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Digital

Mit der falschen Amy Winehouse durchs Internet

Es ist ja nicht so, dass die leicht­gläu­bi­gen, schlech­ten oder schlicht dum­men Men­schen aus­schließ­lich in den Redak­ti­ons­stu­ben in aller Welt säßen. Auch Medi­en­nut­zer kön­nen sich däm­lich anstel­len und über das Ziel hin­aus­schie­ßen.

Am Diens­tag berich­te­ten wir im BILD­blog von der „Abend­zei­tung“, die so unvor­sich­tig gewe­sen war, einen Arti­kel über Amy Wine­house mit einer schlech­ten Foto­mon­ta­ge zu bebil­dern, die die Sän­ge­rin mit einem Bong in der Hand zeigt und seit län­ge­rem durchs Inter­net geis­ter­te.

Unser Aus­riss aus der „Abend­zei­tung“ mach­te dar­auf­hin sei­ne eige­ne Run­de durchs Netz und fand sei­nen Weg auf die Web­site Red­dit, wo ihn ein Teil­neh­mer unter der Über­schrift „Fuck you, Dai­ly Mir­ror“ dem bri­ti­schen „Dai­ly Mir­ror“ in die Schu­he schob.

Obwohl man­che Leser frag­ten, war­um der Text im angeb­li­chen „Mir­ror“ denn auf Deutsch sei und einer sehr schnell auf das „Abend­blatt“ und unse­ren Ein­trag ver­wies, stei­ger­ten sich die meis­ten ande­ren Dis­ku­tan­ten in ihre (in ande­ren Fäl­len sicher nicht unbe­rech­tig­te) Wut auf den „Mir­ror“. Dabei fin­det sich bis­lang kein Hin­weis, dass der „Dai­ly Mir­ror“ die Foto­mon­ta­ge eben­falls ver­wen­det hat­te.

Doch die Geschich­te scheint nicht mehr zu stop­pen.

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Digital Gesellschaft

Neu-Trends – jetzt auch in München und im Internet

Wenn Kim­ber­ly Hop­pe nicht gera­de von Beer­di­gun­gen twit­tert, schreibt sie in der „Münch­ner Abend­zei­tung“ über Leu­te und in ihrem Blog über ihr Leben als „LEU­TE-Kolum­nis­tin“.

Das ist alles nicht schön, aber man muss schon dank­bar sein, dass Frau Hop­pe nur über Leu­te schreibt und nicht etwa über Zeit­geist-The­men. Nach­dem sie im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber das Wort „Vor­glü­hen“ für sich ent­deckt (und zum „Wort des Jah­res“ ernannt) hat­te, ist sie nun auf etwas völ­lig neu­es, außer­ge­wöhn­li­ches gesto­ßen:

“Was kann ich tun, um Idio­ten-Män­ner mit dep­per­ten Gefühls­schwan­kun­gen zu ver­ges­sen?”, fra­ge ich sie.

Ihre Ant­wort folgt zackig: “Komm mit in den E‑Garten und lass uns Flun­ky­ball spie­len!”

Watt???

Muss in der Mini-Mar­tin-Pha­se schreck­lichst geal­tert sein und jeg­li­che Neu-Trends ver­passt haben. Hil­fe!!

Was, bit­te, ist Flun­ky­ball!?

Da es schon wie­der um Alko­hol geht, drängt sich natür­lich die Fra­ge auf, ob das dies­be­züg­li­che Gefäl­le zwi­schen mei­ner nie­der­rhei­ni­schen Hei­mat und Mün­chen tat­säch­lich so groß ist. Viel­leicht bekommt, wer Weiß­bier trinkt, auch sonst nur wenig von der Welt mit.

Flunkyball (Symbolfoto)

Mei­ne ers­te Begeg­nung mit die­sem cra­zy … äh: „Neu-Trend“ liegt jeden­falls schon geschmei­di­ge vier Jah­re zurück und fand – wie es sich gehört – auf einem Dins­la­ke­ner Kirch­hof statt.

Freu­en Sie sich also schon jetzt dar­auf, wenn Kim­ber­ly Hop­pe, die Frau, die „Poly­lux“ jung aus­se­hen lässt, nächs­tes Jahr das „Kon­ter­bier“ ent­deckt.

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99 Kriegsminister

Falls Sie heu­te noch nicht am Kiosk waren: Las­sen Sie’s! Es lohnt sich nicht.

Fol­gen­des hät­te Sie in etwa erwar­tet:

Titelseite "Süddeutsche Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Der Tagesspiegel", 13. November 2009

Titelseite "Berliner Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Welt Kompakt", 13. November 2009

Titelseite "Braunschweiger Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Ruhr Nachrichten", 13. November 2009

Gut, es geht natür­lich auch … anders:

Titelseite "Bild", 13. November 2009

Titelseite "Hamburger Morgenpost", 13. November 2009

Titelseite "Berliner Kurier", 13. November 2009

Zwei Titel­ge­schich­ten zum Preis von einer bekom­men nur die Leser der „Abend­zei­tung“:

Titelseite "Abendzeitung", 13. November 2009

[Alle Titel­sei­ten via Mee­dia]

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Leben Gesellschaft

Glühwürmchen

Ich muss Sie gera­de noch mal in mei­ner Eigen­schaft als gelern­ter Varie­tä­ten­lin­gu­ist behel­li­gen. Kim­ber­ly Hop­pe, „LEU­TE-Kolum­nis­tin“ der Mün­che­ner Abend­zei­tung und berühmt für ihre ein­fühl­sa­men Twit­ter-Repor­ta­gen, ist da bei ihren inves­ti­ga­ti­ven Recher­chen im Prä-Okto­ber­fest­li­chen Mün­chen auf ein ganz ein neu­es Wort gesto­ßen:

Es ist das Wort des Jah­res: VORGLÜHEN.

Frü­her gab’s das Phä­no­men auch schon, aller­dings kein so lus­ti­ges Wort dazu. Ja, ich als Nicht-Katho­li­kin geste­he und tue Buße: Ich habe frü­her Augus­ti­ner-Fla­schen im Ruck­sack (’tür­lich East­pack) auf die Wiesn ins Schot­ten­ha­mel-Zelt geschmug­gelt und nach der ers­ten Maß heim­lich in den Krug nach­ge­schenkt. Schließ­lich war das Bier zu DM-Prei­sen schon viel zu teu­er und ich war jung und brauch­te das Geld für was ande­res. Gut. Nein: schlecht. Auf jeden Fall lan­ge her.

Nun ist Frau Hop­pe knapp drei Jah­re älter als ich, was mir ers­tens die Mög­lich­keit ein­räumt, doch noch was aus mei­nem Leben zu machen, ihre „lan­ge her“-Prosa zwei­tens ein biss­chen bemüht erschei­nen lässt, und drit­tens die Fra­ge auf­wirft, war­um sie erst jetzt, im Jahr 2009, auf die­ses beknack­te, mir nie son­der­lich krea­tiv erschei­nen­de, Wort gesto­ßen ist. Mir ist defi­ni­tiv eine Situa­ti­on von vor sie­ben Jah­ren erin­ner­lich, in der das Wort „Vor­glü­hen“ fiel, aber es kann sich auch schon bedeu­tend län­ger in mei­nem pas­si­ven Wort­schatz befin­den.

Man muss ja nicht gleich einen Kübel Bier Hohn über einer „LEU­TE-Kolum­nis­tin“ aus­lee­ren, die offen­bar die letz­ten Jah­re hin­ter dem Mond gelebt hat, aber rein inter­es­se­hal­ber (und weil mei­ne Eltern sich immer freu­en, wenn ich irgend­wo andeu­ten kann, dass sich ihre Inves­ti­ti­on in mein Stu­di­um gelohnt hat) wüss­te ich jetzt ger­ne von Ihnen:

War Ihnen die Voka­bel „Vor­glü­hen“ als vor-par­ty­li­che Druck­be­tan­kung mit alko­ho­li­schen Geträn­ken schon vor der Lek­tü­re von Frau Hop­pes Lebens­beich­te bekannt? Wenn ja: Wie lan­ge?

(Klar, dass das eige­ne Alter und die Regi­on, in der man auf­ge­wach­sen ist, auch hier wie­der erheb­lich zu einem stim­mi­gen Gesamt­bild bei­tra­gen wür­den.)

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Digital Gesellschaft

Mittendrin statt tot dabei

Ich fin­de twit­ter im Gro­ßen und Gan­zen ja ganz okay und den­ke, es kommt wie bei jedem Werk­zeug dar­auf an, wie man es ein­setzt. Eine gro­ße Gefahr besteht natür­lich dar­in, dass die­ses Werk­zeug so leicht zu bedie­nen ist und man des­halb oft schnel­ler tweetet als denkt.

Eine ande­re Gefahr kann natür­lich dar­in bestehen, dass man ein­fach nur tweetet und gar nicht mehr denkt: Kim­ber­ly Hop­pe, Klatsch­ko­lum­nis­tin der Münch­ner „Abend­zei­tung“, sitzt in der Aller­hei­li­gen-Hof­kir­che und tickert live von der Trau­er­fei­er für Mon­ti Lüft­ner.

Beerdigung Monti Lüftner. Alle Promis schauen sehr, sehr traurig - auch die Fotografen tragen Schwarz. Wolfgang Seybold schluckt.

Jetzt läuft Bruce Springsteen. Marcel Avram schnaeutzt sich - Gaensehautstimmung. Nur die Kerzen sind leider nicht echt

Montis Tochter Tracy (16) spricht wundervoll, singt Amazing Grace, bricht das Lied unter Tränen ab. Ich weine. Die ganze Kirche weint.

Es ist die­se Mischung aus Bana­li­tä­ten und Inti­mi­tä­ten, die das fröh­li­che Daher­plap­pern von Frau Hop­pe so uner­träg­lich macht. Die Tat­sa­che, dass sie über die Trä­nen von Freun­den und Ange­hö­ri­gen (und ihre eige­nen) schreibt, noch ehe die­se getrock­net sind. Der Umstand, dass sie von einer ver­damm­ten Trau­er­fei­er aus einer Kir­che twit­tert.

Aber bevor Sie die Schuld jetzt bei twit­ter suchen: Dass es auch ohne geht, hat letz­tes Jahr schon „RP Online“ vor­ge­macht.

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Digital

München

Es gibt Orte, die für immer den Stempel des Grauens verpasst bekommen haben. Wenn man ihren Namen hört, denkt man unwillkürlich an die schrecklichen Taten und menschlichen Tragödien, die sich dort abgespielt haben. Winnenden, ein kleiner beschaulicher Ort in Baden-Württemberg, gehört nun dazu: .. (Foto: dpa)

Und falls Sie sich fra­gen, wie die Sach­be­ar­bei­ter des Grau­ens so aus­se­hen mögen, die beschau­li­chen Orten den Stem­pel des Grau­ens auf­drü­cken: Ver­mut­lich so wie die Online-Redak­teu­re der „Abend­zei­tung“.

Die haben näm­lich eine 23-teil­i­ge Klick­stre­cke online, in der flei­ßig gestem­pelt wird: Win­nen­den, Erfurt (eine Lan­des­haupt­stadt …), Ems­det­ten, Esche­de, Ram­stein, Mölln, Bad Rei­chen­hall (wegen Eis­hal­le, obwohl’s dort auch schon mal einen Amok­lauf gege­ben hat), Glad­beck natür­lich und Amstet­ten.

Schön auf­ge­führt und auf ewig im Inter­net archi­viert unter einer Über­schrift, in der sicher kein Fun­ke Selbst­er­kennt­nis mit­schwingt:

Bilderstrecke: Orte des Grauens

Dass ganz neben­bei auch noch mal die berühm­tes­ten Amok­läu­fer, Gei­sel­neh­mer und Ver­ge­wal­ti­ger der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit gewür­digt wer­den wie die Ver­stor­be­nen des Jah­res bei der Oscar­ver­lei­hung, ver­steht sich natür­lich von selbst.

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Houston, wir haben eine Herausforderung

Manch­mal stol­pert man über Tex­te, die erschei­nen einem auf den ers­ten Blick wirr. Dann liest man sie noch­mal und fragt sich, was einem der Autor damit sagen woll­te. Beim drit­ten Lesen wüss­te man dann ger­ne, ob da nicht viel­leicht der Hus­ten­saft abge­lau­fen war.

Lesen Sie die fol­gen­den Zei­len also ruhig mehr­fach:

Die Kanz­le­rin spricht nicht von Welt­schmerz, dem schö­nen Begriff des baye­ri­schen Dich­ters Jean Paul. Sie wählt statt des Ger­ma­nis­mus’ den Angli­zis­mus „Her­aus­for­de­rung“. Alles, was für den Deut­schen ein Pro­blem ist, nennt der US-Ame­ri­ka­ner Her­aus­for­de­rung. Das ist die Wur­zel des „Yes-we-can“-Optimismus’ eines Barack Oba­ma. Der Deut­sche stellt sich natur­ge­mäß der Her­aus­for­de­rung, die ihm eben­so natür­lich zur Her­ku­les­auf­ga­be gerät. Das ist die Wur­zel des „No we can’t“-Pessimismus’ der deut­schen Kanz­le­rin.

Beim Ver­ständ­nis die­ser Pas­sa­ge ist weder der Kon­text hilf­reich noch die fol­gen­de Erklä­rung zur Per­son des Ver­fas­sers Georg Than­scheidt:

Der Autor ist stell­ver­tre­ten­der Chef­re­dak­teur der AZ

[via Bre­mer Sprach­blog]

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Rundfunk Politik

Braungebrannt

Was auch immer es braucht, um in den brau­nen Fett­napf zu tre­ten: es liegt die­ser Zeit eine Men­ge davon in der Luft.

Vor knapp zwei Wochen hat­te Hans-Wer­ner Sinn, der Prä­si­dent des Münch­ner Ifo-Insti­tuts, einen äußerst unglück­li­chen Ver­gleich zwi­schen der aktu­el­len Pau­schal­kri­tik an Mana­gern und der Situa­ti­on der Juden nach der Welt­wirt­schafts­kri­se gezo­gen – und am Tag dar­auf sofort um Ent­schul­di­gung gebe­ten.

Ges­tern muss es dann mit dem nie­der­säch­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Chris­ti­an Wulff durch­ge­gan­gen sein, der aus­ge­rech­net in der Talk­show von Michel Fried­man von einer „Pogrom­stim­mung“ gegen Mana­ger gespro­chen hat, wie „Spie­gel Online“ berich­tet. Aber ver­mut­lich lag ihm die Voka­bel nur gera­de so auf der Zun­ge, weil sich in weni­gen Tagen die Reichs­po­grom­nacht zum sieb­zigs­ten Mal jährt. Auch Wulff hat sei­nen Ver­gleich heu­te bedau­ert.

Die schwer­wie­gen­de­re Ent­glei­sung die­ser Woche kommt (wie irgend­wie fast immer) aus Öster­reich: Dort hat­te sich der pen­sio­nier­te ORF-Jour­na­list Klaus Emme­rich in der Son­der­sen­dung zur US-Prä­si­dent­schafts­wahl wie folgt geäu­ßert:

Ich möch­te mich nicht von einem Schwar­zen in der west­li­chen Welt diri­gie­ren las­sen. Wenn sie sagen, des ist eine ras­sis­ti­sche Bemer­kung: rich­tig, ist gar kei­ne Fra­ge.

Mit die­sen unver­hoh­le­nen Ansich­ten schlägt Emme­rich sogar Micha­el Hein­rich, der in der anläss­lich der Wahl Oba­mas in der Münch­ner „Abend­zei­tung“ von „negro­iden Lip­pen“ und „Kopf­for­men“ schwa­felt.

Und dann war da noch der ita­lie­ni­sche Minis­ter­prä­si­dent Sil­vio Ber­lus­co­ni, der in sei­ner ers­ten Stel­lung­nah­me zur Wahl Oba­mas sag­te, die­ser sei „jung, hübsch und gebräunt“.

Sie alle haben sich einen Platz in mei­nem Buch „Schlim­mer als Hit­ler­krebs – Miss­glück­te Rhe­to­rik für Pro­fis“ ver­dient, das ich auf Grund­la­ge die­ser Lis­te nächs­te Woche zu Schrei­ben begin­nen wer­de.