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Geht die Welt heute unter, geht sie ohne mich

Gestern Nachmittag wurde in der Bochumer Innenstadt eine Zehn-Zentner-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg entdeckt. Die Gegend (inklusive des Bermuda3ecks) wurde evakuiert, Straßen und Bahnstrecken gesperrt.

Gerade wollte ich mich mal informieren, ob die Entschärfung denn inzwischen wenigstens vorbei sei und alles gut geklappt hat:

Bombenfund: Klinik und Altenheim evakuiert. Bei Ausschachtungsarbeiten für die neue Kanalisation an der Viktoriastraße in unmittelbarer Nähe der Marienkirche entdeckte heute, 20. Oktober, gegen 15.30 Uhr ein 43 Jahre alter Baggerfahrer einen Blindgänger, der in den Abendstunden entschärft werden soll. mehr... WAZ Bochum, 20.10.2008, Norbert Schmitz

“Der Westen”, das Portal der WAZ-Gruppe, das so gerne “RP Online” als führendes Regionalzeitungsportal ablösen würde, wartet im Bochumer Lokalteil mit einer undatierten Meldung von irgendwann gestern Nachmittag auf, außerdem gibt es eine ebenso undatierte Meldung mit Agenturmaterial auf der Startseite.

Ganz anders die Lokalseite der “Ruhr Nachrichten”:

Aufatmen in der südlichen Innenstadt: Die 500-Kilo-Bombe ist entschärft
BOCHUM Der Bombenalarm in der Bochumer Innenstadt ist aufgehoben. Experten des Kampfmittelräumdienstes haben die 500-Kilo-Bombe am Montagabend um 23 Uhr entschärft. Nach dem Fund des Blindgängers am Nachmittag war die südliche Innenstadt im Umkreis von einem halben Kilometer rund um den Fundort evakuiert worden. 6000 Menschen waren hiervon betroffen, der Verkehr brach zusammen. mehr...

Die hat einen Artikel von 23:23 Uhr, der es mit etwas Glück noch in die Print-Ausgabe schafft und in den ersten zwei Sätzen des Vorspanns alle wichtigen Informationen liefert:

Der Bombenalarm in der Bochumer Innenstadt ist aufgehoben. Experten des Kampfmittelräumdienstes haben die 500-Kilo-Bombe am Montagabend um 23 Uhr entschärft.

Ach, und auf der Startseite von ruhrnachrichten.de ist es im Moment die Top-Meldung.

Nachtrag, 08:14 Uhr: Den Artikel im überregionalen Teil hat “Der Westen” jetzt durch eine dpa-Meldung mit der geistreichen Überschrift “Bombenfund: 6000 Menschen in Bochum evakuiert” ersetzt.

Auf der Bochumer Seite sieht es immer noch so aus wie heute Nacht. Vermutlich ist die Lokalredaktion der “WAZ” einfach mitevakuiert worden und seitdem hat dort kein Mitarbeiter mehr einen Computer gefunden.

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Tartanlandebahn

Im Panorama-Ressort von “RP Online” findet sich zur Zeit folgende aktuelle Nachricht:

Teure Unachtsamkeit am Flughafen: Mann lässt sich 253.000 Euro klauen. Kloten (RPO). Einem Mann aus Deutschland ist am Donnerstag auf dem Flughafen Zürich eine Umhängetasche mit Sachwerten und Bargeld im Gesamtwert von mehr als 253.000 Euro gestohlen worden. Der 60-Jährige hatte nach Angaben der Polizei gegen 18.30 Uhr im Terminal 2 eingecheckt. Dabei wurde ihm die auf einem Gepäckkarren liegende Tasche gestohlen. Diese enthielt einen Laptop, Dokumente und Bargeld, nämlich 333.000 Dollar in 100-er Scheinen und 18.000 Euro in 500-er Scheinen.

Dabei soll uns jetzt mal egal sein, dass “RP Online” eine Meldung der Nachrichtenagentur AP als eigenen Text (“RPO”) ausgibt — das ist bei Deutschlands führendem Lokalzeitungsportal ja durchaus normal.

Merkwürdig ist vielmehr das Foto, mit dem der Artikel bebildert ist und mit dem er auch angeteasert wird:

Das Letzigrund-Stadion in Zürich

Ich bin mir sicher, auch Sie haben sich den Züricher Flughafen irgendwie anders vorgestellt.

Aber das ist ja gar nicht der Flughafen! Es ist das erste Foto einer sechsteiligen … richtig: Bildergalerie, in der die Stadt Zürich vorgestellt wird — anlässlich der Fußball-Europameisterschaft vor vier Monaten.

Serie EM-Städte: Bilder aus Zürich

Nachtrag, 22:33 Uhr: Und – zack! – war das Symbolbild weg:

Kein Symbolbild

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Warum nicht “Wechselgeld”?

… und dann war da noch Firstnews, Tochter der Klassik Radio AG und laut Selbstbeschreibung “die größte und leistungsfähigste Unterhaltungs-Nachrichtenagentur im deutschsprachigen Raum”, zu deren Kunden neben diversen Online-Portalen auch viele öffentlich-rechtliche Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören.

Die leidige Shakira-Geschichte ging unter anderem über Firstnews, ebenso die Meldung, wonach sich Lily Allen mit zwei Männern auf einer Toilette aufgehalten habe. In diesem Falle stimmt der Kern wohl, aber Firstnews verbreitete auch folgenden Abschnitt:

Als sie ertappt wurden, erklärte Lily scherzhaft, sie hätte Sex mit den beiden Männern und wolle nicht gestört werden.

(Firstnews ist ein kostenpflichtiges Angebot, auf das man nicht verlinken kann, die Meldung steht aber im Wortlaut unter anderem hier.)

Und jetzt raten Sie mal, was das “Heat”-Magazin, auf das sich Firstnews explizit beruft, geschrieben hat.

Sie kommen nicht drauf:

While Lily laughed off the incident and claimed she’d had a sex change, Johnny was a bit more grumpy, shouting, “Don’t touch me, just don’t touch me!” at the bouncers (like they’d want to – have you seen the state of him?!) and left shortly afterwards.

(Für diejenigen, die wie der Firstnews-Praktikant kein Englisch können: sex change bedeutet “Geschlechtsumwandlung”.)

Ich habe die Redaktionsleiterin von Firstnews letzte Woche angeschrieben und gefragt, warum Ihre Agentur verspätete Aprilscherze und falsche Übersetzungen verbreite. Bis heute hat niemand geantwortet.

Nachtrag, 23. April: Heute kam eine E-Mail der Redaktionsleiterin. Sie sei einige Tage außer Haus gewesen, beide Meldungen seien aber inzwischen “geändert und entsprechend ausgebessert” worden.

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Fernere Angaben

Manchmal ist es aber auch bitter für Journalisten: Da erhält man eine sensationelle Meldung und dann ist diese Meldung eben nur die Meldung, also quasi die Überschrift und sonst nichts.

So meldete die “Berliner Morgenpost” heute Morgen offenbar (die Meldung ist nicht mehr online), dass der Schauspieler Ben Becker bewusstlos in seiner Wohnung aufgefunden, reanimiert und ins Krankenhaus eingeliefert worden sei.

Die Nachrichtenagentur ddp tickerte dann am Mittag folgendes:

Zeitung: Schauspieler Ben Becker in Wohnung reanimiert Berlin – Der Berliner Schauspieler und Sänger Ben Becker ist einem Zeitungsbericht zufolge bei einem Notfalleinsatz reanimiert worden. Wie die «Berliner Morgenpost» heute auf ihrer Internetseite schrieb, wurde er am Morgen leblos in seiner Wohnung in Berlin-Mitte gefunden. Der 42-Jährige sei minutenlang reanimiert worden und liege jetzt in einem Krankenhaus, hieß es. Es solle auch ein Spritzbesteck in der Wohnung gefunden worden sein. Zunächst hatte die Zeitung geschrieben, Becker ringe mit dem Tod. Gegen Mittag hieß es, der Schauspieler sei wieder ansprechbar und sein Zustand habe sich stabilisiert.

Und wenn das die komplette Nachrichtenlage zum Thema ist, ist mit diesen sechs Sätzen eigentlich alles gesagt. Man kann sie so wiedergeben und fertig.

Oder wie die “Netzeitung” dpa schreiben lässt:

Nähere Angaben gab es nicht.

Nur wirkt es dann natürlich ein bisschen albern, wenn man diese Meldung dann noch mit derart vielen biographischen Fakten aufbläst, bis sie auf dreifache Größe herangewachsen ist.

Und wenn man die Meldung von 11:01 Uhr um 13:04 Uhr aktualisiert hat, warum muss man dann, wenn sich die Nachrichtenlage um 16:53 Uhr ändert, plötzlich eine neue Meldung aufmachen? Damit der Leser der Ursprungsmeldung nicht erfährt, dass es Becker inzwischen offenbar wieder besser geht?