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Digital Gesellschaft

Kürzen und Würgen

Zuge­ge­ben: Ich hal­te Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler und Art­ver­wand­te sowie­so für moder­ne Scha­ma­nen. Ich wäre nicht im Min­des­ten über­rascht, wenn man im Kel­ler des ifo-Insti­tuts (bekannt durch sei­nen monat­lich ermit­tel­ten „Geschäfts­kli­ma­in­dex“, einer Art Gefühls­ba­ro­me­ter der Wirt­schaft) groß­flä­chi­ge Krei­de­krei­se und Hüh­ner­kno­chen fän­de oder bei den soge­nann­ten Rating­agen­tu­ren Glas­kol­ben mit ver­schie­den­far­bi­gen Flüs­sig­kei­ten. Ich habe also auch nicht näher ver­folgt, was es mit dem aktu­ell statt­fin­den­den Öko­no­men­streit auf sich hat – mut­maß­lich eine Art His­to­ri­ker­streit ohne Nazis, also für Außen­ste­hen­de sehr, sehr lang­wei­lig.

Ges­tern berich­te­te „Han­dels­blatt Online“ unter der ange­mes­sen unauf­ge­regt Über­schrift „Der Krieg der Öko­no­men eska­liert“ über den Dort­mun­der Sta­tis­tik­pro­fes­sor Wal­ter Krä­mer:

Nichts zeigt die Zer­strit­ten­heit deut­scher Öko­no­men so dra­ma­tisch, wie ein Inter­view mit dem Öko­no­mie­pro­fes­sor Wal­ter Krä­mer in der Dort­mun­der Stu­den­ten­zei­tung „Pflicht­lek­tü­re“. „Was von unse­ren Geg­nern an Gehäs­sig­keit in die Tin­te geflos­sen ist, das ist ja kaum zu glau­ben, Leu­te wie Herr Bofin­ger der übri­gens eine aka­de­mi­sche Null­num­mer ist.“ Kei­ner neh­me Herrn Bofin­ger ernst, wet­tert Krä­mer. Die­ser sei nur in den Rat der Wirt­schafts­wei­sen gekom­men, weil die Gewerk­schaf­ten ihn dort rein koop­tiert hät­ten. Han­dels­blatt Online kon­fron­tier­te Bofin­ger mit der har­ten Kri­tik, eine Reak­ti­on gab es auf die Email-Anfra­ge aber bis­her nicht.

Mit man­geln­dem Exper­ten­tum muss sich Krä­mer aus­ken­nen wie kaum ein Zwei­ter, ist der Öko­no­mie­pro­fes­sor doch Vor­sit­zen­der des „Ver­eins Deut­sche Spra­che“, der mit ernst­zu­neh­men­der Ger­ma­nis­tik unge­fähr so viel gemein hat wie Krea­tio­nis­ten mit der Evo­lu­ti­on.

Vor ein paar Wochen hat Krä­mer einen Appell ver­öf­fent­licht. Bei der Bericht­erstat­tung dar­über fühl­te er sich miss­ver­stan­den, wie „Han­dels­blatt Online“ wei­ter schreibt:

Im Inter­view mit der Dort­mun­der Stu­den­ten­zei­tung ver­sucht Krä­mer nun, auf­zu­klä­ren. [Hans-Wer­ner] Sinn sei an dem Auf­ruf nicht betei­ligt gewe­sen, sagt er. Der „Spie­gel“ stel­le ihn aber als medi­en­gei­len Dumm­schwät­zer da. „Die­sen Redak­teur könn­te ich erwür­gen und an die Wand klat­schen“, so Krä­mer.

Der Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Gus­tav Horn ver­link­te den „Handelsblatt“-Text bei Face­book und kom­men­tier­te, Krä­mer habe sich „für wei­te­re wirt­schafts­po­li­ti­sche Debat­ten als unge­eig­net erwie­sen“. Dann bekam Horn offen­bar Post von Krä­mer, die er „der Korekt­heit wegen“ eben­falls auf Face­book ver­öf­fent­lich­te:

Sehr geehr­te Damen und Her­ren,
ich fal­le gera­de aus allen Wol­ken, im Han­dels­blatt einen nicht auto­ri­sier­ten Mit­schnitt einer flap­si­gen Neben­be­mer­kung wäh­rend eines Inter­views zu fin­den.
Den von Ihnen zitier­ten Text hat­te ich bis heu­te Mit­tag nicht gese­hen.
Sie dür­fen ger­ne in der Redak­ti­on der Pflicht­lek­tü­re nach­fra­gen.
Die auto­ri­sier­te Fas­sung des Inter­views fin­den Sie hier:

http://www.pflichtlektuere.com/

Wie Sie dar­in sehen, bemü­he ich mich nach Kräf­ten um das Gegen­teil des­sen, was Sie mir vor­wer­fen.
Näm­lich die Gemein­sam­kei­ten der ver­schie­de­nen Ansät­ze her­aus­zu­stel­len.
Und bei dem Kol­le­gen Bofin­ger wer­de ich mich für die­sen faux pas ent­schul­di­gen.
Was treibt eigent­lich das Han­dels­blatt, mit aller Gewalt eine allen­falls auf per­sön­li­cher, aber kaum auf wis­sen­schaft­li­cher Ebe­ne exis­tie­ren­de Fron­ten­bil­dung zwi­schen deut­schen Öko­no­men zu erfin­den?

Mit irri­tier­ten Grü­ßen Wal­ter Krä­mer

PS: Bit­te lei­ten Sie die­se Nach­richt auch an den zustän­di­gen Redak­teur wei­ter, ich habe die elek­tro­ni­sche Anschrift lei­der nicht

(„Faux pas“ ist offen­bar okay für den „Ver­ein Deut­sche Spra­che“.)

Wenn man nun das Inter­view auf pflichtlektuere.com liest, fin­det man dort tat­säch­lich kei­ne Erwäh­nung Bofin­gers und kei­ne Gewalt­phan­ta­sien gegen­über „Spiegel“-Redakteuren.

Man fin­det sie nicht mehr.

Rund eine Woche stand das Inter­view offen­bar in sei­ner ursprüng­li­chen Form online, ges­tern wur­de es über­ar­bei­tet und die ent­spre­chen­den Pas­sa­gen wur­den ohne einen Hin­weis ent­fernt.

Bei scribd.com oder im Goog­le-Cache kann man aber noch ein­mal nach­le­sen, wie Krä­mer ande­ren vor­warf, sich im Ton zu ver­grei­fen:

Neben der Kanz­le­rin gab es aber auch noch deut­li­che­re Wor­te, bei­spiels­wei­se von Wolf­gang Schäub­le. Man­che Kri­ti­ker wer­fen Ihnen unter ande­rem Pathos und inhalt­li­che Armut vor…

Krä­mer: Also, wenn sich hier jemand im Ton ver­greift, dann sind das die ande­ren. Was von unse­ren Geg­nern an Gehäs­sig­keit in die Tin­te geflos­sen ist, das ist ja kaum zu glau­ben. Leu­te wie Herr Bofin­ger (Anmerk. Der Red.: Peter Bofin­ger, VWL-Pro­fes­sor an der Uni Würz­burg und einer der fünf Wirt­schafts­wei­sen) der übri­gens eine aka­de­mi­sche Null­num­mer ist. Kei­ner nimmt ihn ernst, er ist nur in den Rat gekom­men, weil von den Gewerk­schaf­ten rein koop­tiert wor­den ist. Wenn hier jemand auf Stamm­tisch­ni­veau argu­men­tiert, dann die Gegen­sei­te.

An fast 20 Stel­len unter­schei­den sich die Ver­sio­nen mal mehr, mal weni­ger stark von­ein­an­der. Die Leser von „Pflicht­lek­tü­re“ erfuh­ren davon bis zum heu­ti­gen Nach­mit­tag nichts, nur der Hin­weis „[Update 24.7.2012]“ im Vor­spann deu­te­te vage eine Über­ar­bei­tung an.

Ich habe mich an die Redak­ti­on gewandt und unter ande­rem gefragt, ob die Über­ar­bei­tung des Inter­views, gera­de wenn es beim „Han­dels­blatt“ zitiert und ver­linkt wird, nicht kennt­lich gemacht wer­den müss­te. Der Redak­ti­ons­lei­ter erklär­te mir dann, dass es meh­re­re Nach­fra­gen gege­ben habe und man dar­auf nun reagie­ren wer­de.

Seit dem spä­ten Nach­mit­tag steht nun unter dem Arti­kel:

Hin­weis der Redak­ti­on:

Das ver­schrift­li­che Inter­view mit Wal­ter Krä­mer vom 17. Juli 2012 lag dem Befrag­ten vor der Ver­öf­fent­li­chung nicht vor. Die aktua­li­sier­te Fas­sung ent­hält die Ände­run­gen, die Herr Wal­ter Krä­mer am 24. Juli 2012 ergänzt hat.

Tobi­as Schweig­mann
Lei­ter der Lehr­re­dak­ti­on Online

„Ergänzt“, soso. Wenn der „Ver­ein Deut­sche Spra­che“ von die­ser Bedeu­tungs­ver­schie­bung erfährt …

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Musik

Creative, common

Aus Grün­den, die heu­te ver­mut­lich nie­mand mehr kennt, sehen die Ver­an­stal­ter der Echo-Ver­lei­hung ihren Preis noch immer in einer Rei­he mit Gram­my und Brit Award ste­hen. (Fai­rer­wei­se muss man bemer­ken, dass „in einer Rei­he“ nicht „in einer Liga“ bedeu­tet.)

Am 4. März wird der Echo mal wie­der ver­lie­hen und Prof. Die­ter Gor­ny, Insol­venz­ver­wal­ter der deut­schen Ton­trä­ger­indus­trie, lässt sich anläss­lich der Aus­zeich­nung der kom­mer­zi­ell erfolg­reichs­ten Musi­ker mit den Wor­ten zitie­ren:

"Hier geht es um Kreativität, um Kultur und um Kunst", Prof. Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender Bundesverband Musikindustrie e.V.

„Vor­her­seh­bar­keit, Ver­kaufs­zah­len und Ver­zweif­lung“ wären als Beschrei­bung des zu erwar­ten­den Abends zwar pas­sen­der, aber natür­lich längst nicht so … krea­tiv.

Alles, was es sonst noch zu sagen gäbe, hat Tim Ren­ner schon gesagt.

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Musik

Schöner Heulen

Man hört ja lei­der viel zu sel­ten Dan Bern.

Beson­ders Die­ter Gor­ny und Hubert Bur­da (und all den ande­ren hun­gern­den Medi­en­futzis) möch­te ich aber sei­nen „Albu­quer­que Lul­la­by“ aus dem Jahr 2001 ans Herz legen.

Schon vor acht Jah­ren sang Bern da:

I have a fri­end
Sits in his office
Whe­re he’s had his big suc­cess
Now he cries all day
He says the Inter­net
Is ste­al­ing his royal­ties
Talks of his glo­ry days
I say no one cares about your glo­ry days

In die­sem Live­vi­deo ver­haut er zwar die ent­schei­den­de Zei­le, aber schön ist der Song trotz­dem:

[Direkt­link]

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Politik Gesellschaft

Wo bitte geht’s zur Bildung?

Es wer­den momen­tan wich­ti­ge Wei­chen gestellt. Nicht nur in der Welt­wirt­schaft, son­dern auch in der Bil­dung. Denn nicht nur in Deutsch­land muss Bil­dung iro­ni­scher Wei­se zuguns­ten der Wirt­schaft zurück­ste­cken, euro­pa­weit lei­den Uni­ver­si­tä­ten an den Beschlüs­sen der Poli­tik zuguns­ten der Wirt­schafts­kri­se.

Es wer­den Ban­ken unter­stützt, Mil­li­ar­den­be­trä­ge für Auto­mo­bil­kon­zer­ne auf­ge­bracht und auf der ande­ren Sei­te wer­den sozia­len Ein­rich­tun­gen, Schu­len, Kin­der­gär­ten und Uni­ver­si­tä­ten Zuschüs­se gekürzt oder fal­len ganz weg.

Wie soll jedoch die Gesell­schaft von mor­gen opti­mal auf all die Pro­ble­me der Zukunft vor­be­rei­tet wer­den, wenn Schu­len geschlos­sen wer­den? Wenn kein Geld in Bil­dung inves­tiert wird? Wenn die Qua­li­tät der Leh­re nicht ver­bes­sert, son­dern gar nicht erst ernst genom­men wird?

Wer wird ein Kon­to bei einer Bank eröff­nen, ein Auto oder im Kauf­haus etwas kau­fen kön­nen, wenn er kein eige­nes Geld ver­die­nen kann, weil er kei­ne Aus­bil­dung anfan­gen kann? Wenn für das Stu­di­um und die Aus­bil­dung zu einem Beruf immer weni­ger Zeit bleibt?

Wie sol­len Schü­ler und Stu­den­ten aus­pro­bie­ren und ihre Nische fin­den, ihr Wis­sen fes­ti­gen und sich in ihrem Beruf sicher füh­len, wenn sie in 6 Semes­tern durch die Uni kata­pul­tiert wer­den? Was, wenn sie ihr Stu­di­um wegen feh­len­der finan­zi­el­le Unter­stüt­zung erst gar nicht anfan­gen kön­nen?

Es sind Fra­gen, die viel­mehr auch dar­auf auf­merk­sam machen, wie die Stu­den­ten bis jetzt mit ihrer Situa­ti­on umge­gan­gen sind: Der Groß­teil der Stu­den­ten nahm brav hin und zahl­te die Stu­di­en­ge­büh­ren, nahm einen Kre­dit auf oder brach das Stu­di­um ab.

Es tat sich nicht viel. Der gro­ße Ruck ging nicht durchs Land. Ein paar Pro­tes­te in den grö­ße­ren Uni-Städ­ten, ver­ein­zel­te Aktio­nen gegen Stu­di­en­ge­büh­ren, aber die gro­ße Mas­se an Stu­den­ten konn­te bis­her nicht mobi­li­siert wer­den, alle Mühen der Demons­tra­tio­nen blie­ben ver­ge­bens.

Jedoch gab es auch die Grün­dung ver­schie­de­ner Orga­ni­sa­tio­nen, die sich für eine bes­se­re Bil­dungs­lob­by ein­set­zen woll­ten und dies auch taten!

Und es scheint, dass die Initia­ti­ve – Bil­dungs­streik 09 – in die­sen Tagen die Früch­te ihrer Arbeit ern­ten kann. In bis zu 80 gro­ßen und klei­nen Städ­ten in Deutsch­land wird ab nächs­ter Woche in Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten gestreikt. Ab dem 15. Juni sind ver­schie­de­ne Aktio­nen geplant die ein Zei­chen set­zen sol­len – von Pla­kat­ak­tio­nen bis zu Debat­ten.

Chan­cen­gleich­heit in der Bil­dung, selbst­be­stimm­tes Ler­nen und die Ver­ant­wor­tung des Lan­des gegen­über der Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten sind nur ein Teil der For­de­run­gen.

An der Demons­tra­ti­on am 17. Juni wer­den rund 100.000 Schü­le­rIn­nen und Stu­den­tIn­nen erwar­tet. Auch Attac und die Bil­dungs­ge­werk­schaft GEW gab ihre Unter­stüt­zung bekannt.

Natür­lich ist auch ein Hauch von Skep­sis ange­bracht, ob die Demons­tra­tio­nen ihre Wir­kung nicht ver­feh­len? Ob vie­le weni­ge etwas aus­rich­ten kön­nen?

Ich sage, ja! Es ist an der Zeit und ange­bracht, sich ver­ant­wor­tungs­voll zu enga­gie­ren. Denn es muss ein Stein ins Rol­len gebracht wer­den. Nur dann nimmt die Öffent­lich­keit davon auch Notiz.

Man konn­te es in mei­ner Uni, der Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­le Wein­gar­ten ganz deut­lich füh­len, dass die Zeit reif ist, sich für sei­ne Idea­le und sei­ne Zukunft ein­zu­set­zen. In der Voll­ver­samm­lung letz­te Woche fan­den knapp 300 Stu­den­ten zusam­men. Das sind immer­hin 10% der imma­tri­ku­lier­ten Stu­den­ten­schaft. Mit gro­ßem Inter­es­se hör­te man den Initia­to­ren des Bil­dungs­streiks 09 zu, die uns dar­über infor­mier­ten, wie der Stand der Din­ge ist und was zu erwar­ten ist, wenn die Situa­ti­on so bleibt wie sie ist. Sogar Pro­fes­so­ren waren von der Stim­mung wäh­rend der Kund­ge­bung begeis­tert und gaben durch die Blu­me ihre Unter­stü­zung bekannt.

Rücken­de­ckung gibt es nicht nur von Sei­ten der Gewerk­schaf­ten, auch die Uni­ver­si­tä­ten und Schu­len haben für den Bil­dungs­streik die Regeln gelo­ckert, aber auch kla­re Ver­hal­tens­re­geln fest­ge­legt! Nur mit Rücken­de­ckung kann der Bil­dungs­streik ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung sein.

Was sich im Bil­dungs­streik 09 alles live tun wird, kann man ab nächs­ter Woche nicht nur hier nach­le­sen!

Wer sich infor­mie­ren möch­te was in sei­ner Stadt geplant ist: bs.risiko09.de

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Digital

Auswärtsspiel: Sprechen in Münster

Hörsaal 6

Ver­gan­ge­ne Woche war ich in Müns­ter, um auf dem Sym­po­si­um Oeco­no­mic­um jun­gen Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lern etwas zum The­ma Blogs zu erzäh­len.

Wie es mir dort gefal­len hat und was ich von die­ser Ver­an­stal­tung mit­ge­nom­men habe, steht in mei­nem Gast­bei­trag, den ich fürs SOM Blog ver­fasst habe.

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Musik Kultur

Turm und Jungfrau sind aus dem Spiel

Ein iPod und eine CD-Sammlung (Ausschnitt).

Der Vir­gin Mega­s­to­re in San Fran­cis­co (Ecke Mar­ket und Stock­ton Street) macht dicht. Die Men­schen wer­den ihre Kiss-Hem­den, AC/DC-Unter­ho­sen und Jonas-Brot­hers-Regen­schir­me in Zukunft woan­ders angu­cken (denn wer kauft sowas schon?) müs­sen.

cnet.com illus­triert die­sen Vor­gang mit einem Foto, dem man hohe Sym­bol­kraft unter­stel­len könn­te: Genau gegen­über vom Vir­gin Mega­s­to­re ver­kauft der Apple Store sei­ne iPods – und Down­loads machen inzwi­schen ein Drit­tel der ver­kauf­ten Musik in den USA aus.

Ich will das alles nicht klein­re­den. Seit ich mei­nen iPod habe, habe ich auch mehr aktu­el­le Alben in Form von Down­loads gekauft als auf CD. Nur Musik von Künst­lern, deren Gesamt­werk ich im Regal ste­hen habe, muss wei­ter­hin auch phy­sisch erwor­ben wer­den – was bei Star­sail­or z.B. hieß, dass ich für die Hül­le und das Book­let acht Euro Auf­preis gezahlt habe, was selbst unter Fan-Aspek­ten eini­ger­ma­ßen bescheu­ert ist.

Was ich aber am Bei­spiel San Fran­cis­co beson­ders fas­zi­nie­rend fin­de: Zwei­ein­halb Jah­re, nach­dem Tower Records plei­te ging und sein Filia­len an der Ecke Columbus/​Bay Street schlie­ßen muss­te, zieht sich die zwei­te gro­ße Enter­tain­ment-Ket­te zurück. Es blei­ben Best Buy (eine Art ame­ri­ka­ni­scher Media Markt außer­halb der Innen­städ­te) und die „alter­na­ti­ven“ Klein-Ket­ten wie Ras­pu­tin und Amoe­ba (s.a. Rei­se­tipps für San Fran­cis­co: Geschäf­te). Die sind natür­lich viel zu groß und dann doch zu gut orga­ni­siert, um noch als „David“ durch­zu­ge­hen (ande­rer­seits: ver­gli­chen mit Vir­gin …), aber doch schei­nen sie gewon­nen zu haben.

Die Fra­ge bleibt, wie lan­ge es über­haupt noch Plat­ten­lä­den geben wird.

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Politik

Der Nazi-Vergleich des Monats

… wird Ihnen prä­sen­tiert von Hans-Wer­ner Sinn, dem Prä­si­den­ten des Münch­ner Ifo-Insti­tuts.

Den zitiert der „Tages­spie­gel“ wie folgt:

„In jeder Kri­se wird nach Schul­di­gen gesucht, nach Sün­den­bö­cken“, sag­te er dem Tages­spie­gel. In der Welt­wirt­schafts­kri­se von 1929 „hat es in Deutsch­land die Juden getrof­fen, heu­te sind es die Mana­ger“.

Damit sichert sich Sinn natür­lich einen der begehr­ten Plät­ze in der gro­ßen Nazi-Ver­gleichs-Lis­te von Cof­fee And TV – auch wenn es sich streng genom­men nur um eine Cover­ver­si­on von Roland Kochs Schla­ger „Eine neue Form von Stern an der Brust“ han­delt.

Streng genom­men han­delt es sich hier­bei natür­lich nicht direkt um einen Nazi-Ver­gleich, weil das obli­ga­to­ri­sche „wie/​seit Hitler/​Goebbels/​1945“ fehlt. Ande­rer­seits wird hier gleich jeder, der heu­te Mana­ger kri­ti­siert, mit Anti­se­mi­ten gleich­ge­setzt. Und das wäre, wenn Sinn das tat­säch­lich gemeint haben soll­te, natür­lich schon eine ziem­lich ver­un­glück­te Welt­sicht.

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Die Zeitungskrise erreicht den Westen

So ein biss­chen hat­te der WDR Pech mit sei­nem Timing. Da hat man mit „Dra­ma­ti­sche Ent­wick­lun­gen bei der WAZ-Grup­pe: Zei­tun­gen erschei­nen nur noch in redu­zier­tem Umfang“ eine Top-Mel­dung, die nicht nur für Medi­en­krei­se, son­dern weit dar­über hin­aus inter­es­sant ist, aber lei­der war es schon 19:00 Uhr, als die Pres­se­mit­tei­lung dazu raus­ging. Die Medi­en­diens­te und ‑blogs (mit Aus­nah­me von Medi­en­rau­schen) waren schon im Fei­er­abend und bei der „WAZ“ war nie­mand mehr (also: noch nie­man­der), der für Rück­fra­gen zur Ver­fü­gung hät­te ste­hen kön­nen. Auch bei den Pres­se­mit­tei­lun­gen der WAZ-Medi­en­grup­pe fin­det sich noch nichts zu den aktu­el­len Ent­wick­lun­gen.

Das Bran­chen­blatt „Wer­ben & Ver­kau­fen“ hat­te das zwar schon am Nach­mit­tag ange­deu­tet, aber dass die Zei­tun­gen des Kon­zerns („West­deut­sche All­ge­mei­ne Zei­tung“, „Neue Rhein/​Neue Ruhr-Zeitung“,„Westfälische Rund­schau“ und „West­fa­len­post“) schon ab mor­gen in deut­lich gerin­ge­rem Umfang erschei­nen sol­len (32 statt 48 Sei­ten), das ist schon ein ziem­li­cher Ham­mer. Dar­über hin­aus könn­ten bis zu einem Drit­tel der Stel­len abge­baut wer­den.

Die Zei­tungs­kri­se, die schon etli­che ame­ri­ka­ni­sche Tra­di­ti­ons­blät­ter zer­legt oder ins Inter­net gedrängt hat, ist damit mit­ten im Kern­ge­schäft von Deutsch­lands dritt­größ­tem Ver­lags­haus ange­kom­men. Das Fern­se­hen hat­te die Kri­se ja schon ges­tern erwischt.

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Wissensvorsprung

Mir wird ja hin und wie­der vor­ge­wor­fen, ich wür­de immer alles so schreck­lich nega­tiv sehen und mich völ­lig in mei­nen „Hass“ auf „RP Online“ ver­ren­nen.

Kom­men wir des­halb nun mal zu etwas Posi­ti­vem: der glo­ba­len Finanz­kri­se.

Ras­hi­da Jones („The Office“) und Nata­lie Port­man (tolls­te Frau der Welt) haben eine Lösung dafür gefun­den, die nicht „42“ lau­tet, die sie aber auf funnyordie.com der Welt­öf­fent­lich­keit mit­tei­len.

Bit­te sehr:

See more Nata­lie Port­man vide­os at Fun­ny or Die

[via natalieportman.com]

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Blame it on the Internet

Dass die „Süd­deut­sche Zei­tung“ ein eher gespal­te­nes Ver­hält­nis zum Inter­net hat, ist ja schon län­ger bekannt. Inso­fern über­rascht es wenig, dass vor­ges­tern ein Arti­kel erschien, der die­sen gan­zen Inter­net­kram und vor allem Goog­le mal wie­der als den Unter­gang von Abend­land, Welt­wirt­schaft und Qua­li­täts­jour­na­lis­mus beschrieb.

Schon die Dach­zei­le (die Über­schrift über der Über­schrift) macht klar, wer hier der Böse ist:

Google-News: Automatischer Absturz. Der Computer als Journalist: Google News meldete vergangene Woche den Konkurs einer amerikanischen Airline - obwohl die Nachricht sechs Jahre alt war. Die Folgen waren verheerend. Von Thomas Schuler

Durch eine Ver­ket­tung von meh­re­ren unglück­li­chen Umstän­den hat­te ein Suchskript in der ver­gan­ge­nen Woche einen sechs Jah­re alten, aber unda­tier­ten Arti­kel des „Chi­ca­go Tri­bu­ne“ über den Kon­kurs von United Air­lines im Archiv des „South Flo­ri­da Sun-Sen­ti­nel“ ent­deckt, für neu gehal­ten und ins Archiv von „Goog­le News“ ein­sor­tiert.

Das ist schon aus rein jour­na­lis­ti­schen Aspek­ten doof – Arti­kel ohne Datum soll­ten ein­fach nicht sein. Wenn es sich auch noch um eine Mel­dung aus dem Wirt­schafts­be­reich han­delt, wo tra­di­tio­nell unvor­stell­ba­re Geld­be­trä­ge ver­scho­ben wer­den auf­grund von Zuckun­gen im klei­nen Zeh irgend­wel­cher Vor­stands­vor­sit­zen­der und von den Schat­ten, die abge­nag­te Hüh­ner­kno­chen in einer Voll­mond­nacht wer­fen, kön­nen die Fol­gen ver­hee­rend sein: Der Bör­sen­kurs von United Air­lines brach zwi­schen­zeit­lich um 75% ein. Wir kön­nen uns also dar­auf eini­gen: Sowas soll­te nicht pas­sie­ren.

Erstaun­lich ist aber – neben der Tat­sa­che, dass unse­re Welt­wirt­schaft offen­bar von leicht­gläu­bi­gen Idio­ten abhän­gig ist – wie die „Süd­deut­sche Zei­tung“ über den Vor­gang berich­tet:

Denn je öfter die Betei­lig­ten – ein Finanz­dienst­leis­ter aus Miami und die Medi­en­un­ter­neh­men Tri­bu­ne, Bloom­berg und Goog­le – in den Tagen danach Unter­su­chun­gen ankün­dig­ten, sich in Details wider­spra­chen, gegen­sei­tig Schuld zuwie­sen und Ant­wor­ten auf die Fra­ge such­ten, wie es zu der Falsch­mel­dung kom­men konn­te, des­to deut­li­cher wur­de, dass dies kei­ne der übli­chen Dis­kus­sio­nen um gefälsch­te Mel­dun­gen oder mensch­li­ches Ver­sa­gen ist. Es gibt ein neu­es Pro­blem: Jour­na­lis­mus ohne Jour­na­lis­ten. Kann das gut gehen?

Ja, Jour­na­lis­mus ohne Jour­na­lis­ten. Ob das gut geht?

Bei der „Süd­deut­schen Zei­tung“ offen­bar bes­tens, denn nur weni­ge Absät­ze spä­ter erklärt Autor Tho­mas Schul­er, wie es genau zu den Fol­gen die­ses tech­ni­schen Feh­lers kam:

Den gan­zen Sonn­tag über sei die Geschich­te so oft abge­ru­fen wor­den, dass sie wei­ter unter „most view­ed“ gelis­tet blieb. Dort ent­deck­te sie ein Mit­ar­bei­ter einer Invest­ment­dienst­leis­ters, der am Mon­tag für den Finanz­dienst Bloom­berg einen News­let­ter über in Kon­kurs gegan­ge­ne Fir­men ver­fass­te. Dass United seit 2006 wie­der zah­lungs­fä­hig ist, stand natür­lich nicht in dem Bericht. Bloom­berg ver­brei­te­te den News­let­ter. So kam es zum Absturz der Aktie.

Da hat also irgend­ein Mensch, der für einen Finanz­dienst (laut „New York Times“ han­delt es sich um Inco­me Secu­ri­ty Advi­sors) News­let­ter ver­fas­sen soll, bei „Goog­le News“ ein biss­chen rum­ge­klickt, eine unda­tier­te Mel­dung gefun­den und sie ohne eine wei­te­re Sekun­de der Recher­che (ich mei­ne: wir reden hier über United Air­lines – wenn die plei­te wären, stün­de das sicher noch irgend­wo anders) in sei­nen News­let­ter auf­ge­nom­men. Das klingt für mich irgend­wie schwer nach mensch­li­chem Ver­sa­gen.

Und wenn stimmt, was die „Los Ange­les Times“ schreibt, hat der Mit­ar­bei­ter an jenem Tag zum ers­ten Mal den Inter­net­auf­tritt einer Zei­tung besucht:

The repor­ter […] thought it was fresh becau­se of the date and becau­se the Goog­le search found the sto­ry on a cur­rent Sun-Sen­ti­nel page, which included an item on Hur­ri­ca­ne Ike.

Das Pro­blem des Jour­na­lis­mus liegt also eine Eta­ge höher: Wo kom­men wir hin, wenn wir den gan­zen Agen­tu­ren und „Goog­le News“ nicht mehr blind ver­trau­en kön­nen? Wenn wir jede bun­te Mel­dung, mit der wir unse­re Zei­tun­gen und Web­sei­ten fül­len, noch mal über­prü­fen oder wenigs­tens auf Plau­si­bi­li­tät über­prü­fen müs­sen? Oder völ­lig über­ra­schen­de Mel­dun­gen über den Kon­kurs einer der welt­größ­ten Flug­li­ni­en?

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Digital Gesellschaft

Sommerschlussverkauf mal anders

Die Waren­haus­ket­te Her­tie hat heu­te beim Esse­ner Amts­ge­richt den Insol­venz­an­trag ein­ge­reicht. Was mich als Wirt­schafts­laie immer ein biss­chen über­rascht: Dies geschieht, damit der Betrieb der 73 Waren­häu­ser der frü­he­ren Kar­stadt-Kom­pakt-Grup­pe (dar­un­ter Häu­ser, die frü­her schon ein­mal Her­tie hie­ßen, bevor Kar­stadt Her­tie auf­ge­kauft und die Läden umbe­nannt hat­te) auf­recht­erhal­ten wer­den kann. Der eng­li­sche Mut­ter­kon­zern Dawnay Day war in erheb­li­che Schief­la­ge gera­ten, wes­we­gen die Zukunft von Her­tie kei­ne andert­halb Jah­re nach der Umbe­nen­nung nun in den Ster­nen steht.

Die Mel­dung wird (neben den Ange­stell­ten) auch die Stadt­obe­ren von Dins­la­ken sehr beun­ru­hi­gen – deren Plä­ne, ein neu­es Ein­kaufs­zen­trum in der Innen­stadt zu bau­en, fuß­ten näm­lich unter ande­rem auf der vagen Hoff­nung, dass Her­tie sich am Bau betei­li­gen wür­de. Jetzt könn­te es pas­sie­ren, dass es in Dins­la­ken bald nicht ein­mal mehr das alte Her­tie-Kauf­haus gibt.

Die vie­len An- und Ver­käu­fe, Um- und Rück­be­nen­nun­gen bei Kar­stadt und Her­tie sind natür­lich unglaub­lich ver­wir­rend. Als man sich bei „RP Online“ dar­an mach­te, „Zehn Fak­ten über Her­tie“ auf­zu­schrei­ben (natür­lich nicht etwa in einer Lis­te, son­dern in einer ver­damm­ten Klick­stre­cke) schlug das Schick­sal unbarm­her­zig zu:

Die Zulieferung der Waren vom Karstadt-Quelle-Konzern hat Hertie nach und anch eingestellt. Heute kommen 80 Prozent der Waren von der Arcandor AG

Um die gan­ze Trag­wei­te die­ser zwei Sät­ze zu ver­ste­hen, müs­sen Sie zwei Din­ge wis­sen:
Ers­tens sind die „80 Pro­zent“ offen­bar aus der Wiki­pe­dia abge­schrie­ben – aber lei­der genau falsch:

Bis Mit­te 2007 soll­ten 80 Pro­zent des Sor­ti­men­tes auf ande­re Zulie­fe­rer als die Arcan­dor AG umge­stellt wer­den.

Und zwei­tens ist „Arcan­dor“ seit 2007 der neue Name von … nun ja: Kar­stadt-Quel­le.

Nach­trag, 22:51 Uhr: Aus den „Zehn Fak­ten zu Her­tie“ sind neun „Fak­ten zu Her­tie“ gewor­den. Wer die Zulie­fe­rer sind oder nicht sind, erfährt der Leser jetzt nicht mehr.

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Musik Digital

Silberscheiben am Horizont

In mei­nem Zim­mer sta­pelt sich der Son­der­müll. Dafür muss­te ich weder ein Atom­kraft­werk über­fal­len noch Alt­öl abzap­fen, ich wur­de über Jah­re hin­weg bemus­tert, was im Klar­text heißt: Plat­ten­fir­men schi­cken einem eine gan­ze Men­ge CDs, von denen ein rela­tiv klei­ner Teil sehr, sehr gut ist, der Groß­teil aber egal bis schlimm.

Vie­le die­ser CDs sind mit dem Hin­weis ver­se­hen, sie befän­den sich wei­ter­hin im Eigen­tum der aus­hän­di­gen­den Plat­ten­fir­ma oder Prom­o­agen­tur und dürf­ten unter kei­nen Umstän­den (die For­mu­lie­run­gen vari­ie­ren da etwas, legen aber dra­ko­ni­sche bis schmerz­haf­te Stra­fen nahe) ver­kauft, ver­schenkt oder sonst­wie ver­äu­ßert wer­den. Eini­ge Fir­men arbei­ten inzwi­schen mit digi­ta­len Was­ser­zei­chen, die angeb­lich eine prä­zi­se Rück­ver­fol­gung zulas­sen, wenn mal wie­der ein böser, böser Jour­na­list die CD ins Inter­net gestellt hat – und dann gna­de ihm Gott. (Insi­der gehen davon aus, dass unver­öf­fent­lich­te CDs fast immer von unter­be­zahl­ten Mit­ar­bei­tern in Press­wer­ken und an Pack­stra­ßen gerippt wer­den und fast nie von Jour­na­lis­ten oder DJs.)

Uni­ver­sal Music führt des­halb zur Zeit einen Rechts­streit gegen den eBay-Händ­ler Troy Augus­to, des­sen Aus­gang bizar­re Fol­gen haben könn­te, min­des­tens in den USA: Wenn näm­lich eine Fir­ma durch ein paar schlich­te Sät­ze ein­fach fest­le­gen kann, was der Kon­su­ment mit ihrem Pro­dukt machen darf und was nicht – wobei der Kon­su­ment im Extrem­fall ein zah­len­der Kun­de sein könn­te, der das Pro­dukt für viel Geld erwor­ben hat.

Der Fall zeigt wie­der ein­mal die Hilf- und Ahnungs­lo­sig­keit der Musik­in­dus­trie auf: Dabei geht es gar nicht so sehr um den kon­kre­ten Fall, in dem man die Wei­ter­ga­be von Wer­be­ge­schen­ken (und nichts ande­res sind Pro­mo-CDs ja in den meis­ten Fäl­len) unter­bin­den will. Der Fall zeigt viel­mehr, wie unbe­darft die gro­ßen Unter­hal­tungs­kon­zer­ne immer noch mit dem Inter­net umge­hen, denn jetzt ste­hen sie schon wie­der als kla­ge­wü­ti­ge, ansons­ten aber ideen­lo­se Fir­men da.

[Ähn­lich geschickt stell­te sich zuletzt übri­gens SonyBMG an.]