Kategorien
Gesellschaft

Menschenraub

„Ein Pla­gi­at (von lat. pla­gi­um, „Men­schen­raub“) ist das bewuss­te Aneig­nen frem­der geis­ti­ger Leistungen.“(aus Wiki­pe­dia, der frei­en Enzy­klo­pä­die)

„Was im wah­ren Leben der Mord, ist in der Wis­sen­schaft das Pla­gi­at!“, sagt der Dozent, für den ich vier Jah­re lang an der Uni gear­bei­tet habe. Vie­le, vie­le Stun­den mei­ner Tätig­keit als Stu­den­ti­sche Hilfs­kraft habe ich damit zuge­bracht, ver­dutzt zu schau­en, wenn ich Haus­ar­bei­ten oder Essays vor­kor­ri­giert habe. Ob man Pla­gia­te über­haupt erken­nen kön­ne, dach­te ich. Vor vier Jah­ren stand ich rela­tiv rat­los vor der Auf­ga­be, die mir zuge­teilt wur­de. „Ver­trau­en Sie auf ihr Gespür!“, wur­de mir ange­ra­ten, und das war tat­säch­lich der bes­te Rat­schlag in die­ser Geschich­te (wie in vie­len ande­ren Geschich­ten übri­gens auch). Das mit den Pla­gia­ten ver­hielt sich näm­lich so: Ein abge­ge­be­ner Text hol­pert vor sich hin, und auf ein­mal wird er bril­lant. Huch? Goog­le. Tref­fer.
Oder, wenn ich mich belei­digt füh­len soll­te: Auf ein­mal änder­ten sich Schrift­art oder gar Zei­len­um­brü­che. Flick­ar­bei­ten, Wiki­pe­dia-Zita­te, hausarbeiten.de-Zitate; die Abgrün­de der Inter­net­sei­ten, Sei­ten, die man nie besu­chen wür­de, der wis­sen­schaft­li­che Anspruch meis­tens mau, die Quel­len, aus denen abge­schrie­ben wur­de: kuri­os.

Den paar Malen, wenn ich Pla­gia­te gefun­den hat­te und mich danach so schmut­zig fühl­te, dass ich mich am liebs­ten gehäu­tet hät­te, folg­ten erns­te Gesprä­che mit den Stu­die­ren­den, geführt vom Dozen­ten selbst. Immer mit der Mög­lich­keit für die Stu­die­ren­den, sich zu recht­fer­ti­gen, aber auch mit der Ansa­ge, dass man die­sen Fall auch an die Rechts­ab­tei­lung der Uni­ver­si­tät wei­ter­lei­ten kön­ne (was wir nie getan haben). Eben weil der Klau von Gedan­ken das schlimms­te ist, was man in der Wis­sen­schaft tun kann. Höchst­stra­fe. Die Gesprä­che ende­ten immer mit Trä­nen auf Sei­ten der Stu­die­ren­den, es folg­te immer die Schil­de­rung eines per­sön­li­chen Schick­sals, das die Stu­die­ren­den zum Pla­gi­at getrie­ben hat. Auch hin­ter dem selbst­herr­lichs­ten, smar­tes­ten Grin­sen steck­ten Trä­nen und Rat­lo­sig­keit. Meis­tens war es Über­for­de­rung, die zum Pla­gi­at getrie­ben hat­te, das Gefühl, schlicht­weg zu dumm zu sein für einen phi­lo­so­phi­schen Essay, das Gefühl, dass die eige­nen Gedan­ken nicht aus­reich­ten, dem The­ma adäquat zu ent­spre­chen. Und dann waren meis­tens noch Todes­fäl­le und Krank­hei­ten in der Fami­lie auf­ge­tre­ten, Schei­dun­gen wur­den ange­droht und der­glei­chen mehr. All die­se Fäl­le waren tra­gisch, all die­se Fäl­le pas­sie­ren täg­lich an der Uni­ver­si­tät.

Wenn nun in der Geschich­te um Gut­ten­berg abge­wie­gelt wird, dann empört mich das zunächst, weil ich in den letz­ten vier Jah­ren stets in die ande­re Rich­tung auf­ge­wie­gelt habe und dies für rich­tig hielt. Und natür­lich ging es im Fall klei­ner phi­lo­so­phi­scher Essays nicht um die Welt, meis­tens ja nicht mal um die Wahr­heit, son­dern um einen ver­damm­ten Schein. In Zei­ten, in denen Erkennt­nis durch Workload ersetzt wird, ist das Nach­den­ken den meis­ten nur läs­tig. Aber wenn dann ein Gespräch folgt, weil ein Pla­gi­at gefun­den wur­de, dann wird den meis­ten auch klar, was ihnen an der Uni­ver­si­tät in die­ser Zeit fehlt: Ein Sinn, war­um sie ihre Zeit hier ver­brin­gen. Die meis­ten stu­die­ren, weil ihnen gesagt wird, dass es berufs­qua­li­fi­zie­rend ist, unter Berufs­qua­li­fi­zie­rung den­ken die meis­ten aber eher an Ange­bo­te, die (noch) eher an Berufs­schu­len und Volk­hoch­schu­len ange­bo­ten wer­den (des­we­gen auch die per­ma­nen­te Erset­zung des Wor­tes „Semi­nar“ durch „Kurs“ im Stu­den­ten-Jar­gon), es ent­steht ein Loch der Sinn­lo­sig­keit über die Zeit an der Uni­ver­si­tät, weil durch das vie­le Arbei­ten auf 30 unter­schied­li­chen Bau­stel­len kei­ne Zeit bleibt, mal in Ruhe über ein The­ma nach­zu­den­ken. Pla­gia­te und Über­for­de­rung gab es schon immer, aber sie sind auch das, das durch die Ba/­Ma-Reform beför­dert wer­den könn­te.

Ich schrei­be gera­de mei­ne Examens­ar­beit. Und ich weiß, wenn ich hier nicht Quel­len kor­rekt ange­be und dabei erwischt wer­de, dann kann ich mich nicht hin­set­zen und wei­nen und sagen, dass ich mich über­for­dert füh­le und dass es in mei­ner Fami­lie einen Todes­fall gab. Selbst wenn es zumin­dest im ers­ten Teil stimm­ten soll­te: Natür­lich füh­le ich mich über­for­dert, natür­lich habe ich bei­na­he jede Woche einen erneu­ten Qua­si-Ner­ven­zu­sam­men­bruch. So ist das Leben. Wenn ich bei einem Pla­gi­at erwischt wer­de, folgt zumin­dest eine Nicht-Aner­ken­nung mei­nes Abschlus­ses, und, je nach Schwe­re der Tat, auch eine Straf­an­zei­ge, viel­leicht die Unmög­lich­keit der Ver­be­am­tung. Das ist nicht der Haupt­grund, der gegen ein Pla­gi­at spricht, aber von Ehre möch­te ich an die­ser Stel­le gar nicht erst reden.

In mei­nem Fall geht es nur um ein Staats­examen. Wenn Gut­ten­berg sei­nen Dok­tor behal­ten darf, obwohl sich jeder sel­ber ein Bild vom Aus­maß der Abkup­fe­rei schon in der Ein­lei­tung sei­ner Diss machen kann, dann ist das unge­fähr das unge­rech­tes­te, was mir in mei­ner Zeit an der Uni­ver­si­tät unter­ge­kom­men ist.

Kategorien
Print

Kaminzimmerhumor

Irgend­wann muss den Redak­teu­ren der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung“ auf­ge­fal­len sein, dass ihr „Streit­ge­spräch“ zwi­schen Bun­des­wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin Annet­te Scha­van und dem Stu­den­ten­ver­tre­ter Tho­mas War­nau vor All­ge­mein­plät­zen nur so strotz­te, kei­ner Debat­te – schon gar nicht der aktu­el­len um Stu­di­en­re­for­men – irgend­et­was Neu­es hin­zu­zu­fü­gen hat­te und ins­ge­samt so ein­schlä­fernd war, dass man es auch gegen Schlaf­stö­run­gen hät­te ver­schrei­ben kön­nen.

Und genau in die­sem Moment wer­den sie sich gedacht haben: „Ver­su­chen wir halt, alles mit der Bild­un­ter­schrift wie­der raus­zu­rei­ßen“, und haben mir damit den Sonn­tag ver­süßt.

Seite 5 der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vom 29. November 2009

Die Minis­te­rin und der Stu­dent dis­ku­tie­ren über die Stu­di­en­re­form vor der 35 000 Bän­de umfas­sen­den Marx-Engels-Gesamt­aus­ga­be in gerech­ter Spra­che im Kamin­zim­mer unse­rer Ber­li­ner Redak­ti­on.

Kategorien
Politik Gesellschaft

Wo bitte geht’s zur Bildung?

Es wer­den momen­tan wich­ti­ge Wei­chen gestellt. Nicht nur in der Welt­wirt­schaft, son­dern auch in der Bil­dung. Denn nicht nur in Deutsch­land muss Bil­dung iro­ni­scher Wei­se zuguns­ten der Wirt­schaft zurück­ste­cken, euro­pa­weit lei­den Uni­ver­si­tä­ten an den Beschlüs­sen der Poli­tik zuguns­ten der Wirt­schafts­kri­se.

Es wer­den Ban­ken unter­stützt, Mil­li­ar­den­be­trä­ge für Auto­mo­bil­kon­zer­ne auf­ge­bracht und auf der ande­ren Sei­te wer­den sozia­len Ein­rich­tun­gen, Schu­len, Kin­der­gär­ten und Uni­ver­si­tä­ten Zuschüs­se gekürzt oder fal­len ganz weg.

Wie soll jedoch die Gesell­schaft von mor­gen opti­mal auf all die Pro­ble­me der Zukunft vor­be­rei­tet wer­den, wenn Schu­len geschlos­sen wer­den? Wenn kein Geld in Bil­dung inves­tiert wird? Wenn die Qua­li­tät der Leh­re nicht ver­bes­sert, son­dern gar nicht erst ernst genom­men wird?

Wer wird ein Kon­to bei einer Bank eröff­nen, ein Auto oder im Kauf­haus etwas kau­fen kön­nen, wenn er kein eige­nes Geld ver­die­nen kann, weil er kei­ne Aus­bil­dung anfan­gen kann? Wenn für das Stu­di­um und die Aus­bil­dung zu einem Beruf immer weni­ger Zeit bleibt?

Wie sol­len Schü­ler und Stu­den­ten aus­pro­bie­ren und ihre Nische fin­den, ihr Wis­sen fes­ti­gen und sich in ihrem Beruf sicher füh­len, wenn sie in 6 Semes­tern durch die Uni kata­pul­tiert wer­den? Was, wenn sie ihr Stu­di­um wegen feh­len­der finan­zi­el­le Unter­stüt­zung erst gar nicht anfan­gen kön­nen?

Es sind Fra­gen, die viel­mehr auch dar­auf auf­merk­sam machen, wie die Stu­den­ten bis jetzt mit ihrer Situa­ti­on umge­gan­gen sind: Der Groß­teil der Stu­den­ten nahm brav hin und zahl­te die Stu­di­en­ge­büh­ren, nahm einen Kre­dit auf oder brach das Stu­di­um ab.

Es tat sich nicht viel. Der gro­ße Ruck ging nicht durchs Land. Ein paar Pro­tes­te in den grö­ße­ren Uni-Städ­ten, ver­ein­zel­te Aktio­nen gegen Stu­di­en­ge­büh­ren, aber die gro­ße Mas­se an Stu­den­ten konn­te bis­her nicht mobi­li­siert wer­den, alle Mühen der Demons­tra­tio­nen blie­ben ver­ge­bens.

Jedoch gab es auch die Grün­dung ver­schie­de­ner Orga­ni­sa­tio­nen, die sich für eine bes­se­re Bil­dungs­lob­by ein­set­zen woll­ten und dies auch taten!

Und es scheint, dass die Initia­ti­ve – Bil­dungs­streik 09 – in die­sen Tagen die Früch­te ihrer Arbeit ern­ten kann. In bis zu 80 gro­ßen und klei­nen Städ­ten in Deutsch­land wird ab nächs­ter Woche in Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten gestreikt. Ab dem 15. Juni sind ver­schie­de­ne Aktio­nen geplant die ein Zei­chen set­zen sol­len – von Pla­kat­ak­tio­nen bis zu Debat­ten.

Chan­cen­gleich­heit in der Bil­dung, selbst­be­stimm­tes Ler­nen und die Ver­ant­wor­tung des Lan­des gegen­über der Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten sind nur ein Teil der For­de­run­gen.

An der Demons­tra­ti­on am 17. Juni wer­den rund 100.000 Schü­le­rIn­nen und Stu­den­tIn­nen erwar­tet. Auch Attac und die Bil­dungs­ge­werk­schaft GEW gab ihre Unter­stüt­zung bekannt.

Natür­lich ist auch ein Hauch von Skep­sis ange­bracht, ob die Demons­tra­tio­nen ihre Wir­kung nicht ver­feh­len? Ob vie­le weni­ge etwas aus­rich­ten kön­nen?

Ich sage, ja! Es ist an der Zeit und ange­bracht, sich ver­ant­wor­tungs­voll zu enga­gie­ren. Denn es muss ein Stein ins Rol­len gebracht wer­den. Nur dann nimmt die Öffent­lich­keit davon auch Notiz.

Man konn­te es in mei­ner Uni, der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le Wein­gar­ten ganz deut­lich füh­len, dass die Zeit reif ist, sich für sei­ne Idea­le und sei­ne Zukunft ein­zu­set­zen. In der Voll­ver­samm­lung letz­te Woche fan­den knapp 300 Stu­den­ten zusam­men. Das sind immer­hin 10% der imma­tri­ku­lier­ten Stu­den­ten­schaft. Mit gro­ßem Inter­es­se hör­te man den Initia­to­ren des Bil­dungs­streiks 09 zu, die uns dar­über infor­mier­ten, wie der Stand der Din­ge ist und was zu erwar­ten ist, wenn die Situa­ti­on so bleibt wie sie ist. Sogar Pro­fes­so­ren waren von der Stim­mung wäh­rend der Kund­ge­bung begeis­tert und gaben durch die Blu­me ihre Unter­stü­zung bekannt.

Rücken­de­ckung gibt es nicht nur von Sei­ten der Gewerk­schaf­ten, auch die Uni­ver­si­tä­ten und Schu­len haben für den Bil­dungs­streik die Regeln gelo­ckert, aber auch kla­re Ver­hal­tens­re­geln fest­ge­legt! Nur mit Rücken­de­ckung kann der Bil­dungs­streik ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung sein.

Was sich im Bil­dungs­streik 09 alles live tun wird, kann man ab nächs­ter Woche nicht nur hier nach­le­sen!

Wer sich infor­mie­ren möch­te was in sei­ner Stadt geplant ist: bs.risiko09.de

Kategorien
Politik

Elite-Uni der Herzen

Tja, das war’s dann: Die Ruhr-Uni Bochum hat den Sprung zur Eli­te-Uni nicht geschafft. Ein­zi­ges Trost­pflas­ter: Die Hum­boldt-Uni­ver­si­tät Ber­lin ist auch nicht dabei. Und natür­lich ist vor­her bei uns an der Uni noch mal alles neu gestri­chen wor­den, das ist ja auch schon mal was fei­nes.

Vor­hin dann in der Stra­ßen­bahn ein Gespräch mit einer Bochu­mer Bür­ge­rin: „Is‘ ja scha­de ums Geld, aber so ’ne Eli­te-Uni passt doch ga nich innen Pott!“ Stimmt natür­lich auch.

Kategorien
Literatur

Buchstabensuppe

Public Library, New York, NY

Mor­gen geht die Frank­fur­ter Buch­mes­se wie­der los, was man schon dar­an merkt, dass die Son­der­bei­la­gen der gro­ßen Zei­tun­gen so dick sind wie die Sams­tags­aus­ga­ben der klei­nen Zei­tun­gen. Die Kul­tur­jour­na­lis­ten der Fern­seh­an­stal­ten haben ihre obsku­ren Sitz­mö­bel, auf denen sie nam­haf­te Schrift­stel­ler und Susan­ne Fröh­lich zu befra­gen geden­ken, sicher längst in Stel­lung gebracht. An den Publi­kums­ta­gen wer­den sich unend­lich lan­ge Schlan­gen bil­den und für ein paar Tage ste­hen auch mal die­je­ni­gen im Mit­tel­punkt, an denen man in der Fuß­gän­ger­zo­ne ein­fach vor­bei­ge­hen wür­de: die Autoren.

Schon stellt sich wie­der die Fra­ge, wer das denn bit­te­schön alles lesen sol­le. Die Ant­wort ist ein­fach, zumin­dest wenn es nach Pierre Bayard geht: nie­mand. Der fran­zö­si­sche Lite­ra­tur­pro­fes­sor hat ein Buch geschrie­ben, das es sich zu lesen lohnt: „Wie man über Bücher spricht, die man nicht gele­sen hat“. Der Titel ist etwas sper­rig, hat aber ande­rer­seits den Vor­teil, ziem­lich genau zusam­men­zu­fas­sen, wor­um es in dem Buch geht.

Ich glau­be ja sowie­so, dass die wenigs­ten Bücher, die gekauft wer­den, auch gele­sen wer­den. Das gilt ins­be­son­de­re für Best­sel­ler. Und ganz beson­ders für die Bücher von Bas­ti­an Sick. Bayard plä­diert des­halb für einen ent­spann­te­ren Umgang mit nicht gele­se­nen Büchern: Ob auf Cock­tail­par­ties oder in der Uni­ver­si­tät, über­all wird man in Gesprä­che über Bücher ver­wi­ckelt, die man oft genug nicht gele­sen hat. Da jeder aber ande­re Infor­ma­tio­nen aus einer Lek­tü­re mit­neh­me und man vie­les, das man gele­sen habe, eh wie­der ver­ges­se, hält Bayard es für rela­tiv egal, ob man das dis­ku­tier­te Buch über­haupt gele­sen hat oder nicht. Im Gegen­teil: Beson­ders ange­reg­te Gesprä­che fin­den sei­nes Erach­tens nicht sel­ten zwi­schen Per­so­nen statt, die den Gesprächs­ge­gen­stand bei­de nicht ken­nen.

Anhand von unter­halt­sa­men Anek­do­ten aus ver­schie­de­nen Roma­nen, von denen Bayard in den Fuß­no­ten meist zugibt, sie selbst nicht gele­sen zu haben, erstellt er eine Art „Geschich­te des Nicht­le­sens“ und gibt so zumin­dest indi­rekt Tipps, wie man auch ahnungs­los bestehen kann. Er ermu­tigt sei­ne Leser aber auch dazu, offen zu ihren Bil­dungs­lü­cken zu ste­hen.

Als Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler müss­te man die­ses Buch eigent­lich has­sen: Zum einen deckt es bru­tal auf, dass wir die wenigs­ten Bücher, über die wir spre­chen und schrei­ben, über­haupt (voll­stän­dig) gele­sen haben, zum ande­ren ermu­tigt es auch noch Ande­re zum glei­chen Ver­hal­ten. Ande­rer­seits: Was spricht dage­gen, sich mit­hil­fe von Sparks­no­tes oder der Wiki­pe­dia einen Über­blick über Bücher zu ver­schaf­fen, die man eh nie lesen wird? Man erlaubt sich ja auch Urtei­le über Fil­me, von denen man nur den Trai­ler gese­hen hat, oder beur­teilt ein Album nach sei­ner Sin­gle.

Las­sen Sie es mich also so aus­drü­cken: Die Lek­tü­re von Bayards Buch lohnt in jedem Fal­le (die vie­ler ande­rer Bücher im Übri­gen auch). Es spricht wenig dage­gen, in Gesprä­chen über Bücher, die man nicht gele­sen hat, hef­tig zu nicken und die zwei Infor­ma­tio­nen, die man dar­über kennt, ein­zu­streu­en. Viel­leicht ist das Gespräch ja so erhel­lend, dass man das Buch hin­ter­her doch noch liest. Wohl soll­te man aber bes­ser nicht von sich aus das Gespräch auf Bücher len­ken, von denen man kei­ne Ahnung hat. Das könn­te doch schnell pein­lich wer­den.