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Musik Digital

Word Gets Around

2010 scheint sich unerfreulicherweise als Jahr des großen Musikersterbens in die Geschichtsbücher brennen zu wollen: Stuart Cable, der frühere Schlagzeuger der Stereophonics, ist tot.

Wie mittlerweile eigentlich üblich, erreichte mich die traurige Nachricht per Facebook.

Ich hätte es aber auch zufällig auf der Startseite von – hold your breathBild.de erfahren können:

Stereophonics:
Ex-Drummer Stuart Cable ist tot

Nicht erfahren hätte ich es hingegen (Stand 14.55 Uhr) auf den “News”-Seiten der Musikzeitschriften “Visions”, “Musikexpress” und “Rolling Stone”. Aber was hätte ich auch da gewollt?

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Literatur Print

Nicht intelligent genug

Im Januar 2006 schrieb der “Musikexpress” im Jahresrückblick auf 2005:

Jetzt haben sogar die Rolling Stones ein Lied über Ulf Poschardt geschrieben: “Sweet Neocon”. […] Die deutschen Neokonservativen verbergen sich hinter der “Initiative Neue Marktwirtschaft”, eine Agentur, die erfolgreich ihre Themen setzte. Zuletzt versuchten sie uns einzureden → “Du bist Deutschland”. Der Höhe- bzw. Tiefpunkt der neoliberalen Debatte war erreicht, als der Kulturwissenschaftler und angebliche ex-Linke Ulf Poschardt (“DJ Culture”) vor den Wahlen allen Ernstes forderte: Westerwelle wählen gut, denn: FDP = mutig, radikal, wichtig und irgendwie auch: Pop. Ja, alles klar, gute Nacht.

Ein Jahr später war Poschardt Chefredakteur beim Launch der deutschen Ausgabe der “Vanity Fair”, die er nach nicht mal einem Jahr wieder verließ. Seitdem hatte ich erfrischend wenig von ihm gehört, aber er fungiert jetzt offenbar als Herausgeber von “Rolling Stone”, “Metal Hammer” und – verdammte Ironie – “Musikexpress”.

Außerdem ist Poschardt stellvertretender Chefredakteur der “Welt am Sonntag”, in der er heute umständlich über zwei Bücher schreibt, die vor zehn Jahren erschienen sind: “Tristesse Royale” und “Generation Golf”.

Nach allerlei gesellschafts- und kulturgeschichtlicher Einordnung, an der einiges stimmen mag und einiges gewollt erscheint, schwingt sich Poschardt zu seiner Kernaussage auf:

Im neuen Kabinett sind Figuren wie Rösler, Röttgen, Guttenberg und Westerwelle Aktualisierung jenes kokett Adretten, das mit Stallgeruch so wenig anfangen kann wie mit Herrenwitzen. Die postheroische Eleganz ist bei den jüngeren Politikern mit einem Hauch Populismus versetzt, um das Zeitgenössische wählbar werden zu lassen.

Es macht keinen Spaß, sich durch Poschardts Text zu quälen, aber eigentlich muss man das ja auch nicht. Denn wie fragte Benjamin von Stuckrad-Barre in dem Buch, über das Poschardt schreibt?

Warum sind wir nicht intelligent genug, nicht so oft über Ulf Poschardt zu sprechen?

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Relaunch My Fire

Ich habe ja nie ernsthaft in einer Redaktion gearbeitet, könnte mir aber vorstellen, dass an dem Tag, an dem man dort beschließt, den grafischen Auftritt des Produkts zu überholen (also zu “relaunchen”), dass an diesem Tag also neben Grafikern auch Nervenärzte und Seelsorger die Redaktionsräume beziehen. Die Grafiker für das Design, die Seelsorger für die Leserbeschwerden und die Nervenärzte für die von den eigenen Lesern gepeinigten Redakteure.

Wie konservativ ein Mensch wirklich ist, kann man ganz leicht überprüfen, indem man seine Tageszeitung neu gestaltet: Menschen, die alle paar Jahre mit ihren jeweiligen Partnern umziehen, viel Geld bei der Typberatung lassen und nicht davor zurückschrecken würden, Privatfernseh-Wohnraumexperten durch ihre eigenen vier Wände pflügen zu lassen, legen eine erschütternde Kompromisslosigkeit an den Tag, wenn es um ihre tägliche Lektüre geht. Was insofern erstaunlich ist, als mir spontan keine einzige deutsche Zeitung oder Zeitschrift einfiele, die wirklich uneingeschränkt schön und in ihrem jetzigen Zustand bewahrenswert wäre. Aber Leser finden den Relaunch ja in der Regel auch nicht hässlich, sondern nur anders.

Insofern wünsche ich den Redakteuren vom “Musikexpress” jetzt schon mal viel Kraft (und stabile Tischplatten) für die nächsten Wochen. Wie ich nämlich kürzlich am Bahnhof feststellen musste, ist das Blatt ganz neu gestaltet worden und sieht jetzt endlich auch so aus wie “intro”, “Spex”, “Neon”, “Zeit Campus” und “brand:eins”.

Der neue "Musikexpress"

Der neue "Musikexpress"

Der neue "Musikexpress"

Der neue "Musikexpress"

Der neue "Musikexpress"

Als Design-interessierter, aber weitgehend -unkundiger Leser würde ich sagen: Die neue Überschriften-Schriftart (die mich ein bisschen an die im “New Yorker” erinnert) ist gar nicht schlecht, die neue Standard-Schriftart nett, aber verbraucht (s.o.). Die Idee, Überschriften über mehr als eine Heftseite zu ziehen (“Selektor”), wirkt auf den ersten Blick originell, ist aber vermutlich auch schon zehn Jahre alt, und das, was da bei “Spielt die Grenzen fort” passiert ist, sieht eher wie ein Unfall aus als wie eine Überschrift.

Gut gefällt mir die Kombination aus eng beschriebenen Spalten und den relativ großen Weißflächen (wobei Weißflächen vermutlich auch “sooo 2002” sind) — nur in der “News”-Rubrik hätte mindestens ein Trenner-Symbol zwischen den einzelnen Meldungen Not getan.

Dafür, dass ich so selten Musikzeitschriften lese (und der US-“Rolling Stone” auf dem Gebiet ein zeitloses Klassiker-Design vorgelegt hat), gefällt mir der neue “Musikexpress” ganz gut. Warum es allerdings plötzlich ein Poster als Beilage braucht (so wie seit einem halben Jahr in der “Visions”), erschließt sich mir nicht so ganz. Mit Mando Diao und Peter Fox zeigt dieses auch noch zwei Acts, die man genauso gut in der “Bravo” finden könnte.

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Digital Musik

Wagners Arie

Patrick Wagner war mal Sänger der mittelguten Band Surrogat, heute betreibt er das Label Louisville Records, bei dem einige mittelgute Bands sowie die grandiosen Naked Lunch unter Vertrag sind. Dort erscheint jetzt das Debütalbum von Navel, die dieses Jahr einen bereits sicheren Supportslot für die Smashing Pumpkins mit der Begründung ablehnten, sie hätten es nicht nötig “mit so abgehalfterten Rockopas wie Smashing Pumpins zu touren”. Kurz vor Veröffentlichung hat sich Herr Wagner, der mit Franz Josef nicht nur den Nachnamen, sondern auch ein mitunter bizarres Selbstverständnis gemein hat, mal ein bisschen ausgekotzt über diese ganzen Blödmänner im Musikbiz, die Navel nicht hinreichend zu würdigen wissen:

Grossartig auch Leute wie Christoph von MTV – “Bei Navel könnte ich mir echt gut vorstellen, wenn das Video gut wird, dass wir da einen Newcomer Deal anbieten könnten – ca 10 000€ später, ist das Video zwei mal gelaufen und MTV lässt über Dritte ausrichten, dass man keinen Rock spiele auf MTV – als hätten sie das nicht einen Moment früher gewusst. Besser sind da schon die herrlichen Kollegen von den Printmedien – am besten aus der Rockhauptstadt München vom Musikexpress – zB. Oliver “das sind Newcomer, oder ?- Ja dann musst du mit Christoph sprechen: “ich weiss nicht ob ich da was bringen kann, es ist so viel los gerade” die Wahrheit ist, dass im März/April ausser Nick Cave und Portishead keine einzige auch nur halbwegs anhörbare Platte rausgekommen ist, da nimmt man schon mal eine Künstlerin aufs Cover die grade nur Coverversionen veröffentlicht, wenn das nicht die Musik vorantreibt? Toll auch Markus vom Radio Sender “Eldoradio” (Hörerschnitt: 4/Tag), der ganz gerne von einem erwartet, dass man für ihn und seinen beschissenen Sender und seine absolut irrelevanten Campuscharts einen Song umschreibt oder ne andre Single auskoppelt und im gleichen Atemzug sagt “Kettcar finden wir zwar auch scheisse, müssen wir aber machen”. Da sind mir die Kollegen von der Spex schon lieber, die einfach, sagen, “da machen wir nichts”, -genauso hab ich mir nen Diskurs vorgestellt.

Mal davon ab, dass die Campusradios zu den wenigen Sendern gehören dürften, die Bands von Louisville Records spielen: Jeder, der schon mal mit “Markus vom Radio Sender ‘Eldoradio'” zusammengearbeitet hat, wird Wagners Schmerz nachempfinden können.

[via taz Popblog]

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Musik Print

Zitatenstrauß: Fran Healy

Coffee-And-TV-Vorsatz für 2008: Ein paar neue Rubriken einführen und sie auch wirklich durchziehen. Nicht nach einer oder zwei Episoden einfach auslaufen lassen.

Im aktuellen “Musikexpress” (Januar 2008) ist ein “Blind Date” mit Travis. Das Konzept ist so einfach wie (meist) gut: Man spielt Musikern ein paar Songs vor und schreibt auf, ob und wann sie das Lied erkennen und was sie dazu sagen. Im konkreten Fall bekam Fran Healy “Weird Fishes/Arpeggi” von Radiohead vorgespielt. Und für einen Moment antwortete nicht mehr der Schwiegermutter-Darling Franny, sondern ein genervter Hörer:

FRAN: Ist das die neue Radiohead?
Ja. Wie findest Du Sie?
FRAN: Ich finde, dass Nigel Godrich wie üblich einen fantastischen Job gemacht hat. Sein Sound, seine Produktion ist fantastisch, ohne Nigel würde es Radiohead nicht geben. Aber ich sehe nicht den Sinn, Alben zu machen, die ausgedehnte Jams sind, über die er (Thom Yorke, Anm. d. R.) dann drübermurmelt. Es solle sich endlich jemand ein Herz fassen und ihm sagen, bitte schreib einen verdammten Song! Du bist nämlich ein toller Songwriter. Und ein toller Sänger. Aber das hier ist für mich einfach … (äfft Yorkes leiernden Gesang nach) “Woozywooziwoo …” Fuck off! Ich hab’s satt.
Warst Du früher Fan?
FRAN: Ich war riesiger Radiohead-Fan. Weil sie großartige Songs schrieben und er SANG. Heute ist es ihm offenbar peinlich, eine gute Melodie zu schreiben. Er macht lieber diese kleinen Soundcollagen. Den Leuten gefällt’s, klar, weil Radiohead zu mögen eine Lifestyle-Entscheidung ist: “Ich mag Radiohead”, “Ich lese dieses und jenes Magazin”, “Ich trage diese und jene Kleidung”, “Ich bin diese und jene Art Mensch”.
Wann ging die Enttäuschung los? Mit KID A?
FRAN: Nein, KID A war toll, damals. Aber dann fingen sie an, diese gleiche Platte immer wieder zu machen.

Hätte von mir sein können …

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Musik

Listenpanik: Alben 2007

So ein Jahr geht ja dann doch schneller zu Ende als man denkt: Zwar ist es irgendwie absurd, noch vor Silvester zurückzublicken, aber unsere hektische, durchorganisierte Welt lässt sich von Logik nicht aufhalten. Deshalb habe ich nach den Songs (bei denen ich am liebsten schon wieder mittelgroße Korrekturen vornehmen würde) jetzt meine Alben des Jahres 2007 sortiert, abgepackt und niedergeschrieben.

Zwar hatte ich nach der Lektüre der Jahresrückschau im “Musikexpress”, dessen Position als letztes von mir gelesenes Papiermagazin damit auch stark ins Wanken geraten ist, keine große Lust mehr, über dieses mir plötzlich beliebig und unspannend erscheinende Musikjahr zu schreiben, aber dann beguckte ich mein CD-Regal und dachte: “Jetzt erst recht!”

Und weil so viele Künstler auch in der Song-Liste vertreten waren, hab ich mir als Anspieltipps für die Alben mal andere Stücke ausgesucht.

1. Bloc Party – A Weekend In The City
Wo anfangen? Vielleicht mit dem Erstaunen darüber, dass Bloc Party ihr Erstwerk toppen konnten. Oder doch damit, dass kein Pop-Album der letzten fünf Jahre einen besseren Spannungsbogen hatte? Mit der großartigen Mischung aus Hoffnung und Resignation, Politik und Liebe, Tanzboden und Kuschelecke? Die tollen Rhythmen loben, die wunderbaren Gitarren, die astreine Produktion von Jackknife Lee oder die über allem thronende Stimme von Kele Okereke?
Bullshit: Wenn einen ein Album am 30. Dezember noch so begeistert wie am 2. Februar, dann ist es wohl das Album des Jahres.
Anspieltipp: “Sunday”

2. Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chronicles Of A Bohemian Teenager
Kennen Sie Sam Duckworth? Ich musste den Namen auch gerade erst mal wieder nachschlagen. Aber seine Band Get Cape. Wear Cape. Fly sollten Sie kennen. So außergewöhnlich, dass mir dazu nur so sinnlose Beschreibungen wie “Akustikemolektro” einfallen. Klingt tausendmal toller als es sich anhört. Ein bisschen froh bin ich aber schon, dass das Album erst nach den großen Sinnkrisen meiner Teenager-Jahre erschienen ist.
Anspieltipp: “War Of The Worlds”

3. Kilians – Kill The Kilians
Es wäre eine schöne Gelegenheit, mit dieser 35. Erwähnung der Band in diesem Blog eine kleine diesbezügliche Pause einzulegen. Ich glaube, es ist schon alles gesagt, gesungen und gefilmt worden. Aber toll ist die Platte immer noch
Anspieltipp: “Something To Arrive”

4. Stars – In Our Bedroom After The War
Diese Kanadier: 33 Millionen Einwohner, von denen etwa die Hälfte in jeweils mindestens zwei Bands musiziert. Nicht alle sind so erfolgreich wie Bryan Adams und Avril Lavigne, aber auch nicht alle machen so schlechte Musik. Stars machen zum Beispiel ganz wunderbaren Indiepop, der zwischen Konzertsaal und Disco schwankt und sich mit großer Freude gleichzeitig bei The Smiths, Bee Gees und Phil Spector bedient. Toll!
Anspieltipp: “Take Me To The Riot”

5. Shout Out Louds – Our Ill Wills
Das selbe in grün schwedisch. The Cure statt The Smiths und Abba statt Bee Gees, sonst aber genauso gelungener Indiepop wie bei Stars. Die Shout Out Louds lieferten mit “Tonight I Have To Leave It” meinen Song des Jahres und sind auch bei den Alben wieder ganz vorne mit dabei.
Anspieltipp: “Parents Livingroom”

6. The Weakerthans – Reunion Tour
Schon wieder Kanadier. Na ja, das Land habe ich ja oben schon ausführlichst *hüstel* vorgestellt, da freuen wir uns lieber noch ein paar Zeilen über dieses tolle Album und wundern uns, dass kein Song in meiner Jahresbestenliste gelandet ist. Peinlich, peinlich. Wie’s klingt? Na ja, wenn ich jetzt wieder “Indiepop” schreibe, glaub ich es mir ja langsam selber nicht mehr. “Toll” war auch schon zu oft, dann klingt es halt einfach so, wie ein Weakerthans-Album im Jahr 2007 klingen sollte. Logikschleife geschlossen, Zeilen gefüllt!
Anspieltipp: “Civil Twilight”

7. Travis – The Boy With No Name
Ja, gut: Ich bin Fan, Travis werden wohl nie ein Album machen, das ich wirklich doof finde. Vielleicht war es deshalb der doch eher irgendwie ein bisschen enttäuschende Vorgänger “12 Memories”, der mich “The Boy With No Name” umso mehr mögen ließ. Aber was will man machen? Jede Menge schöne Melodien mit klugen Texten, viel mehr braucht’s halt auch nicht für ein gutes Album.
Anspieltipp: “Colder”

8. Tocotronic – Kapitulation
Tocotronic sind einfach mit jedem Album gut. Vielleicht nicht so gut, dass man “Kapitulation” gleich krakeelend zum Album des Jahres ernennen und der Band eine Vorreiterstellung in Wasauchimmer unterstellen muss, aber eben schon besser als jedes andere deutschsprachige Album in diesem Jahr. Freuen wir uns auch auf das nächste Album und hoffen, dass es nicht ausgerechnet in einem Jahr mit den neuen Werken von Element Of Crime und Tomte erscheint, was zu einem unnötigen Showdown führen würde.
Anspieltipp: “Verschwör dich gegen dich”

9. The Wombats – A Guide To Love, Loss & Desperation
Ja, was machen die denn da? Ich wollte doch nie mehr “junge freche britische Bands” hören. Sie stehen mir sowas von bis hier, dass ich das zweite Arctic-Monkeys-Album bis heute nicht gehört habe. Ein Fehler? Mir egal. Ich hab ja The Wombats und die sind besser als alle anderen Bands, die ich alle nicht kenne.
Anspieltipp: “Kill The Director”

10. Underworld – Oblivion With Bells
Berlin, Friedrichstraße. Oktober, Abend, Regen. Underworld machen aus dem Touristentrampelpfad vorbei an Luxuskaufhäusern für ein, zwei Momente New York. Ralph Fiennes wird in einem Auto an mir vorbei gezogen. Alles fühlt sich so urban an – und das liegt verdammtnochmal nicht an der “Arm, aber sexy”-Metropole, sondern an diesem atemberaubend guten Elektro-Album.
Neulich sah ich das Video zu “Beautiful Burnout” im Fernsehen (GoTV, natürlich): Über acht Minuten, überhaupt nicht weltstädtisch, sondern klein, billig, schmuddelig. Und trotzdem hatte ich wieder ein Gefühl wie auf dem Gipfel der Welt.
Anspieltipp: “Beautiful Burnout”

11. The Blood Arm – Lie Lover Lie
Wie man sich meine Gunst erspielt: Klavier nehmen, draufhauen, semi-alberne Texte mehrstimmig anstimmen. So sind Ben Folds Five damals meine Lieblingsband geworden, so ähnlich haben sich The Blood Arm einen Platz in meiner Liste erkämpft.
Anspieltipp: “The Chasers”

12. Justice – †
Es ist mir beinahe unangenehm, diese Platte zu nennen. Da könnte man ja gleich Grönemeyer oder … äh: Bloc Party nehmen, wenn man Konsens haben will. Egal, was die Musikfeuilletonisten jetzt schon wieder für einen Trend herbeischreiben wollen: Das Album mit dem Kreuz im Titel ist und bleibt super. Bitte tanzen Sie N.O.W.
Anspieltipp: “Tthhee Ppaarrttyy”

13. Wir Sind Helden – Soundso
Die ganz große Aufmerksamkeit in den Medien hat etwas nachgelassen, vielleicht hat “Polylux” nicht mal mehr einen Beitrag über Judith Holofernes als “Stimme ihrer Generation” gebracht. Wir Sind Helden haben ihr Leben zurück und sind so gut wie am ersten Tag. Bei fast jeder Band hätte ich Angst, dass sie einen Song wie “The Geek (Shall Inherit)” nicht mehr toppen können wird, aber Wir Sind Helden machen seit “Denkmal” ja nichts anderes. Also: Weitermachen!
Anspieltipp: “Soundso”

13. The Killers – Sawdust
“Ey, Alter, das ist doch nur eine Raritätensammlung! Was soll die denn bei den Alben des Jahres? ‘Alben’, hörst Du?” Also bitte, liebe Stimmen in meinem Kopf: Seid still! Natürlich ist das “nur” eine Raritätensammlung. Aber so manche Band wäre froh, das als Album hinzukriegen! Manche Sachen sind natürlich etwas sehr abseitig und würden auf einem “normalen” Album vielleicht überfordern, aber auf diesem Zwischending dürfen sich The Killers austoben. Mit Joy-Division-Cover, Westerngitarren und Lou Reed. Meine Prognose fürs dritte Album: Da geht noch einiges!
Anspieltipp: “Move Away”

14. Jimmy Eat World – Chase This Light
Liebe Kinder, wenn Ihr nicht wollt, dass Ihr auch mal eher so mittelmäßige Alben so lange hört, bis Ihr sie toll findet, dann werdet besser nie Fan!
Rational betrachtet ist “Chase This Light” immer noch ein relativ unbedeutendes Album, das eine ganze Spur zu poppig produziert wurde. Tatsächlich ist es aber genau die Musik, die ich morgens auf dem Weg zur Uni hören möchte. Oder nachts, wenn ich betrunken nach hause taumele. Oder dazwischen. Also muss man einfach zu dem stehen, was man mag, und sagen: “Chase This Light” ist doch ein ganz schönes Album, irgendwie.
Anspieltipp: “Here It Goes”

15. Muff Potter – Steady Fremdkörper
Wieso ist mir “Steady Fremdkörper” eigentlich nie so ein treuer Freund und Begleiter geworden wie die beiden Vorgängeralben? Vermutlich, weil das Album im Sommer rauskam, viel zu früh für kahle Bäume und Blättermatsch. Natürlich ist es trotzdem wieder ein sehr gutes Album geworden, was ich mit einem sehr okayen fünfzehnten Platz in meiner Jahreshitparade noch einmal hervorheben möchte.
Anspieltipp: “Das seh ich erst wenn ich’s glaube”

16. Manic Street Preachers – Send Away The Tigers
Die Manics nach der Frischzellenkur: Zurück auf Anfang “Everything Must Go”, zurück zu Pathos, großer Geste, Melancholie und Parolendrescherei. Es hielt sich letztlich nicht ganz so gut wie das interne Vorbild, aber “Send Away The Tigers” ist trotzdem ein gelungenes Album und ein guter Ausgangspunkt für einen Neuanfang.
Anspieltipp: “Indian Summer”

17. Foo Fighters – Echoes, Silence, Patience And Grace
Und noch eine Band, die schon vor zehn Jahren hätte auf dieser Liste stehen können. Langsam werden die Helden unserer Jugend eben auch älter und wir somit offenbar auch. Auf dem Album mit dem unmerkbarsten Titel der Saison merkt man davon aber noch nix, die Foo Fighters rocken so, als wollten sie Fall Out Boy, Good Charlotte und Konsorten zeigen, wo die Gitarre hängt. Dabei weiß das doch jedes Kind: tief.
Anspieltipp: “Long Road To Ruin”

18. Rihanna – Good Girl Gone Bad
Tja, da müssen wir jetzt gemeinsam durch. Oder ich muss das erklären, irgendwie. “Umbrella” ist halt ein Übersong, der überwiegende Rest ist auch recht gelungen und wenn schon irgendwas Massentaugliches im Radio laufen muss, dann doch bitte clever produzierte Songs mit einer charmanten Sängerin.
Anspieltipp: “Shut Up And Drive”

19. Maritime – Heresy And The Hotel Choir
Maritime gingen hier im Blog auch irgendwie völlig unter, was sehr schade ist, weil sie mit ihrem dritten Album wieder an die Qualität ihres Debüts anknüpfen konnten. Vielleicht würden die Beach Boys so klingen, wenn sie heute jung wären. (In Wahrheit wäre Brian Wilson wohl schon lange völlig wahnsinnig oder tot, wenn er heute jung wäre.)
Anspieltipp: “Guns Of Navarone”

20. Maxïmo Park – Our Earthly Pleasures
Mit dem ersten Maxïmo-Park-Album bin ich ja irgendwie nie so ganz warm geworden: Natürlich waren die Singles super, aber so wirklich vom Hocker hauen konnte mich “A Certain Trigger” nie. Da ist “Our Earthly Pleasures” eher ein Album zum Durchhören und Mögen. Dass Franz Ferdinand auch 2007 kaum vermisst wurden könnte an Maxïmo Park liegen.
Anspieltipp: “Parisian Skies”

21. Crowded House – Time On Earth
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind würde sich in zwanzig Jahren über eine Comeback von … sagen wir mal: Starsailor freuen. Würden Sie da sagen “Aber Kindchen, dafür bist Du doch trotz eigener Wohnung, Rückenleiden und Uni-Abschluss viel zu jung”, oder würden Sie sich freuen, dass er/sie/es gute Musik zu schätzen weiß?
Warum habe ich eigentlich immer das Gefühl, mich für meinen Musikgeschmack rechtfertigen zu müssen? “Time On Earth” wäre doch auch toll, wenn die Musiker in meinem Alter wären.
Anspieltipp: “English Trees”

22. Die Ärzte – Jazz ist anders
Das sollte man vielleicht auch mal erwähnen, dass “Jazz ist anders” das erste Album von Die Ärzte ist, das ich wirklich gehört habe. Es ist aber auch ein sehr gelungenes Album, denn BelaFarinRod agieren sehr klug und fügen die verschiedensten Musikstile kunstvoll zu einem wirklich feinen Gesamtbild, das mit “Spaßpunk” oder ähnlichem wenig am Hut hat. Nur: “Junge” nervt inzwischen dann doch. Gewaltig.
Anspieltipp: “Himmelblau”

23. Smashing Pumpkins – Zeitgeist
Sagt mal, wo kommt Ihr denn her? “Aus Deiner tristen, teilzeit-depressiven Teenagerzeit, bitte sehr!”
Von mir aus hätte es das Comeback der Smashing Pumpkins nicht gebraucht, zu passgenau war ihr Auftauchen in und Verschwinden aus meinem Leben damals gewesen. Jetzt sind sie (zur Hälfte) aber doch wieder da und wo sie sich schon mal die Mühe gemacht haben, kann man natürlich das eigentlich gar nicht mal schlechte Album “Zeitgeist” erwähnen, das irgendwie aber auch sagenhaft unterging. Offenbar war mein Leben nicht das einzige, aus dem die Pumpkins zur rechten Zeit verschwunden waren.
Anspieltipp: “Doomsday Clock”

24. Mika – Life In Cartoon Motion
Als Mika in Deutschland seinen verdienten Durchbruch feierte und keine Stunde mehr verging, in der er nicht im Radio, Fernsehen oder in der Werbung zu hören war, war ziemlich genau der Punkt erreicht, an dem ich seine zuckersüßen Popsongs nicht mehr hören konnte. Dabei war “My Interpretation”, der beste von ihnen, doch gar nicht ausgekoppelt worden.
Anspieltipp: “My Interpretation”

25. Beirut – The Flying Club Cup
Auch Beirut sollen in dieser Liste nicht unerwähnt bleiben. Zwar finde ich das Debüt “Gulag Orkestar”, das ich auch erst in diesem Jahr entdeckt habe, ein bisschen besser, aber “The Flying Club Cup” ist mit seinem folkloristischen … äh: Indiepop auch ein sehr schönes Album. Der Tag, an dem ich dieses Album hörend durch eine in milchig-rötliches Licht getauchte Nachbarschaft zur Uni stapfte, wäre mit “surreal” recht passend umschrieben.
Anspieltipp: “The Penalty”

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Musik

Bochum-Total-Tagebuch (Tag 3)

Das Ruhrgebiet im Allgemeinen und Bochum im Speziellen ist ein Ort, an dem sich Menschen, die von unseren Eltern in den Achtzigern “Grufties” genannt wurden, gerne treffen und gemeinsam Musik hören, die von sehr teuren Synthesizern erzeugt wird, und zu der Männer (tief) und Frauen (hoch) Texte singen, die im Allgemeinen von Schmerz, Tod und Nacht handeln. Die einzige Musikrichtung, die mich noch weniger interessiert als Gothic/EBM ist Reggae, aber wer wäre ich, das Line-Up des Bochum Total zu kritisieren, zumal nach diesem Auftakt? Es ist halt wirklich für jeden Geschmack etwas dabei und so kam ich am gestrigen Samstag wieder zweimal auf meine Kosten:

Sugarplum Fairy (Eins-Live-Bühne)
Victor und Carl Norén, die beiden Sänger von Sugarplum Fairy sind die kleinen Brüder von Gustaf Norén von Mando Diao. Als letztere vor zwei Jahren auf dem Haldern Pop spielten, regnete es in Strömen, ich saß im Pressezelt und langweilte mich, denn die Band war live mindestens so schwach wie Franz Ferdinand am Abend zuvor.

Gestern war also Bochum Total, es regnete immer mal wieder, ich stand vor der Bühne und war hellauf begeistert. Die kleinen schwedischen Rotzlöffel (hab grad extra nachgeguckt: wenigstens der Schlagzeuger ist älter als ich, wenn auch nur eine Woche) haben sich natürlich viel bei der Schwesterband und vor allem bei Oasis abgeguckt, aber bei allem Gepose war noch der Spaß dahinter zu erkennen und es klang einfach gut. Sie spielten viele Songs vom aktuellen Album “First Round First Minute”, wobei sich Carl, Victor und David Hebert ständig an Bass, Gitarre, Orgel und Gesang abwechselten, was ich immer besonders schön finde. Die meiste Stimmung kam aber bei den Hits des Debütalbums auf: bei “Morning Miss Lisa”, “Sail Beyond Doubt”, “(And Please) Stay Young” und dem überragenden “Sweet Jackie”, das Noel Gallagher sicher gerne geschrieben hätte, wenn die Noréns es nicht aus seinen größten Hits zusammengepuzzelt hätten.

Es wäre also ein rundherum gelungenes Rock’n’Roll-Konzert gewesen, hätte Carl Norén nicht plötzlich die vierte Wand eingerissen und das Oasis’sche “Wonderwall” angestimmt. Da zeigte sich nämlich für einen Moment, dass Sugarplum Fairy letztendlich doch noch nur Ersatzbefriedigung für das lauthals mitgrölende Publikum waren. Andererseits haben Oasis ja auch oft genug die Beatles gecovert …

Tocotronic (Eins-Live-Bühne)
Tocotronic beim Bochum Total 2007Beim bereits oben erwähnten Haldern 2005 kam mir Musikexpress-Redakteur Josef Winkler im Pressezelt entgegengerauscht, flötete “Tocotrooooonic!” und entschwand Richtung Bühne (in meiner Erinnerung trug er ein Feengewand und Bänder im Haar, aber ich mag mich da durchaus irren). Der Auftritt damals war schlichtweg fantastisch und das große Finale mit “Neues vom Trickser” endete in dem Unwetter, was den Mando-Diao-Auftritt begleiten sollte.

Diesmal nieselte es nur leicht, was in Sachen Spezialeffekte ja beinahe langweilig ist. Trotzdem waren Dirk “der Graf” von Lowtzow und die Seinen wie allgemein üblich sehr, sehr gut. Es gab einiges an neuem Liedwerk vom noch unveröffentlichten Album “Kapitulation” zu hören (das wieder sehr gut wird) und eine Art Greatest-Hits-Revue, die sich den Mainstream-Hits “This Boy Is Tocotronic” und “Let There Be Rock” konsequent verweigerte. Dafür gab es beispielsweise bei “Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen” und dem finalen “Freiburg” die wohl größten Studentenchöre der Welt zu hören (Trainingsjacken inklusive) und bei “Aber hier leben, nein danke” flog kein einziger Becher auf die Bühne.

Detail am Rande: Ein etwa sechs- bis achtjähriges Mädchen im Tocotronic-Bandshirt auf den Schultern seines Vaters, das den Refrain der aktuellen Single “Kapitulation” begeistert und aus einem Schneidezahnlosen Mund mitsang.

Das verwendete Foto stammt von Kathrin. Hier hat sie noch mehr vom Bochum Total.

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“Viel schlimmer ist doch, dass mittlerweile jede Putzfrauenstelle übers Fernsehen gecastet wird.”

Wer sich für großartige Sätze von großartigen Musikern begeistern kann, dem sei der aktuelle Musikexpress (Mai 2007) wärmstens ans Herz gelegt. Auf leider nur einer Seite befragt Jan Wigger Peter Hein von den Fehlfarben – und der sagt so viele tolle Sachen, dass man gar nicht mehr weiß, welchen Spruch man sich demnächst auf ein T-Shirt (wohl vorsichtshalber in XXXXXL) drucken lassen soll.

Zum Thema Fußball-WM und dem sog. “positiven Patriotismus” (Fahnenschwenken):

Ich habe natürlich gegen die deutsche Mannschaft gehalten, das mache ich immer. Zum Fahnenschwenken: Natürlich geht das. Die Hälfte der Leute mit den Fahnen konnte ja kaum Deutsch, die leben halt hier und konnten ihrem von zu Hause gewohnten Fahnenschwenken mal freien Lauf lassen. Ich fand es auch in Ordnung, wie man sich mit diesen Winkelementen an den Autos lächerlich gemacht hat.

Über Franz Josef Wagners Kolumne in der “Bild”-Zeitung:

“Post von Wagner” fand ich früher nur blöd. Aber seitdem mir mal jemand plausibel gemacht hat, dass der wirklich “amtlich durchgeknallt” ist, bleibe ich daran hängen. […] Also ab und zu schreibt der auch was Wahres, und ich lese das mit Belustigung.”

Auf die Frage, ob Pete Doherty Punk sei:

Also Pete Doherty ganz bestimmt nicht, der ist eher Sid Vicious. Und das ist nicht Punk, sondern (überlegt) … Depp.

Als ihm der Promoter eine Brötchentüte reicht:

Mensch, da ist ja gar nichts von dem drin, was ich bestellt habe. Kein Ei, kein Sandwich, nur so’n Körner-Kack. Wenigstens ist das Tier tot, was auf dem Brötchen ist.

Über MP3s:

Das ist im Prinzip nur Scheiße, da gehst du einmal mit nem Magnet vorbei, und dann haben sie ihre Musik mal gehabt. Ich stelle mir immer vor, wie die jetzt 30-Jährigen in zwanzig Jahren auf dem Flohmarkt stehen und da ihre Chips verhökern (verstellt die Stimme): “Ey, hallo, 30 Gigabyte, ey voll krass, mussu hören!”

Der Rest des Heftes ist auch zu empfehlen, die neue Fehlfarben-Platte offenbar auch.