ bei „RP Online“

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Man hat sich entschuldigt

In unse­rer belieb­ten Rei­he „Öfter mal ‚man‘ sagen“ heu­te zu Gast: Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg, Ex-Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter und Ex-Dok­tor.

In dem ohne­hin hoch­gra­dig ver­stö­ren­den Gespräch, das „Zeit“-Chefredakteur Gio­van­ni di Loren­zo mit Gut­ten­berg geführt hat, ereig­net sich unter ande­rem fol­gen­der Dia­log:

ZEIT: Wel­che Fra­gen sind es denn, die Ihnen die Wohl­mei­nen­den stel­len?

Gut­ten­berg: Es ist vor allem die Fra­ge, wie es bei jeman­dem, des­sen poli­ti­sche Arbeit man sehr geschätzt hat, zu einer so unglaub­li­chen Dumm­heit wie die­ser Dok­tor­ar­beit kom­men konn­te. Und ich hat­te noch nicht die Mög­lich­keit, die­se Fra­gen in aller Offen­heit zu beant­wor­ten.

ZEIT: Was kön­nen Sie denn jetzt in aller Offen­heit sagen?

Gut­ten­berg: Es steht völ­lig außer Fra­ge, dass ich einen auch für mich selbst unge­heu­er­li­chen Feh­ler began­gen habe, den ich auch von Her­zen bedaue­re. Das ist in die­ser sehr hek­ti­schen Zeit damals auch ein Stück weit unter­ge­gan­gen. Eben­so, wie man sich damals bereits ent­schul­digt hat.

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Musik

Bernd Begemanns Gewaltphantasien

Ich hat­te mich neu­lich ein wenig über deutsch­spra­chi­ge Gegen­warts­mu­sik empört. Ein paar Wochen spä­ter hab ich Kraft­klub live gese­hen und damit die ers­te neue Band mit deut­schen Tex­ten seit sie­ben Jah­ren, die mich gekickt hat. Hop­fen und Malz sind also noch nicht ganz ver­lo­ren.

Bernd Bege­mann, des­sen Musik ich auch eher nur zu Tei­len schät­ze, hat offen­sicht­lich auch ein Pro­blem mit dem, was man die­ser Tage so zu hören bekommt:

„Der nor­ma­le Indiero­cker hat die­se Akus­tik­gi­tar­re, fängt ein Lied in A‑Moll an und singt dar­über, dass sei­ne Freun­din nicht zurück­ruft, dass er ein biss­chen trau­rig ist, ein biss­chen besorgt ist wegen der Welt, weil er so sen­si­bel ist. Mei­ne Güte, die­se Typen müss­te man alle bei den Ohren packen und auf die Tisch­kan­te schla­gen.“

Gesagt hat er das in einem Inter­view mit Radio Dreyeck­land und man muss Bege­manns lei­ern­den Sprach­fluss schon ertra­gen kön­nen, um das 20 Minu­ten lang aus­zu­hal­ten. Aber dafür bekommt man ein paar char­man­te Kol­le­gen-Bas­hings, Bege­manns Unter­schei­dung zwi­schen Schla­ger und Pop, sowie sei­ne etwas eige­ne Defi­ni­ti­on des Begriffs „Pop“ zu hören, was die zeit­li­che Inves­ti­ti­on durch­aus recht­fer­tigt. (Ich woll­te erst „mehr recht­fer­tigt als ein hal­bes Tim-Bendz­ko-Album“ schrei­ben, aber die­se Aus­sa­ge wäre ja qua­si all­ge­mein­gül­tig.)

Bernd Bege­mann im Inter­view

[via taz Pop­b­log]

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Digital

Kai aus der richtig neuen, scharfen Kiste

Das Inter­view des Jah­res ist ges­tern weit­ge­hend unbe­merkt auf n‑tv.de ver­öf­fent­licht wor­den. Befragt wur­de nicht Ange­la Mer­kel, Barack Oba­ma oder Rob­bie Wil­liams, son­dern Roland Stark, 63 Jah­re alt und Besit­zer eines Autos, das direkt am Rand des Schmal­kal­de­ner Kra­ters steht.

Schon die Eröff­nungs­fra­ge ist eine Meis­ter­leis­tung des inves­ti­ga­ti­ven Jour­na­lis­mus:

n‑tv.de: Scheiß Gefühl, oder?

Der Repor­ter, das merkt man gleich, sitzt nicht auf irgend­ei­nem hohen Ross. Er ist down with the peo­p­le und auch die Redak­ti­on mag an sei­ner Wort­wahl hin­ter­her nichts mehr ändern:

Haben Sie Angst, dass die Kis­te noch ver­schwin­det oder glau­ben Sie, dass das für Sie noch glimpf­lich abläuft?

Damit der Leser ganz genau weiß, um wel­che „Kis­te“ es hier geht, und ob sich Herr Stark zu Recht Sor­gen macht, hakt der Inter­view­er nach:

Was ist denn das eigent­lich für ein Auto. Durch das Tor, das halb davor­hängt, kann man das gar nicht gut erken­nen.

Na, ein A3. Ein A3 Sport­back.

Bau­jahr?

Andert­halb Jah­re alt.

Oh, eine rich­tig neue, schar­fe Kis­te.

Stark erklärt, dass er eine Kas­ko­ver­si­che­rung habe („Ist ja ein Lea­sing­fahr­zeug.“), mit dem Fir­men­wa­gen zur Arbeit fah­re und auch schon wie­der in die Woh­nung rein durf­te.

Aber was dann? Der Repor­ter hat eine Idee:

Jetzt gibt man sich ja sehr viel Mühe, das Erd­loch schnell zu ver­fül­len. Was machen Sie dann, wenn das Auto noch in der Gara­ge steht. Repa­rie­ren las­sen und bei ebay ver­stei­gern. Mot­to: „Das Auto vom Kra­ter­rand“?

Naja, ich hof­fe, dass ich ein neu­es krie­ge, wie gesagt.

Wenn der A3 nicht mehr abrutscht, wird das bestimmt schwie­rig. Wir wün­schen Ihnen dann mal so oder so das Bes­te.

Und bevor Sie sich fra­gen, ob es nicht unver­ant­wort­lich wäre, auto­be­geis­ter­te Schü­ler­prak­ti­kan­ten an den Rand die­ses Rie­sen­kra­ters zu schi­cken: Das Gespräch führ­te Til­man Aretz, Geschäfts­füh­rer der „Nach­rich­ten­ma­nu­fak­tur“, die den kom­plet­ten Inter­net­auf­tritt von n‑tv.de betreut.

Ein­ge­sandt von Mar­tin R.

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Musik

Eine Liebe zur Musik

Es ist eines der schöns­ten You­Tube-Vide­os, in dem kei­ne Tier­ba­bies vor­kom­men, und eines der weni­gen deut­schen Meme: Der DJ der guten Lau­ne.

Ich kann mir das Video immer wie­der anse­hen, weil es auf wun­der­vol­le Wei­se abbil­det, was es bedeu­tet, Musik zu lie­ben. Außer­dem läuft Kid Cudi. Inzwi­schen hat selbst Bild.de das Video geklaut gefea­tured und berich­tet von dem sym­pa­thi­schen Wuschel­kopf, der Inter­views aber ableh­ne.

Wobei das nicht so ganz stimmt: You­Tube-User graf­and­ra­get, der den Clip vor einem Monat online gestellt und den DJ damit welt­be­rühmt gemacht hat­te, hat den namen­lo­sen Mann in sei­nem Gar­ten besucht und sich ein biss­chen was über Musik und Tanz erzäh­len las­sen:

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Print

Kaminzimmerhumor

Irgend­wann muss den Redak­teu­ren der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung“ auf­ge­fal­len sein, dass ihr „Streit­ge­spräch“ zwi­schen Bun­des­wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin Annet­te Scha­van und dem Stu­den­ten­ver­tre­ter Tho­mas War­nau vor All­ge­mein­plät­zen nur so strotz­te, kei­ner Debat­te – schon gar nicht der aktu­el­len um Stu­di­en­re­for­men – irgend­et­was Neu­es hin­zu­zu­fü­gen hat­te und ins­ge­samt so ein­schlä­fernd war, dass man es auch gegen Schlaf­stö­run­gen hät­te ver­schrei­ben kön­nen.

Und genau in die­sem Moment wer­den sie sich gedacht haben: „Ver­su­chen wir halt, alles mit der Bild­un­ter­schrift wie­der raus­zu­rei­ßen“, und haben mir damit den Sonn­tag ver­süßt.

Seite 5 der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vom 29. November 2009

Die Minis­te­rin und der Stu­dent dis­ku­tie­ren über die Stu­di­en­re­form vor der 35 000 Bän­de umfas­sen­den Marx-Engels-Gesamt­aus­ga­be in gerech­ter Spra­che im Kamin­zim­mer unse­rer Ber­li­ner Redak­ti­on.

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Musik Print

Please brother take a chance

Damit die Oasis-Reuni­on, die auch Wolf­gang Nost­rad­amus Doebe­l­ing (ich glau­be, den zwei­ten Vor­na­men hat er sich aus­ge­dacht) im aktu­el­len „Rol­ling Stone“ pro­phe­zeit (und zwar für den 15. Mai 2011), kom­men kann, muss die Band ja erst Mal auf­ge­löst wer­den.

Das hat Liam Gal­lag­her jetzt dan­kens­wer­ter­wei­se in einem Inter­view mit der „Times“ getan. Er woll­te eigent­lich nur über sei­ne Mode­li­nie „Pret­ty Green“ spre­chen, aber dann erklärt er die Band für been­det.

Luke Leitch gelingt es, in dem Arti­kel ein Bild von Liam Gal­lag­her zu zeich­nen, das sehr viel dif­fe­ren­zier­ter ist als das meis­te, was man bis­her über den jetzt Ex-Oasis-Sän­ger gele­sen hat. Am Ende spricht er sogar davon, außer­halb des Rock’n’Roll-Cir­cus irgend­wann sei­nen Frie­den mit Noel zu machen. Even­tu­ell.

Liam Gal­lag­her: a semi-sca­ry, tight­ly wound wind-up mer­chant — abso­lut­e­ly. But also serious, sen­si­ti­ve, impas­sio­ned and, from the look that flit­ted across his face at the end the­re, a man who mis­ses his brot­her. Fur­ther­mo­re, a pro­du­cer of rocking clob­ber for men. Who knew?

Mein Lieb­lings-Gal­lag­her bleibt trotz­dem Noel, so wie mein Lieb­lings-Beat­le Paul McCart­ney und mein Lieb­lings-Liber­ti­ne Carl Barât war. Aber das kön­nen Sie jetzt selbst tie­fen­psy­cho­lo­gisch aus­wer­ten.

[via Chris­ti­an]

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Digital Politik Print

Klickbefehl (22)

Hei­ne: […] Die Unter­zeich­ner der Peti­ti­on haben gese­hen, wie Ent­schei­dun­gen in der Poli­tik getrof­fen wer­den – und das wird sie nach­hal­tig prä­gen.

von der Ley­en: Das ist doch etwas Tol­les

Hei­ne: Für uns war das nicht so toll.

Die „Zeit“ hat Ursu­la von der Ley­en, die das Gesetz für Inter­net­sper­ren vor­an­ge­trie­ben hat, und Fran­zis­ka Hei­ne, die die Peti­ti­on gegen die­ses Gesetz gestar­tet hat, zusam­men­ge­bracht.

Es ist ein beein­dru­cken­der Beleg dafür, dass es noch lan­ge kein Dia­log sein muss, wenn zwei Men­schen mit­ein­an­der reden. Ich bin mir sicher, in spä­tes­tens zehn Jah­ren wer­den wir sze­ni­sche Lesun­gen die­ses Tref­fens auf irgend­ei­ner Thea­ter­büh­ne erle­ben.

* * *

Die IVW (Infor­ma­ti­ons­ge­mein­schaft zur Fest­stel­lung der Ver­brei­tung von Wer­be­trä­gern) plant, die Mess­grö­ße Page Impres­si­on ab 2010 nicht mehr öffent­lich aus­zu­wei­sen. Sie will auf ihrer Web­site nur noch die Visits bekannt geben.

Erle­ben wir im nächs­ten Jahr das Ende der Bil­der­ga­le­rie im Online­jour­na­lis­mus? Was wer­den „RP Online“, „Welt Online“ und all die ande­ren Klick­hu­rer machen? Erle­ben wir eine Renais­sance der Tabel­le?

All die­se Fra­gen beant­wor­tet die Mel­dung bei horizont.net noch nicht.

[via Kat­ti]

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Digital Rundfunk

Welcome To The Jungle

Zu den Klän­gen von Bloc Par­tys „I Still Remem­ber“ ende­te ges­tern die vier­te Staf­fel von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“, einer Sen­dung, die ich für gelun­ge­ne Unter­hal­tung hal­te, wie ich im ver­gan­ge­nen Jahr schon ein­mal auf­ge­schrie­ben habe.

Für das FAZ-Fern­seh­blog hat Ste­fan Nig­ge­mei­er ein Inter­view mit dem Men­schen geführt, der beim Dschun­gel­camp für die Musik­aus­wahl zustän­dig ist. Die oft sehr poin­tier­te Zusam­men­stel­lung der Titel ist inso­fern sehr bewun­derns­wert, als für die Ver­to­nung von TV-Sen­dun­gen sonst nur fünf CDs zur Ver­fü­gung ste­hen: „Moon Safa­ri“ von Air, das Best Of von Mas­si­ve Attack, der „Fight Club“-Soundtrack und die jeweils aktu­el­len Alben von Sigur Rós und Cold­play. Am Tag der Ver­öf­fent­li­chung des Inter­views erklang zum Bei­spiel nur Momen­te, nach­dem sich Giu­lia Sie­gel beklagt hat­te, dass die Medi­ka­men­te gegen ihre Rücken­schmer­zen über­haupt nicht anschla­gen wür­den, „The Drugs Don’t Work“ von The Ver­ve, was zwar ziem­lich nahe­lie­gend, aber irgend­wie doch toll war.

Lesen Sie das Inter­view hier und erfah­ren Sie unter ande­rem, wie die Kili­ans in den Dschun­gel kamen.

Und wo wir grad beim Fern­seh­blog und im Dschun­gel sind, soll­ten Sie die­ses Inter­view mit Dirk Bach gleich auch noch lesen.

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Leben Gesellschaft

Fast ein Held

Das „Zeit-Maga­zin“ wid­met sich in sei­ner aktu­el­len Aus­ga­be dem The­men­kom­plex der „Nuller Jah­re“.

In einem Inter­view fasst der Phi­lo­soph Peter Slo­ter­di­jk zusam­men, was für ihn die Nuller aus­macht (Cas­ting Shows, die Queen Mary 2, Dau­men bei der Bedie­nung elek­tro­ni­scher Klein­ge­rä­te), er kri­ti­siert, dass der „Krieg gegen den Ter­ro­ris­mus“ aus Bür­gern „Sicher­heits­un­ter­ta­nen“ gemacht habe, und ant­wor­tet auf die Fra­ge, wer für ihn die Hel­den die­ses Jahr­zehnts sei­en:

Für mich per­sön­lich ist die Ant­wort evi­dent: die Men­schen, die bei den Sicher­heits­kon­trol­len am Flug­ha­fen aus­ge­ras­tet sind. Im Spie­gel stand neu­lich eine hüb­sche Auf­zäh­lung. Ein Pas­sa­gier hat sei­ne Rasier­was­ser­fla­sche gegen eine Schei­be gewor­fen, ein ande­rer hat eine Kon­trol­leu­rin geohr­feigt. Das sind mei­ne Hel­den, ein­sa­me Kämp­fer gegen den Sicher­heits­wahn.

Ich bin also fast ein Held im Sloterdijk’schen Sin­ne, denn ich wäre um ein Haar mal am Flug­ha­fen Chi­ca­go O’Ha­re ver­haf­tet wor­den.1 Und das kam so:

Es begab sich im Okto­ber 2006, dass ich von Chi­ca­go nach Oak­land flie­gen muss­te. Das Wet­ter war schon beim Check-In schlecht gewe­sen und wur­de im Lau­fe des Abends immer schlech­ter. Nach und nach wur­den alle Flü­ge nach hin­ten und an ande­re Gates ver­legt – so lan­ge, bis um kurz nach Elf dann ehr­li­cher­wei­se sämt­li­che Flü­ge als „can­cel­led“ geführt wur­den. Also ver­lie­ßen ein paar Tau­send Men­schen mit Hotel-Gut­schei­nen in der Hand den Abflug­be­reich, um sich ein Nacht­la­ger zu suchen. Sämt­li­che Hotels im Umkreis waren bin­nen Sekun­den aus­ge­bucht, aber man ließ uns auch nicht mehr in den Abflug­be­reich zurück, da das Per­so­nal, das die Sicher­heits­kon­trol­len durch­füh­ren hät­te kön­nen, sei­ne Tages­schicht been­det hat­te und die nächs­te Schicht nicht vor 4:30 Uhr begin­nen wür­de.

Viele Menschen würden gerne eine Umbuchung vornehmen.

An die­ser Stel­le muss ich kurz die fast schon erschüt­tern­de Gelas­sen­heit der Ame­ri­ka­ner loben. In Deutsch­land, wo man ver­gleich­ba­re Aktio­nen etwa jeden zwei­ten Abend an den Haupt­bahn­hö­fen belie­bi­ger Mit­tel­städ­te beob­ach­ten kann, wäre es schon lan­ge unter dem Aus­tausch fra­ter­ni­sie­ren­der Kom­men­ta­re und Bli­cke zu Mob-Bil­dun­gen gekom­men. Aggres­sio­nen hät­ten sich wie üblich aus­schließ­lich an den Bediens­te­ten vor Ort ent­la­den, wäh­rend unter­ein­an­der auf „die fei­nen Her­ren da oben“ geschimpft wird.

All das gab es in Chi­ca­go nicht, dafür gab es Feld­bet­ten von Heils­ar­mee und US Army, auf denen dann eini­ge hun­dert Men­schen neben den Gepäck­ka­rus­sells im Kel­ler des Flug­ha­fens lager­ten. Es war eine Stim­mung wie beim Kir­chen­tag – nur dass man dort nicht um vier Uhr nachts von einem Drill Ser­geant der Army wach­ge­brüllt wird. Ich ver­brach­te zumin­dest einen Teil der rest­li­chen fünf Stun­den bis zum neu­en Abflug­ter­min auf dem (extrem flau­schi­gen) Tep­pich­bo­den in der Lob­by des Flug­ha­fen-Hil­tons.

Viele Feldbetten, kein Korn.

Dann woll­te ich irgend­wann zurück in den Abflug­be­reich und durch die Sicher­heits­kon­trol­len. Und dort pas­sier­te es: Weil ich eine am Vor­abend im Sicher­heits­be­reich gekauf­te und geöff­ne­te Fla­sche Mine­ral­was­ser in mei­nem Ruck­sack ver­ges­sen hat­te, schlu­gen die Sen­so­ren an. Die dazu­ge­hö­ri­ge Geschich­te war der stäm­mi­gen Dame des Sicher­heits­diens­tes herz­lich egal, sie durch­such­te mei­nen Ruck­sack mit einer eher deut­schen Akri­bie, wisch­te ihn mit einem Tuch aus, das sie dann unter einen CSI-mäßi­gen Scan­ner leg­te, um es auf Spreng­stoff-Rück­stän­de zu unter­su­chen, und hat­te ver­mut­lich unter dem Tisch schon auf einen klei­nen unauf­fäl­li­gen Knopf gedrückt.

Mein Deo­stick, der am Vor­abend kein Pro­blem dar­ge­stellt hat­te2, wur­de kri­tisch beäugt, durf­te aber im Ruck­sack ver­blei­ben, weil er nicht flüs­sig genug war. Die Mine­ral­was­ser­fla­sche, die ich unter kei­nen Umstän­den mit hin­ein­neh­men durf­te, stand zwi­schen uns auf einem Tisch wie ein kon­fis­zier­ter Dil­do. Sie war die Plas­tik­ge­wor­de­ne Respekt­lo­sig­keit mei­ner­seits.

Also griff ich die Fla­sche und warf sie mit einer schwung­vol­len Bewe­gung an der Dame vor­bei in die dafür bereit­ste­hen­de Müll­ton­ne. Wie ein Bas­ket­ball schlug sie innen gegen den Ring und lan­de­te mit einem sehr dump­fen „Plonk!“ in dem Alu­mi­ni­um­ei­mer. Ich hat­te das Gefühl, alle ande­ren Geräu­sche im Ter­mi­nal sei­en plötz­lich ver­stummt und etwa 20.000 Augen sei­en auf mich gerich­tet. Die Frau sah mich mit einem Blick an, der „Ich könn­te Sie inner­halb einer Sekun­de töten. Mit mei­nem klei­nen Fin­ger.“ sag­te. Sie selbst sag­te: „Next time, Sir, I’m gon­na throw this away for you!“

„The­re won’t be a next time“, dach­te ich zum Glück nur und ging wei­ter. Nicht, ohne fast noch mei­ne Arm­band­uhr3 ver­ges­sen zu haben.

Ja, so war er, mein fast-revo­lu­tio­nä­rer Moment. Hät­te ich ein biss­chen weni­ger nor­disch aus­ge­se­hen, wäre ich ver­mut­lich ver­haf­tet wor­den.

  1. Neh­me ich zumin­dest an. []
  2. Weil er auf den Scan­ner-Bil­dern nicht zu erken­nen gewe­sen war. []
  3. Ich tra­ge Arm­band­uh­ren nur auf Flü­gen, sonst habe ich für sowas mein Han­dy. []
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Digital

Heute im Premium-Angebot

Liebes-Aus: Boris sucht nach der großen Liebe. Nächstes Jahr: Franka Potente will heiraten. Liebes-Aus: Becker trennt sich von Sandy.

RP Online-Geschäfts­füh­rer Oli­ver Eckert muss der­zeit viel Kri­tik ein­ste­cken: das Inter­net­an­ge­bot der „Rhei­ni­schen Post“ wird fast täg­lich von Deutsch­lands bekann­tes­ten Blog­gern mit Häme über­zo­gen. Zu bunt, zu nach­läs­sig recher­chiert, zu „klick­geil“ heißt es immer wie­der.

Bei Mee­dia gibt es ein Inter­view mit Oli­ver Eckert, dem Geschäfts­füh­rer von „RP Online“.

Der beant­wor­tet dort die Fra­gen, ob er der Prü­gel­kna­be der Blogo­sphä­re sei („Nein, über­haupt nicht.“), war­um die Tex­te auf dem von ihm ver­ant­wor­te­ten Por­tal mit­un­ter klin­gen, als sei­en sie von einem Acht­jäh­ri­gen geschrie­ben wor­den (die­se Fra­ge wur­de lei­der nicht wört­lich gestellt, er schob es aber aufs „News­flow-Prin­zip“), und wie viel Bou­le­vard „eine erfolg­rei­che Web­sei­te“ ver­tra­ge brau­che („Unse­re bei­den Res­sorts Gesell­schaft und Pan­ora­ma machen jeweils nur einen ein­stel­li­gen Pro­zent­satz unse­rer Gesamt­reich­wei­te aus.“).

Fra­gen wie die, ob das Redak­ti­ons­sys­tem von „RP Online“ so etwas wie eine Recht­schreib­prü­fung habe, oder wie es offen­sicht­li­che Schleich­wer­bung in das erfolg­reichs­te deut­sche Regio­nal­por­tal schafft, wur­den lei­der nicht gestellt.

Man erfährt nicht also viel neu­es, außer dass „RP Online“ ein „Pre­mi­um-Ange­bot“ sei. Und das ist ver­mut­lich so etwas ähn­li­ches wie eine „Pre­mi­um-Braue­rei“.

Oder so.

[via Kat­ti]

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Gesellschaft Film

Ungesundes Merchandise

Ich habe es noch nicht geschafft, mir „High School Musi­cal 3“ anzu­se­hen (aber ich wer­de es, das ver­spre­che ich).

Ich möch­te Sie aber auf ein Inter­view auf­merk­sam machen, das NPR mit Ken­ny Orte­ga, dem Regis­seur der „High School Musical“-Filme, geführt hat.

Auf die Fra­ge, was er eigent­lich von die­sem gan­zen Mer­chan­di­se (Ruck­sä­cke, Bett­wä­sche, Schlüs­sel­an­hän­ger, Unter­wä­sche, you name it …) zu „High School Musi­cal“ hal­te, reagier­te er zunächst ein­mal mit einem lan­gen, nach­denk­li­chen Seuf­zer und sag­te dann:

Well, you know, that’s a tough one for me, you know. Tho­se are the folks that give us the money to make the movies. And I would just say that it’s, you know, the par­ents just have to like … be the ones in char­ge. Disney’s gon­na put out wha­te­ver they can put out. There’s a hun­ger for the mer­chan­di­se, but I also think that, you know, at a cer­tain point, it would be unhe­alt­hy to allow too much of it into an individual’s life.

Ich den­ke, mit die­ser Ein­stel­lung wird er sowohl Dis­ney, als auch so man­che Eltern ver­är­gert haben, die ihren Kin­dern erklä­ren müs­sen, war­um sie nicht auch noch die HSM-But­ter­brot­do­se haben kön­nen. Aber ich fin­de sei­ne Ein­stel­lung erfri­schend ehr­lich.