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Gesammelte Platten März 2010

Dieser Eintrag ist Teil 3 von bisher 8 in der Serie Gesammelte Platten

An Horse – Rearrange Beds
Manchmal ist man ja erstaunt, wie wenig es für gute Musik braucht: Mann, Frau, Schlagzeug, Gitarre — und den Verzicht auf Riffs, die betrunkene Fußballfans mitgrölen könnten. Stattdessen Indierock, irgendwo zwischen Tegan And Sara, Sleater-Kinney und den Yeah Yeah Yeahs. Große Geste und kluge Texte. Wer die Australier im Vorprogramm von Simon den Hartog verpasst hat (und das trotz massiver Berichterstattung), hat im Sommer noch einmal Gelegenheit sich davon zu überzeugen, dass die beiden diesen Sound auch live hinbekommen. (LH, Rezensionsexemplar)

Frightened Rabbit – The Winter Of Mixed Drinks
Ich kann ja jetzt nicht jedes Mal schreiben, wie indiemüde ich bin. Zumal wenn da so eine Band vorbeikommt wie Frightened Rabbit und durch die Wohnung fegt wie ein Hausmädchen auf Speed, die Fenster aufreißt, die Betten aufschüttelt und generell den Frühling herbeitanzt. Passend zum Albumtitel. Mir sind die Vokabeln ausgegangen, aber “The Winter Of Mixed Drinks” ist ziemlich genau das Album, das die Shout Out Louds dieses Jahr leider nicht gemacht haben: Alles natürlich schon mal da gewesen, aber neu zusammengesetzt und in seiner Gesamtheit uplifting as hell. (LH, Rezensionsexemplar)

Peter Gabriel – Scratch My Back
Wer wie ich “Scrubs” liebt, der hat bestimmt auch wie ein Schlosshund geheult, als nach der achten Staffel erstmal jeder dachte, es ist jetzt wirklich zu Ende. Kein J.D. mehr, kein Turk, kein Janitor, der sich die phänomenalsten Dinger ausdenkt. All der liebenswerte Schwachsinn ist zu Ende. Aber ich schweife ab.
Im Abspann bei “Scrubs”, als man sehen kann wie das Leben aller Protagonisten verläuft, lief der wohl schönste Song, den ich bisher kannte: “The Book Of Love”. Eigentlich von den Magnetic Fields, aber nur Peter Gabriel singt ihn richtig, trifft die Töne da wo man beim Hören Gänsehaut bekommt und hat diese unbeschreiblichen Geigen. Was soll man aber von Peter Gabriel halten, der auf einmal nur noch Cover auf eine Platte zusammen bringt? Ich bin ehrlich: Ich dachte mir, dass es nix wird, und ich war skeptisch und hab versucht, mir nicht von den Geigen das Hirn weich-fideln zu lassen. Hat nicht funktioniert. Mit “Scrach My Back” hat sich Peter Gabriel was gutes ausgedacht, die Cover sind alle mit Orchester neu interpretiert worden, vielleicht ein wenig zu viel Geige und Pathos. “Après Moi” von Regina Spektor klingt sehr düster. “Mirrorball” von Elbow darf man eigentlich gar nicht vergleichen und “Flume” von Bon Iver ist was ganz anderes. Die Songs werden – und das ist ja auch das schöne an Covern – in eine andere Richtung geschubst und man sieht manche Songs von anderen Seiten und entdeckt vielleicht noch eine Nuance mehr, an der man sich festlieben kann. So ging es mit “Mirrorball” und mit “My Body Is A Cage”.
Man darf gespannt sein, wie “I’ll Scratch Yours” wird, das Album, auf dem die gecoverten Künstler wiederum Peter Gabriel covern. (AK)

Kashmir – Trespassers
Ich würde mich manchmal wirklich gerne besser daran erinnern können, wo ich bestimmte Bands zum ersten Mal gehört hab. Da wär die Einleitungs-Anekdote ein wenig einfacher. Bei Kashmir fallen mir nur Raketen und Weltraumreisen an. Also ich bin jetzt keine Astronautin und mit Raketen hab ich auch nichts am Hut, aber bei dem Titel und dem Opener “Mouthful Of Wasps” fühlt man sich irgendwie wie auf einer Weltraumreise, jedenfalls in anderen Sphären. “Still Boy” pulsiert und “Danger Bear” kühlt das Getriebe wieder etwas runter. Album Nummer sechs der Band aus Dänemark ist sehr vielseitig gewrden. Große Melodien zusammen mit Orchester, die eindringliche Stimme von Kasper Eistrup, diese berühmte Kashmir-esquen Gitarrenpassagen, Lieder, die Geschichten sind, und Melodien, die über einem wie Wellen zusammenbrechen. Ja, vielleicht sind Kashmir ähnlich wie das Meer. Weit und durcheinander, opulent, geräuschvoll, harmonisch und chaotisch. (AK, Rezensionsexemplar)

Laura Marling – I Speak Because I Can
Wenn man auf Play drückt, dann hört man am Anfang click-knister-Geräusche und etwas, was ein wenig nach Wind klingt. Und dann sowas wie Synthieorgeln — damals in der Schule lernte ich, sowas zählt zu einer Kakophonie. Ah ja. Dann setzt die Gitarre ein und die Sitmme von Laura Marling und der erste song “Devil Spoke” zischt und trifft. Ab da ist die ganze Platte “I Speak Because I Can” der britischen Singer/Songwriterin einer der Ohrenschmäuse des Monats März. Vielelicht sogar des Jahres. Apropos “Schmaus”: Wie mir meine Mutter neulich beibrachte, ist “Schmauen das neue Schmausen”. “Schmauen” bedeutet, dass man sich Zeit nimmt und genießt. Und dasselbe kann man vortrefflich mit dieser Platte machen. Play drücken und schmauen. Es steckt, für eine 20 Jahre junge Frau, schon unglaublich viel in dieser Laura Marling. Die Texte sind unglaublich weise. Die Melodien sind wahnsinnig voll mit Gefühlen und die Stimme von Laura ist sehr klar und präsent. Sie will gehört werden, weil sie etwas zu sagen hat. “Stürmischer Folk” und, sagt der NME, ähnlich wie Mumford & Sons. Ja, weil stürmisch ganz hervorragend passt und Mumford & Sons ein ähliches Talent für Geschichten und Melodien besitzen. Nein, weil Laura Marling mit ihrem Album “I Speak Because I Can” sich nicht einreiht, sondern sehr gut auf eigenen Beinen steht. (AK)

Lou Rhodes – One Good Thing
Unglaublich traurig muss diese Lou Rhodes sein. Ihre beiden Vorgänger-Alben kenne ich nicht und vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Eine Stimme, die sich zwischen Anna Ternheim und Martha Wainwright stecken lässt, eine feine Gitarre und Melodien, die Folk und Emotionen einfangen. Die Stimme von Mrs. Rhodes ist sehr schön, wechselt zwischen hoch und tief und besitzt dieses leicht kratzige, balsamige. Perfekt für Melancholie. “One Good Thing”, das dritte Album, besticht nicht mit Diversität, jedoch mit Emotionen. Die Songs mäandern ineinander und man hat hier diesen 90er Jahre Techno-Effekt — es hört sich alles gleich an. Dennoch: “The More I Run” und “One Good Thing” sind für mich die beiden Highlights. Mit Sicherheit hat es Lou Rhodes gut gemeint, hat ihr volles Herzblut hineingesteckt. Leider halte ich 11 traurige Lieder nicht so lange durch. Ich mag Melancholie sehr gerne, in gesunder Dosierung. Vielleicht darf ich die Platte aber auch nicht so oft am Stück hören. (AK)

She & Him – Volume Two
Wie macht Sie das bloß? Manchmal frag ich mich, wie man so viel Dinge gleichzeitig machen kann. Jedenfalls fällt mir für diese “Kritik” nur positives ein. Zooey Deschanel, ist einfach eine dieser Superfrauen, die ihre Sache gut machen. Nicht des Erfolges wegen, sondern weil sie es einfach von Herzen gerne Musik machen. Und das hört man auch. Das Zweite Album, das Frau Deschanel mit Mr. M. Ward komponiert hat, ist so eine “Lieblingsplatte” geworden. Die muss man einfach mögen, beim Hören hat man ein Lächeln auf den Lippen und es geht einem gut. Sie ist ein wenig fröhlicher als die erste Platte und auch ein wenig schneller. Diesmal hört man auch M. Ward öfter singen. She & Him haben ihr Herz immernoch am gleichen Fleck, und auch der schnörkelige Sound ist geblieben. Sie und Er sind eben beide Nostalgiker, ein wenig Fünziger-Jahre-Kitsch und immer ist irgendwo ein Polkadot. Wer also mit Schmunzeln und guter Laune durch die Welt laufen mag, dem sei “Volume 2” ans Herz gelegt. (AK)

Mitarbeit an dieser Ausgabe:
AK: Annika Krüger
LH: Lukas Heinser

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Autumnsongs

Als ich heute Morgen erwachte, war draußen Herbst. “Nun ja”, dachte ich, “das kann ja mal passieren!” Ich verwarf meine eigentlichen Blogpläne für heute, warf iTunes an und mich nebst Buch aufs Bett. Dann war mir aber doch für einen Moment langweilig und deshalb stelle ich jetzt hier exklusiv die Top Twenty meiner liebsten Herbst-Alben vor:

20. Manic Street Preachers – This Is My Truth Tell Me Yours (VÖ: 25. August 1998)
Überlebensgroßer Britpop des walisischen Trios. Jeder Song eine Hymne, jedes Streichinstrument eine Umarmung.
Definitiver Herbstsong: “The Everlasting”

19. The Smashing Pumpkins – Adore (VÖ: 2. Juni 1998)
Die unendliche Traurigkeit der zum Trio geschrumpften Pumpkins ging weiter. Billy Corgan spielt mit Drumcomputern rum und ist doch reduzierter denn je.
Definitiver Herbstsong: “Blank Page”

18. Dan Bern – New American Language (VÖ: 6. Mai 2002)
Amerikanischer Singer/Songwriter, der das exakte Mittelding zwischen Bob Dylan und Elvis Costello ist. Schade, dass das keiner kennt.
Definitiver Herbstsong: “Albuquerque Lullaby”

17. Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chronicles Of A Bohemian Teenager (VÖ: 16. Februar 2007)
Der Junge mit der Gitarre und dem Drumcomputer aus Großbritannien. Muss sich eigentlich noch im kalendarischen Herbst beweisen, wird das aber sicher schaffen.
Definitiver Herbstsong: “Call Me Ishmael”

16. Toploader – Onka’s Big Moka (VÖ: 14. August 2000)
Das One Hit Wonder mit dem Bubblegum Radiopop. Trotzdem ist nicht nur das Albumcover wunderbar herbstlich, sondern auch die Musik.
Definitiver Herbstsong: “Only For A While”

15. Embrace – If You’ve Never Been (VÖ: 5. September 2001)
Die Britpop-Brüder, die nicht Oasis sind, mit ihrem eigentlich schwächsten Album. Trotzdem ein echter Herbst-Dauerbrenner mit einigen großen Melodien.
Definitiver Herbstsong: “Make It Last”

14. The Fray – How To Save A Life (VÖ: 27. Oktober 2006)
Collegerock auf dem Klavier, gemacht von vier überzeugten Christen aus Denver. Man muss schon einen Soft Spot für eine gewisse Menge Pathos haben, dann ist es aber großartig.
Definitiver Herbstsong: “Heaven Forbid”

13. Radiohead – Kid A (VÖ: 29. September 2000)
Das große, sperrige Meisterwerk der besten Band unserer Zeit. Unbeschreiblich und unbeschreiblich gut.
Definitiver Herbstsong: “How To Disappear Completely”

12. The Finn Brothers – Everyone Is Here (VÖ: 20. August 2004)
Neil und Tim Finn haben mit Split Enz und Crowded House beinahe im Alleingang die Musikgeschichte Neuseelands und Australien geschrieben. Als Finn Brothers schreiben sie daran weiter.
Definitiver Herbstsong: “Edible Flowers”

11. Kashmir – Zitilites (VÖ: 11. August 2003)
Die Wiederaufnahme von “Kid A” mit anderen, dänischen Mitteln. Kashmir machen alles richtig und sichern sich einen Platz in den Musikannalen, Kategorie: “Ständig übersehene Genies”.
Definitiver Herbstsong: “The Aftermath”

10. Maximilian Hecker – Infinite Love Songs (VÖ: 28. September 2001)
Sie können Falsettgesang und hoffnungslos romantische Texte nicht ausstehen? Dann werden Sie mit diesem Album nicht glücklich werden. Alle anderen schon.
Definitiver Herbstsong: “The Days Are Long And Filled With Pain”

09. The Cardigans – Long Gone Before Daylight (VÖ: 24. März 2003)
Mit diesem Folk-Album zeigten die Cardigans endgültig allen, dass sie kein Bubblegum Pop One Hit Wonder sind. Und wer vorher noch nicht in Nina Persson verliebt war, war es danach.
Definitiver Herbstsong: “You’re The Storm”

08. Death Cab For Cutie – Plans (VÖ: 29. August 2005)
Mit “O.C., California” und einem Majorlabel im Rücken eroberten DCFC endlich die Welt im Sturm. Wäre aber auch zu schade gewesen, wenn man dieses großartige Indiepop-Album übersehen hätte.
Definitiver Herbstsong: “Different Names For The Same Thing”

07. Muff Potter – Heute wird gewonnen, bitte (VÖ: 15. September 2003)
Nach Jahren des Übens und Fingerwundspielens an der Deutschpunk-Front waren Muff Potter bereit für ihr Meisterwerk. 14 Songs zwischen Bordsteinkante und Mond, die alles um einen herum vergessen machen.
Definitiver Herbstsong: “Das Ernte 23 Dankfest”

06. The Postal Service – Give Up (VÖ: 28. April 2003)
Death-Cab-Sänger Ben Gibbard und Dntel-Mastermind Jimmy Tamborello zeigen auf zehn Songs, dass sich Elektronik und Folksongs nicht ausschließen müssen – und die Welt von Indiedisco-DJs und Soundtrack-Kompilierern war hinfort nicht mehr die Selbe.
Definitiver Herbstsong: “The District Sleeps Alone Tonight”

05. Coldplay – Parachutes (VÖ: 21. Juli 2000)
Bevor sie Fußballstadien und Vorabendserien beschallten, waren Coldplay für einen Herbst die kleinen verhuschten Indienerds, die einen über unerfüllte Lieben und nasskalte Heimwege vom Schulsport hinwegtrösteten. We live in a beautiful world und everthing’s not lost.
Definitiver Herbstsong: “We Never Change”

04. Ben Folds – Rockin’ The Suburbs (VÖ: 11. September 2001)
Das erste Soloalbum nach dem Ende von Ben Folds Five, erschienen an dem Tag, nach dem nichts mehr so war wie zuvor. Großartige Songs voller Klaviere und Melancholie – und voller Witz und Ironie.
Definitiver Herbstsong: “Carrying Cathy”

03. Starsailor – Love Is Here (VÖ: 19. Oktober 2001)
Sie sollten die nächsten Coldplay werden, wenn nicht auch noch Jeff und Tim Buckley und möglicherweise Nick Drake – das konnte ja kaum klappen. Starsailor lieferten trotzdem ein unglaublich großartiges Album ab – und ließen Coldplay dann den Vortritt bei der Weltkarriere.
Definitiver Herbstsong: “Fever”

02. R.E.M. – Automatic For The People (VÖ: 1. Oktober 1992)
R.E.M. schafften den endgültigen Sprung vom Geheimtipp zu Megastars – sonst änderte sich nichts. Wer wissen will, wie sowas geht, sollte das Album hören.
Definitiver Herbstsong: Alle – einfach alle.

01. Travis – The Man Who (VÖ: 28. Mai 1999)
Kein Wunder, dass das Album in Deutschland erst im Herbst so richtig seine Hörer fand: der Sommer ’99 war einfach zu trocken für “Why Does It Always Rain On Me?”. Wer die Bedeutung des Wortes “Melancholie” erfahren will, ist hier richtig. Alle anderen auch.
Definitiver Herbstsong: “Turn”