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Man sollte meinen, dass sich das Musikmagazin “Visions” mit den Manic Street Preachers bestens auskennt: “7 Stories / 9 Reviews” über die walisische Band stehen im Online-Archiv, einmal zierte sie auch die Titelseite der Zeitschrift. Und so ganz unbekannt sind die Musiker ja auch nicht — spätestens, seit vor 14 Jahren ihr Rhythmusgitarrist und Texter Richey Edwards spurlos verschwand.

Rhythmusgitarrist und Texter:


Bevor Manics-Sänger Richey Edwards vor 14 Jahren spurlos verschwand, händigte er seinen Bandkollegen noch ein paar Textbücher aus.

Aber während man sich da noch gerade mit der Begründung rausretten könnte, Edwards’ Stimme sei ja immerhin ab und zu mal im Hintergrund zu hören gewesen, ist folgende Behauptung schlichtweg falsch:

Edwards' Eltern weigern sich bis heute, den Sohn für tot erklären zu lassen, und den Manic Street Preachers geht es ähnlich.

Edwards’ Eltern hatten sich jahrelang geweigert, ihren Sohn für tot erklären zu lassen, obwohl dies seit 2002 möglich gewesen wäre. Im November 2008 entschieden sie sich aber doch zu diesem Schritt — eine Entscheidung, die von den verbliebenen Bandmitgliedern ausdrücklich begrüßt worden war.

Diese Geschichte ging im letzten Herbst durch die einschlägigen Medien und stand unter anderem auch bei Visions.de.

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Gone 4 Real

Am 1. Februar 1995 verschwand Richey James Edwards, Texter und Rhythmus-Gitarrist der Manic Street Preachers. Zwei Wochen später wurde sein Auto auf dem Parkplatz einer Raststätte in der Nähe der Severn Bridge gefunden.

In der Folge gab es immer wieder Gerüchte, er sei hier und dort gesichtet worden, immer mal wieder wurden Knochen gefunden, die aber nicht von Edwards stammten.

Die Band hat nach seinem Verschwinden weitergemacht — zunächst mit den Texten, die er ihnen hinterlassen hatte, dann nur noch mit Material von Bassist Nicky Wire. Sie waren erfolgreicher denn je und landeten mit “If You Tolerate This Your Children Will Be Next” ihre erste Nummer 1 in Großbritannien. Von allen Einnahmen gingen 25% auf ein Treuhandkonto, das die Band auf Edwards’ Namen eingerichtet hatte. Vor wenigen Wochen kündigten sie ein neues Album an, auf dem noch übrig gebliebene Richey-Edwards-Texte verarbeitet werden sollen.

Obwohl Edwards’ Familie seit 2002 die Gelegenheit gehabt hätte, ihren Sohn für tot erklären zu lassen, hat sie davon jahrelang keinen Gebrauch gemacht. Als ich Manics-Sänger James Dean Bradfield vor zwei Jahren zu seinem Soloalbum interviewt habe (Überreste des Gesprächs sind hier nachzulesen), kam er nach weniger als dreißig Sekunden erstmals auf Richey zu sprechen — von sich aus.

Vor wenigen Tagen aber haben sich Edwards’ Eltern nun doch dazu entschieden, Richey James für tot erklären zu lassen.

Bandsprecherin Teri Hall ließ die “Mail on Sunday” wissen:

The band has been aware this was coming,’ she said. ‘It is hugely emotional for all of us. This is the parents’ choice and the band is happy to go with what the parents decide is best. We all dream Richey will come back one day. You hope he is still around somewhere.

But it is no longer a realistic hope and if this offers some kind of closure then the band will be content with that.

Und so konnte der “Guardian” dann auch heute seinen seit mindestens 13 Jahren geschriebenen Nachruf aus der Schublade kramen und veröffentlichen.

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Großkatzen in kleinen Stücken

Send Away The Tigers - Coverentwurf (Abgelehnt)

Gestern erschien “Send Away The Tigers”, das achte Album der Manic Street Preachers. Vorgestern gab’s das Interview mit deren Sänger James Dean Bradfield, hier gibt’s die (wie immer total subjektive) Track-by-track-Analyse:

Send Away The Tigers
Der erste Titeltrack seit “Everything Must Go” – und danach klingt das Lied mit seinem Gitarren-Feedback-gestütztem Hymnen-Refrain auch ein wenig. “There’s no hope in the colonies” ist natürlich eine Auftaktzeile nach Maß und wenn die Manics auch noch ein “slow boat to China” nehmen wollen, ist mal wieder Politdisko angesagt.

Underdogs
Der Song braucht genau 42 Sekunden, bis Sean Moore ein Trommelfeuer entzündet und die Nummer in bester Leise-Strophe-lauter-Refrain-Manier in höhere Sphären prügelt. “Like the underdogs we are / Shining bright but now disappeared” kann man natürlich mal wieder auf den verschwundenen Gitarristen Richey Edwards beziehen – oder einfach ebenso laut mitgrölen wie die Zeile “People like you need to fuck / Need to fuck people like me”.

Your Love Alone Is Not Enough
James Dean Bradfield und Nina Persson schmachten sich gegenseitig an! Muss man mehr dazu schreiben? Na gut: “unübertroffen schlecht” ist höchstens Dein Geschmack, Jan Kühnemund.

Indian Summer
Da ist sie wieder: die Stadionhymne im Dreivierteltakt. Mit etwas Anstrengung kann man sogar den Text “A Design For Life” darauf singen. Atmosphärisch ganz dicht, Musikgewordene Jahreszeit.

The Second Great Depression
Ein Song, der klingt, als sei er bei den Aufnahmesessions zu Bradfields Soloalbum übriggeblieben – musikalisch wie textlich. Aber das macht zumindest mir nichts, den ich mochte “The Great Western” ja auch. Der Refrain kommt mit einem paar opulenter Streicher daher und schreit schon wieder nach Stadionrund und Feuerzeugen. “This Is My Truth Reloaded”, sozusagen.

Rendition
Diesmal geht’s gleich ganz weit zurück: “You Love Us” klopft an und mit “I wish we still had Jack Lemmon”, “Oh good God I sound like a liberal” und “I never knew the sky was a prison” gibt’s wieder jede Menge Sprüche für die Schultische und Unterarme kleiner Jungrevolutionäre.

Autumnsong
Hurrah, die Manics covern die Pumpkins!
Oh nee, doch nicht, klang nur so: nicht “Today is the greatest day I’ve ever known”, sondern “Remember that the best times are yet to come”. Die Streicher kommen diesmal schon in der Strophe, die Bridge klingt wie bei Queen. Und trotzdem – oder gerade deshalb? – eine der besten Manics-Nummern seit Jahren.

I’m Just A Patsy
Das ist der Beweis: die Manics stehen wieder voll im Saft. Selbst die nicht ganz so guten Songs rocken und bleiben besser im Ohr als zwei Drittel “Lifeblood”. Aber vielleicht hätte irgendjemand noch einen neuen Text schreiben sollen, bevor man Bradfield “I’m just a patsy for your love / I need an angel from above” singen lässt.

Imperial Body Bags
White Trash as its best. Ein Rundumschlag in Sachen Krieg, Schönheitswahn, Oberflächlichkeit und was uns sonst noch am Westen nervt. Klingt ein bisschen wie Guns N’ Roses …

Winterlovers
Die dritte Jahreszeit im zehnten Song, dazu ein “Nanana”-Refrain, der die Kaiser Chiefs beinahe neidisch machen könnte. Irgendwie nicht so ganz der große Wurf, aber eigentlich ein ganz passender Schlusstrack …

Working Class Hero
… wäre da nicht noch die heimtückische Attacke auf John Lennon. Selten waren sich Rezensenten derart einig: diese Coverversion geht gar nicht. Aber die Idee, ein ziemlich gutes Album mit dem vermutlich schlechtesten Song der Bandkarriere zu beenden, erfordert ja auch irgendwie Mut. Oder eine eindeutige “Leckt mich!”-Einstellung.

Fazit
Eigentlich darf ich sowas gar nicht schreiben, denn ich fand eh jedes Manics-Album mindestens okay: Trotzdem ist “Send Away The Tigers” das in sich stimmigste und emotional aufpeitschendste, daher vielleicht beste Album seit “Everything Must Go”. Alle Experimente sind vorbei, die Band besinnt sich auf das, was sie am besten kann, und liegt damit goldrichtig.

Send Away The Tigers - Cover (Original)
Manic Street Preachers – Send Away The Tigers

VÖ: 04.05.2007
Label: RedInk/SonyBMG
Vertrieb: Rough Trade