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Schusters “rappen”

Zu den traurigsten (mutmaßlich unterbezahlten) Jobs in der Medienbranche gehört “Aufschreiben, was bei Twitter so los ist” — und damit meine ich nicht mal “Schauen, was das Netz so sagt”, also die moderne Variante der Straßenumfrage oder der Leserbriefseite, bei der ein tatsächliches Thema, das gerade in den richtigen Medien vorkommt und die normalen Menschen beschäftigt, mit Stimmen aus dem Volk angereichert wird. Ich rede von fünf Tweets von völlig unbekannten Menschen, die zusammengesammelt werden, um daraus eine Geschichte – oder besser noch: einen “Shitstorm” – zu konstruieren. Also wirklich das digitale Äquivalent zu “neulich an der Theke”.

Neulich an der Theke fanden die Internet-Reste-Verwerter von “Mashable” fünf Tweets zum neuen Taylor-Swift-Song, in dem auch Ed Sheeran zu Wort kommt — und zwar rappend. “Haha, schlimm”, sagte Twitter (ja, wirklich: “Twitter was having none of it”, steht da) und machte sich über den in Anführungszeichen rappenden Barden lustig.

So weit, so egal.

“Mashable” ging aber noch einen Schritt weiter:

Let’s not forget, this is not the first time Sheeran has “rapped.”

Remember this little number (or don’t, seriously, don’t press play, don’t)?

steht da über einem Video zum (tatsächlich sehr, sehr schlimmen) Song “Galway Girl” von Ed Sheeran.

Und ich weiß, es ist – gerade in Zeiten wie diesen – vielleicht nicht das Allerschlimmste, was es an “den Medien” zu kritisieren gibt, aber hier ging mein Puls dann doch auch für mich überraschend durch die Decke.

Denn natürlich war auch “Galway Girl” nicht “the first time Sheeran has ‘rapped'”: Auf seinen frühen EPs und seinem Debütalbum “+” finden sich einige Songs, in denen Ed Sheeran Sprechgesang einsetzt — so wie seine erklärten Vorbilder, das inzwischen lange aufgelöste britische Duo Nizlopi (treue Blogleser erinnern sich vielleicht), das Sheerans (frühen) Sound maßgeblich beeinflusst hat.

Man muss das alles nicht wissen. Ed Sheeran ist nicht Paul McCartney, aber wenn man sich über Ed Sheerans Rap-Skills lustig macht (was ja auch okay ist — ich fand “+” ja unter anderem deshalb super, aber das ist ja Geschmackssache), sollte man das Thema doch ein bisschen besser einordnen können. So, wie “Vulture” es immerhin geschafft hat.

Ich hab meinen Puls übrigens schnell wieder in den Griff bekommen, weil ich bei meiner kurzen Recherche zum Thema auf dieses schöne Video gestoßen bin:

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Digital Musik

Caught in a bad romance

Geht weiter: Nach dem DJV NRW beschwert sich jetzt die “Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union” (dju) über die Art, wie das Management von Leonard Cohen mit Journalisten umgeht.

Und Einslive beklagt sich völlig zu Recht über die Repressionen, denen die Berichterstatter bei den gestrigen Konzerten von Coldplay und Lady Gaga in Köln ausgesetzt waren:

Am Dienstagabend (04. September) haben in Köln gleich zwei Konzert-Highlights stattgefunden. Lady Gaga und Coldplay – präsentiert von 1LIVE. Normalerweise würdet ihr an dieser Stelle eine Bildergalerie mit Fotos von den Konzerten finden. Doch durch Fotoverträge wird die Berichterstattung über Konzerte zunehmend erschwert.

Tja. Da präsentiert Einslive die Konzerte und kann dann nicht mal eine Bildergalerie anbieten. Aus unterschiedlichen Gründen: Coldplay wollten alle Rechte an den geschossenen Fotos haben (was, um das noch mal zu betonen, eine größenwahnsinnige und mit dem deutschen Urheberrecht schwer zu vereinbarende Forderung ist), und Lady Gaga ließ gar keine Pressefotografen rein.

Es dürfen nur die Bilder veröffentlicht werden, die ihr eigens engagierter Tourfotograf geschossen hat. Für Bildjournalist Peter Wafzig geht das zu weit: “Sie produziert ein Bild von sich selbst, das sie gerne in der Öffentlichkeit sehen möchte und sorgt dafür, dass die Presse ganz massiv beeinflusst wird.”

Dass Lady Gaga ein Bild von sich selbst produziert, dürfte niemanden ernsthaft überraschen. Ich frage mich aber, was sich an dieser Inszenierung geändert hätte, wenn neben dem offiziellen auch andere Fotografen Bilder hätten machen können. Wenn Frau Gaga nicht gerade auf der Bühne stolpert und einem Pressefotografen ein besonders unvorteilhaftes Bild gelingt, werden sich die Bilder im Großen und Ganzen ähneln. In den allermeisten Fällen kann die Presse eh nur die Inszenierung weiter transportieren, die sie vorgesetzt bekommt. Ein Konzert ist ja in der Regel kein Fußballspiel, wo sich in den Fanblöcken immer wieder Szenen abspielen, die der Verband lieber nicht in der Zeitung sehen würde — und selbst da müsste man ja noch mal länger überlegen, ob es die Idioten nicht eher anspornt, wenn ihre menschenverachtenden Banner hinterher im Fernsehen zu sehen sind, egal, wie erhoben der Zeigefinger der Reporter dabei ist.

Aber zurück zu Lady Gaga: Die bräuchte die Medien womöglich gar nicht mehr. Auf Twitter kann sie zu 29 Millionen (überwiegend wahnsinnig loyalen) Followern direkt sprechen — nicht mal ein Auftritt bei “Wetten dass..?” oder eine Titelseite in der “Bild”-Zeitung kann da mithalten. Der Hebel, an dem die klassischen Medien (zu denen auch die Website eines Radiosenders gehört), ist nicht nur kürzer geworden, er ist komplett verschwunden.

Wenn es Einslive drauf anlegen würde, könnten sie einfach keine Songs von Coldplay und Lady Gaga mehr spielen. Das wäre mal ein Statement, könnte aber auch nach hinten losgehen (Stichwort: 29 Millionen Follower). Und dann würde vollends offensichtlich, dass sich die Medien nach Belieben von der Unterhaltungsindustrie, die doch eigentlich schon tot war, am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Die Musikmanagementfirmen sind kein Mineralölkonzern, der Imageschäden und Umsatzeinbußen befürchten muss, wenn er eine Ölplattform in der Nordsee versenken will. Bleibt also nur noch: Protestieren.

Frehn Hawel arbeitet bei einer Veranstaltungsagentur und kennt das Problem. Er versucht, zwischen Management und Fotografen zu vermitteln: “Es ist eigentlich nicht im Sinne des Künstlers. Es ist für die Promotion oder die Pressearbeit für eine Tournee eher hinderlich, wenn man diese Verträge aufsetzt, weil dadurch einfach Berichte wegfallen, die man vielleicht auch braucht, um den Vorverkauf anzukurbeln.”

Das mit dem Vorverkauf scheint ganz gut geklappt zu haben: Coldplay haben das Kölner Stadion ausverkauft, Lady Gaga für heute die Kölnarena (das gestrige Zusatzkonzert war nicht ganz ausverkauft) — mit freundlicher Unterstützung von Einslive, wo bis zuletzt Karten verlost wurden. Künstler und Sender waren Geschäftspartner und einer von beiden hat den anderen über den Tisch gezogen. Konsequent wäre, auf die Präsentation solch “schwieriger” Künstler künftig zu verzichten.

Ich kann die Empörung über diese Fotografenverträge völlig nachvollziehen: Sie sind moralisch und juristisch hochgradig fragwürdig. Aber es fällt mir schon schwer, diese Art von Empörung ernst zu nehmen:

Es ist ein Spannungsfeld zwischen Management, Veranstaltern und Fotografen. Über Facebook und andere soziale Netzwerke bildet sich zunehmend Widerstand gegen die Fotoverträge. Auch Journalistenverbände warnen vor Eingriffen in die Pressefreiheit. Es ist auf der einen Seite durchaus verständlich, dass Bands wissen wollen, wo ihre Bilder veröffentlicht werden. Es muss aber die Frage geklärt werden: Wo hört ein gewisses Maß an Kontrolle auf und wo geht Zensur los?

“Pressefreiheit”! “Zensur”! Natürlich!

Das geht nicht mehr als “Wehret den Anfängen” durch, das ist eine völlige Fehleinschätzung der Situation: Die Managements machen Angebote und ich fürchte, die Medien können nicht mehr tun, als sich nicht darauf einzulassen. Die Selbstinszenierungsmaschinerie wird das natürlich nicht stoppen. Die hat gewonnen.

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But you don’t really care for music, do you?

Aus Gründen, die ich nicht ganz nachvollziehen kann, versorgt mich der Landesverband des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) mit seinen Pressemitteilungen. Meistens lösche ich die sofort, weil im Betreff so Signalwörter wie “Solidarität” oder “Streik” vorkommen. Aber heute hab ich mal eine gelesen. Eine nur mittelgute Idee.

DJV ruft Medien zu Cohen-Boykott auf

Der DJV-NRW ruft die Medien dazu auf, nicht über die beiden Deutschland-Konzerte von Leonard Cohen zu berichten. Das Management des Künstlers knebelt Bildjournalisten mit Fotoverträgen und lässt Textjournalisten auf ihre Akkreditierung warten. “Beides bedeutet einen massiven Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung”, kritisiert DJV-Landesvorsitzender Helmut Dahlmann.

Das mit der “Freiheit der Berichterstattung” wird sicher spannend, aber lesen wir erst mal weiter:

Songwriter Leonard Cohen tritt am 5. und 6. September in Berlin und Mönchengladbach auf. Journalisten, die über eines der beiden Konzerte berichten wollen, müssen für ihre Akkreditierung zahlreiche Bedingungen erfüllen. So wollte die zuständige deutsche Promotion-Agentur im Zuge eines Akkreditierungsverfahrens zum Beispiel von einer Textjournalistin wissen, ob ein Vorbericht geplant sei. Mitgeteilt wurde ihr zudem, dass das Management des Künstlers erst kurz vor dem Konzert über Zu- oder Absagen für Medienvertreter entscheiden würde. “Eine Akkreditierung auch nur ansatzweise mit einer Ankündigung zu verbinden, ist ein starkes Stück”, findet Helmut Dahlmann, der die Hinhaltetaktik der Agentur ebenfalls verurteilt.

Für Herrn Dahlmann mag es ein “starkes Stück” sein, eine Akkreditierung auch nur ansatzweise mit einer Ankündigung zu verbinden, aber wie würde man es denn andersrum nennen, wenn eine Akkreditierung nicht mal Ansatzweise mit einem Nachbericht verknüpft wird?

Konzertveranstalter, Promoter oder Labelmitarbeiter berichten immer wieder von Musikjournalisten, die sich bei jedem anstehenden Konzert auf die Gästeliste setzen lassen und dann nach zehn Konzerten immer noch keine einzige Zeile geschrieben haben, meist, weil das Konzert “dann doch nichts” für den vermeintlichen Auftraggeber war.

Ein Konzertsaal ist kein Gerichtssaal, der einer interessierten Öffentlichkeit immer offen zu stehen hat. Konzerte werden unter kommerziellen Aspekten veranstaltet und wenn alle, die bei solchen Ereignissen wie einem Leonard-Cohen-Konzert gerne auf der Gästeliste stehen würden, auch drauf kämen, ginge vermutlich nur noch die Hälfte der verfügbaren Karten überhaupt in den freien Verkauf. Dann wäre das Geschrei in den Zeitungen aber auch wieder groß und die Gewinnspanne der Konzertveranstalter klein.

Doch auch die Fotojournalisten versucht das Cohen-Management erheblich zu knebeln: Fotografen müssen bei ihrer Akkreditierung unterzeichnen, dass sie die Fotos nur ein einziges Mal in einem einzigen, zuvor benannten Medium veröffentlichen. Besonders pikant ist dabei, dass das Management gleichzeitig verlangt, die Bilder selbst nutzen zu dürfen. “Hier werden Urheberrechte mit Füßen getreten”, stellt der Vorsitzende des DJV-NRW klar – und ruft daher zum Boykott der Konzerte auf. “Unter diesen Umständen sollten alle Medien auf eine Berichterstattung verzichten.”

Das Wort “auch” im ersten Satz finde ich ein bisschen irritierend, aber die Empörung ist natürlich berechtigt: Auch nach längerem Nachdenken will mir kein Grund einfallen, der die Beschränkung auf ein Medium irgendwie rechtfertigen könnte, und einfach so Nutzungsrechte einfordern zu wollen, ist einfach Wahnsinn, der in solchen Fällen häufig darauf hinaus läuft, dass die Fotografen ihre Bilder nicht mal für ihr Portfolio verwenden sollen dürfen, das Management die Motive aber bei Gefallen gleich komplett und kostenlos ausschlachten darf. Das ist ein krasses Missverhältnis, das aber wenig mit Pressefreiheit zu tun hat, und viel mit dem Zustandekommen oder Nichtzustandekommen einer Geschäftsbeziehung.

Und seien wir ehrlich: Der Verzicht auf eine Berichterstattung ist die einzige, stumpfe Waffe, die den Fotografen und Journalisten zur Verfügung steht. Es ist Leonard fucking Cohen, dem Konzertberichte in der “Rheinischen Post” und der “NRZ” vermutlich egaler sind als die zweimillionste “Hallelujah”-Version auf YouTube.

Außerdem sieht’s ja nun mal so aus: Die Künstler, das Management und die Veranstalter laden ein, wer kommt, muss sich an deren Vorstellungen halten. Konzerte stellen nicht die selbe Öffentlichkeit dar wie politische Entscheidungsvorgänge, sie sind privater Spaß vor einer Teilöffentlichkeit.

In den großen Medienmetropolen kommt manchmal auf jeden Konzertbesucher einer dieser Konzertfotografen, die gerade in den kleinen Clubs gern in der ersten Reihe stehen und Fotos machen wollen. Das Equipment ist für jeden erschwinglich geworden, also knipsen die meisten einfach drauf los. Konzertfotografie ist eine Kunstform und nicht alle, die sie praktizieren, beherrschen sie auch. Und bei den Klickstrecken von irgendwelchen Lokalzeitungen oder Musikportalen frage ich mich wirklich, wer das sehen will: 67 Bilder von irgendeiner Band während der ersten drei Lieder (wo das Licht bei vielen Konzerten absichtlich scheiße ist), von schräg unten aufgenommen, können doch nicht mal die Leute interessieren, die selbst dabei waren. Die haben ja sowieso 134 unscharfe Bilder auf ihrem Mobiltelefon.

Aber zurück zum DJV:

Immer wieder macht der DJV auf haarsträubende Akkreditierungsbedingungen im Konzertjournalismus aufmerksam: Die Methode ist kein Betriebsunfall, sondern hat System. So versuchten schon 2009 Musiker wie Rammstein oder Tom Jones mit ihren Knebelverträgen die Bildjournalisten auszuplündern.

Natürlich hat das System. Es nennt sich Unterhaltungsindustrie.

Die Deals, die dort ablaufen, sind hinlänglich bekannt: Die eine Seite winkt mit Frei-CDs, Gästelistenplätzen und Interviewslots, die andere mit Medienpräsenz. In vielen kostenlosen Musik- und Stadtmagazinen (aber nicht nur dort) kann man sehr gut nachvollziehen, wie Werbeplätze und Berichterstattung flächenmäßig korrelieren. Es gibt tatsächlich Magazine, die eine Veranstaltung noch nicht mal in ihren Kalender aufnehmen, wenn als Gegenleistung nicht wenigstens eine kleine Anzeige geschaltet wird. Und wenn Sie sagen, das habe doch mit Journalismus nichts zu tun, dann sage ich: stimmt!

Man kann sich doch nicht ständig zum willfährigen Vollstrecker von PR-Agenten machen und über Filmpremieren, Videodrehs, neue Alben und Branchenevents berichten, als sei irgendetwas davon relevanter als man es selbst macht, und dann plötzlich rumjammern, wenn der Geschäftspartner die Details neu verhandeln will.

Klar: Ohne Presse wären die alle nicht berühmt. Aber wenn sie nicht berühmt wären, würden sich die Zeitschriften mit ihnen auf dem Cover auch nicht so gut verkaufen. Jede Seite muss sich überlegen, wie weit sie das Spiel mitmachen will (dass die Fantastischen Vier im wörtlichen Sinne mit “Bild” ins Bett gestiegen sind, verstehe ich bis heute nicht), aber die Grundregeln von Journalismus kann man hier nicht anlegen.

Ein Rammstein-Konzert ist kein steuerlich bezuschusstes Stadttheater und Tom Jones nicht der Bürgermeister.

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Musik Digital

Word Gets Around

2010 scheint sich unerfreulicherweise als Jahr des großen Musikersterbens in die Geschichtsbücher brennen zu wollen: Stuart Cable, der frühere Schlagzeuger der Stereophonics, ist tot.

Wie mittlerweile eigentlich üblich, erreichte mich die traurige Nachricht per Facebook.

Ich hätte es aber auch zufällig auf der Startseite von – hold your breathBild.de erfahren können:

Stereophonics:
Ex-Drummer Stuart Cable ist tot

Nicht erfahren hätte ich es hingegen (Stand 14.55 Uhr) auf den “News”-Seiten der Musikzeitschriften “Visions”, “Musikexpress” und “Rolling Stone”. Aber was hätte ich auch da gewollt?

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Unvordenkliche Pattitessen

Eigentlich wollte ich ja nur wissen, wie das Konzert von Patti Smith in Frankfurt war. Aber schon nach den ersten zwei Sätzen der Rezension der Reportage des Artikels von Rose-Maria Gropp in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” war mir klar, dass ich das nicht so einfach herausfinden würde:

Sie schreitet den Parcours ihrer Möglichkeiten ganz ab, von bald vier Jahrzehnten ist da zu sprechen. Zeit scheint für Patti Smith nicht entlang einer Schiene zu verlaufen, sondern ihr wie ein weiter, geräumiger Hof zur Verfügung zu stehen.

Irgendjemand hat also auf einem bald vier Jahrzehnte großen Hof – wie viel das wohl in Fußballfeldern ist? – einen Möglichkeiten-Parcours errichtet, den Patti Smith nun abzuschreiten gedenkt.

Na ja, schauen wir mal, wie lange wir da mitschreiten können:

Sie heizt ihren Auftritt an mit dem scharfen alten Song „Free Money“, dann holt sie sich ihr Publikum schon näher mit jenem Charme, der ihre seit unvordenklichen Zeiten bestehende Liebe zu Europa und seinen Dichtern versprüht: „I came to Frankfurt to see Goethe’s house“, deklamiert sie zur Gitarre und erzählt eine kleine Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau, vom Geist, der weht, wo er das darf – „there in the light, there is Goethe’s desk“.

Ist das nicht verantwortungslos, das Publikum so nah an einen aufgeheizten Auftritt heranzuholen? Zumal, wenn dort etwas sprüht. Aber was genau eigentlich? Manche Menschen versprühen ja schon mal Charme, bei Patti Smith versprüht aber offenbar der Charme Liebe. Und zwar eine, die seit unvordenklichen Zeiten besteht. Na, das muss ja eine alte Liebe sein. Gut, dass die nicht rostet, sonst wäre es noch gefährlicher, da so nah dran zu stehen. Immerhin weht da vorne auch noch ein Geist — oder darf er das genau dort nicht?

Es hat sich schon immer gelohnt, Patti Smiths Texte zu verstehen und zu begreifen; denn sie ist ganz eigentlich eine Dichterin, und der Punk in ihr ist vor allem sprachliche Entäußerung, die Musik ihre Rhythmusmaschine, die freilich längst nicht so simpel konstruiert ist, wie sie vorgibt, als wären da bloß ein paar Akkorde zu greifen.

Es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie (vermutlich einer sehr unsimpel konstruierten), derart umständlich über die Verständlichkeit und Begreifbarkeit von Texten zu schreiben. Dass Frau Smith “ganz eigentlich” eine Dichterin ist, hätte man natürlich erahnen können angesichts der Tatsache, dass die Dame schon ein Dutzend Gedichtbände veröffentlicht hat.

Überraschender wäre es vielleicht gewesen, wenn sie “ganz eigentlich” eine Konditorin wäre, die diese ganzen künstlerischen und intellektuellen Auftritte nur als Tarnung benutzt, um in Ruhe riesige Schwarzwälder Kirschtorten backen zu können. Die wären ihr dann sicher eine kulinarische Entäußerung.

Aber wie sieht’s eigentlich mit dem näher geholten Publikum aus?

Längst hat sie die Halle auf ihrer Seite – diejenigen, die mit ihr den langen Weg seit den Siebzigern gegangen sind, und die vielen Jungen, die vielleicht gekommen sind, um eine lebende Legende zu betrachten; ihnen wird eine veritable Erscheinung zuteil, die ihr Publikum anzieht wie ein Magnet die Späne.

War der lange Weg jetzt eine Schiene oder ein Hof? Ich komme da immer durcheinander. Jedenfalls scheint das Publikum inzwischen an Patti Smith zu kleben, bzw. an einer veritablen Erscheinung. Aber wo gehobelt wird …

An Patti Smiths Seite steht immer wieder und unverbrüchlich Lenny Kaye in seiner fortwährend schönen, eher alteuropäischen Melancholie, schlank und edel ergraut, noch immer ein Ausnahmegitarrist, der sich indessen mit einem Hauch Ironie, vor allem wenn er singt, ganz in den Dienst seiner Frontfrau stellt.

Als ich Patti Smith live gesehen habe (vor sechs Jahren beim Haldern Pop), wirkte sie einigermaßen zart. Erstaunlich, dass an ihrer Seite dennoch Platz für eine komplette Halle und einen Ausnahmegitarristen ist. Und was das für ein Ausnahmegitarrist ist: Einer, der immer wieder und unverbrüchlich steht (an Patti Smiths Seite) und der offenbar in fortwährend schöner, eher alteuropäischen Melancholie – nicht irgendeiner: seiner! – edel ergraut ist. Er könnte aber auch nur in dieser Melancholie stehen, so genau gibt das die Grammatik nicht her. Sicher ist: Er steht und stellt sich dabei ganz in den Dienst seiner Frontfrau. Das tut er natürlich “indessen”, weil dieses Wort auf Seite 137 des Nachschlagewerks “Worthe zum bedeutungsschwanger in Texten herumstehen” (3., aktual. Auflage, Weimar 1871) zu finden ist.

Diese Dyade ist von hohem Reiz, und wenn die beiden auf den Stahlsaiten ihrer akustischen Gitarren ein Duett geben, das großartig ausufert in etwas, das früher die Session einer Band geheißen hätte, dann ist da ein solcher Moment, für den Konzerte gemacht sind.

Die gute Nachricht zuerst: Eine Dyade ist nicht – wie ursprünglich von mir angenommen – ein Fisch.

Sessions heißen jetzt also irgendwie anders, aber wie sie heißen, weiß Frau Gropp nicht — oder sie will es uns nicht mitteilen. Jedenfalls ist das Duett der reizenden Dyade erst großartig in etwas ausgeufert und dann war da plötzlich ein Moment – nicht irgendeiner: ein solcher! -, für den Konzerte gemacht sind. Hoffentlich wusste der den ganzen Aufwand zu schätzen.

Aber zurück zur Frage, wie es denn eigentlich war, das Konzert. Zieht man sämtliche Adjektive und Adverbien ab, wäre der Artikel nur noch halb so lang. bleibt eine Erkenntnis:

Mit Pathos wird Geschichte gemacht.

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Musik Digital

A Different Point Of View

So schwer ist das bei den Pet Shop Boys ja eigentlich nicht: Anders als bei Arcade Fire (ca. 7) oder The Polyphonics Spree (ca. 23) gibt es nur zwei Bandmitglieder — und wenn man die nicht auseinanderhalten kann, nimmt man eben ein Foto, wo beide drauf sind, und schreibt beide Namen darunter.

Man kann es natürlich auch so machen wie “Zeit Online” und die Namen der beiden unter ein Foto schreiben, das zwei der vier Backgroundsänger/-tänzer zeigt:

Aufgeräumt: Die Pet Shop Boys Neil Tennant und Chris Lowe halten Hof im Berliner Tempodrom

Beim “Westen” bleibt immerhin unklar, ob es sich um eine Bildunterschrift oder den Vorspann des Artikels handeln soll:

Köln. Sie haben so ziemlich alle Moden ihrer Pionierzeit überlebt, aber sie selbst haben sich brillant gehalten: Die Pet Shop Boys im Kölner "Palladium".

In Wahrheit sehen Neil Tennant und Chris Lowe bei den Konzerten (bzw. zu Beginn, wenn die Presse fotografieren darf) ein bisschen anders aus. Aber das hätte ich auch nicht gewusst, wenn ich nicht zufällig dagewesen wäre.

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Ifmusicjournalismtoldthetruthforoneday …

Man sollte meinen, dass sich das Musikmagazin “Visions” mit den Manic Street Preachers bestens auskennt: “7 Stories / 9 Reviews” über die walisische Band stehen im Online-Archiv, einmal zierte sie auch die Titelseite der Zeitschrift. Und so ganz unbekannt sind die Musiker ja auch nicht — spätestens, seit vor 14 Jahren ihr Rhythmusgitarrist und Texter Richey Edwards spurlos verschwand.

Rhythmusgitarrist und Texter:


Bevor Manics-Sänger Richey Edwards vor 14 Jahren spurlos verschwand, händigte er seinen Bandkollegen noch ein paar Textbücher aus.

Aber während man sich da noch gerade mit der Begründung rausretten könnte, Edwards’ Stimme sei ja immerhin ab und zu mal im Hintergrund zu hören gewesen, ist folgende Behauptung schlichtweg falsch:

Edwards' Eltern weigern sich bis heute, den Sohn für tot erklären zu lassen, und den Manic Street Preachers geht es ähnlich.

Edwards’ Eltern hatten sich jahrelang geweigert, ihren Sohn für tot erklären zu lassen, obwohl dies seit 2002 möglich gewesen wäre. Im November 2008 entschieden sie sich aber doch zu diesem Schritt — eine Entscheidung, die von den verbliebenen Bandmitgliedern ausdrücklich begrüßt worden war.

Diese Geschichte ging im letzten Herbst durch die einschlägigen Medien und stand unter anderem auch bei Visions.de.

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Relaunch My Fire

Ich habe ja nie ernsthaft in einer Redaktion gearbeitet, könnte mir aber vorstellen, dass an dem Tag, an dem man dort beschließt, den grafischen Auftritt des Produkts zu überholen (also zu “relaunchen”), dass an diesem Tag also neben Grafikern auch Nervenärzte und Seelsorger die Redaktionsräume beziehen. Die Grafiker für das Design, die Seelsorger für die Leserbeschwerden und die Nervenärzte für die von den eigenen Lesern gepeinigten Redakteure.

Wie konservativ ein Mensch wirklich ist, kann man ganz leicht überprüfen, indem man seine Tageszeitung neu gestaltet: Menschen, die alle paar Jahre mit ihren jeweiligen Partnern umziehen, viel Geld bei der Typberatung lassen und nicht davor zurückschrecken würden, Privatfernseh-Wohnraumexperten durch ihre eigenen vier Wände pflügen zu lassen, legen eine erschütternde Kompromisslosigkeit an den Tag, wenn es um ihre tägliche Lektüre geht. Was insofern erstaunlich ist, als mir spontan keine einzige deutsche Zeitung oder Zeitschrift einfiele, die wirklich uneingeschränkt schön und in ihrem jetzigen Zustand bewahrenswert wäre. Aber Leser finden den Relaunch ja in der Regel auch nicht hässlich, sondern nur anders.

Insofern wünsche ich den Redakteuren vom “Musikexpress” jetzt schon mal viel Kraft (und stabile Tischplatten) für die nächsten Wochen. Wie ich nämlich kürzlich am Bahnhof feststellen musste, ist das Blatt ganz neu gestaltet worden und sieht jetzt endlich auch so aus wie “intro”, “Spex”, “Neon”, “Zeit Campus” und “brand:eins”.

Der neue "Musikexpress"

Der neue "Musikexpress"

Der neue "Musikexpress"

Der neue "Musikexpress"

Der neue "Musikexpress"

Als Design-interessierter, aber weitgehend -unkundiger Leser würde ich sagen: Die neue Überschriften-Schriftart (die mich ein bisschen an die im “New Yorker” erinnert) ist gar nicht schlecht, die neue Standard-Schriftart nett, aber verbraucht (s.o.). Die Idee, Überschriften über mehr als eine Heftseite zu ziehen (“Selektor”), wirkt auf den ersten Blick originell, ist aber vermutlich auch schon zehn Jahre alt, und das, was da bei “Spielt die Grenzen fort” passiert ist, sieht eher wie ein Unfall aus als wie eine Überschrift.

Gut gefällt mir die Kombination aus eng beschriebenen Spalten und den relativ großen Weißflächen (wobei Weißflächen vermutlich auch “sooo 2002” sind) — nur in der “News”-Rubrik hätte mindestens ein Trenner-Symbol zwischen den einzelnen Meldungen Not getan.

Dafür, dass ich so selten Musikzeitschriften lese (und der US-“Rolling Stone” auf dem Gebiet ein zeitloses Klassiker-Design vorgelegt hat), gefällt mir der neue “Musikexpress” ganz gut. Warum es allerdings plötzlich ein Poster als Beilage braucht (so wie seit einem halben Jahr in der “Visions”), erschließt sich mir nicht so ganz. Mit Mando Diao und Peter Fox zeigt dieses auch noch zwei Acts, die man genauso gut in der “Bravo” finden könnte.

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Musik Digital

Hundertmal zu dumm

Mein Verhältnis zum Musikjournalismus ist ein gestörtes. Ich habe lange genug selbst in diesem Metier gearbeitet und weiß um die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen man nach einmaligem Hören CDs von Revolverheld besprechen muss, während einem die Promoter im Nacken sitzen.

Insofern freue ich mich ja auch, dass ich hier im Blog nur über Musik schreiben muss, wenn ich es auch will.

Aber trotzdem: Was zum Henker geht in Köpfen vor, die Sätze wie die gleich folgenden denken, ausschreiben und möglicherweise auch noch abnicken?

Kann sein, dass der Schlagzeuger Sebastian Schmidt heißt, die Band aus Berlin kommt und sich dann auch noch Super 700 nennt. Aber ohne gleich wie einer dieser ins Alter gekommenen Rockjournalisten klingen zu wollen, die stets hocherfreut sind, wenn sie irgendwie “frischer” oder “frecher” deutscher Musik aus dem Nachbardorf “internationales Niveau” bescheinigen dürfen: Dieses Septett ist genau genommen hundertmal zu gut, um aus Deutschland zu sein.

Wievielleicht sollte ich Jan Wigger fragen, der sich bei seinem Versuch, für “Spiegel Online” pfiffige Meta-Rezensionen zu verfassen, mal wieder selbst unterkellert hat.

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Musik Rundfunk Radio

Merkt ja eh keiner (1)

Es ist ja nicht so, dass ich morgens aufstehe und denke “Was könnte ich heute mal Böses über den WDR schreiben?” Das machen die ja alles selber.

Gestern war Thees Uhlmann zu Gast im “1Live Kassettendeck”, das vom Konzept her eine Super-Radiosendung ist und deshalb um Mitternacht laufen muss: Ein Promi (meist Musiker) stellt eine Stunde lang Songs vor, die ihm sein Leben lang oder gerade jetzt im Moment wichtig sind. Gestern also der Sänger der “umstrittenen Band Tomte” (O-Ton welt.de, wo man auch nicht nach gutem Musikjournalismus suchen sollte).

Thees erzählte also und spielte Songs (Rod Stewart, Kool Savas, Escapado) und sagte nach jedem Lied, wer er ist und was wir da hören (ist ja Radio). Und dann kündigte er wortreich “Rain On The Pretty Ones” von Ed Harcourt an, zitierte noch aus dem Text (“I’m the Christian, that cannot forgive”, “I’m the hunter, who’s killed by his dog”) und sagte “Hier ist Ed Harcourt mit ‘Rain On The Pretty Ones'”.

Und was lief? Ed Harcourt mit “Late Night Partner”. Auch schön, sogar vom gleichen Album, aber ein ganz anderer Song. Auch, wenn er von Thees mit “Das war Ed Harcourt mit ‘Rain On The Pretty Ones'” abmoderiert wurde.

Nun ist es ja nicht so, dass da gestern Nacht ein übernächtiger Thees Uhlmann im 1Live-Studio gesessen und unbemerkt den falschen Track gefahren hätte: Weil man einen Promi kaum eine Stunde im Studio halten kann (dichter Promo-Zeitplan!), lässt man ihn einfach alle Moderationstexte hintereinander aufsagen, wenn er eh grad mal für ein Interview da ist. Dann gibt er einen Zettel mit der Playlist ab und irgendjemand muss die Songs zwischen die Moderationen schneiden. Und dieser Jemand hat offenbar einen Fehler gemacht.

Das ist kein großes Drama, kein Skandal und kein Eklat. Es ist nur ein Beispiel, warum es mir so schwer fällt, Medienschaffende in diesem Land ernst zu nehmen: Weil sie ihre Arbeit selbst nicht ernst nehmen.

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Musik Print Digital

Tower Records

Preisfrage: Was ist das?

a) Ein Plattencover von Wilco.
b) Ein Foto der Marina City in Chicago, IL.
c) Ein Teil einer Bildergalerie bei “RP Online”.
d) Irgendwas mit Elfter September.

Sie brauchen gar nicht lange zu grübeln oder jemanden anrufen: Alle vier Antworten sind richtig.

Aus gegebenem kalendarischen Anlass haben sich “Rheinische Post” und “RP Online” des Themas “Popmusik seit dem 11. September” angenommen. Autor Sebastian Peters beginnt bei Enyas Katastrophenbegleitmusik “Only Time”, erwähnt Songs (“Let’s Roll” von Neil Young) und Alben (“The Rising” von Bruce Springsteen), die unter den Eindrücken der Terroranschläge entstanden sind, und führt dann aus, dass der Pop politischer geworden sei:

Die linke Popkultur von Radiohead bis zu den Dixie Chicks wiederum holte zum Rundumschlag gegen Präsident Bush aus. Und neuerdings üben sich Stars von Kid Rock bis Madonna im Plädoyer für Obama und gegen die Republikaner. Ohne Zweifel ist Popmusik in Amerika nach dem 11. September politischer geworden.

Nun passen Radiohead und “Popmusik in Amerika” nicht unbedingt sooo gut zusammen — noch weniger verständlich ist allerdings, wann sich Kid Rock “für Obama” ausgesprochen haben soll. Das letzte, was der Prollrocker zum Thema Politik gesagt hat, war eigentlich die Aufforderung, dass Prominente im Bezug auf Wahlempfehlungen die Klappe halten sollten.

Peters schreibt über Pop, der “seit dem 11. September auch in Deutschland wieder politisch aufgeladen”sei, und belegt das wie folgt:

Auch die Sportfreunde Stiller sind Stellvertreter dieser x-ten „Neuen Deutschen Welle“. Ihr Lied „54, 74, 90, 2006“ sagt laut Ja zur Heimat, Solche Positionen waren zuvor exklusiv dem Schlager vorbehalten, plötzlich landen sie in der Pop-Mitte.

Jene Sportfreunde Stiller, die im Jahr 2000 eine Single namens “Heimatlied” veröffentlicht haben?

Noch merkwürdiger als der Text ist aber – immerhin reden wir hier von “RP Online” – die dazugehörige Bildergalerie, in der acht Plattencover abgebildet und notdürftig mit Titel und Interpret versehen sind (und das manchmal auch noch fehlerhaft).

Dort findet man:

  • den Sampler “America: A Tribute To Heroes”
  • Bruce Springsteens “The Rising”
  • “Are You Passionate?” von Neil Young
  • “Riot Act” von Pearl Jam (vermutlich wegen des Songs “Bu$hleaguer”)
  • “Gold” von Ryan Adams (vermutlich, weil das Video zur Single “New York, New York” am 7. September 2001 gedreht wurde und das noch intakte World Trade Center zeigt)
  • den Sampler “Love Songs From New York” (keine Ahnung, was das sein soll, Google kennt’s nicht)
  • “Kid A” von Radiohead
  • das oben gezeigte “Yankee Hotel Foxtrot” von Wilco.

Zu möglichen Parallelen von “Kid A” und den Ereignissen vom 11. September gibt es eine recht spannende Abhandlung von Chuck Klosterman in seinem Buch “Killing Yourself To Live”, aber das wird kaum der Grund sein, weshalb dieses, im Oktober 2000 erschienene Album in der Bildergalerie auftaucht. Immerhin werden Radiohead ja im Text erwähnt, ganz anders als Wilco.

Für deren Auftauchen suche ich noch nach der richtigen Erklärung:

a) Weil “Yankee Hotel Foxtrot” ursprünglich am 11. September 2001 veröffentlicht werden sollte, was sich wegen eines Labelwechsels aber bis April 2002 verzögerte.
b) Weil sich auf dem Album ein Song namens “Ashes Of American Flags” befindet, der sich aber (s. das geplante Veröffentlichungsdatum) nicht auf den 11. September bezieht.
c) Weil das Cover die Zwillingstürme eines Hochhauses zeigt, das – im Gegensatz zum World Trade Center – auch heute noch steht.
d) Wieso Erklärung? Da steht’s doch: “RP Online”.

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Musik Digital

Silberscheiben am Horizont

In meinem Zimmer stapelt sich der Sondermüll. Dafür musste ich weder ein Atomkraftwerk überfallen noch Altöl abzapfen, ich wurde über Jahre hinweg bemustert, was im Klartext heißt: Plattenfirmen schicken einem eine ganze Menge CDs, von denen ein relativ kleiner Teil sehr, sehr gut ist, der Großteil aber egal bis schlimm.

Viele dieser CDs sind mit dem Hinweis versehen, sie befänden sich weiterhin im Eigentum der aushändigenden Plattenfirma oder Promoagentur und dürften unter keinen Umständen (die Formulierungen variieren da etwas, legen aber drakonische bis schmerzhafte Strafen nahe) verkauft, verschenkt oder sonstwie veräußert werden. Einige Firmen arbeiten inzwischen mit digitalen Wasserzeichen, die angeblich eine präzise Rückverfolgung zulassen, wenn mal wieder ein böser, böser Journalist die CD ins Internet gestellt hat – und dann gnade ihm Gott. (Insider gehen davon aus, dass unveröffentlichte CDs fast immer von unterbezahlten Mitarbeitern in Presswerken und an Packstraßen gerippt werden und fast nie von Journalisten oder DJs.)

Universal Music führt deshalb zur Zeit einen Rechtsstreit gegen den eBay-Händler Troy Augusto, dessen Ausgang bizarre Folgen haben könnte, mindestens in den USA: Wenn nämlich eine Firma durch ein paar schlichte Sätze einfach festlegen kann, was der Konsument mit ihrem Produkt machen darf und was nicht – wobei der Konsument im Extremfall ein zahlender Kunde sein könnte, der das Produkt für viel Geld erworben hat.

Der Fall zeigt wieder einmal die Hilf- und Ahnungslosigkeit der Musikindustrie auf: Dabei geht es gar nicht so sehr um den konkreten Fall, in dem man die Weitergabe von Werbegeschenken (und nichts anderes sind Promo-CDs ja in den meisten Fällen) unterbinden will. Der Fall zeigt vielmehr, wie unbedarft die großen Unterhaltungskonzerne immer noch mit dem Internet umgehen, denn jetzt stehen sie schon wieder als klagewütige, ansonsten aber ideenlose Firmen da.

[Ähnlich geschickt stellte sich zuletzt übrigens SonyBMG an.]