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Musik

Es gibt Menschen, die tragen T-Shirts

Als ich kürzlich bei meinen Eltern zu Besuch war, habe ich aus dem Kleiderschrank meines ehemaligen Jugendzimmers zwei popkulturelle Raritäten mitgenommen.

Da hätten wir zum Einen ein froschgrünes T-Shirt in XXL — eine Größe, die ich vermutlich nie ausfüllen werde, wenn ich mir meine männlichen Vorfahren so anschaue:

Es ist das einzige Stück offizielles Merchandise, das je von etwas erschienen ist, an dem ich beteiligt war: Als wir im Dezember 2000 mit unserer “Punkband” Zuchtschau das erste offizielle Konzert spielten, hatte das Kulturamt der Stadt Dinslaken im Vorfeld nicht nur einen Sampler mit den beteiligten Bands produzieren lassen, sondern auch größere Mengen dieses flippigen Kleidungsstücks in Auftrag gegeben. Ich bin mir nicht ganz sicher, was weniger Absatz fand.

Das andere T-Shirt ist noch ein paar Monate älter und noch obskurer:

Zero

Als die Smashing Pumpkins im Herbst 2000 auf ihre Abschiedstour gingen (nur, damit Billy Corgan die Band sechs Jahre später mit neuem Personal wiederbeleben konnte), war ich beim Konzert in Oberhausen dabei.

Im Nachhinein nehme ich an, dass es sich bei dem damals von mir am Wegesrand erworbenen T-Shirt nicht um ein Originalprodukt gehandelt haben könnte. Schließlich gab es die “Zero”-Shirts sonst nur in schwarz und meines Wissens auch nicht mit aktuellen Tourdaten.

Dafür kann mein Exemplar mit ein paar ganz besonderen Schreibweisen aufwarten, die mir seitdem das Leben und den Wortschatz versüßt haben:

Sempember.

Stockholkm.

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Musik

Ich erinner’ mich an alles

Alles hatte mit Tom Liwa angefangen. Auf meinem ersten Festival, Haldern 2000. Zwischen all den rockenden Bands (also: soweit man in Haldern von “rocken” sprechen kann, es war irgendwann zwischen Soulwax, Embrace, K’s Choice und Paul Weller) stand da ein Mann auf der Bühne, der zur Akustikgitarre irgendwelche deutschen Texte näselte, in denen Formulierungen wie “jetzt darfst Du mich anfassen” und “der Mittelstreifen wird niemals für uns beide reichen” vorkamen. Mein bester Freund und ich fanden’s doof — aus Prinzip. Aber der Mann brauchte keine vierzig Minuten, um uns durch die Emotionen “Ablehnung”, “Mitleid”, “Respekt” und “Bewunderung” zu schicken. Anschließend baten wir höflich um Autogramme und waren Fans.

Das erste Konzert, für das wir uns alleine mit der Bahn von Dinslaken aus auf den Weg in die große weite Welt machten, war Tom Liwa im Bahnhof Langendreer (auf der Rückfahrt ereignete sich diese Episode). Obwohl wir mit 17 noch nicht die volle Dimension der Liwa’schen Texte erfassen konnten, waren Zeilen wie “Du bist ein seltsames, seltsames Mädchen” oder “Es gab eine Zeit, da waren wir alle verliebt in Dich — auch ich” natürlich auch damals schon greifbar. Liwa brachte mir deutschsprachige Musik nahe, lange bevor ich kettcar oder Tomte kannte.

Innerhalb von 13 Monaten sah ich Tom Liwa fünf Mal live, davon einmal auf dem Kirchentag in Frankfurt, wo er zuvor bei einer Podiumsdiskussion irgendein Mitglied der Söhne Mannheims … nun ja: gedisst hatte. Der bisher letzte Konzertbesuch war am 13. September 2001 in Wesel: Die ganze Welt war durcheinander und Tom Liwa stand auf der Bühne des Karo und bretterte mit seiner Post-Punk-Band No Existe durch sein sonst so filigranes Werk. Alles war surreal, aber es passte. Auf dem Heimweg fühlten wir uns ein Stück weit sicherer.

Dann diffundierte Liwas Werk ins Esoterische: Er nahm Platten auf, die mir gar nichts gaben, bot irgendwelche Seminare an, über deren Inhalt und Sinn ich nicht urteilen kann, und reformierte die Flowerpornoes für ein auch eher außergewöhnlich zu nennendes Album. Im vergangenen Jahr dann “Eine Liebe ausschließlich”: Tom Liwa wieder völlig reduziert und ganz bei sich, dazu je ein Cover von Dylan und Snow Patrol.

Und jetzt: Tom Liwa, Bahnhof Langendreer. (Almost) ten years after. Die anfängliche Angst, dass man da alleine sitzen würde, verfliegt schnell. Nebenan tritt Johann König auf — auch nicht schön, aber so sind sie, unsere Kulturzentren: Ein Spiegel der Gesellschaft und ihres Geschmacks. Liwa eröffnet mit “I’ll Keep It With Mine” auf der Ukulele und Bob Dylan ist ein gutes Stichwort: Ein Greatest-Hits-Programm werde er spielen, sagt Liwa, “was ein bisschen schwierig ist, weil ich ja nie Hits hatte”. Aber was er spielt, ist genau das, was ich hören will, und was mich tatsächlich um zehn Jahre zurückwirft.

Nach einer Dylan-mäßig dekonstruierten Fassung von “Für die linke Spur zu langsam” (Wie jetzt, “nie Hits”?!) folgen viele Sachen von den ersten beiden Soloalben, Neil Young, Joni Mitchell und so ziemlich das Schönste aus Flowerpornoes-Zeiten (“Nicht müde genug”, “Eng in meinem Leben”, “Herz aus Stein”, “Respekt”). Tom Liwa ist blendend aufgelegt, er hat privat ordentlich was durchgemacht, wie er andeutet, aber alles überwunden. Nach Elliott Smith, Vic Chesnutt und Mark Linkous tut es gut, einen Musiker zu sehen, dem es offensichtlich gut geht. Seine Ansagen lassen den nebenan auftretenden Comedian alt aussehen. Und dann zwei Stunden lang diese Songs in einer Atmosphäre, in der man Stecknadeln Handys fallen hören kann …

Man kann und will das nicht glauben, dass es schon fast eine ganze Dekade her sein soll, als man in seinem Jugendzimmer saß, “St. Amour” ins CD-Laufwerk des PCs einlegte und sich der Melancholie von Songs hingab, die sich einem zum großen Teil erst jetzt erschließen. Wenn grad nicht Tom Liwa lief, liefen die Smashing Pumpkins, an diesen dunklen, nassen Herbstabenden, die im Rückblick ganze Jahre füllten. Billy Corgan schreibt heute Songs mit Jessica Simpson, Tom Liwa ist immer noch da. Und er ist so gut wie eh und je.

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Musik

The Smashing Pumpkin

Als die Smashing Pumpkins vor zwei Jahren zurückkamen (nachdem sie sich im Jahr 2000 mit einer großen Tour von der Welt verabschiedet hatten), waren sie nur noch zur Hälfte die Smashing Pumpkins: Neben Mastermind Billy Corgan war lediglich Drummer Jimmy Chamberlin aus dem Original-Line-Up dabei. Gitarrist James Iha war irgendwo auf der Strecke geblieben und weder D’arcy Wretzky noch Melissa Auf der Maur (die man auch nur mit viel Mühe als Original-Mitglied werten könnte, weil sie nur bei der Abschiedstour dabei war) stand am Bass. Um ehrlich zu sein bin ich zu faul, die Namen ihrer Nachfolger nachzuschlagen.

Wie NME.com berichtet, ist jetzt auch Chamberlin ausgestiegen. Ausgerechnet Chamberlin, der Corgan immer die Treue gehalten hatte. Der nach erfolgreichem Entzug und der damit verbundenen Pause 1999 in die Band zurückgekehrt war, der auch bei Corgans gescheiterter Supergroup Zwan am Schlagzeug saß und auf Corgans völlig desaströsem Soloalbum bei einem Song zu hören war.

Die Smashing Pumpkins sind jetzt nur noch Billy Corgan und Gäste, wobei mancher behaupten würde, dass dies schon immer oder zumindest lange so war.

Die eigentliche Frage lautet natürlich: Wen interessiert das? Das Comeback-Album “Zeitgeist” war nicht wirklich schlecht, hatte dem Gesamtwerk der Band aber nichts hinzuzufügen. Da war die letztjährige Akustik-EP “American Gothic” schon interessanter, konnte aber letztlich auch nicht mit den alten Sachen mithalten.

Immerhin: Der Sänger ist noch dabei. Das unterscheidet die Pumpkins von den kranken Wiedergeburten von Queen, den Doors oder der (glücklicherweise verworfenen) Idee von Led Zeppelin, ohne den (noch lebenden) Robert Plant auf Tour zu gehen.

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Musik Digital

Wagners Arie

Patrick Wagner war mal Sänger der mittelguten Band Surrogat, heute betreibt er das Label Louisville Records, bei dem einige mittelgute Bands sowie die grandiosen Naked Lunch unter Vertrag sind. Dort erscheint jetzt das Debütalbum von Navel, die dieses Jahr einen bereits sicheren Supportslot für die Smashing Pumpkins mit der Begründung ablehnten, sie hätten es nicht nötig “mit so abgehalfterten Rockopas wie Smashing Pumpins zu touren”. Kurz vor Veröffentlichung hat sich Herr Wagner, der mit Franz Josef nicht nur den Nachnamen, sondern auch ein mitunter bizarres Selbstverständnis gemein hat, mal ein bisschen ausgekotzt über diese ganzen Blödmänner im Musikbiz, die Navel nicht hinreichend zu würdigen wissen:

Grossartig auch Leute wie Christoph von MTV – “Bei Navel könnte ich mir echt gut vorstellen, wenn das Video gut wird, dass wir da einen Newcomer Deal anbieten könnten – ca 10 000€ später, ist das Video zwei mal gelaufen und MTV lässt über Dritte ausrichten, dass man keinen Rock spiele auf MTV – als hätten sie das nicht einen Moment früher gewusst. Besser sind da schon die herrlichen Kollegen von den Printmedien – am besten aus der Rockhauptstadt München vom Musikexpress – zB. Oliver “das sind Newcomer, oder ?- Ja dann musst du mit Christoph sprechen: “ich weiss nicht ob ich da was bringen kann, es ist so viel los gerade” die Wahrheit ist, dass im März/April ausser Nick Cave und Portishead keine einzige auch nur halbwegs anhörbare Platte rausgekommen ist, da nimmt man schon mal eine Künstlerin aufs Cover die grade nur Coverversionen veröffentlicht, wenn das nicht die Musik vorantreibt? Toll auch Markus vom Radio Sender “Eldoradio” (Hörerschnitt: 4/Tag), der ganz gerne von einem erwartet, dass man für ihn und seinen beschissenen Sender und seine absolut irrelevanten Campuscharts einen Song umschreibt oder ne andre Single auskoppelt und im gleichen Atemzug sagt “Kettcar finden wir zwar auch scheisse, müssen wir aber machen”. Da sind mir die Kollegen von der Spex schon lieber, die einfach, sagen, “da machen wir nichts”, -genauso hab ich mir nen Diskurs vorgestellt.

Mal davon ab, dass die Campusradios zu den wenigen Sendern gehören dürften, die Bands von Louisville Records spielen: Jeder, der schon mal mit “Markus vom Radio Sender ‘Eldoradio'” zusammengearbeitet hat, wird Wagners Schmerz nachempfinden können.

[via taz Popblog]

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Musik

Listenpanik 02/08

Bei der letzten Listenpanik hatte ich mich beklagt, dass im Januar so wenige Platten erschienen seien. Nun, das war im Februar schon deutlich anders: Obwohl es bekanntlich der kürzeste Monat ist, war die Auswahl an guten bis sensationellen Alben plötzlich riesengroß. Ich habe kurz darüber nachgedacht, die Top-Five-Regelung über den Haufen zu werfen und einfach alle guten Platten aufzuschreiben, aber Top Five ist Top Five. Für die Jahresendliste ist es eh unerheblich, ob ein Album in den Monatslisten aufgetaucht ist.

Ebenfalls in der letzten Listenpanik hatte ich verkündet, “wenn nichts mehr dazwischen kommt” werde “Lucky” von Nada Surf im Februar die Bestenliste der Alben anführen. Wie Sie in zwei Zeilen erfahren werden, ist etwas bzw. jemand dazwischengekommen:

Alben
1. Goldfrapp – Seventh Tree
Jawoll, sie haben es sich verdient: Goldfrapp, das Duo aus Alison Goldfrapp und Will Gregory, machen auf ihrem vierten Album Musik, die so sehr auf den Punkt ist, dass man sie einfach lieben muss. Perfekt ausgependelt zwischen Folk und Elektronik, zwischen Kathleen Edwards und Imogen Heap. Erinnern Sie sich an die unendliche Leichtigkeit, die Ihnen entgegen strömte, als Sie zum ersten Mal “Moon Safari” von Air gehört haben? Hier ist sie wieder, zehn Jahre später.

2. Nada Surf – Lucky
Viel falsch gemacht haben Nada Surf in ihrer bisherigen Karriere nicht, auf ihrem fünften Album machen sie fast alles richtig. Nach “See These Bones” und “Whose Authority” weiß man gar nicht mehr, wohin mit der eigenen Euphorie, und das sind erst die ersten beiden Stücke auf der Platte. “Lucky” ist zeitloser Indie Rock, der in erster Linie happy macht.

3. Joe Jackson – Rain
Ist doch irgendwie klar, dass ich Joe Jackson großartig finden muss: Immerhin spielt er Klavier und hat einen britischen Akzent. Nicht klar? Okay: Er hat ziemlich offensichtlich Ben Folds beeinflusst, so tolle Musik zu machen – und das war selten so offensichtlich wie auf “Rain”, wo Jackson so sehr nach Folds klingt (also irgendwie andersrum, aber Sie verstehen) wie lange nicht mehr. Sehr eleganter Pianopop, der mal zum Pianorock wird, mal zum Jazz, und im tieftraurigen “Solo (So Low)” seinen … äh: Höhepunkt findet. Oder doch in der Destiny’s-Child-Anleihe in “Good Bad Boy”?

4. Niels Frevert – Du kannst mich an der Ecke rauslassen
Für seine alte Band Nationalgalerie bin ich zu jung und auch sonst muss ich zugeben, bis heute wenig von Niels Frevert gehört zu haben. Aber sein drittes Soloalbum “Du kannst mich an der Ecke rauslassen” gefällt mir, unter anderem weil es auf erstaunliche Weise “undeutsch” klingt. Die Arrangements erinnern an Damien Rice und José Gonzales und die Stimmung ist ein bisschen so wie auf Tom Liwas Meisterwerk “St. Amour”. Den dezent swingenden Titelsong sollte man testweise mal Roger-Cicero-Faninnen vorspielen, zu Therapiezwecken.

5. Tegan And Sara – The Con
“Kanada”, “Zwillinge”, “Indie Pop” – “Bingo!”
Nur ein gutes halbes Jahr nach seinem Release ist das fünfte Album der Schwestern jetzt auch in Deutschland erschienen. Musik und Texte sind eine wunderbare Mischung aus niedlich und gemein und man hofft, dass dieser kanadische Indie Pop (von Zwillingen!) endlich mal die Charts und Radiostationen erobert.

Songs
1. Goldfrapp – A&E
Ich liebe es, wenn man beim allerersten Hören eines Songs, noch bevor dieser zu Ende ist, denkt: “Was für ein tolles, tolles Lied! Ich möchte es mir ins Herz tätowieren lassen!” So war es bei “A&E”, von dem ich beim allerersten Hören gar nicht wusste, dass es auch die erste Single aus “Seventh Tree” ist. Natürlich völlig zu Recht.

2. R.E.M. – Supernatural Superserious
Klar: Außer “Shiny Happy People” haben R.E.M. noch nie irgendwas falsch gemacht. Gerade die Vorab-Singles waren ja auch bei den letzten beiden Alben (“Imitation Of Life”, “Leaving New York”) immer Übersongs, aber so ein ganz kleines bisschen erstaunt ist man dann vielleicht doch, dass R.E.M. wieder richtig rocken (obwohl sie das ja mit den neuen Songs auf ihrem Best Of von 2003 auch getan hatten) und “Supernatural Superserious” zwei Durchgänge länger braucht, bis man sich in den Song verliebt hat. Aber dann ist alles ganz wunderbar und irgendwann versteht man auch nicht mehr “Gisela”, sondern “It’s a lie”.

3. Danko Jones – Take Me Home
Der unwahrscheinlichste Song des Monats auf einem ziemlich unwahrscheinlichen Danko-Jones-Album: Die Kanadier spielen ein Beinahe-Cover von John Denvers “Country Roads”, original mit Akustikgitarre, Mitklatschrhythmus und Chören im Refrain. Das geht entweder gar nicht oder ist das heimliche Highlight der Platte. Ich entscheide mich für letzteres, nicht zuletzt wegen der Textzeile “Take me home to where my records are”. Demnächst dann vermutlich auf WDR 2.

4. Panic At The Disco – Nine In The Afternoon
Na, das macht doch schon mal Laune auf das Zweitwerk der Band, die auf Ihrem Debüt noch Panic! At The Disco hieß. Ein bisschen gradliniger als die meisten Songs auf “A Fever You Can’t Sweat Out” ist “Nine In The Afternoon” ja schon geworden, aber das soll uns nicht stören, denn es ist einfach ein feiner Song.

5. OneRepublic – Stop And Stare
Schon klar: “Apologize” ging sehr schnell gar nicht mehr. Dieser Kastratengesang, der omnipräsente Timbaland und dann auch noch Til Schweiger im (deutschen) Video – das konnte nicht mal mehr Nora Tschirner (ebenfalls im deutschen Video) ausgleichen. “Stop And Stare” zwingt zur näheren Beschäftigung mit OneRepublic, denn diese Sorte College Rock (oder wie auch immer man diesen Sound in den Nuller Jahren nennt) mag ich sehr gerne. Sowohl The Fray als auch Orson lassen grüßen.

EP
Smashing Pumpkins – American Gothic
Wer mit “Zeitgeist”, dem Comeback-Album der Smashing Pumpkins, nicht klar kam, weil es “irgendwie nichts Neues” zu bieten hatte, der wird auch mit der EP “American Gothic” seine Probleme haben, denn auch die könnte schon zehn Jahre alt sein. Sehr genau sogar, denn der Verzicht auf elektrische Gitarren sorgt für vier derart melancholische Songs, wie sie Billy Corgan seit “Adore” nicht mehr geglückt sind. Natürlich braucht man streng genommen gar keine Nachfolger von “To Sheila”, “Perfect” oder “Tear”, aber sobald Billy Corgan bei “The Rose March” anfängt, mit sich selbst im Duett zu singen, setzt wieder diese Gänsehaut ein, für die man die Pumpkins immer geliebt hat. Und wer nicht will, der hat schon.

Ebenfalls gehört und für gut befunden: Danko Jones – Never Too Loud, Home Of The Lame – Sing What You Know, k.d. lang – Watershed, Vampire Weekend – Vampire Weekend, Chris Walla – Field Manual

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Musik

Listenpanik: Alben 2007

So ein Jahr geht ja dann doch schneller zu Ende als man denkt: Zwar ist es irgendwie absurd, noch vor Silvester zurückzublicken, aber unsere hektische, durchorganisierte Welt lässt sich von Logik nicht aufhalten. Deshalb habe ich nach den Songs (bei denen ich am liebsten schon wieder mittelgroße Korrekturen vornehmen würde) jetzt meine Alben des Jahres 2007 sortiert, abgepackt und niedergeschrieben.

Zwar hatte ich nach der Lektüre der Jahresrückschau im “Musikexpress”, dessen Position als letztes von mir gelesenes Papiermagazin damit auch stark ins Wanken geraten ist, keine große Lust mehr, über dieses mir plötzlich beliebig und unspannend erscheinende Musikjahr zu schreiben, aber dann beguckte ich mein CD-Regal und dachte: “Jetzt erst recht!”

Und weil so viele Künstler auch in der Song-Liste vertreten waren, hab ich mir als Anspieltipps für die Alben mal andere Stücke ausgesucht.

1. Bloc Party – A Weekend In The City
Wo anfangen? Vielleicht mit dem Erstaunen darüber, dass Bloc Party ihr Erstwerk toppen konnten. Oder doch damit, dass kein Pop-Album der letzten fünf Jahre einen besseren Spannungsbogen hatte? Mit der großartigen Mischung aus Hoffnung und Resignation, Politik und Liebe, Tanzboden und Kuschelecke? Die tollen Rhythmen loben, die wunderbaren Gitarren, die astreine Produktion von Jackknife Lee oder die über allem thronende Stimme von Kele Okereke?
Bullshit: Wenn einen ein Album am 30. Dezember noch so begeistert wie am 2. Februar, dann ist es wohl das Album des Jahres.
Anspieltipp: “Sunday”

2. Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chronicles Of A Bohemian Teenager
Kennen Sie Sam Duckworth? Ich musste den Namen auch gerade erst mal wieder nachschlagen. Aber seine Band Get Cape. Wear Cape. Fly sollten Sie kennen. So außergewöhnlich, dass mir dazu nur so sinnlose Beschreibungen wie “Akustikemolektro” einfallen. Klingt tausendmal toller als es sich anhört. Ein bisschen froh bin ich aber schon, dass das Album erst nach den großen Sinnkrisen meiner Teenager-Jahre erschienen ist.
Anspieltipp: “War Of The Worlds”

3. Kilians – Kill The Kilians
Es wäre eine schöne Gelegenheit, mit dieser 35. Erwähnung der Band in diesem Blog eine kleine diesbezügliche Pause einzulegen. Ich glaube, es ist schon alles gesagt, gesungen und gefilmt worden. Aber toll ist die Platte immer noch
Anspieltipp: “Something To Arrive”

4. Stars – In Our Bedroom After The War
Diese Kanadier: 33 Millionen Einwohner, von denen etwa die Hälfte in jeweils mindestens zwei Bands musiziert. Nicht alle sind so erfolgreich wie Bryan Adams und Avril Lavigne, aber auch nicht alle machen so schlechte Musik. Stars machen zum Beispiel ganz wunderbaren Indiepop, der zwischen Konzertsaal und Disco schwankt und sich mit großer Freude gleichzeitig bei The Smiths, Bee Gees und Phil Spector bedient. Toll!
Anspieltipp: “Take Me To The Riot”

5. Shout Out Louds – Our Ill Wills
Das selbe in grün schwedisch. The Cure statt The Smiths und Abba statt Bee Gees, sonst aber genauso gelungener Indiepop wie bei Stars. Die Shout Out Louds lieferten mit “Tonight I Have To Leave It” meinen Song des Jahres und sind auch bei den Alben wieder ganz vorne mit dabei.
Anspieltipp: “Parents Livingroom”

6. The Weakerthans – Reunion Tour
Schon wieder Kanadier. Na ja, das Land habe ich ja oben schon ausführlichst *hüstel* vorgestellt, da freuen wir uns lieber noch ein paar Zeilen über dieses tolle Album und wundern uns, dass kein Song in meiner Jahresbestenliste gelandet ist. Peinlich, peinlich. Wie’s klingt? Na ja, wenn ich jetzt wieder “Indiepop” schreibe, glaub ich es mir ja langsam selber nicht mehr. “Toll” war auch schon zu oft, dann klingt es halt einfach so, wie ein Weakerthans-Album im Jahr 2007 klingen sollte. Logikschleife geschlossen, Zeilen gefüllt!
Anspieltipp: “Civil Twilight”

7. Travis – The Boy With No Name
Ja, gut: Ich bin Fan, Travis werden wohl nie ein Album machen, das ich wirklich doof finde. Vielleicht war es deshalb der doch eher irgendwie ein bisschen enttäuschende Vorgänger “12 Memories”, der mich “The Boy With No Name” umso mehr mögen ließ. Aber was will man machen? Jede Menge schöne Melodien mit klugen Texten, viel mehr braucht’s halt auch nicht für ein gutes Album.
Anspieltipp: “Colder”

8. Tocotronic – Kapitulation
Tocotronic sind einfach mit jedem Album gut. Vielleicht nicht so gut, dass man “Kapitulation” gleich krakeelend zum Album des Jahres ernennen und der Band eine Vorreiterstellung in Wasauchimmer unterstellen muss, aber eben schon besser als jedes andere deutschsprachige Album in diesem Jahr. Freuen wir uns auch auf das nächste Album und hoffen, dass es nicht ausgerechnet in einem Jahr mit den neuen Werken von Element Of Crime und Tomte erscheint, was zu einem unnötigen Showdown führen würde.
Anspieltipp: “Verschwör dich gegen dich”

9. The Wombats – A Guide To Love, Loss & Desperation
Ja, was machen die denn da? Ich wollte doch nie mehr “junge freche britische Bands” hören. Sie stehen mir sowas von bis hier, dass ich das zweite Arctic-Monkeys-Album bis heute nicht gehört habe. Ein Fehler? Mir egal. Ich hab ja The Wombats und die sind besser als alle anderen Bands, die ich alle nicht kenne.
Anspieltipp: “Kill The Director”

10. Underworld – Oblivion With Bells
Berlin, Friedrichstraße. Oktober, Abend, Regen. Underworld machen aus dem Touristentrampelpfad vorbei an Luxuskaufhäusern für ein, zwei Momente New York. Ralph Fiennes wird in einem Auto an mir vorbei gezogen. Alles fühlt sich so urban an – und das liegt verdammtnochmal nicht an der “Arm, aber sexy”-Metropole, sondern an diesem atemberaubend guten Elektro-Album.
Neulich sah ich das Video zu “Beautiful Burnout” im Fernsehen (GoTV, natürlich): Über acht Minuten, überhaupt nicht weltstädtisch, sondern klein, billig, schmuddelig. Und trotzdem hatte ich wieder ein Gefühl wie auf dem Gipfel der Welt.
Anspieltipp: “Beautiful Burnout”

11. The Blood Arm – Lie Lover Lie
Wie man sich meine Gunst erspielt: Klavier nehmen, draufhauen, semi-alberne Texte mehrstimmig anstimmen. So sind Ben Folds Five damals meine Lieblingsband geworden, so ähnlich haben sich The Blood Arm einen Platz in meiner Liste erkämpft.
Anspieltipp: “The Chasers”

12. Justice – †
Es ist mir beinahe unangenehm, diese Platte zu nennen. Da könnte man ja gleich Grönemeyer oder … äh: Bloc Party nehmen, wenn man Konsens haben will. Egal, was die Musikfeuilletonisten jetzt schon wieder für einen Trend herbeischreiben wollen: Das Album mit dem Kreuz im Titel ist und bleibt super. Bitte tanzen Sie N.O.W.
Anspieltipp: “Tthhee Ppaarrttyy”

13. Wir Sind Helden – Soundso
Die ganz große Aufmerksamkeit in den Medien hat etwas nachgelassen, vielleicht hat “Polylux” nicht mal mehr einen Beitrag über Judith Holofernes als “Stimme ihrer Generation” gebracht. Wir Sind Helden haben ihr Leben zurück und sind so gut wie am ersten Tag. Bei fast jeder Band hätte ich Angst, dass sie einen Song wie “The Geek (Shall Inherit)” nicht mehr toppen können wird, aber Wir Sind Helden machen seit “Denkmal” ja nichts anderes. Also: Weitermachen!
Anspieltipp: “Soundso”

13. The Killers – Sawdust
“Ey, Alter, das ist doch nur eine Raritätensammlung! Was soll die denn bei den Alben des Jahres? ‘Alben’, hörst Du?” Also bitte, liebe Stimmen in meinem Kopf: Seid still! Natürlich ist das “nur” eine Raritätensammlung. Aber so manche Band wäre froh, das als Album hinzukriegen! Manche Sachen sind natürlich etwas sehr abseitig und würden auf einem “normalen” Album vielleicht überfordern, aber auf diesem Zwischending dürfen sich The Killers austoben. Mit Joy-Division-Cover, Westerngitarren und Lou Reed. Meine Prognose fürs dritte Album: Da geht noch einiges!
Anspieltipp: “Move Away”

14. Jimmy Eat World – Chase This Light
Liebe Kinder, wenn Ihr nicht wollt, dass Ihr auch mal eher so mittelmäßige Alben so lange hört, bis Ihr sie toll findet, dann werdet besser nie Fan!
Rational betrachtet ist “Chase This Light” immer noch ein relativ unbedeutendes Album, das eine ganze Spur zu poppig produziert wurde. Tatsächlich ist es aber genau die Musik, die ich morgens auf dem Weg zur Uni hören möchte. Oder nachts, wenn ich betrunken nach hause taumele. Oder dazwischen. Also muss man einfach zu dem stehen, was man mag, und sagen: “Chase This Light” ist doch ein ganz schönes Album, irgendwie.
Anspieltipp: “Here It Goes”

15. Muff Potter – Steady Fremdkörper
Wieso ist mir “Steady Fremdkörper” eigentlich nie so ein treuer Freund und Begleiter geworden wie die beiden Vorgängeralben? Vermutlich, weil das Album im Sommer rauskam, viel zu früh für kahle Bäume und Blättermatsch. Natürlich ist es trotzdem wieder ein sehr gutes Album geworden, was ich mit einem sehr okayen fünfzehnten Platz in meiner Jahreshitparade noch einmal hervorheben möchte.
Anspieltipp: “Das seh ich erst wenn ich’s glaube”

16. Manic Street Preachers – Send Away The Tigers
Die Manics nach der Frischzellenkur: Zurück auf Anfang “Everything Must Go”, zurück zu Pathos, großer Geste, Melancholie und Parolendrescherei. Es hielt sich letztlich nicht ganz so gut wie das interne Vorbild, aber “Send Away The Tigers” ist trotzdem ein gelungenes Album und ein guter Ausgangspunkt für einen Neuanfang.
Anspieltipp: “Indian Summer”

17. Foo Fighters – Echoes, Silence, Patience And Grace
Und noch eine Band, die schon vor zehn Jahren hätte auf dieser Liste stehen können. Langsam werden die Helden unserer Jugend eben auch älter und wir somit offenbar auch. Auf dem Album mit dem unmerkbarsten Titel der Saison merkt man davon aber noch nix, die Foo Fighters rocken so, als wollten sie Fall Out Boy, Good Charlotte und Konsorten zeigen, wo die Gitarre hängt. Dabei weiß das doch jedes Kind: tief.
Anspieltipp: “Long Road To Ruin”

18. Rihanna – Good Girl Gone Bad
Tja, da müssen wir jetzt gemeinsam durch. Oder ich muss das erklären, irgendwie. “Umbrella” ist halt ein Übersong, der überwiegende Rest ist auch recht gelungen und wenn schon irgendwas Massentaugliches im Radio laufen muss, dann doch bitte clever produzierte Songs mit einer charmanten Sängerin.
Anspieltipp: “Shut Up And Drive”

19. Maritime – Heresy And The Hotel Choir
Maritime gingen hier im Blog auch irgendwie völlig unter, was sehr schade ist, weil sie mit ihrem dritten Album wieder an die Qualität ihres Debüts anknüpfen konnten. Vielleicht würden die Beach Boys so klingen, wenn sie heute jung wären. (In Wahrheit wäre Brian Wilson wohl schon lange völlig wahnsinnig oder tot, wenn er heute jung wäre.)
Anspieltipp: “Guns Of Navarone”

20. Maxïmo Park – Our Earthly Pleasures
Mit dem ersten Maxïmo-Park-Album bin ich ja irgendwie nie so ganz warm geworden: Natürlich waren die Singles super, aber so wirklich vom Hocker hauen konnte mich “A Certain Trigger” nie. Da ist “Our Earthly Pleasures” eher ein Album zum Durchhören und Mögen. Dass Franz Ferdinand auch 2007 kaum vermisst wurden könnte an Maxïmo Park liegen.
Anspieltipp: “Parisian Skies”

21. Crowded House – Time On Earth
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind würde sich in zwanzig Jahren über eine Comeback von … sagen wir mal: Starsailor freuen. Würden Sie da sagen “Aber Kindchen, dafür bist Du doch trotz eigener Wohnung, Rückenleiden und Uni-Abschluss viel zu jung”, oder würden Sie sich freuen, dass er/sie/es gute Musik zu schätzen weiß?
Warum habe ich eigentlich immer das Gefühl, mich für meinen Musikgeschmack rechtfertigen zu müssen? “Time On Earth” wäre doch auch toll, wenn die Musiker in meinem Alter wären.
Anspieltipp: “English Trees”

22. Die Ärzte – Jazz ist anders
Das sollte man vielleicht auch mal erwähnen, dass “Jazz ist anders” das erste Album von Die Ärzte ist, das ich wirklich gehört habe. Es ist aber auch ein sehr gelungenes Album, denn BelaFarinRod agieren sehr klug und fügen die verschiedensten Musikstile kunstvoll zu einem wirklich feinen Gesamtbild, das mit “Spaßpunk” oder ähnlichem wenig am Hut hat. Nur: “Junge” nervt inzwischen dann doch. Gewaltig.
Anspieltipp: “Himmelblau”

23. Smashing Pumpkins – Zeitgeist
Sagt mal, wo kommt Ihr denn her? “Aus Deiner tristen, teilzeit-depressiven Teenagerzeit, bitte sehr!”
Von mir aus hätte es das Comeback der Smashing Pumpkins nicht gebraucht, zu passgenau war ihr Auftauchen in und Verschwinden aus meinem Leben damals gewesen. Jetzt sind sie (zur Hälfte) aber doch wieder da und wo sie sich schon mal die Mühe gemacht haben, kann man natürlich das eigentlich gar nicht mal schlechte Album “Zeitgeist” erwähnen, das irgendwie aber auch sagenhaft unterging. Offenbar war mein Leben nicht das einzige, aus dem die Pumpkins zur rechten Zeit verschwunden waren.
Anspieltipp: “Doomsday Clock”

24. Mika – Life In Cartoon Motion
Als Mika in Deutschland seinen verdienten Durchbruch feierte und keine Stunde mehr verging, in der er nicht im Radio, Fernsehen oder in der Werbung zu hören war, war ziemlich genau der Punkt erreicht, an dem ich seine zuckersüßen Popsongs nicht mehr hören konnte. Dabei war “My Interpretation”, der beste von ihnen, doch gar nicht ausgekoppelt worden.
Anspieltipp: “My Interpretation”

25. Beirut – The Flying Club Cup
Auch Beirut sollen in dieser Liste nicht unerwähnt bleiben. Zwar finde ich das Debüt “Gulag Orkestar”, das ich auch erst in diesem Jahr entdeckt habe, ein bisschen besser, aber “The Flying Club Cup” ist mit seinem folkloristischen … äh: Indiepop auch ein sehr schönes Album. Der Tag, an dem ich dieses Album hörend durch eine in milchig-rötliches Licht getauchte Nachbarschaft zur Uni stapfte, wäre mit “surreal” recht passend umschrieben.
Anspieltipp: “The Penalty”

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Musik

Listenpanik (5): I Killed The Zeitgeist

Wenn ich mir die bisherigen Monatsbestenlisten so anschaue, fällt mir auf, wie viele Sachen ich gerne noch ergänzen würde. Auch wenn die logische Reaktion darauf wäre, die Aktion einfach abzublasen, stürze ich mich trotzdem mit Elan in die Veröffentlichungen des Monats Juli. Wie immer streng subjektiv und ohne den Hauch eines Anspruchs auf Vollständigkeit:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. Justice – †
Es müsste schon mit dem Teufel (oder Gevatter Tod) zugehen, wenn es dieses Jahr noch einen heißeren Act als Justice gäbe, the French electronic duo who does what French electronic duos should do. Natürlich kommt man um die Vergleiche zu Daft Punk und Air kaum herum, aber das sind ja beides Acts aus dem letzten Jahrtausend. Zugegeben: “†” hätte auch schon vor zehn Jahren erscheinen können. Ist es aber nicht und genau deshalb sticht dieses House-Album trotz Rave-Revival im Sommer 2007 so aus der Masse heraus. Vielleicht wird uns das alles in einem Jahr schon wieder egal sein, aber im Moment heißt’s erst mal: “Do the D.A.N.C.E. / 1, 2, 3, 4, fight”.

2. Tocotronic – Kapitulation
Wer dachte, dass Tocotronic gar nicht mehr besser werden könnten, als auf “Pure Vernunft darf niemals siegen”, muss zugeben, sich geirrt zu haben. Wenn jede Band nach 14 Jahren Bandgeschichte auf dem achten Album so klänge, wüsste man ja kaum noch, wohin mit all den guten Alben. Dirk von Lowtzow hat mit ungefähr jedem Medium der Republik sprechen müssen, hat dabei unzählige Male die Schönheit des Wortes “Kapitulation” erklärt, aber sobald die ersten Takte von “Mein Ruin” erklingen, ist das alles egal. Wie schon vor zwei Jahren mit “Aber hier leben, nein danke” sind die Tocos auch in diesem Jahr mit ihrem Aufruf zur “Kapitulation” völlig gegen den Strich und genau das macht diese Band so wertvoll.

3. Smashing Pumpkins – Zeitgeist
Jetzt sind sie also wieder da, die Smashing Pumpkins. Oder besser: Billy Corgan und Jimmy Chamberlin. Nach Corgans desaströsem Soloalbum und ohne die Hälfte der eigentlichen Band konnte man ja fast nur noch mit dem schlimmsten rechnen, weswegen schon ein knapp überdurchschnittliches Album eine Sensation gewesen wäre. “Zeitgeist” ist aber noch besser: Es ist nach “Siamese Dream” und “Adore” mal wieder ein problemlos durchhörbares Pumpkins-Album und es ist die große “Look who’s back”-Geste. Klanglich könnte auf einigen Songs auch Zwan draufstehen und natürlich sind die meisten Nummern weit von “Today”, “Tonight, Tonight” und “1979” entfernt, aber es dürfte kaum jemand erwartet haben, dass Corgan noch einmal zu solchen Großtaten in der Lage ist. Aber “Zeitgeist” hat “Doomsday Clock”, “Bleeding The Orchid”, “Starz” und “United States” auf der Habenseite, über alles andere diskutieren wir nach der Veröffentlichung von “Chinese Democracy”.

4. The Electric Soft Parade – No Need To Be Downhearted
Die Gebrüder White aus Brighton haben sich mal wieder in ihrem ehemaligen Kinderzimmer eingeschlossen und definieren, wie Indiepop im Sommer 2007 klingt: locker-flockig, mit gelegentlichen Ausflügen ins Verschrobene und Ausufernde. Ein Ritt durch die letzten vierzig Jahre Musikgeschichte und doch eindeutig The Electric Soft Parade.

5. Spoon – Ga Ga Ga Ga Ga
Musikjournalismus für Anfänger: “Wer sein Album so nennt, muss ja schon ziemlich gaga sein.”
Musik für Fortgeschrittene: Auf ihrem sechsten Album spielen Spoon aus Austin, Texas ihren dezent verschrobenen Indierock genau auf den Punkt. Zehn Songs in 36 Minuten, das ist fast wie Weezer, nur nicht ganz so eingängig: Bis Melodien hängen bleiben, muss man “Ga Ga Ga Ga Ga” schon einige Male gehört haben, in Verzückung versetzt einen die Musik aber von Anfang an. Wer sehnsüchtigst aufs neue Eels-Album wartet, kann Spoon so lange als Ersatz hören – alle anderen natürlich auch.

Singles (inkl. iTunes-Links)
1. Smashing Pumpkins – Doomsday Clock
Billy Corgan allein wird wissen, ob das jetzt eine (Download-)Single ist oder nicht, aber es ist auch egal: “Doomsday Clock” ist genau der Opener, auf den man sieben Jahre gewartet hat. Jimmy Chamberlin haut ein bisschen auf den Fellen rum, dann legen die Gitarren los und Billy Corgan singt die Nummer nach hause: “Please don’t stop / It’s lonely at the top”. Der Mann weiß wovon er singt, er war schon mal ganz oben. Aber alleine war er eigentlich überall.

2. Black Rebel Motorcycle Club – Berlin
Album übersehen, dann wenigstens die Single würdigen: BRMC haben den Blues-Anteil nach “Howl” wieder zurückgefahren, aber “Berlin” klingt immer noch ausreichend nach Amerika, Wüstensand und Bärten. Wie das zum Titel passen soll, ist wohl eine berechtigte Frage, die ich aber einfach im Raum stehen lassen möchte, weil sie mir dort ideal Schatten spendet.

3. Herbert Grönemeyer – Kopf hoch, tanzen
Dass “Zwölf” ein irgendwie tolles Album ist, hatte ich ja schon mal versucht auszudrücken. Damals vergaß ich aber irgendwie, diesen Song hervorzuheben. Das Sensationelle daran: 2007 klingt Grönemeyer für einen Song mehr nach den Achtzigern, als er es in den meisten seiner Achtziger-Jahre-Songs je getan hat. Dazu ein Text, der wieder alles und nichts bedeuten kann, und ein wunderbares Video.

4. The Electric Soft Parade – Misunderstanding
Die Sechziger Jahre waren lange vorbei, als Alex und Tom White geboren wurden. Trotzdem klingt “Misunderstanding” nach Beach Boys und Kinks – oder genauer: so, wie diese Bands heute klingen würden. Twang, twang, schunkel, schunkel!

5. Feist – 1234
Musik im Sommer 2007 sollte sowohl bei strahlendem Sonnenschein, als auch bei tagelangem Regen funktionieren. Voilà: “1234” von Feist eignet sich da bestens zu. Indiefolk mit dezenten Country-Einflüssen oder irgendwie sowas, dazu diese Stimme. Das dazugehörige Album hatte ich übrigens im April übersehen.

Außer Konkurrenz: The Rolling Stones – Paint It, Black
Nach “Should I Stay Or Should I Go” (Jeans) und “Paranoid” (Tankstelle) jetzt der nächste Rock-Klassiker, dem das Werbefernsehen (Telefongedöns) zu einem Comeback verhilft. Und nach dem Neptunes-Remix von “Sympathy For The Devil” schon der zweite Kontakt der Nuller Jugend mit der Band, die ihre Großväter sein könnten. Aber der Song ist nun mal auch nach 41 Jahren noch der blanke Wahnsinn.

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Autumnsongs

Als ich heute Morgen erwachte, war draußen Herbst. “Nun ja”, dachte ich, “das kann ja mal passieren!” Ich verwarf meine eigentlichen Blogpläne für heute, warf iTunes an und mich nebst Buch aufs Bett. Dann war mir aber doch für einen Moment langweilig und deshalb stelle ich jetzt hier exklusiv die Top Twenty meiner liebsten Herbst-Alben vor:

20. Manic Street Preachers – This Is My Truth Tell Me Yours (VÖ: 25. August 1998)
Überlebensgroßer Britpop des walisischen Trios. Jeder Song eine Hymne, jedes Streichinstrument eine Umarmung.
Definitiver Herbstsong: “The Everlasting”

19. The Smashing Pumpkins – Adore (VÖ: 2. Juni 1998)
Die unendliche Traurigkeit der zum Trio geschrumpften Pumpkins ging weiter. Billy Corgan spielt mit Drumcomputern rum und ist doch reduzierter denn je.
Definitiver Herbstsong: “Blank Page”

18. Dan Bern – New American Language (VÖ: 6. Mai 2002)
Amerikanischer Singer/Songwriter, der das exakte Mittelding zwischen Bob Dylan und Elvis Costello ist. Schade, dass das keiner kennt.
Definitiver Herbstsong: “Albuquerque Lullaby”

17. Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chronicles Of A Bohemian Teenager (VÖ: 16. Februar 2007)
Der Junge mit der Gitarre und dem Drumcomputer aus Großbritannien. Muss sich eigentlich noch im kalendarischen Herbst beweisen, wird das aber sicher schaffen.
Definitiver Herbstsong: “Call Me Ishmael”

16. Toploader – Onka’s Big Moka (VÖ: 14. August 2000)
Das One Hit Wonder mit dem Bubblegum Radiopop. Trotzdem ist nicht nur das Albumcover wunderbar herbstlich, sondern auch die Musik.
Definitiver Herbstsong: “Only For A While”

15. Embrace – If You’ve Never Been (VÖ: 5. September 2001)
Die Britpop-Brüder, die nicht Oasis sind, mit ihrem eigentlich schwächsten Album. Trotzdem ein echter Herbst-Dauerbrenner mit einigen großen Melodien.
Definitiver Herbstsong: “Make It Last”

14. The Fray – How To Save A Life (VÖ: 27. Oktober 2006)
Collegerock auf dem Klavier, gemacht von vier überzeugten Christen aus Denver. Man muss schon einen Soft Spot für eine gewisse Menge Pathos haben, dann ist es aber großartig.
Definitiver Herbstsong: “Heaven Forbid”

13. Radiohead – Kid A (VÖ: 29. September 2000)
Das große, sperrige Meisterwerk der besten Band unserer Zeit. Unbeschreiblich und unbeschreiblich gut.
Definitiver Herbstsong: “How To Disappear Completely”

12. The Finn Brothers – Everyone Is Here (VÖ: 20. August 2004)
Neil und Tim Finn haben mit Split Enz und Crowded House beinahe im Alleingang die Musikgeschichte Neuseelands und Australien geschrieben. Als Finn Brothers schreiben sie daran weiter.
Definitiver Herbstsong: “Edible Flowers”

11. Kashmir – Zitilites (VÖ: 11. August 2003)
Die Wiederaufnahme von “Kid A” mit anderen, dänischen Mitteln. Kashmir machen alles richtig und sichern sich einen Platz in den Musikannalen, Kategorie: “Ständig übersehene Genies”.
Definitiver Herbstsong: “The Aftermath”

10. Maximilian Hecker – Infinite Love Songs (VÖ: 28. September 2001)
Sie können Falsettgesang und hoffnungslos romantische Texte nicht ausstehen? Dann werden Sie mit diesem Album nicht glücklich werden. Alle anderen schon.
Definitiver Herbstsong: “The Days Are Long And Filled With Pain”

09. The Cardigans – Long Gone Before Daylight (VÖ: 24. März 2003)
Mit diesem Folk-Album zeigten die Cardigans endgültig allen, dass sie kein Bubblegum Pop One Hit Wonder sind. Und wer vorher noch nicht in Nina Persson verliebt war, war es danach.
Definitiver Herbstsong: “You’re The Storm”

08. Death Cab For Cutie – Plans (VÖ: 29. August 2005)
Mit “O.C., California” und einem Majorlabel im Rücken eroberten DCFC endlich die Welt im Sturm. Wäre aber auch zu schade gewesen, wenn man dieses großartige Indiepop-Album übersehen hätte.
Definitiver Herbstsong: “Different Names For The Same Thing”

07. Muff Potter – Heute wird gewonnen, bitte (VÖ: 15. September 2003)
Nach Jahren des Übens und Fingerwundspielens an der Deutschpunk-Front waren Muff Potter bereit für ihr Meisterwerk. 14 Songs zwischen Bordsteinkante und Mond, die alles um einen herum vergessen machen.
Definitiver Herbstsong: “Das Ernte 23 Dankfest”

06. The Postal Service – Give Up (VÖ: 28. April 2003)
Death-Cab-Sänger Ben Gibbard und Dntel-Mastermind Jimmy Tamborello zeigen auf zehn Songs, dass sich Elektronik und Folksongs nicht ausschließen müssen – und die Welt von Indiedisco-DJs und Soundtrack-Kompilierern war hinfort nicht mehr die Selbe.
Definitiver Herbstsong: “The District Sleeps Alone Tonight”

05. Coldplay – Parachutes (VÖ: 21. Juli 2000)
Bevor sie Fußballstadien und Vorabendserien beschallten, waren Coldplay für einen Herbst die kleinen verhuschten Indienerds, die einen über unerfüllte Lieben und nasskalte Heimwege vom Schulsport hinwegtrösteten. We live in a beautiful world und everthing’s not lost.
Definitiver Herbstsong: “We Never Change”

04. Ben Folds – Rockin’ The Suburbs (VÖ: 11. September 2001)
Das erste Soloalbum nach dem Ende von Ben Folds Five, erschienen an dem Tag, nach dem nichts mehr so war wie zuvor. Großartige Songs voller Klaviere und Melancholie – und voller Witz und Ironie.
Definitiver Herbstsong: “Carrying Cathy”

03. Starsailor – Love Is Here (VÖ: 19. Oktober 2001)
Sie sollten die nächsten Coldplay werden, wenn nicht auch noch Jeff und Tim Buckley und möglicherweise Nick Drake – das konnte ja kaum klappen. Starsailor lieferten trotzdem ein unglaublich großartiges Album ab – und ließen Coldplay dann den Vortritt bei der Weltkarriere.
Definitiver Herbstsong: “Fever”

02. R.E.M. – Automatic For The People (VÖ: 1. Oktober 1992)
R.E.M. schafften den endgültigen Sprung vom Geheimtipp zu Megastars – sonst änderte sich nichts. Wer wissen will, wie sowas geht, sollte das Album hören.
Definitiver Herbstsong: Alle – einfach alle.

01. Travis – The Man Who (VÖ: 28. Mai 1999)
Kein Wunder, dass das Album in Deutschland erst im Herbst so richtig seine Hörer fand: der Sommer ’99 war einfach zu trocken für “Why Does It Always Rain On Me?”. Wer die Bedeutung des Wortes “Melancholie” erfahren will, ist hier richtig. Alle anderen auch.
Definitiver Herbstsong: “Turn”

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Musik

Listenpanik (4): Knietief im Pop

Dank der zu Anfang etwas kruden Abrechnungszeiträume war Teil 3 unserer Serie für den Mai gedacht, dieser (vierte) befasst sich also mit den Alben und Singles des Monats Juni. Wie immer streng subjektiv und ohne den Hauch eines Anspruchs auf Vollständigkeit – und diesmal besonders poppig:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. Crowded House – Time On Earth
Crowded House war trotz der großen Hits (“Weather With You”, “Don’t Dream It’s Over”, “Four Seasons In One Day”, …) die Band, die kaum jemand kannte. Das änderte sich auch nicht groß, als sich die Band 1996 auflöste und ihr Kopf Neil Finn alleine und mit seinem Bruder Tim schöne bis großartige Pop-Alben veröffentlichte. Jetzt hat sich die Band in Beinahe-Originalbesetzung (Schlagzeuger Paul Hester beging 2005 Selbstmord) wieder zusammengetan und ihr fünftes reguläres Album veröffentlicht. Und man muss sagen: Wenn es je eine Band verdient hat, das musikalische Erbe der Beatles anzutreten, dann Crowded House. Die wunderschönen, oft melancholischen Melodien purzeln nur so aus den Boxen und Songs wie die Single “Don’t Stop Now” hätten es verdient, mindestens so berühmt zu werden wie “Weather With You”.

2. Jupiter Jones – Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich
Zweieinhalb Jahre nach ihrem Debüt sind Jupiter Jones zurück und machen beinahe da weiter, wo sie aufgehört haben. Zu den grandiosen Texten über Liebe und Einsamkeit, Aufbruch und Aufgeben hat sich die Band musikalisch weiterentwickelt und beeindruckt jetzt mit Bläsern, Streichern und natürlich auch weiterhin mit jede Menge Feuer unterm Arsch. Nenn’ es Punkrock, nenn’ es Deutschrock oder Emo – das ist eigentlich egal, denn es ist und bleibt gut: Musik mit kathartischer Wirkung.

3. Mark Ronson – Version
Mark Ronson ist DJ und Produzent (Lily Allen, Robbie Williams, …) und das, was er auf seinem zweiten Soloalbum betreibt, ist das, was ein DJ und Produzent eben so macht: Songs ineinander übergehen lassen und überraschende Klänge hervorzaubern. Neun Coverversionen gibt es, zwei Remixe und drei Instrumentaltracks und die Gaststars geben sich die Klinke in die Hand: Die charmante Lily Allen gewinnt “Oh My God” von den Kaiser Chiefs ein weibliche Londoner Komponente ab, Daniel Merriweather schmachtet sich durch “Stop Me” von The Smiths, Phantom-Planet-Sänger Alex Greenwald bezwingt (wie schon auf diesem Tribute-Sampler) Radioheads “Just” und Robbie Williams darf bei “The Only One I Know” von den Charlatans zeigen, dass er immer noch singen kann. Dazu gibt’s fette Beats und satte Bläser und schon hat man etwas ganz seltenes: ein Album, dass man auf einer Party durchlaufen lassen kann.

4. Ryan Adams – Easy Tiger
Fast anderthalb Jahre lagen zwischen der Veröffentlichung von “29” und “Easy Tiger” – Ryan Adams hatte doch nicht etwa eine Schreibblockade? Iwo: Der leicht verpeilte Alt.-Country-Rocker hat nur Anlauf genommen und will dieses Jahr noch ein Boxset mit Outtakes und Raritäten veröffentlichen. Vorher gibt es aber “Easy Tiger”, das so ziemlich alle Qualitäten des früheren Whiskeytown-Sängers vereint: Rock’n’Roll-, Folk-, Country- und Popsongs stehen nebeneinander wie Geschwister, die sich nicht so hundertprozentig ähnlich sehen, aber doch den gleichen Papa haben. Es ist Adams’ abwechslungsreichstes Album seit dem phantastischen “Gold” und vielleicht auch sein bestes seitdem. Das merkt man u.a. daran, dass bei “Two” noch nicht mal Sheryl Crow stört.

5. Ghosts – The World Is Outside
Jedes Jahr kommen junge britische Bands zu uns, die die Nachfolge von a-ha oder wenigstens der New Radicals antreten wollen. Bei manchen (Keane) klappt das, andere laufen zwar im Radio, schaffen den Durchbruch dann aber doch nicht (Orson, The Feeling, Thirteen Senses. …). Wozu Ghosts gehören werden, ist noch nicht abzusehen. Man kann aber schon sagen, dass sie schicke Popmusik machen, die uns durch den Sommer begleiten soll – egal, wie das Wetter noch wird. Das klappt vielleicht nich über die volle Albumdistanz und ist auch alles andere als neu, aber eben doch sehr nett gemacht. Wer jetzt sagt: “Na, das ist aber kein besonders überzeugendes Plädoyer”, dem sage ich: “Kann schon sein. Aber hören Sie sich das einfach mal an, es könnte Ihnen gefallen.”

Singles (inkl. iTunes-Links)
1. Beatsteaks – Cut Off The Top
Das dazugehörige Album hatte ich hier schon sträflich vernachlässigt, die Single muss aber rein. Die Beatsteaks machen mal wieder alles richtig und hauen einen schwer zu kategorisierenden Song (und ein tolles Video) raus. “Damage! Damage!”

2. Smashing Pumpkins – Tarantula
Dafür bringt man als 16-Jähriger all sein Taschengeld zum Tickethändler und geht auf ein Konzert der “Abschiedstournee”, damit sich die Band sieben Jahre später reformiert. Oder: Damit sich Billy Corgan ein paar neue Banddarsteller auf die Bühne stellt und Paris Hilton aufs Single-Cover klatscht. Der Song ist aber schon recht beachtlich, der einzige andere Ur-Pumpkin Jimmy Chamberlin knüppelt sich durch mindestens vier verschiedene Rhythmen und ich muss gleich dringend los und mir das Album kaufen. Bleibt nur die Frage: Was ist mit dem “The” im Bandnamen passiert?

3. Mika – Relax (Take It Easy)
Mika habe ich ja schon einige Male gefeiert (z.B. hier sein Album), “Relax” kann man ruhig aber noch mal extra erwähnen. Für alle, die keine Cutting-Crew-Samples und keine Kopfstimmen mögen, ist der Song natürlich eine Zumutung, für mich eine charmant durchgeknallte Disco-Nummer, die auch durch die Verwendung im Werbefernsehen keinen großen Schaden nimmt.

4. Ghosts – Stay The Night
Schon wieder Ghosts. Ja, das ist halt eingängiger Radiopop und “Stay The Night” das, was man wohl als “Gute-Laune-Musik” bezeichnen würde, wenn das nicht ein absolut widerlicher, bescheuerter Begriff wäre. Mal darüber nachgedacht, dass diese Singles-Liste immer so poplastig sein könnte, weil so wenig Mathcore- oder Experimental-Bands Singles veröffentlichen? Ist mir auch gerade erst aufgefallen.

5. Take That – Reach Out
Jawoll, ich bin endgültig wahnsinnig geworden und packe Take That auf meine Liste. Aber wieso eigentlich wahnsinnig? Das ist doch wohl einfach ein schöner Popsong, sauber geschrieben und gut gesungen. Und um mich gleich richtig lächerlich zu machen: Bin ich der einzige, den die Strophen an “Die Tiere sind unruhig” von Kante erinnern?

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I Admit I Was Impressed With The Start

Willkommen im Wir-sind-Helden- und iTunes-Fanblog!

Erstere haben für letzteres an einem “Schüleraustausch” teilgenommen und mit +44 Songtausch gespielt. Das Ergebnis: Wir Sind Helden spielen “Wenn dein Herz zu schlagen aufhört” (iTunes, MySpace), als wäre es ihr eigener Song und als hätte es das tolle “When Your Heart Stops Beating” nie gegeben. Und auch bei +44, die ich ja offen gestanden ziemlich gut finde, würde man aufs erste Ohr nicht darauf kommen, dass die gerade einen fremden Song spielen, nur das deutsche “Guten Tag” (iTunes) irritiert etwas.

Ergebnis: Das Experiment ist geglückt, keiner der Songs, keine der Bands hat Schaden genommen. Ich freue mich auf eine Fortsetzung.

PS: +44 haben sich auch noch an der MySpace-Smashing-Pumpkins-Cover-Aktion beteiligt. Ihre Version von “I Am One” kann man hier hören und sei jedem ans Herz gelegt, der Billy Corgans Stimme noch nie mochte – die von Mark Hoppus aber schon.

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Fast Times At Dropout High

Da “lied abschlussfeier” (oder Artverwandtes) in den letzten Tagen auffallend oft in den Suchanfragen aufgetaucht ist, sehe ich das als Aufruf orientierungsloser Abiturienten, die dringend ein Mottolied für ihren Schulabschluss suchen, das nicht “(I’ve Had) The Time Of My Life”, “Summer Of ’69” oder “Geile Zeit” heißt.

Euch kann geholfen werden mit dieser Liste und zahlreichen iTunes-Links:

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Musik

Großkatzen in kleinen Stücken

Send Away The Tigers - Coverentwurf (Abgelehnt)

Gestern erschien “Send Away The Tigers”, das achte Album der Manic Street Preachers. Vorgestern gab’s das Interview mit deren Sänger James Dean Bradfield, hier gibt’s die (wie immer total subjektive) Track-by-track-Analyse:

Send Away The Tigers
Der erste Titeltrack seit “Everything Must Go” – und danach klingt das Lied mit seinem Gitarren-Feedback-gestütztem Hymnen-Refrain auch ein wenig. “There’s no hope in the colonies” ist natürlich eine Auftaktzeile nach Maß und wenn die Manics auch noch ein “slow boat to China” nehmen wollen, ist mal wieder Politdisko angesagt.

Underdogs
Der Song braucht genau 42 Sekunden, bis Sean Moore ein Trommelfeuer entzündet und die Nummer in bester Leise-Strophe-lauter-Refrain-Manier in höhere Sphären prügelt. “Like the underdogs we are / Shining bright but now disappeared” kann man natürlich mal wieder auf den verschwundenen Gitarristen Richey Edwards beziehen – oder einfach ebenso laut mitgrölen wie die Zeile “People like you need to fuck / Need to fuck people like me”.

Your Love Alone Is Not Enough
James Dean Bradfield und Nina Persson schmachten sich gegenseitig an! Muss man mehr dazu schreiben? Na gut: “unübertroffen schlecht” ist höchstens Dein Geschmack, Jan Kühnemund.

Indian Summer
Da ist sie wieder: die Stadionhymne im Dreivierteltakt. Mit etwas Anstrengung kann man sogar den Text “A Design For Life” darauf singen. Atmosphärisch ganz dicht, Musikgewordene Jahreszeit.

The Second Great Depression
Ein Song, der klingt, als sei er bei den Aufnahmesessions zu Bradfields Soloalbum übriggeblieben – musikalisch wie textlich. Aber das macht zumindest mir nichts, den ich mochte “The Great Western” ja auch. Der Refrain kommt mit einem paar opulenter Streicher daher und schreit schon wieder nach Stadionrund und Feuerzeugen. “This Is My Truth Reloaded”, sozusagen.

Rendition
Diesmal geht’s gleich ganz weit zurück: “You Love Us” klopft an und mit “I wish we still had Jack Lemmon”, “Oh good God I sound like a liberal” und “I never knew the sky was a prison” gibt’s wieder jede Menge Sprüche für die Schultische und Unterarme kleiner Jungrevolutionäre.

Autumnsong
Hurrah, die Manics covern die Pumpkins!
Oh nee, doch nicht, klang nur so: nicht “Today is the greatest day I’ve ever known”, sondern “Remember that the best times are yet to come”. Die Streicher kommen diesmal schon in der Strophe, die Bridge klingt wie bei Queen. Und trotzdem – oder gerade deshalb? – eine der besten Manics-Nummern seit Jahren.

I’m Just A Patsy
Das ist der Beweis: die Manics stehen wieder voll im Saft. Selbst die nicht ganz so guten Songs rocken und bleiben besser im Ohr als zwei Drittel “Lifeblood”. Aber vielleicht hätte irgendjemand noch einen neuen Text schreiben sollen, bevor man Bradfield “I’m just a patsy for your love / I need an angel from above” singen lässt.

Imperial Body Bags
White Trash as its best. Ein Rundumschlag in Sachen Krieg, Schönheitswahn, Oberflächlichkeit und was uns sonst noch am Westen nervt. Klingt ein bisschen wie Guns N’ Roses …

Winterlovers
Die dritte Jahreszeit im zehnten Song, dazu ein “Nanana”-Refrain, der die Kaiser Chiefs beinahe neidisch machen könnte. Irgendwie nicht so ganz der große Wurf, aber eigentlich ein ganz passender Schlusstrack …

Working Class Hero
… wäre da nicht noch die heimtückische Attacke auf John Lennon. Selten waren sich Rezensenten derart einig: diese Coverversion geht gar nicht. Aber die Idee, ein ziemlich gutes Album mit dem vermutlich schlechtesten Song der Bandkarriere zu beenden, erfordert ja auch irgendwie Mut. Oder eine eindeutige “Leckt mich!”-Einstellung.

Fazit
Eigentlich darf ich sowas gar nicht schreiben, denn ich fand eh jedes Manics-Album mindestens okay: Trotzdem ist “Send Away The Tigers” das in sich stimmigste und emotional aufpeitschendste, daher vielleicht beste Album seit “Everything Must Go”. Alle Experimente sind vorbei, die Band besinnt sich auf das, was sie am besten kann, und liegt damit goldrichtig.

Send Away The Tigers - Cover (Original)
Manic Street Preachers – Send Away The Tigers

VÖ: 04.05.2007
Label: RedInk/SonyBMG
Vertrieb: Rough Trade