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Eis, Wurst und Käse

Um ehrlich zu sein, hatte ich bis gerade nicht gewusst, dass es in Bochum ein mittelständisches Unternehmen namens Wurst-König gibt (es gibt halt nur eine Currywurst — weltweit). Nun weiß ich es, ebenso wie, dass es in Bochum eine Nachwuchs-Punkband namens Erdbeereis gibt. Und die beiden haben ein Problem miteinander.

Erbeereis haben offenbar einen Song namens “Wurst-König” — oder besser: hatten, denn die Anwälte des Unternehmens haben von der Band eine Unterlassungserklärung eingefordert.

Die Band stellte gestern diese rührend hilflose Erklärung online:

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Ich kenne den Song nicht, vertraue aber auf das Urteil, das Stefan Laurin bei den “Ruhrbaronen” gefällt hat:

Das sich Wurst-König darüber aufregt, kann ich gut verstehen. Der übliche Tierrechtlerschwachsinn inklusive Tier-KZ und Beleidigung. Tiefstes Peta-Niveau. Geht nicht. Aber seien wir mal ehrlich: Das sind Kinder. Und das Argument mit dem 35.000 Euro Schaden ist Quatsch.

Wer schon mal das zweifelhafte Vergnügen solcherlei juristischer Auseinandersetzungen hatte, weiß, dass die Höhe solcher angeblichen Schadenssummen vor allem von zwei Faktoren abhängt: der Vorstellungskraft eines Anwalts und den Tasten, die seine Tastatur so hergibt (wahlweise auch das Wetter in der letzten Vollmondnacht). 35.000 Euro Schaden erscheinen entsprechend willkürlich bei etwa 800 bis 900 Views bei YouTube und MySpace — zumal jugendliche Punkfans (besonders die, die auch noch Vegetarier oder Veganer sind) jetzt eher nicht als potentielle zahlungskräftige Kunden einer Metzgerei gelten dürften.

Wurst-König-Geschäftsführerin Iris Rach hat den “Ruhr Nachrichten” erklärt, warum sie glaubt, dass sie so handeln musste:

“Es wurde nicht nur der Name benannt, sondern auch Bilder aus unseren Filialen im Video gezeigt”, betont Iris Rach. Mitarbeiter seien auf den Bildern notdürftig mit einem Balken unkenntlich gemacht worden. Für eine Anonymisierung reicht dies nicht. “Ich sah mich gezwungen etwas zu unternehmen”, so Rach.

Ein Gespräch mit der Band habe es nicht gegeben. “Ich konnte keinen Kontakt herstellen”, sagt die Geschäftsführerin. Eine Adresse oder eine konkrete Ansprechperson ist weder auf YouTube noch auf der bandeigenen MySpace-Seite zu finden. Die Unternehmensleitung habe sich gezwungen gesehen, einen Anwalt einzuschalten. “Ich hätte gern einen anderen Weg gewählt”, sagt Rach.

Die ganze Situation ist ein arges Dilemma: Die Empörung von Wurst-König ist sicherlich verständlich, der potentielle Schaden aber eher ein theoretischer. Das mit der Kontaktaufnahme ist sicher auch blöd gelaufen, denn es gibt bei YouTube und MySpace (die Älteren werden sich erinnern) zwar sogenannte “Kontakt”-Buttons, die einem die Kontaktaufnahme mit den Profilbetreibern ermöglicht — aber blöderweise nur, wenn man dort selbst einen Account hat. Da ist der Anruf beim eigenen Anwalt deutlich weniger aufwendig.

Bei den “Ruhrbaronen” schreibt Stefan Laurin vom “Streisand-Effekt” und in der Tat dürften jetzt schon mehr Menschen von dem Song gehört haben, als ihn jemals zu Gehör bekommen haben. Nun ist die Firma nicht gegen die Verbreitung wahrer Tatsachen vorgegangen, sondern gegen ein Schmäh-Lied, was den Vergleich mit Streisand etwas schief erscheinen lässt. Natürlich ist es denkbar, dass sich ein Internetmob noch auf Wurst-König einschießen könnte — immerhin wurden in den Kommentaren bei den “Ruhr-Baronen” erste Boykott-Aufrufe laut. Und gerade, als ich schreiben wollte, dass einem regional tätigen Metzger die Empörung im Internet auch egal sein könne, fiel mir auf, dass ihm dann auch das verunglimpfende Lied hätte egal sein können. Es ist, wie gesagt, ein arges Dilemma.

Die “Ruhr Nachrichten” berichten, dass die Wurst-König-Geschäftsführerin keine weiteren rechtlichen Schritte gegen die Band einleiten wolle:

Mit dem Löschen der Videos sei der Fall für sie erledigt. Die Anwaltskosten müssten die Jungs von Erdbeereis aber zahlen.

1.099 Euro (die Höhe der Anwaltskosten richtet sich in der Regel nach der Höhe der angesetzten Schadenssumme) sind viel Geld für fünf Jugendliche. Da die Mitglieder öfter in der Bochumer Fußgängerzone musizieren, werde ich ihnen dort demnächst mal einen Schein in den Hut werfen und mit väterlichem Blick “Aber das macht Ihr nie wieder, ne?” sagen. Und bei Wurst-König werden sie sich womöglich von ihren “Ruhr Nachrichten” lesenden Kunden fragen lassen müssen, ob das denn wirklich nötig war.

Ich selbst bin ganz froh, dass es zu meiner Punkband-Zeit noch kein Internet gab.

Nachtrag, 23.25 Uhr: Inzwischen wurde auch das Video, in dem die Band über die Anwaltspost spricht, von ihr wieder entfernt. Keine Ahnung, was da jetzt wieder los war.

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Digital

Philosophieren mit den “Ruhr Nachrichten”

Dann wohl ziemlich sicher ein Bild der Gegenwart:

Vielleicht zukünftig ein Bild der Vergangenheit.  (Foto: Archiv)

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99 Kriegsminister

Falls Sie heute noch nicht am Kiosk waren: Lassen Sie’s! Es lohnt sich nicht.

Folgendes hätte Sie in etwa erwartet:

Titelseite "Süddeutsche Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Der Tagesspiegel", 13. November 2009

Titelseite "Berliner Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Welt Kompakt", 13. November 2009

Titelseite "Braunschweiger Zeitung", 13. November 2009

Titelseite "Ruhr Nachrichten", 13. November 2009

Gut, es geht natürlich auch … anders:

Titelseite "Bild", 13. November 2009

Titelseite "Hamburger Morgenpost", 13. November 2009

Titelseite "Berliner Kurier", 13. November 2009

Zwei Titelgeschichten zum Preis von einer bekommen nur die Leser der “Abendzeitung”:

Titelseite "Abendzeitung", 13. November 2009

[Alle Titelseiten via Meedia]

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Ich bin nur zugezogen, holt mich hier raus!

Die peinliche Absage der Loveparade, die dieses Jahr eigentlich in Bochum stattfinden sollte, bestimmt in den letzten Tagen die Lokalpresse:

Nein, von einem Imageschaden könne keine Rede sein, gab Stadtrat Paul Aschenbrenner (SPD) zu Protokoll. „Weil wir eine verantwortungsbewusste Entscheidung getroffen haben.“

(“Ruhrnachrichten”)

Gut, dass Bochum kein Image hat, was zu Schaden kommen könnte. Und wen interessieren schon junge Menschen, die Krach hören und Rauschgift konsumieren?

Die SPD jedenfalls nicht:

So hatte etwa der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme, der schon Wolfgang Clement politisch weitgehend über die Klinge springen ließ, einen Antrag für den Rat vorbereitet, wegen drohender Vermüllung der Anliegerstraßen vom Raver-Tanzvergnügen ganz abzulassen.

In dem Antrag vom 31. Juli 2008 heißt es wörtlich: „Der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme sieht in der Ausrichtung der Loveparade 2009 in Bochum keinen kulturellen bzw. nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung des Images des Ruhrgebietes bzw. für das Kulturhauptstadtjahr 2010. Die im Rahmen der Organisation entstehenden Kosten und Nachfolgeschäden stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen dieser Veranstaltung und sind öffentlich nicht vertretbar.” Bochum solle deshalb die Veranstaltung zurückgeben.

(“WAZ”)

Aber die sehr endliche Kompetenz der SPD manifestiert sich bis ins kleinste Detail:

Im Sommer 2008 verabschiedete der Ortsverein den Antrag an den Rat, die Loveparade in Bochum abzublasen, wegen Gefahr der Vermüllung und anderer Schäden. Zwar wurde der Antrag nie abgeschickt, doch in den SPD-Gremien wie Ratsfraktion und Unterbezirksparteitag sickerte die Ablehnung gleichwohl durch.

(Noch mal die “WAZ”)

Entsprechend gut lässt sich dieser Eiertanz kommentieren:

Wie eine Nachgeburt kommen nun Einschätzungen zu Tage, die darauf hinweisen, dass die Macher der Bochumer Politik mit der Loveparade wenig am Hut hatten. Stattdessen ging die Sorge um, das Thema spalte und könne im Superwahljahr 2009 Wählerstimmen kosten.

Das allerdings ist nicht von der Hand zu weisen. Zu auffällig, wie eindrucksvoll und wortmächtig sich Bochumer Politiker über Konzerthausbau, Cross-Border-Deal und Gott und die Welt verbreitet haben, das Thema Loveparade aber fast gänzlich mieden. […]

Und dann die Kosten: 130 000 Euro allein durch den Einsatz der Feuerwehr und Rettungsdienste. Ganz zu schweigen von hunder-ten Extrabussen. Und der befürchteten Vermüllung. Das wirkt doch sehr wie ein rundes bestelltes Gutachten. Von Leuten, die nicht wirklich wollen.

(Kommentar in der “WAZ”)

Insgeheim dürften spätestens seit dem Erfolg der Loveparade in Essen klar gewesen sein: Bochum ist dem nicht gewachsen. Da das niemand sagen will, fehlte nur ein Grund für die Absage.

Zum Glück gibt es die Gleisbauarbeiten der Bahn.

(Kommentar in den “Ruhr Nachrichten”)

Der publizistische Todesstoß kam allerdings aus der alten Heimat der Loveparade. Ein Provinzporträt in zweieinhalb Sätzen:

Herbert Grönemeyer hat Bochum groß gemacht, aber nicht groß genug. Die Loveparade – Ältere werden sich erinnern – kann dort in diesem Jahr mangels Kapazität nicht stattfinden: Bahnhof zu klein, Miettoiletten ausgebucht, zu wenig Papierkörbe, so etwa.

(“Der Tagesspiegel”)

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bochumer Stadtrat wird von der “WAZ” übrigens wie folgt zitiert:

Es wurde der Eindruck erweckt, als wären nur Deppen am Werk.

Wie jetzt? “Eindruck”? “als”?

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Unterwegs Musik

Bochum überraschend eingelaufen

Hatte ich geglaubt, mit meinem Umzug von Dinslaken nach Bochum ein Provinznest gegen eine Großstadt eingetauscht zu haben, weiß ich es spätestens seit heute besser: Die Loveparade, die in diesem Jahr in Bochum stattfinden sollte, fällt aus.

Der Westen schreibt dazu:

Hintergrund für die Absage ist eine Erklärung der Stadt Bochum, dass die vorhandene Infrastruktur der Stadt nicht dazu ausreiche, die erwarteten Besuchermassen zu bewältigen.

Ich sehe es förmlich vor mir, wie die ganzen Mitglieder der Stadtverwaltung, die seit Jahren behaupten, so eine Loveparade in Bochum sei schon zu stemmen, plötzlich gestern Morgen auf dem Weg zur Arbeit von der Erkenntnis getroffen wurden: “Ach Du Scheiße, dat is ja allet viel zu klein hier!”

Schade vor allem für Dominik Peters, der morgen die erste Jugendherberge Bochums eröffnet:

Spätestens zur Loveparade, da ist sich Peters sicher, wird die Herberge proppenvoll sein.

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Politik

Tun statt Können

Bisher hat sich die SPD viel Mühe gegeben, unsere neue Liste “Yes, maybe we could try to, but come to think of it: we definitely can’t” zu dominieren. Aber die CDU schläft nicht:

"Yes we do": Bürgermeisterkandidat Schlütermann hat ehrgeizige Ziele. NORDKIRCHEN Nicht „Yes we Can“ wie im amerikanischen Wahlkampf, sondern „Yes we do“ ist der Leitsatz für Christoph Schlütermann, Bürgermeisterkandidat der CDU in Nordkirchen. „Wenn man von etwas überzeugt ist, muss man es anpacken. Ich sage deswegen: Yes we do.“

Nun kann man sicher sein, dass das heillose Durcheinander der folgenden Sätze auf das Konto der “Ruhr Nachrichten” geht, aber zum Horst macht sich Schlütermann trotzdem:

„Mein Ziel sind 11000 Bürger.“ Es sei zwar sicher, dass diese Zahl später aufgrund der demographischen Entwicklung wieder aufnehmen, doch sage ich Leuten, die ein Bevölkerungsanstieg nicht glauben können : „Yes we do“.

[Mit Dank an Jens für den Hinweis]

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Unterwegs Gesellschaft

Scheint die Sonne auch für Nazis?

Auf Demonstrationen ist es nicht groß anders als im Fußballstadion oder auf Rockkonzerten: man ist umgeben von Menschen, mit denen man ganz offensichtlich gemeinsame Interessen teilt, aber wenn man sie sich so ansieht und anhört, kann man sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, mit ihnen irgendetwas gemein zu haben.

Die NPD hat für heute in Bochum zu einer Demonstration gegen “Überfremdung”, “Islamisierung” und “Ausländerkriminalität” aufgerufen und die Bochumer Öffentlichkeit reagierte mit Gegenveranstaltungen. Die Hauptkundgebung, auf die ich auch hier in der Sidebar hingewiesen hatte, stand unter dem Motto “Wir sind Bochum – Nazis sind es nicht!”, was einmal mehr ein beeindruckend merkwürdiger Slogan ist. Denn zum einen sollte es ja genau darum gehen, dass gewisse rechtsextreme Positionen inzwischen mitten in der Gesellschaft angekommen und also sehr wohl auch Teil dieser Stadt sind (ob man will oder nicht), zum anderen: Was sind Nazis dann? Wanne-Eickel?

Trotzdem ging ich heute Mittag natürlich zum Dr.-Ruer-Platz, wo sich etwa 2.000 Menschen versammelt hatten. Das ist im Vergleich zu den etwa 150 marschierenden Nazis zwar beeindruckend (Redner: “Wir sind mehr wie die Gegenseite.” – Publikum: “Als!”), andererseits aber gerade mal 0,5% der Einwohner der Stadt. Aber irgendwie konnte ich, nachdem ich fünf Minuten den Rednern gelauscht hatte, nur zu gut verstehen, wenn man mit dieser Veranstaltung nichts zu tun haben wollte: Da wurde das Scheitern der Konferenz von “Pro Köln” als leuchtendes Beispiel für zivilen Widerstand dargestellt und mit keinem Wort erwähnt, dass prügelnde und Steine werfende Autonome das Bild des friedlichen Protests erheblich gestört hatten. Immerhin zu Gewaltlosigkeit wurde aufgerufen, woran sich die vielen älteren Leute und Kinder auf dem Platz vermutlich auch von sich aus gehalten hätten. Die Antifa, denen man das hinter die Löffel hätte schreiben müssen, hatte eine eigene Veranstaltung, ein paar hundert Meter weiter.

Wirklich zu viel wurde es mir dann, als ein DGB-Mann ans Mikrofon trat und losbrüllte. Bei geifernden Menschen ist es mir egal, welche Position sie vertreten und wie sie heißen: ich kann das Geschrei nicht ertragen und es ist mir völlig schleierhaft, wie sie damit überhaupt ein Publikum erreichen können. Aber vielleicht lenkt sowas einfach ab, wenn man nichts zu sagen hat (Hitler- und/oder Lafontaine-Vergleiche bitte selbst einsetzen).

Von allen Rednern blieb mir nur ein junger Musiker im Gedächtnis, dessen Ansprache über “Nazis gehören hier nicht hin!” und “Verbietet endlich die NPD!” hinausging. Er geißelte die allgemeine Islamophobie, die auch vor “Mainstreammedien” wie “‘Spiegel’, ‘Stern’ und ‘Focus'” nicht Halt mache. Dieser Hauch von inhaltlicher Auseinandersetzung kam bei den Zuhörern aber nicht so gut an wie das Gebrüll des DGB. Kurz darauf war die Kundgebung vorbei.

Beeindruckender als diese kleine Massenveranstaltung, auf denen ich mich sowieso nie besonders wohl fühle, waren die vielen Menschen, die mit Aufklebern und Buttons auf der Jacke durch die Stadt liefen und so ihre ganz eigenen Zeichen gegen die Nazis setzten. Nennen Sie mich pathetisch, aber eine alte Dame, die beim Wochenendeinkauf “No Go für Nazis” auf dem Pelzmantel kleben hat, ist ein viel stärkeres Bild als ein paar Tausend Leute mit bemalten Bettlaken und SPD-Fahnen.

Der Aufmarsch der NPD läuft zur Stunde noch. Sie ziehen vorbei an Plakaten, auf denen “Nazis haben kleine Pimmel” steht, und an Kirchen, deren Glocken Sturm läuten und so die Parolen weitgehend übertönen.

Liveticker dazu gibt es bei den Ruhrbaronen, den Ruhrnachrichten und via twitter vom Westen.

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Digital

Geht die Welt heute unter, geht sie ohne mich

Gestern Nachmittag wurde in der Bochumer Innenstadt eine Zehn-Zentner-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg entdeckt. Die Gegend (inklusive des Bermuda3ecks) wurde evakuiert, Straßen und Bahnstrecken gesperrt.

Gerade wollte ich mich mal informieren, ob die Entschärfung denn inzwischen wenigstens vorbei sei und alles gut geklappt hat:

Bombenfund: Klinik und Altenheim evakuiert. Bei Ausschachtungsarbeiten für die neue Kanalisation an der Viktoriastraße in unmittelbarer Nähe der Marienkirche entdeckte heute, 20. Oktober, gegen 15.30 Uhr ein 43 Jahre alter Baggerfahrer einen Blindgänger, der in den Abendstunden entschärft werden soll. mehr... WAZ Bochum, 20.10.2008, Norbert Schmitz

“Der Westen”, das Portal der WAZ-Gruppe, das so gerne “RP Online” als führendes Regionalzeitungsportal ablösen würde, wartet im Bochumer Lokalteil mit einer undatierten Meldung von irgendwann gestern Nachmittag auf, außerdem gibt es eine ebenso undatierte Meldung mit Agenturmaterial auf der Startseite.

Ganz anders die Lokalseite der “Ruhr Nachrichten”:

Aufatmen in der südlichen Innenstadt: Die 500-Kilo-Bombe ist entschärft
BOCHUM Der Bombenalarm in der Bochumer Innenstadt ist aufgehoben. Experten des Kampfmittelräumdienstes haben die 500-Kilo-Bombe am Montagabend um 23 Uhr entschärft. Nach dem Fund des Blindgängers am Nachmittag war die südliche Innenstadt im Umkreis von einem halben Kilometer rund um den Fundort evakuiert worden. 6000 Menschen waren hiervon betroffen, der Verkehr brach zusammen. mehr...

Die hat einen Artikel von 23:23 Uhr, der es mit etwas Glück noch in die Print-Ausgabe schafft und in den ersten zwei Sätzen des Vorspanns alle wichtigen Informationen liefert:

Der Bombenalarm in der Bochumer Innenstadt ist aufgehoben. Experten des Kampfmittelräumdienstes haben die 500-Kilo-Bombe am Montagabend um 23 Uhr entschärft.

Ach, und auf der Startseite von ruhrnachrichten.de ist es im Moment die Top-Meldung.

Nachtrag, 08:14 Uhr: Den Artikel im überregionalen Teil hat “Der Westen” jetzt durch eine dpa-Meldung mit der geistreichen Überschrift “Bombenfund: 6000 Menschen in Bochum evakuiert” ersetzt.

Auf der Bochumer Seite sieht es immer noch so aus wie heute Nacht. Vermutlich ist die Lokalredaktion der “WAZ” einfach mitevakuiert worden und seitdem hat dort kein Mitarbeiter mehr einen Computer gefunden.

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Politik Gesellschaft

Geld verbrennen leicht gemacht

Ich hatte es letzte Woche schon mal erwähnt: Der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (kurz: AStA) ((Hat eigentlich schon mal jemand darüber philosophiert, dass besonders linke Studentengruppen, die sich gerne Studierendengruppen nennen, einen ähnlich grotesken Hang zu Abkürzungen haben wie die Nazis mit ihren StuKas und GröFazen?)) der Ruhr-Uni Bochum hat eine große Party veranstaltet, um mal richtig Geld zu verbrennen. Jetzt hat Niels darüber geschrieben und da dachte ich mir: “Wenn man sich schon in Kiel über ‘unseren’ AStA auslässt, muss ich da auch noch mal nachtreten …”

Vor langer, langer Zeit, als ich noch nicht Student der Ruhr-Universität war, fanden angeblich “legendäre” Parties in der damals noch unrenovierten Mensa statt, die einen enormen Ruf hatten und wohl – ähnlich wie die Fachschaftsparties heute noch – hauptsächlich als Geldquelle für die Arbeit des AStA dienten. Insofern hätte man schon mehr als gewarnt sein müssen, als der aktuelle AStA-Vorsitzende Fabian Ferber noch vor der diesjährigen Neuauflage in den “Ruhr Nachrichten” sagte:

“Wir haben von Anfang an nicht damit gerechnet, Gewinn einzufahren.” Jahr für Jahr hätten die Vorgänger-ASten Überschüsse erwirtschaftet, “wir haben Rücklagen von 170.000 Euro.” Da hält Ferber es für legitim, den Studierenden eine große Show zum kleinen Preis zu bieten – selbst wenn sie am Ende Verluste bringt. 35 Euro (ermäßigt 28 Euro) kostet der Eintritt zur Party.

Und, in deed: Das Line-Up konnte sich sehen lassen. Auf Schulhöfen oder bei der “MTV Campus Invasion”, zu der ja vermutlich auch mehr Schüler als Studenten kommen, hätte man mit Juli, 2raumwohnung, Culcha Candela oder Joy Denalane sicher große Erfolge feiern können. Wenn die nicht sowieso ständig an jeder Ecke spielen würden.

200.000 Euro hat die Veranstaltung ungefähr gekostet, was schon erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass ein “großes Open-Air-Rockfestival” mit mehreren Bühnen, an die hundert Bands, Dixie-Klos und Campingplätzen angeblich “nur” sechs Millionen kosten soll. Dort kalkuliert man freilich auch mit mehr als 5.000 Besuchern, von denen dann noch nicht mal die Hälfte kommt.

Ich gebe zu, mich immer ebenso wenig für Hochschulpolitik interessiert zu haben wie 85% meiner Kommilitonen. Die Studentenvertreter, das waren eben immer diese Freaks, die man in jeder SPD-Ortsgruppe ausgelacht hätte. Die ganz linken Gruppen, die in ihren Flugblättern die Hälfte des Platzes für politisch korrekte Postenumschreibungen (“die VertreterInnen des AusländerInnenreferats”) und seit vierzig Jahren veraltete Klassenkampfparolen verwendeten, konnte man noch weniger ernst nehmen. Aber was sollten die auch groß (falsch) machen? Hilflose Aktionen gegen Studiengebühren unternehmen und dafür sorgen, dass die Nazi-Parolen auf den Klowänden alle paar Monate überpinselt werden, vielleicht. Es konnte ja keiner ahnen, dass die im Stillen an der Verpulverung meines Geldes arbeiten. ((Interessant: Um das im Studentenausweis enthaltene Semesterticket kann man sich mit etwas Mühe drücken, falls man auf dem Unigelände wohnt und nie Zug fahren will. Den AStA muss jeder Student unterstützen, ob er das will oder nicht.))

Nun ist die Organisation von Großveranstaltungen eine durchaus komplexe, verantwortungsvolle Aufgabe, die man alleine schon deshalb Profis überlassen sollte, weil man dabei so viel falsch machen kann. Der AStA der Ruhr-Uni Bochum ((Der RCDS, eigentlich auch AStA-Mitglied, nennt das Ganze einen “Listen-egoistischen Alleingang der Juso-Rubrosen”)) entschied sich offenbar dazu, so ziemlich jeden Fehler selbst zu machen. Das reichte von der Bandauswahl, die sicherlich zu einem gewissen Teil auch Geschmackssache ist, über den Umfang der Veranstaltung (statt acht Bands und zehn Stunden Livemusik von mittags bis abends hätte es vielleicht auch eine Nummer kleiner getan), bis hin zu einem umfangreichen PR-Desaster: Das Uni-eigene Campusradio, von so ziemlich jedem bisherigen AStA geschnitten, wurde im Vorfeld außen vor gelassen und das Eingeständnis des finanziellen GAUs geriet zu dem, was man in der Politik (oder eben bei Vattenfall) eine “Salami-Taktik” nennt. Der AStA-Vorsitzende Fabian Ferber von den “RUB-Rosen” ((Die ganz linken Gruppen würden jetzt noch schreiben, dass es sich dabei um eine “SPD-nahe Studentengruppe” handelt, was einerseits eine hilfreiche Information ist, bei den Ganzlinken aber nur heißen soll: “Iiiih, bah, Politik mit möglichen Fernzielen!”)) empfahl sich dabei auch gleich für die große Politik, indem er bei seinem Rücktritt die “volle Verantwortung” übernahm. “Volle Verantwortung” heißt natürlich nicht, dass er jetzt den Fehlbetrag ausgleichen würde – ja, es soll noch nicht mal heißen, dass er wirklich für das Desaster verantwortlich ist, wie die “RUB-Rosen” klarstellen wollen:

Wenn man selbst von den eigenen Fehltritten ablenken will, dann sucht man sich halt einen Sündenbock und der heißt in diesem Monat Fabian Ferber. Wie einfach, wie billig und wie schmutzig!

Es ist der klassische Fall, wo ich alle doof finde: Bekerner und Herman, Schell und Mehdorn, AStA, RCDS und Ganzlinke.

Nachtrag 19. Dezember: Jetzt erst gesehen: Sogar die “Süddeutsche Zeitung” hat schon über den Fall berichtet.