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Radio Musik Rundfunk

Merkt ja eh keiner (1)

Es ist ja nicht so, dass ich morgens aufstehe und denke “Was könnte ich heute mal Böses über den WDR schreiben?” Das machen die ja alles selber.

Gestern war Thees Uhlmann zu Gast im “1Live Kassettendeck”, das vom Konzept her eine Super-Radiosendung ist und deshalb um Mitternacht laufen muss: Ein Promi (meist Musiker) stellt eine Stunde lang Songs vor, die ihm sein Leben lang oder gerade jetzt im Moment wichtig sind. Gestern also der Sänger der “umstrittenen Band Tomte” (O-Ton welt.de, wo man auch nicht nach gutem Musikjournalismus suchen sollte).

Thees erzählte also und spielte Songs (Rod Stewart, Kool Savas, Escapado) und sagte nach jedem Lied, wer er ist und was wir da hören (ist ja Radio). Und dann kündigte er wortreich “Rain On The Pretty Ones” von Ed Harcourt an, zitierte noch aus dem Text (“I’m the Christian, that cannot forgive”, “I’m the hunter, who’s killed by his dog”) und sagte “Hier ist Ed Harcourt mit ‘Rain On The Pretty Ones'”.

Und was lief? Ed Harcourt mit “Late Night Partner”. Auch schön, sogar vom gleichen Album, aber ein ganz anderer Song. Auch, wenn er von Thees mit “Das war Ed Harcourt mit ‘Rain On The Pretty Ones'” abmoderiert wurde.

Nun ist es ja nicht so, dass da gestern Nacht ein übernächtiger Thees Uhlmann im 1Live-Studio gesessen und unbemerkt den falschen Track gefahren hätte: Weil man einen Promi kaum eine Stunde im Studio halten kann (dichter Promo-Zeitplan!), lässt man ihn einfach alle Moderationstexte hintereinander aufsagen, wenn er eh grad mal für ein Interview da ist. Dann gibt er einen Zettel mit der Playlist ab und irgendjemand muss die Songs zwischen die Moderationen schneiden. Und dieser Jemand hat offenbar einen Fehler gemacht.

Das ist kein großes Drama, kein Skandal und kein Eklat. Es ist nur ein Beispiel, warum es mir so schwer fällt, Medienschaffende in diesem Land ernst zu nehmen: Weil sie ihre Arbeit selbst nicht ernst nehmen.

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“New York Times”: Wir korrigieren jeden Fehler

Während es deutsche Medien mit der Korrektur von Fehlern nicht ganz so genau nehmen …

Entschuldigung, ich erfahre gerade vom Coffee-And-TV-Euphemismusbeauftragten, dass das viel zu freundlich ausgedrückt war.

Während den meisten deutschen Medien die Korrektur ihrer Fehler scheißegal ist, hat sich die “New York Times” (die auch schon mal wortreich mitgeteilt hatte, die bulgarische Hauptstadt versehentlich “Sophia” und nicht “Sofia” genannt zu haben) gestern mit einer ganz besonderen Korrektur hervorgetan:

A listing of credits on April 28, 1960, with a theater review of “West Side Story” on its return to the Winter Garden theater, misstated the surname of the actor who played Action. He is George Liker, not Johnson. (Mr. Liker, who hopes to audition for a role in a Broadway revival of the show planned for February, brought the error to The Times’s attention last month. )

[via “Spiegel Online”, die ihre Fehler im Großen und Ganzen ganz gut korrigieren]

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Digital

Skandale abblasen mit der “WAZ”

Wir müssen nochmal auf die Ankündigung des Ryanair-Chefs Michael O’Leary zurückkommen, seine Airline werde bald Transatlantikflüge mit “beds and blowjobs” anbieten. Das hatte ja zumindest die “WAZ” am vergangenen Mittwoch berichtet.

Zum einen habe ich inzwischen den Hinweis erhalten, der Ausdruck sei zumindest im Irischen einigermaßen umgangssprachlich für “vollendeten Service”, was bedeuten würde, dass es sich bei der Ankündigung streng genommen noch nicht mal um einen “Witz”, sondern schlicht um ein kulturelles Missverständnis gehandelt hätte. Da man aber von deutschsprachigen Journalisten keine Tiefenkenntnisse in speziellerer irischer Umgangssprache erwarten kann, soll uns dieses Detail mal egal sein.

Zum anderen aber bleibt die “WAZ” auch in ihrem Internetportal derwesten.de weiterhin bei ihrer Darstellung. Katharina Borchert, Chefredakteurin bei derwesten.de, hatte mir am vergangenen Donnerstag auf Anfrage mitgeteilt, es werde nach Rücksprache mit dem Autor einen Beitrag im Korrekturblog und einen entsprechenden Hinweis darauf unter dem eigentlichen Artikel geben, von beidem fehlt aber bisher jeder Spur.

Wolfgang Pott, der Autor des besagten Artikels, hat auf meine E-Mail vom Donnerstag bisher gar nicht nicht reagiert. Das muss er natürlich nicht, aber es wäre ja schon interessant gewesen zu erfahren, ob während der Pressekonferenz davon auszugehen war, dass Michael O’Leary seine Ankündigung ernst gemeint haben könnte; ob die “WAZ” sich noch einmal bei Michael O’Leary oder anderen Ryanair-Verantwortlichen nach der Ernsthaftigkeit der Ankündigung erkundigt hatte, und ob die “WAZ” den Scherz als solchen aufklären werde. (Letzteres lässt sich mithilfe des Onlineauftritts und der Zeitungen der letzten Tage natürlich auch ganz leicht selber mit “vermutlich nicht” beantworten.)

Sogar bei Bild.de, wo die Geschichte am Donnerstag aufgegriffen hatte, hat man herausfinden können, dass O’Learys Ankündigung nicht ganz ernst gemeint war. Mehr noch: das Video, das Bild.de von der Pressekonferenz veröffentlicht, verweist einen weiteren Satz des “WAZ”-Artikels ins Reich der künstlerischen Freiheit.

Sogar die Pressesprecherin zu seiner Linken verschluckt sich beinahe, wollte sie doch gerade am Wasserglas nippen.

Von der lauen Anspielung mal ab: die Pressesprecherin neben Michael O’Leary will im Video weder “gerade am Wasserglas nippen”, noch “verschluckt” sie sich “beinahe” – sie lächelt vielmehr höflich, während ihr Chef seine Sprüche reißt.

Überhaupt, das Korrekturblog des Westens: Nähme man es ernst, hätte “Der Westen” seit seinem Start im vergangenen Oktober ganze sechs Fehler gemacht – davon drei, die aufs Konto der Technik gehen.

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Falsch, fälscher, “Rheinische Post”

Dr. Markus Dewender, Vorsitzender der Hilfsorganisation “Kinder brauchen uns” und Bambi-Preisträger, hat gar keinen Doktortitel. Das berichtet der “Spiegel” in seiner aktuellen Ausgabe und inzwischen hat sich Dewender offenbar selbst angezeigt, um “zur raschen Aufklärung” beizutragen. So weit so alltäglich tragisch.

Bei der “Rheinischen Post” hielt man es offenbar für eine total knorke Idee, den heutigen Artikel über den falschen Doktor gleich mit einem falschen Markus Dewender zu bebildern, denn irgendwie hat der Mann auf dem Foto so gar keine Ähnlichkeit mit dem Mann, der hier, hier, hier und sogar bei “RP Online” Markus Dewender ist:

Nicht Dr. Markus Dewender. Noch nicht mal ohne Doktortitel. Markus Dewender. Mit Bambi, aber ohne Doktortitel.

(links: Der falsche Mann in der “Rheinischen Post” von heute, rechts: Der richtige Mann bei “RP Online”)

Der von der RP abgedruckte Mann ist übrigens Dr. med. Matthias Angrés, medizinischer Vorstand des Vereins “Kinder brauchen uns”.

PS: Zumindest optisch näher gelegen hätte die “Rheinische Post”, wenn sie fälschlicherweise das Foto aus dem nebenstehenden Artikel verwendet hätte, das den Gewinner der “5 Millionen SKL Show” zeigt.

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Back to the Futur II

Es ist (gerade bei Lokalzeitungen) nicht gänzlich unüblich, über kulturelle Veranstaltungen, deren Ablauf man sich leicht ausmalen kann, zu schreiben ohne selbst vor Ort gewesen zu sein. Dabei muss man natürlich hoffen, dass keine unvorhergesehenen Ereignisse geschehen (z.B. das Fortbleiben eines Hits oder des ganzen Headliners) – und dass man nicht versehentlich über Ereignisse berichtet, die noch gar nicht stattgefunden haben.

Diese reife Leistung vollbrachte die Lokalredaktion der “Neuen Rhein Zeitung” (“NRZ”) in Dinslaken ((Wo sonst?)) diese Woche. Am Dienstag, 18. Dezember druckte sie ein (nicht als solches gekennzeichnetes) Archivfoto der Dinslakener Band Kukalaka und schrieb darunter folgenden Text, den jeder halbwegs Informierte als leeres Normgeschwafel erkennen konnte:

Die Post ging ab beim Jugend-Musikfestival von Stadt Dinslaken und Din-Town am Freitagabend in der Kathrin-Türks-Halle. Auf zwei Bühnen brachten 14 lokale Bands die Halle und ihre Fans zum Kochen. Von Hip-Hop bis Rock reichte die Palette des dargebotenen Programms. Bis weit in die Nacht hinein rockten und feierten die jugendlichen Besucher, was das Zeug hielt, und der frenetische Jubel war wohl der schönste Dank an die Bands.

Fehlt eigentlich nur noch der “Höhepunkt des bunten Treibens”, für den man freilich wissen müsste, wer denn da so gespielt hat – oder eben noch spielen soll, denn das “Jugend-Musikfestival”, das natürlich auch einen Namen hat, findet freilich erst am morgigen Freitag, 21. Dezember statt.

Jetzt lautet die erste Frage natürlich: Ist das schlimm, wurde damit die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt? Die Antwort ist kompliziert und führt uns hinein in den Kaninchenbau des Journalismus: Der konkrete Fall, in dem ein Konzert beschrieben wurde, bei dem kein Mitarbeiter gewesen sein kann, weil es ja noch gar nicht stattgefunden hat, ist vielleicht nicht sonderlich tragisch, er ist beinahe lustig. Aber er wirft zum Beispiel die Frage auf, wie gewissenhaft Journalisten, die ein jugendkulturelles Großereignis im Kalender nicht wiederfinden, bei anderen Themen wie Kommunalpolitik oder Kriminalität arbeiten.

Auch ist das Vorgehen nicht ganz klar: Warum verwendet man am Dienstag ein Archivfoto und einen solchen Blindtext, um ein (vermeintliches) Ereignis vom Freitag zu beschreiben? In der Samstagsausgabe ergäbe eine solche Pseudo-Aktualität ja noch einen Sinn, aber drei Tage später? Nehmen wir an, man ging in der Redaktion von vorne herein davon aus, dass das Konzert am 14. Dezember sei, und hat dafür keine Mitarbeiter gefunden: Warum berichtet man dann trotzdem über ein Ereignis, das einem so egal ist, dass man seinen Termin ((In der Regel fand das “School’s Out” – daher auch der Name – immer am letzten Freitag vor Weihnachten statt.)) vergisst? Nun, vielleicht kam da einem Redakteur der übliche Lokalzeitungs-Gedanke, wonach die Objekte der Berichterstattung ja zumeist auch Abonnenten sind (weswegen man auch nie von misslungenen Konzerten lokaler Schulchöre, Musikschulen oder eben Bands lesen wird) und diese ja bestimmt gerne etwas über sich oder ihre Veranstaltung in der Zeitung lesen würden.

Irgendwie ist der “NRZ” der Fehler aber dann doch noch aufgefallen (oder sie wurde darauf hingewiesen), denn gestern fand sich in der für bunte Meldungen reservierten “7. Spalte” folgende Botschaft:

Da waren wir ein wenig vorauseilend. Doch wir hoffen, dass das Musikfestival der Jugendlichen beim School’s out am Freitag, 21. Dezember, ein wirklicher Erfolg wird. 14 lokale Bands werden auf zwei Bühnen ab 17.30 Uhr alles von Hip-Hop bis Rock spielen. Die Tickets kosten an der Abendkasse 5 Euro, im Vorverkauf (Bürgerbüros) gibt’s 60 Cent Rabatt. Rein kommen nur Kids ab 14 Jahre. Bitte Ausweis vorzeigen.

Nun ja, was sollen die Redakteure machen? In Sack und Asche zu Kreuze kriechen und sich “Wir schreiben über alles – auch über nie passiertes” in die Stirn ritzen wäre vielleicht ein wenig zu viel des Guten und offenbar gibt es in der ganzen Mitarbeiter-Kartei ja wirklich niemanden, der sich mit so einem Jugendthema befasst und der städtischen Pressemitteilung noch etwas hinzufügen könnte. Nur, mal ehrlich: Wer eine so deutliche Scheißegal-Haltung an den Tag legt, der sollte sich nicht wundern, wenn ihm die letzten Leser in dreißig Jahren weggestorben sind.

[via meine Mutter, mal wieder]