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99 Kriegsminister

Falls Sie heute noch nicht am Kiosk waren: Lassen Sie’s! Es lohnt sich nicht.

Folgendes hätte Sie in etwa erwartet:

Titelseite "Süddeutsche Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Der Tagesspiegel", 13. November 2009

Titelseite "Berliner Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Welt Kompakt", 13. November 2009

Titelseite "Braunschweiger Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Ruhr Nachrichten", 13. November 2009

Gut, es geht natürlich auch … anders:

Titelseite "Bild", 13. November 2009

Titelseite "Hamburger Morgenpost", 13. November 2009

Titelseite "Berliner Kurier", 13. November 2009

Zwei Titelgeschichten zum Preis von einer bekommen nur die Leser der “Abendzeitung”:

Titelseite "Abendzeitung", 13. November 2009

[Alle Titelseiten via Meedia]

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Klickbefehl (23)

Like most people, I was initially confused by EMI’s decision to release remastered versions of all 13 albums by the Liverpool pop group Beatles, a 1960s band so obscure that their music is not even available on iTunes. The entire proposition seems like a boondoggle. I mean, who is interested in old music? And who would want to listen to anything so inconveniently delivered on massive four-inch metal discs with sharp, dangerous edges?

Das Stilmittel der Ironie ist ein gefährliches — vor allem, wenn man es über einen kompletten Text hinweg durchhalten will. Chuck Klosterman hat es aber geschafft, eine Rezension der Beatles-Remasters zu schreiben, die gleichzeitig sensationell schwachsinnig und trotzdem gut und präzise ist. Beim A.V. Club.

* * *

Das Problem war, schon damals, dass ich nicht begriffen habe, was sie eigentlich wollte. Ich habe nicht einmal verstanden, ob sie links oder rechts ist. Bei Helga Zepp hat man einfach nicht durchgeblickt. Seitdem kandidiert sie für den Bundestag – jedes Mal! Diese Frau ist ein Steher.

Harald Martenstein fordert im “Tagesspiegel”, Helga Zepp-LaRouche zur Regierenden Bürgermeisterin zu machen.

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Schreipflicht

Kennen Sie das? Man fährt gemütlich in seinem Dienstwagen an der Spree entlang, hört ein bisschen Radio, und ab und an kriegt man die Scheiben an den Ampeln geputzt. Manchmal sagt man “Nein”, dann machen die Damen und Herren das trotzdem, man gibt fünfzig Cent, kein Problem, schließlich ist man ja Gesundheitsministerin, und schwupps hat man die Zeit vergessen und sitzt irgendwo in Spanien und das Auto ist einem unter dem Allerwertesten weg geklaut worden. So schnell kann’s gehen. Erstmal zum zweiten Thema:

Dienstwagen im Sommerloch – das ist ganz und gar brandgefährlich. Die Gedankenverbindung von “Dienstwagen” zu “Affäre” ist eine der kürzesten überhaupt.

Das steht heute auf Zeit Online und auch im Online-Angebot des “Tagesspiegel”. Man kann jetzt versuchen, sich zu erinnern, wann man das letzte Mal diese kürzeste aller Gedankenbrücken schlagen musste. Und wenn das überraschenderweise noch nie der Fall gewesen sein sollte, setzt man alles daran, die Assoziationskette genuin und neu nachzuverfolgen, aber wenn ich das tue, komme ich von “Dienstwagen” immer nur bei “Benzin” vorbei zu “Tankstelle” und dann vielleicht noch zu “Scheiße, EC-Karte nicht dabei”, aber das ist ja schon eine relativ lange Verbindung. Und wie man von “Scheiße, EC-Karte nicht dabei” so flugs zu “Affäre” kommt, ist mir in dem Zusammenhang eher schleierhaft. Vermutlich ist es eher so, dass da einmal wieder jemand dachte, dass man durch möglichst uneigentlichen Schreibstil besonders leicht zu knüppelharten Aphorismen kommt. Das sei so sicher wie die Rente.

Persönlich, und das muss natürlich nichts heißen, bin ich der Meinung, dass es nicht unbedingt nötig war, so eine Panzerlimousine mit in den Urlaub zu nehmen, aber die paar Tausend Euro hätte man auch ohne Dienstwagen gut anderweitig loswerden können. Muss man sich also nicht drüber aufregen. Aber: Wer bin ich schon, um so eine Behauptung aufzustellen?

Aufregen kann man sich nämlich auch über weit geringere Dinge, womit wir beim eigentlich ersten Thema angelangt wären. Die “Süddeutsche Zeitung” druckt heute (wie an jedem Tag seit 1946) auf ihrer Titelseite die Glosse mit dem Namen “Streiflicht”. Die ist manchmal ziemlich witzig, oft ziemlich bemüht, witzig zu sein und in den gottlob seltensten Fällen irgendwie ein Griff ins Klo. Heute geht es um besagte Fensterputzer an Berliner Ampelkreuzungen:

Bis vor kurzem handelte es sich bei diesen Serviceleuten um Punks. Sie waren sehr freundlich, denn an jeder Kreuzung des Lebens, an der es links zur Anarchie geht und rechts zur Schrankwand aus Eiche, waren sie einfach geadeaus weitergetrottet […]. Lehnte also der gemeine Berliner ihre Offerte ab, etwa mit den Worten “Solange ick dir hierdurch erkennen kann, lässte deine Finger von”, trollten sich die artigen Punks. Was ihre dem Aussehen und Vernehmen nach aus Südosteuropa kommenden Nachfolger nicht tun. Sie wischen trotzdem. Dann halten sie die nasse Hand auf.

Dann wird sich da noch ein bisschen über ein paar Aufkleber ausgelassen und geendet wird mit der unspezifischen Aussage, dass nicht jeder gleich ein Schwein sei, der an der Ampel nein sagt. Zunächst war ich mir nicht so ganz sicher, was ich davon zu halten hatte. Ich kenne leider niemanden persönlich, der sich durch seine finanziellen Umstände irgendwie dazu gezwungen sieht, den halben Tag mit Schwimmfingern auf der Friedrichstraße herumzustehen, aber ich kann mir vorstellen, dass dieser jemand, läse er diese Kolumne, sich ein bisschen fühlen würde wie der, über den man in der achten Klasse gelästert hat, ohne zu bemerken, dass er hinter einem stand. Auf der Titelseite ist das Ding jedenfalls irgendwie frech, auf der Meinungsseite wäre es aufgrund der fehlenden Relevanz sowieso nicht aufgetaucht, und wenn man es in die Panorama-Ecke stellt, wüsste der Leser ja sowieso gleich, was Phase ist. Hätte man man besser abgebügelt.

Dennoch gibt es heute auch eine frohe Botschaft: Die “taz” hat begriffen, dass die Wahrheit manchmal einfach schöner und leichter verdaulich ist als die Wahrheit.

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Der Nazi-Vergleich des Monats

… wird Ihnen präsentiert von Hans-Werner Sinn, dem Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts.

Den zitiert der “Tagesspiegel” wie folgt:

“In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken”, sagte er dem Tagesspiegel. In der Weltwirtschaftskrise von 1929 “hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager”.

Damit sichert sich Sinn natürlich einen der begehrten Plätze in der großen Nazi-Vergleichs-Liste von Coffee And TV — auch wenn es sich streng genommen nur um eine Coverversion von Roland Kochs Schlager “Eine neue Form von Stern an der Brust” handelt.

Streng genommen handelt es sich hierbei natürlich nicht direkt um einen Nazi-Vergleich, weil das obligatorische “wie/seit Hitler/Goebbels/1945” fehlt. Andererseits wird hier gleich jeder, der heute Manager kritisiert, mit Antisemiten gleichgesetzt. Und das wäre, wenn Sinn das tatsächlich gemeint haben sollte, natürlich schon eine ziemlich verunglückte Weltsicht.

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Digital

Die mittischen Krassen

Es ist immer ein schönes Gefühl, wenn man von einer Reise wiederkommt und dann “Mein Gott, ist das schön hier” denkt. So ging es mir, als ich gestern unweit unseres Wohnheims aus dem Bus stieg und von der Bochumer Stille fast erschlagen wurde. Die re:publica und Berlin waren schön und gut, aber dort leben: Nein, Danke!

Zwischen den Programmpunkten “Endlich mal wieder Ausschlafen” und “Wäsche waschen” will ich aber nun doch noch ein paar Worte über die re:publica verlieren. Und weil schon alle (interessanterweise auch Leute, die nicht vor Ort waren oder sein wollten) darüber geschrieben haben, will ich nur ein paar ungefilterte Gedankengänge niederpinnen:

  • Ich habe bei der ganzen re:publica genau fünf Minuten gefilmt, danach dachte ich mir, dass da schon genug Leute filmen, wie genug Leute andere filmende Leute beim Filmen filmen. Diese fünf Minuten hat der “Tagesspiegel” genutzt, um mich zu fotografieren.
  • Die Diskussion “Blogger vs. Journalisten” ist laut Johnny Haeusler jetzt endgültig abgeschlossen. Leider habe ich vergessen, mit welchem Ergebnis. (Wahrscheinlich mit keinem.)
  • Die mitunter gehörte Bezeichnung “Blogger-Konferenz” ist einigermaßen absurd, weil es um eine ganze Menge Themen ging und längst nicht jeder Teilnehmer auch ein Blog betrieb.
  • Die Diskussionsrunde “Musik im Netz” war in etwa so unergiebig, wie man es erwarten durfte. Zumindest war sie zu kurz, denn sie musste in dem Moment beendet werden, als Tim Renner mit Ausführungen anfing, nach denen ich ihm die Rettung der Musikindustrie im Alleingang zutrauen würde.
  • Leider habe ich zu wenig von der Diskussionsrunde über “Citizen Journalism” im Ausland mitbekommen (was ich und jeder andere aber online nachholen kann), aber was ich über “Alive In Baghdad” gehört habe, hat mich tief beeindruckt. Verglichen mit dem (Über-)Leben in Bagdad und dem Darüber-Berichten ist wohl alles, was wir in Deutschland so ins Internet stellen, pillepalle.
  • Wenn ich mich ein bisschen konzentriere, kann ich mir auch Vorträge anhören, mit denen ich inhaltlich null übereinstimme. So weiß ich wenigstens, was am anderen Ende des Spektrums vor sich geht.
  • Schöner als die vielen Vorträge und Diskussionsrunden ist es eigentlich, am Rande Leute kennen zu lernen, deren Texte man teilweise schon seit langem liest und schätzt. Bei anderen wusste ich anschließend wenigstens, warum ich ihre Texte nicht lese.
  • Den besten Namen von allen Referenten hatte sicher Bertram Gugel, dessen Nachnamen man wirklich wie “Google” ausspricht.
  • Der Kaffee (ein in diesem Blog viel zu selten gewürdigtes Thema) in der Kalkscheune war beeindruckend schlecht. Das war Konsens, aber auch der einzige echte Nachteil der Örtlichkeiten.
  • Weitaus schlechter als der Kaffee aber war das, was die “Süddeutsche Zeitung” über die re:publica geschrieben hat – garniert mit einem ca. 10 Jahre alten Symbolbild.
  • Trotz des Mottos “Die kritische Masse” frage ich mich, wie viel von dem, was auf der re:publica besprochen wurde, für Leute außerhalb des Fachpublikums, das wir nun mal irgendwie alle waren, relevant ist. Mitunter hatte ich schon das Gefühl, dass die Gegenstände von Vorträgen und Diskussionen mit dem Leben von weiten Teilen der Bevölkerung gar nichts zu tun haben.
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“My Rice”: Travis werfen Sack um

Haben Sie sich je gefragt, wie eigentlich diese idiotischen Meldungen “Promi X hat Y gesagt” auf der “Vermischtes”-Seite Ihrer Tageszeitung und auf der Startseite von “Spiegel Online” entstehen?

Ich erklär Ihnen das mal gerade anhand eines Beispiels: Der “Mannheimer Morgen” hat anlässlich des anstehenden Travis-Konzerts in Mannheim ein Interview mit Travis-Sänger Fran Healy geführt. Darin kam auch der folgende Dialog vor:

Sie sind mit einer Deutschen verheiratet. Besuchen Sie Deutschland auch privat?

HEALY: Sie werden lachen: Nächstes Jahr ziehen wir nach Berlin. Unser Sohn ist in einem Alter, wo Mütter gern zuhause sein wollen. Der Boss hat also gesprochen. Wir folgen.

Berlin war ja ein spannendes Pflaster für britische Musiker. Man denke an David Bowie oder U2 . . .

HEALY: Ja, wir werden uns die Hansa Studios auch mal anschauen. Überhaupt ziehen jetzt viele Künstler nach Berlin. Mein Freund Anton Corbijn, mein Londoner Studio-Nachbar Herbert Grönemeyer und sein Produzent Alex Silwa. Das verändert eine Stadt. Bis jetzt spüre ich immer viel Traurigkeit in Berlin, da kann die Injektion von Kreativität vielleicht Abhilfe schaffen. Vielleicht wird Berlin – wie in der Vergangenheit schon mal – das New York von Europa.

Die Redaktion des “Mannheimer Morgens” fand diese Aussage wohl einigermaßen spannend und gab über dpa eine Pressemitteilung heraus, in der im wesentlichen genau diese Zitate drin stehen.

Nun kann man solche Meldungen als Grundlage nutzen, selbst noch ein bisschen recherchieren und schon hat man einen informativen kleinen Text, den man z.B. im “Tagesspiegel” veröffentlichen kann. Man kann aber auch einfach die Meldung mehr oder weniger modifiziert dafür nutzen, seine Zeitung zu füllen oder seine Zugriffszahlen zu erhöhen. Und dann fragen sich hinterher alle, warum dieser eingebildete Rockstar seine persönlichen Umzugspläne für so wichtig hält, dass er sie in jeder Zeitung herausposaunen muss.

Es geht aber noch unspektakulärer: Fran Healy hat in einem Interview mit dem Radiosender XFM “zugegeben”, dass die Akkorde zu “Writing To Reach You” vom ’99er Travis-Album “The Man Who” von Oasis’ “Wonderwall” abgeschrieben seien. Und – Zack! – ist auch das eine Meldung wert.

Das wäre wohl kaum jemandem aufgefallen. Außer den Lesern von Q Magazine’s 1001 Greatest Songs (November 2003), den Hörern von Dean Grays “Boulevard Of Broken Songs” (Oktober 2004), den Nutzern der Indiepedia (Oktober 2005) und irgendwelchen Menschen, die keinen Broccoli in den Ohren haben.

P.S.: Völlig ratlos sitze ich noch vor dieser Überschrift: “Travis: "Meine Augen" nun auch draußen”