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Hoch im Interkurs

Ich weiß nicht, mit wel­chem Com­pu­ter­pro­gramm die Leu­te bei stylebook.de („Powered by Bild.de“) ihre Tex­te so aus dem Eng­li­schen über­tra­gen las­sen, aber irgend­et­was sagt mir, dass es aus der Schweiz stammt:

Darum geht es im Film: Der brotlose Ex-Soldat George Duroy (Pattinson) begibt sich in das Wirrwarr eines Pariser Verlagshauses. Um zu Einfluss und Macht zu gelangen, bezirzt er drei Damen (Uma Thurman, Christina Ricci und Kristen Scott Thomas). Dabei schreckt er auch nicht vor sexuellem Interkurs mit den verheirateten (!) Frauen zurück.

Mit Dank an Harald M.

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Stille Gefängnispost (Teil 2)

Die­ser Ein­trag ergibt nur nach der Lek­tü­re des ers­ten Teils Sinn. Wenn über­haupt.

Ich weiß nicht, ob man bei „Spie­gel Online“ heu­te über­haupt noch zum Arbei­ten gekom­men ist. War es mir ges­tern weder tele­fo­nisch noch per E‑Mail mög­lich gewe­sen, eine Stel­lung­nah­me zum „Fal­ten-Fritzl-Fall“ (Chef­re­dak­teur Rüdi­ger Ditz) zu bekom­men, gin­gen heu­te eini­ge E‑Mails von spiegel.de-Adressen bei mir ein. Gut, ein Teil davon waren Abwe­sen­heits­no­ti­zen, aber Rele­van­tes war auch dabei.

Chef­re­dak­teur Rüdi­ger Ditz selbst ant­wor­te­te am Nach­mit­tag und erklär­te, man gehe der Sache gera­de nach. Um 18:12 Uhr kam dann eine E‑Mail der Pan­ora­ma-Che­fin Patri­cia Drey­er.

Sie schrieb (wie auch im Ursprungs­ar­ti­kel steht), dass man nach Sich­tung der „Mirror“-Nachricht Kon­takt mit dem (angeb­li­chen) Zitat­ge­ber Oberst­leut­nant Huber-Günst­ho­fer auf­ge­nom­men habe. Der habe die Fra­ge, ob er mit dem „Mir­ror“ gespro­chen habe, ver­neint (was ja als gesi­cher­te Erkennt­nis gel­ten darf).

Gegen­über „Spie­gel Online“ habe Herr Huber-Günst­ho­fer gesagt, er kön­ne die „Geschich­te mit der Creme“ nicht bestä­ti­gen. Auf mei­ne Fra­ge, ob Herr Fritzl denn um Haut­creme gebe­ten habe, hat­te der Oberst­leut­nant ja geant­wor­tet, er habe die Creme gegen­über der „Kro­nen­zei­tung“ als Bei­spiel erwähnt. Was er genau zum Repor­ter der „Kro­nen­zei­tung“ gesagt hat, ist also wei­ter ein wenig unklar.

Und dann beging „Spie­gel Online“ einen klei­nen, aber ent­schei­den­den Feh­ler, der mir genau­so hät­te pas­sie­ren kön­nen:

Aus die­ser Aus­kunft Herrn Huber-Günst­ho­fers uns gegen­über zogen wir den Schluss, dass er sich nicht wie im „Mir­ror“ zitiert geäu­ßert hat­te.

Ob er mit ande­ren Medi­en über das The­ma Fritzl und Fal­ten­creme gespro­chen habe, haben wir Herrn Huber-Günst­ho­fer nicht gefragt.

Die Glei­chung „Mir­ror-Zitat falsch = Mir­ror-Zitat erfun­den“ lag ein­fach auf der Hand. Wer hät­te auch auf die Idee kom­men kön­nen, dass das „Mirror“-Zitat eine etwas holp­ri­ge Über­set­zung eines über­geig­ten „Kronenzeitung“-Zitats war?

Nun gut, „Spie­gel Online“ hät­te auf die Idee kom­men kön­nen:

Wir haben dar­auf­hin den „Mir­ror“ kon­tak­tiert, wo wir die Aus­kunft erhiel­ten, man habe die Infor­ma­ti­on einer Agen­tur­mel­dung ent­nom­men.

Und?

Wir haben kei­nen Ver­such unter­nom­men, die­se „Agen­tur­mel­dung“ selbst in Augen­schein zu neh­men, da uns nach den Äuße­run­gen des Herrn Huber-Günst­ho­fer belegt schien, dass die Mel­dung des „Mir­ror“, Fritzl ver­lan­ge nach einer Anti-Fal­ten­creme, so nicht stimm­te.

Mist!

In ihrer E‑Mail schrieb Frau Drey­er, es sei „ohne Zwei­fel ein Ver­säum­nis“, dass man den Arti­kel der „Kro­nen­zei­tung“ nicht gekannt habe. Das hät­te ande­rer­seits schon fast kri­mi­na­lis­ti­schen Ein­satz erfor­dert, denn selbst in der Agen­tur­mel­dung von Cen­tral Euro­pean News (CEN), wo man die Mel­dung aus der „Kro­nen­zei­tung“ für den eng­lisch­spra­chi­gen Markt über­setzt hat­te, fehl­te jeder Hin­weis auf die „Kro­ne“. Und in den Medi­en, die die Infor­ma­tio­nen von CEN wei­ter­ver­brei­te­ten und flei­ßig Details dazu erfan­den, fehl­te jeder Hin­weis auf CEN.

Nach Anga­ben von Frau Drey­er war­tet man bei „Spie­gel Online“ im Moment auf eine Ant­wort, von wel­chem „Gefäng­nis­ver­ant­wort­li­chen“ sich CEN die Zita­te hat­te bestä­ti­gen las­sen.

Für uns war Herr Huber-Günst­ho­fer heu­te bis Stand Absen­dung die­ser Mail nicht zu errei­chen.

Unter­des­sen hat „Spie­gel Online“ den Vor­spann des Tex­tes gekürzt und den Arti­kel mit fol­gen­der Anmer­kung ver­se­hen:

Anmer­kung der Redak­ti­on: SPIEGEL ONLINE hat eine zunächst in die­sem Arti­kel publi­zier­te For­mu­lie­rung, „Neu­ig­kei­ten“ über Fritzl wür­den „erfun­den“, ent­fernt.

Quel­le der vom „Mir­ror“ publi­zier­ten Agen­tur­mel­dung war offen­bar ein Bericht in der öster­rei­chi­schen „Kro­nen­zei­tung“, der gegen­über Erich Huber-Günst­ho­fer angeb­lich bestä­tig­te, Fritzl habe nach einer Haut­creme ver­langt – was er SPIEGEL ONLINE gegen­über aller­dings demen­tier­te.

Bleibt die Fra­ge, wel­che Rele­vanz eigent­lich die Beschaf­fen­heit der Haut des „Inzest-Mons­ters aus Amstet­ten“ („Bild“) hat. Und war­um Mel­dun­gen über ihn (es) offen­bar immer den Umweg über das Aus­land neh­men müs­sen.

[Fort­set­zung folgt bestimmt …]

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Stille Gefängnispost

Die fol­gen­de Geschich­te wird ein biss­chen kom­pli­ziert. Legen Sie also bes­ser schon mal Papier und Blei­stift bereit, wie Sie es beim Betrach­ten der „Lin­den­stra­ße“ oder beim Lesen von John-Gris­ham-Büchern tun, um den Über­blick zu behal­ten.

Josef Fritzl, das darf als gesi­cher­te Infor­ma­ti­on gel­ten, sitzt zur Zeit in der Jus­tiz­an­stalt St. Pöl­ten in Unter­su­chungs­haft. Der als „Inzest-Mons­ter aus Amstet­ten“ bekannt gewor­de­ne Mann war­tet dort auf sei­nen Pro­zess, der Ende des Jah­res begin­nen soll.

Der „Dai­ly Mir­ror“, eine die­ser gru­se­li­gen bri­ti­schen Bou­le­vard­zei­tun­gen, berich­te­te am Diens­tag, Fritzl habe den Gefäng­nis­arzt um Anti-Fal­ten-Creme gebe­ten. Noch am sel­ben Tag nahm Bild.de die Geschich­te dank­bar auf und erfand noch hin­zu, Fritzl habe „wohl kein Spiel“ der Fuß­ball-EM ver­passt.

Inzest-Drama von Amstetten: Josef Fritzl verlangt im Knast nach Anti-Falten-Creme

Fast zeit­gleich berich­te­te „Spie­gel Online“ über den „Mirror“-Artikel und war­te­te mit einem über­ra­schen­den Twist auf:

Der Gefäng­nis­spre­cher weiß nichts davon. Auf Nach­fra­ge von SPIEGEL ONLINE sag­te Huber-Günst­ho­fer, er habe nie mit dem „Dai­ly Mir­ror“ gespro­chen.

Er kön­ne sich nicht erklä­ren, wie die bri­ti­sche Zei­tung dazu kom­me, ihn zu zitie­ren.

An die­sem Punkt wäre es eine schö­ne Geschich­te fürs BILD­blog gewe­sen: „Bild.de schreibt eine Falsch­mel­dung des ‚Dai­ly Mir­ror‘ ab“.

So ein­fach aber war es nicht: der „Mir­ror“ war längst nicht das ein­zi­ge bri­ti­sche Medi­um, das über die Anti-Fal­ten-Creme berich­tet hat­te. Neben diver­sen Bou­le­vard­me­di­en fand sich die Mel­dung auch beim renom­mier­ten „Dai­ly Tele­graph“ – und die wer­den ja kaum unge­prüft aus dem „Mir­ror“ abschrei­ben.

Über­haupt stand ja schon bei „Spie­gel Online“:

Mit die­ser Aus­sa­ge kon­fron­tiert, teilt der „Dai­ly Mir­ror“ mit, man habe die Infor­ma­tio­nen „einer Agen­tur­mel­dung“ ent­nom­men.

Eine Nach­fra­ge beim „Tele­graph“ ergab: Die Agen­tur, die die­se Mel­dung ver­brei­tet hat­te, heißt „Cen­tral Euro­pean News“ (CEN) und sitzt in Wien. Kein deut­scher Jour­na­list hat je von ihr gehört. Dort war man sehr freund­lich und koope­ra­tiv und teil­te mir mit, die Nach­richt aus der öster­rei­chi­schen „Kro­nen­zei­tung“ zu haben.

Und dort stand am 12. Juli 2008:

Kurze Spaziergänge im Hof - Einziger Wunsch: Hautcreme - Häftling Fritzl verpasst keinen Bericht über seine Horrortaten!

„Der ein­zi­ge Extra­wunsch von Josef Fritzl war bis­her eine Haut­creme“, so Oberst­leut­nant Erich Huber-Günst­ho­fer von der Jus­tiz­an­stalt St. Pöl­ten.

Bevor CEN die Mel­dung an den „Dai­ly Mir­ror“ schick­te, habe man extra noch mal bei den Gefäng­nis­ver­ant­wort­li­chen nach­ge­fragt und sich die Zita­te bestä­ti­gen las­sen, so die Agen­tur. Ent­spre­chend über­rascht sei man des­halb auch über den Arti­kel bei „Spie­gel Online“ gewe­sen: zwar stimmt es ja wohl, dass der Gefäng­nis­spre­cher nicht mit dem „Dai­ly Mir­ror“ gespro­chen hat – aber das muss­te er ja auch nicht, weil es sich ja eigent­lich um eine Mel­dung der „Kro­nen­zei­tung“ gehan­delt hat­te. Und mit deren Repor­ter hat Oberst­leut­nant Huber-Günst­ho­fer dann schon gespro­chen, wie er mir auf Anfra­ge bestä­tig­te. Die viel­zi­tier­te Haut­creme habe er aller­dings schon im Gespräch mit der „Kro­nen­zei­tung“ eher bei­spiel­haft genannt, um auf die All­täg­lich­keit von Fritzls Wün­schen hin­zu­wei­sen.

Die Behaup­tun­gen („Kro­nen­zei­tung“, „Dai­ly Mir­ror“, „Bild“), dass Fritzl vor allem oder aus­schließ­lich Berich­te über sich selbst lese oder schaue, bezeich­ne­te Erich Huber-Günst­ho­fer im Übri­gen als über­trie­ben: Die Fern­se­her in den Zel­len ver­füg­ten über 22 Pro­gram­me und da es kei­ne 24-Stun­den-Über­wa­chung gebe, wüss­te auch die Gefäng­nis­ver­wal­tung nicht, was sich ein Gefan­ge­ner da genau anse­he. Glei­ches gel­te für Zei­tun­gen: „Ob er die Wit­ze­sei­te oder den Sport­teil liest, kann ich Ihnen nicht sagen.“

Es blei­ben frei­lich immer noch ein paar Fra­gen offen:

  • Wie­so muss eine Mel­dung der öster­rei­chi­schen „Kro­nen­zei­tung“ erst einen Umweg über Eng­land neh­men, ehe sie von „Bild“ auf­ge­grif­fen wird?
  • War­um hat „Spie­gel Online“ nicht nach der Agen­tur­mel­dung gesucht, auf die sich der „Dai­ly Mir­ror“ beru­fen hat?
  • Wie wur­de eigent­lich aus der „Haut­creme“ (Huber-Günst­ho­fer, „Kro­nen­zei­tung“) die „Anti-Fal­ten-Creme“ („Bild“)?

Ach, letz­te­res lässt sich ganz leicht durch einen klei­nen Über­set­zungs­feh­ler bei CEN erklä­ren, den der „Dai­ly Mir­ror“ ahnungs­los auf­ge­grif­fen und Bild.de eben­so ahnungs­los zurück­über­setzt hat:

Incest mons­ter Josef Fritzl is a fre­quent visi­tor to the pri­son doc­tor to com­plain about aches and pains and has asked for a sup­p­ly of anti aging face cream.

Meh­re­re Ver­su­che, mit den Ver­ant­wort­li­chen bei „Spie­gel Online“ Kon­takt auf­zu­neh­men, ver­lie­fen erfolg­los. Unter­des­sen hat Bild.de den Arti­kel off­line genom­men und CEN hat ange­kün­digt, sich wegen fal­scher Unter­stel­lun­gen bei einer ent­spre­chen­den Stel­le (falls es so etwas wie eine „Ger­man Press Asso­cia­ti­on“ gibt) über „Spie­gel Online“ beschwe­ren zu wol­len.

Mit Dank an die vie­len BILD­blog-Hin­weis­ge­ber!

Nach­trag, 18. Juli: Zur Stel­lung­nah­me von „Spie­gel Online“ bit­te hier ent­lang!

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Skandale abblasen mit der „WAZ“

Wir müs­sen noch­mal auf die Ankün­di­gung des Ryan­air-Chefs Micha­el O’Lea­ry zurück­kom­men, sei­ne Air­line wer­de bald Trans­at­lan­tik­flü­ge mit „beds and blo­wjobs“ anbie­ten. Das hat­te ja zumin­dest die „WAZ“ am ver­gan­ge­nen Mitt­woch berich­tet.

Zum einen habe ich inzwi­schen den Hin­weis erhal­ten, der Aus­druck sei zumin­dest im Iri­schen eini­ger­ma­ßen umgangs­sprach­lich für „voll­ende­ten Ser­vice“, was bedeu­ten wür­de, dass es sich bei der Ankün­di­gung streng genom­men noch nicht mal um einen „Witz“, son­dern schlicht um ein kul­tu­rel­les Miss­ver­ständ­nis gehan­delt hät­te. Da man aber von deutsch­spra­chi­gen Jour­na­lis­ten kei­ne Tief­en­kennt­nis­se in spe­zi­el­le­rer iri­scher Umgangs­spra­che erwar­ten kann, soll uns die­ses Detail mal egal sein.

Zum ande­ren aber bleibt die „WAZ“ auch in ihrem Inter­net­por­tal derwesten.de wei­ter­hin bei ihrer Dar­stel­lung. Katha­ri­na Bor­chert, Chef­re­dak­teu­rin bei derwesten.de, hat­te mir am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag auf Anfra­ge mit­ge­teilt, es wer­de nach Rück­spra­che mit dem Autor einen Bei­trag im Kor­rek­tur­blog und einen ent­spre­chen­den Hin­weis dar­auf unter dem eigent­li­chen Arti­kel geben, von bei­dem fehlt aber bis­her jeder Spur.

Wolf­gang Pott, der Autor des besag­ten Arti­kels, hat auf mei­ne E‑Mail vom Don­ners­tag bis­her gar nicht nicht reagiert. Das muss er natür­lich nicht, aber es wäre ja schon inter­es­sant gewe­sen zu erfah­ren, ob wäh­rend der Pres­se­kon­fe­renz davon aus­zu­ge­hen war, dass Micha­el O’Lea­ry sei­ne Ankün­di­gung ernst gemeint haben könn­te; ob die „WAZ“ sich noch ein­mal bei Micha­el O’Lea­ry oder ande­ren Ryan­air-Ver­ant­wort­li­chen nach der Ernst­haf­tig­keit der Ankün­di­gung erkun­digt hat­te, und ob die „WAZ“ den Scherz als sol­chen auf­klä­ren wer­de. (Letz­te­res lässt sich mit­hil­fe des Online­auf­tritts und der Zei­tun­gen der letz­ten Tage natür­lich auch ganz leicht sel­ber mit „ver­mut­lich nicht“ beant­wor­ten.)

Sogar bei Bild.de, wo die Geschich­te am Don­ners­tag auf­ge­grif­fen hat­te, hat man her­aus­fin­den kön­nen, dass O’Lea­rys Ankün­di­gung nicht ganz ernst gemeint war. Mehr noch: das Video, das Bild.de von der Pres­se­kon­fe­renz ver­öf­fent­licht, ver­weist einen wei­te­ren Satz des „WAZ“-Artikels ins Reich der künst­le­ri­schen Frei­heit.

Sogar die Pres­se­spre­che­rin zu sei­ner Lin­ken ver­schluckt sich bei­na­he, woll­te sie doch gera­de am Was­ser­glas nip­pen.

Von der lau­en Anspie­lung mal ab: die Pres­se­spre­che­rin neben Micha­el O’Lea­ry will im Video weder „gera­de am Was­ser­glas nip­pen“, noch „ver­schluckt“ sie sich „bei­na­he“ – sie lächelt viel­mehr höf­lich, wäh­rend ihr Chef sei­ne Sprü­che reißt.

Über­haupt, das Kor­rek­tur­blog des Wes­tens: Näh­me man es ernst, hät­te „Der Wes­ten“ seit sei­nem Start im ver­gan­ge­nen Okto­ber gan­ze sechs Feh­ler gemacht – davon drei, die aufs Kon­to der Tech­nik gehen.

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Zum Skandal aufgeblasen

Im Online­jour­na­lis­mus gibt es eine Faust­re­gel: Wo „Skan­dal“ drü­ber steht, ist mit hoher Wahr­schein­lich­keit irgend­et­was faul. Was also erwar­ten Sie, lie­be Leser, bei die­ser Über­schrift von derwesten.de?

Skandal: Ryanair will Passagieren Sex-Angebote machen. Düsseldorf. Michael O\'Leary, Vorstandschef von Europas größter Billigfluglinie Ryanair, sorgte auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf für einen handfesten Skandal.

Auf der Pres­se­kon­fe­renz hat­te Ryan­air Flü­ge in die USA für 10 Euro in der Eco­no­my Class in Aus­sicht gestellt.

In der Busi­ness-Klas­se kün­dig­te O’Lea­ry dann einen ganz beson­de­ren Ser­vice an. „Da wird es dann noch ‚Bet­ten und Blo­wjobs‘ extra für die Flug­gäs­te geben.“

Wie „hand­fest“ ((Hihihi.)) der „Skan­dal“ ist, lässt sich viel­leicht schon dar­an able­sen, dass Goog­le News zur Stun­de kei­ne ein­zi­ge Mel­dung dar­über fin­det. ((Dass derwesten.de auch ein hal­bes Jahr nach sei­nem Start noch nicht für die Nach­rich­ten-Suche von Goog­le indi­ziert ist, ist eine ande­re Geschich­te, für die bei der WAZ-Grup­pe eigent­lich ein paar Köp­fe rol­len müss­ten. Wenn es denn dort mal jemand bemerk­te.))

Beim Ramsch-Nach­rich­ten­ag­gre­ga­tor shortnews.de, wo man die Mel­dung von derwesten.de auf­ge­grif­fen hat­te, schrieb dann auch ein Kom­men­ta­tor:

„Bed and Blo­wjob“ ist umgangs­sprach­lich und bedeu­tet soviel wie Spit­zen­kom­fort. Er hät­te auch sagen kön­nen man wird in den Schlaf gewiegt oder es wird einem eine Gute­nacht­Ge­schich­te vor­ge­le­sen.

Zuge­ge­ben: das wäre mir auch mit mei­nem Abschluss in Anglis­tik nicht bekannt gewe­sen. Ers­te Umfra­gen im Bekann­ten­kreis erga­ben auch, dass „umgangs­sprach­lich“ wohl ein wenig über­trie­ben sein könn­te.

Das „Urban Dic­tion­a­ry“ erklärt „Bed & Blo­wjob“ so:

A see­dy hotel. The kind of place that may even rent rooms by the hour. A place you take a chick to sole­ly for sex.

Einig sind sich aber alle Quel­len dar­über, dass die Aus­sa­ge des für sei­ne kra­wal­li­gen Pro­mo-Auf­trit­te und sei­nen absei­ti­gen Humor bekann­ten Ryan­air-Chefs wohl auf kei­nen Fall wört­lich zu neh­men sei­en.

Mög­li­cher­wei­se ist die „Skandal“-Offensive bei derwesten.de und die anschlie­ßen­de Medi­ta­ti­on über den Begriff „Blo­wjob“ aber auch Teil des Angriffs auf „RP Online“, zu dem Bodo Hom­bach, Geschäfts­füh­rer der WAZ-Medi­en­grup­pe, kürz­lich gebla­sen ((Hihi­hihi.)) hat­te.

Nach­trag, 18. Juni 00:25 Uhr: derwesten.de hat was geän­dert. Aus der 14-zei­li­gen Mel­dung ist ein gan­zer Arti­kel gewor­den, den Sie heu­te wohl auch in der gedruck­ten „WAZ“ lesen kön­nen, und die Über­schrift sieht auch ganz anders aus:

Billigflieger: O\'Leary – der Flegel der Lüfte

Die Kom­men­ta­re dar­un­ter bezie­hen sich natür­lich noch auf die alte Mel­dung, was aber auch rela­tiv egal ist, da der Autor Wolf­gang Pott auch in sei­nem neu­en Lang­text die Aus­sa­gen von Micha­el O’Lea­ry nur all­zu wört­lich nimmt:

Die­se Flü­ge wür­den inklu­si­ve Sex zwi­schen 4000 und 5000 Euro kos­ten, sagt O’Lea­ry.

Der Umstand, dass weder „Bild“ noch „Express“ (bis­her) über die­sen „Skan­dal“ berich­ten und sich selbst das Bou­le­vard­blatt „Rhei­ni­sche Post“ zu dem The­ma aus­schweigt, soll­te der „WAZ“ zu den­ken geben.

Jens weist übri­gens im Pott­blog dar­auf hin, dass derwesten.de ent­ge­gen mei­ner Aus­sa­gen „sehr wohl“ bei Goog­le News auf­tau­che. Eine kur­ze Stich­pro­be mei­ner­seits mit den Such­be­grif­fen „Ryan­air“, „Dins­la­ken“, „Bochum“ und „Ulrich Reitz“ (Chef­re­dak­teur der „WAZ“) erbrach­te exakt drei Tref­fer von derwesten.de in den letz­ten zwölf Stun­den (alle drei bei „Bochum“). Das wür­de ich in einem Moment gro­ßer Güte und Gelas­sen­heit als „aus­bau­fä­hig“ bezeich­nen.

Nach­trag, 18. Juni 16:10 Uhr: oe24.at (es sind meis­tens die Öster­rei­cher) hat­te die Mel­dung ursprüng­lich unter dem Titel „Ryan­air bie­tet bald Über­see-Flü­ge inklu­si­ve Sex“ auf­ge­grif­fen. Der Arti­kel klingt nun ganz anders und heißt jetzt „Über­see-Flü­ge inklu­si­ve Sex nur Scherz“.

Noch span­nen­der ist aller­dings, dass es bei derwesten.de einen wei­te­ren Arti­kel zum The­ma gibt – aller­dings aus der „NRZ“ und nicht aus der „WAZ“. Dort heißt es:

Und in der Busi­ness-Klas­se wer­de es einen Extra-Ser­vice für rei­che Rei­sen­de geben: „Bet­ten und Blo­wjobs”. – Der Ryan­air-Chef grinst über sei­nen ver­meint­li­chen Scherz zu sei­nen US-Flug­plä­nen so breit, wie sich die Gol­den Gate Bridge über die Bucht von San Fran­cis­co spannt.

Ein „ver­meint­li­cher Scherz“, aha. (Und die Gol­den Gate Bridge über­spannt natür­lich nicht wirk­lich die San Fran­cis­co Bay, son­dern die namens­ge­ben­de Meer­enge, die zwi­schen Bay und Pazi­fik liegt.)

Nach­trag, 18. Juni 23:50 Uhr: Es ist wohl end­lich ein Jour­na­list auf die Idee gekom­men, mal bei Ryan­air nach­zu­fra­gen. Die öster­rei­chi­sche „Kro­nen­zei­tung“ war’s:

„Das kann ich nicht bestä­ti­gen, das sind defi­ni­tiv nicht die Plä­ne von Herrn O’Lea­ry“, sag­te eine Ryan­air-Pres­se­spre­che­rin am Mitt­woch auf Anfra­ge. Es habe sich schlicht um einen Witz gehan­delt.

Einen schö­nen Gruß nach Essen gab’s auch noch:

„Vie­le Leu­te haben dar­über gelacht“, sag­te die Pres­se­spre­che­rin. Doch offen­bar haben nicht alle den Witz als Witz ver­stan­den.

Auch shortnews.de stell­te dar­auf­hin rich­tig – natür­lich ohne Hin­weis in der Ursprungs­mel­dung.

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Warum nicht „Wechselgeld“?

… und dann war da noch First­news, Toch­ter der Klas­sik Radio AG und laut Selbst­be­schrei­bung „die größ­te und leis­tungs­fä­higs­te Unter­hal­tungs-Nach­rich­ten­agen­tur im deutsch­spra­chi­gen Raum“, zu deren Kun­den neben diver­sen Online-Por­ta­len auch vie­le öffent­lich-recht­li­che Radio­sta­tio­nen in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz gehö­ren.

Die lei­di­ge Shaki­ra-Geschich­te ging unter ande­rem über First­news, eben­so die Mel­dung, wonach sich Lily Allen mit zwei Män­nern auf einer Toi­let­te auf­ge­hal­ten habe. In die­sem Fal­le stimmt der Kern wohl, aber First­news ver­brei­te­te auch fol­gen­den Abschnitt:

Als sie ertappt wur­den, erklär­te Lily scherz­haft, sie hät­te Sex mit den bei­den Män­nern und wol­le nicht gestört wer­den.

(First­news ist ein kos­ten­pflich­ti­ges Ange­bot, auf das man nicht ver­lin­ken kann, die Mel­dung steht aber im Wort­laut unter ande­rem hier.)

Und jetzt raten Sie mal, was das „Heat“-Maga­zin, auf das sich First­news expli­zit beruft, geschrie­ben hat.

Sie kom­men nicht drauf:

While Lily laug­hed off the inci­dent and clai­med she’d had a sex chan­ge, John­ny was a bit more grum­py, shou­ting, “Don’t touch me, just don’t touch me!” at the boun­cers (like they’d want to – have you seen the sta­te of him?!) and left short­ly after­wards.

(Für die­je­ni­gen, die wie der First­news-Prak­ti­kant kein Eng­lisch kön­nen: sex chan­ge bedeu­tet „Geschlechts­um­wand­lung“.)

Ich habe die Redak­ti­ons­lei­te­rin von First­news letz­te Woche ange­schrie­ben und gefragt, war­um Ihre Agen­tur ver­spä­te­te April­scher­ze und fal­sche Über­set­zun­gen ver­brei­te. Bis heu­te hat nie­mand geant­wor­tet.

Nach­trag, 23. April: Heu­te kam eine E‑Mail der Redak­ti­ons­lei­te­rin. Sie sei eini­ge Tage außer Haus gewe­sen, bei­de Mel­dun­gen sei­en aber inzwi­schen „geän­dert und ent­spre­chend aus­ge­bes­sert“ wor­den.