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Literatur

Bitte keine Heiterkeitsausbrüche!

Während sich der deutsche Literaturbetrieb gerade ungefähr in der selben Kater-Stimmung befindet wie der “Stern” im Sommer 1983, diskutieren die Österreicher dieser Tage über ein Buch, das es immerhin vor Gericht geschafft hat.

Das Wiener Landesgericht musste gestern darüber entscheiden, ob der Roman “Weiße Nacht” von David Schalko den höchstpersönlichen Lebensbereich des Politikers Stefan Petzner, “Lebensmensch” des verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider, verletzt. Petzner sah seine Menschenwürde verletzt und wollte außerdem finanziell am Erfolg des Romans teilhaben — ein Erfolg, der freilich erst einer wurde, nachdem Petzner öffentlichkeitswirksam gegen das Buch vorgegangen war. Schalko hat seine Sicht der Dinge vor einigen Wochen wortgewaltig für die “Welt am Sonntag” zusammengefasst.

Obwohl Petzner gefordert hatte, das gesamte Buch im Gerichtssaal vorzulesen, wurde darauf offenbar verzichtet, denn das Urteil war schnell gesprochen: Petzner unterlag, kündigte Berufung an und rief seinem Prozessgegner zu, der solle sich was schämen.

Von besonderer Qualität ist die Urteilsbegründung der Richterin, in der diese die Handlung des Romans noch einmal kurz zusammenfasst — und gleichzeitig versucht, die Würde des Ortes zu bewahren:

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Nicht intelligent genug

Im Januar 2006 schrieb der “Musikexpress” im Jahresrückblick auf 2005:

Jetzt haben sogar die Rolling Stones ein Lied über Ulf Poschardt geschrieben: “Sweet Neocon”. […] Die deutschen Neokonservativen verbergen sich hinter der “Initiative Neue Marktwirtschaft”, eine Agentur, die erfolgreich ihre Themen setzte. Zuletzt versuchten sie uns einzureden → “Du bist Deutschland”. Der Höhe- bzw. Tiefpunkt der neoliberalen Debatte war erreicht, als der Kulturwissenschaftler und angebliche ex-Linke Ulf Poschardt (“DJ Culture”) vor den Wahlen allen Ernstes forderte: Westerwelle wählen gut, denn: FDP = mutig, radikal, wichtig und irgendwie auch: Pop. Ja, alles klar, gute Nacht.

Ein Jahr später war Poschardt Chefredakteur beim Launch der deutschen Ausgabe der “Vanity Fair”, die er nach nicht mal einem Jahr wieder verließ. Seitdem hatte ich erfrischend wenig von ihm gehört, aber er fungiert jetzt offenbar als Herausgeber von “Rolling Stone”, “Metal Hammer” und – verdammte Ironie – “Musikexpress”.

Außerdem ist Poschardt stellvertretender Chefredakteur der “Welt am Sonntag”, in der er heute umständlich über zwei Bücher schreibt, die vor zehn Jahren erschienen sind: “Tristesse Royale” und “Generation Golf”.

Nach allerlei gesellschafts- und kulturgeschichtlicher Einordnung, an der einiges stimmen mag und einiges gewollt erscheint, schwingt sich Poschardt zu seiner Kernaussage auf:

Im neuen Kabinett sind Figuren wie Rösler, Röttgen, Guttenberg und Westerwelle Aktualisierung jenes kokett Adretten, das mit Stallgeruch so wenig anfangen kann wie mit Herrenwitzen. Die postheroische Eleganz ist bei den jüngeren Politikern mit einem Hauch Populismus versetzt, um das Zeitgenössische wählbar werden zu lassen.

Es macht keinen Spaß, sich durch Poschardts Text zu quälen, aber eigentlich muss man das ja auch nicht. Denn wie fragte Benjamin von Stuckrad-Barre in dem Buch, über das Poschardt schreibt?

Warum sind wir nicht intelligent genug, nicht so oft über Ulf Poschardt zu sprechen?

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Give Facts A Chance

Ich weiß nicht, warum sich Journalisten dieser Tage so auffallend schwer damit tun, sich korrekt daran zu erinnern, wann und wo John Lennon erschossen wurde (8. Dezember 1980 vor dem Dakota Building in Manhattan, steht auch in der Wikipedia).

Ich weiß nur, dass es so ist:

1980 war bekanntlich John Lennon in New York vor dem Chelsea Hotel von David Chapman erschossen worden.
(“Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung”, 7. September 2008)

John Lennon ist schon seit 26 Jahren tot, aber die Friedensmission der beiden lebt im Werk Yoko Onos weiter.
(“Welt am Sonntag”, 7. September 2008)

Nach dem Attentat auf John von 1969 fotografiert sie seine blutbespritzte Brille und macht draus ein Platten-Cover.
(“Bild”, 11. September 2008)

Mit Dank u.a. an BILDblog-Hinweisgeber Wilhelm E.