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Listenpanik: Songs 2008

Ich bin einer dieser Menschen, die Silvester hassen wie sonst nur Ebeneezer Scrooge das Weihnachtsfest. Ich kann nichts Festliches oder Tolles daran erkennen, neue Kalender aufhängen und mitnehmen zu müssen und auch das Durchstreichen von falschen Jahreszahlen im Januar (das seit der Einführung des Internetbankings rapide abgenommen hat) ist ein Brauch, auf den ich verzichten könnte. Davon ab muss ich Ihnen leider mitteilen, dass Forscher des Bochumer Lehr-Orts für erwähnenswerte Daten herausgefunden haben, dass “Dinner For One” nicht lustig ist und Bleigießen impotent macht.

Trotzdem ist der Robbie-Bubble-Kindersekt natürlich kaltgestellt und um die Zeit bis zum “Silvesterstadl” rumzukriegen, habe ich meine iTunes-Listen ein paar mal hin- und hersortiert, ein bisschen abgewogen und fühle mich jetzt seelisch in der Lage, die Songs des Jahres 2008 zu verkünden (nur um die Liste vermutlich noch heute Nacht wieder umsortieren zu wollen). Wie üblich ist alles total subjektiv:

25. Danko Jones – Take Me Home
“Never Too Loud” war irgendwie nicht so wirklich das Album, das man nach “Sleep Is The Enemy” erwartet hätte: ein bisschen zu verhalten, ein bisschen zu lang, Tempolimit statt durchgetretenem Gaspedal. “Take Me Home” ist dann auch noch der untypischste Danko-Jones-Song überhaupt mit seinen Akustikgitarren und den John-Denver-Anleihen. Aber weil Danko Jones eben Danko Jones ist (sind) und nicht Kid Rock, funktioniert dieser Irrsinn trotzdem. Und ein Lied, in dem der Refrain auf “Take me home to where my records are” endet, muss man sowieso hervorheben, so lange die Leute noch wissen, was diese physischen Tonträger überhaupt sind.

24. Jakob Dylan – Valley Of The Low Sun
Stellen Sie sich vor, Sie wären der Sohn von Bob Dylan und würden Musik machen! Jakob Dylan gebührt allein deshalb Respekt, dass er sich diesen ganzen Vergleichen und Fragen seit fast 20 Jahren aussetzt — und jetzt kann er sich nicht mal hinter den Wallflowers verstecken, jetzt steht sein Name auch noch auf dem Album. Und er singt einfach völlig reduzierte Folk-Musik, die eher an Warren Zevon, Bruce Springsteen und Johnny Cash erinnert als an Musiker ähnlichen Namens. “Valley Of The Low Sun” ist eine gewaltige, schleppende Ballade, so schön wie ein Sonnenuntergang in der Sierra Nevada.

23. Slut – If I Had A Heart
Ach ja: Slut haben ja dieses Jahr auch ein Album veröffentlicht — und das war noch nicht mal schlecht. “If I had a heart / I would have a heartache” kann als Zeile tierisch in die Hose gehen, aber so wie Chris Neuburger das singt, klingt es einfach aufrichtig und klug.

22. Clueso – Keinen Zentimeter
Dieser Groove, dieser fast (aber nur fast) vernuschelte Gesang, dieser gefühlvolle, aber gänzlich unkitschige Text. Mehr Understatement als “Ich würd’ gern mit Dir viel mehr unternehmen” passt in keine Liebeserklärung!

21. Jason Mraz – I’m Yours
Ich hab lange überlegt, ob es auch hier unbedingt die Single sein musste, aber doch: so klingt der Sommer. Selbst bei Minusgraden meint man sich daran erinnern zu können, wie man zu diesen Klängen mit der Liebsten im Gras gelegen und in den wolkenlosen Himmel gestarrt hat — auch wenn man das nie getan hat. Anders als der vielverglichene Jack Johnson hat Jason Mraz aber noch mehr auf Lager als diesen Strand-Schunkler und wird uns deshalb bei den besten Alben des Jahres wieder begegnen.

20. The Verve – Love Is Noise
Okay, das Comeback-Album von The Verve habe ich drei oder vier Mal gehört, ehe es mir zu langweilig wurde. Aber diese Single! Hypnotisch, euphorisch, in die Beine gehend — manche würden schlichtweg “nervig” dazu sagen. “Love is noise, love is pain” ist auch wieder so ein Satz, der schon von den richtigen Leuten gesungen werden muss, um nicht doof zu klingen. Richard Ashcroft ist ein richtiger Leut.

19. Death Cab For Cutie – The Ice Is Getting Thinner
Vielleicht hat nie jemand einen besseren Text darüber geschrieben, wie das ist, wenn die Liebe langsam nachlässt, als Ben Gibbard hier. Dazu eine Instrumentierung, die mit “spärlich” noch euphemistisch umschrieben ist und fertig ist der Gänsehautsong 2008. Wer dieses Lied hört und nichts fühlt, ist vermutlich tot.

18. Nizlopi – Start Beginning
Weil das Album “Make It Happen” in Deutschland nicht regulär erschienen ist, sind Nizlopi durch das Listenpanik-Raster gefallen. Aber Kathrin hat das Konzert, für mich das Beste des Jahres war, ja hier im Blog noch ausreichend gewürdigt. Hier also ein Lied mit Gitarre, Kontrabass, Beatboxing und Gospelchor, für das das Wort “uplifting” erfunden werden müsste, wenn es nicht schon im Wörterbuch stünde.

17. Tomte – Der letzte große Wal
Schon wieder die Single? Ja, tut mir leid, ich kann mir nicht helfen. Bei Tomte setzt bei mir der letzte Rest Objektivität aus, deswegen nehme ich einfach mal das naheliegendste Lied. Aber das ist ja auch gut. Thees Uhlmanns Stimme ist wie eine einzige Umarmung, die auch vor Leuten, die so voller Hass sind wie diese Schreiber, keinen Halt macht. Er ist der letzte große Wal, der die kleinen Fische zum Frühstück verspeist.

16. Travis – Before You Were Young
Noch so eine Band, wo für Objektivität kein Platz ist. “Ode To J. Smith” war aber auch wieder ein gutes Album — dass bei den vielen Rocknummern der beste Song ausgerechnet wieder eine melancholische Ballade ist, liegt an mir, echt! Oder an dem schönen Text, der grandiosen Steigerung und überhaupt allem, was “Before You Were Young” ausmacht.

15. Gregor Meyle – Irgendwann
Stefan Raabs Castingshow war eine feine Sache: für die Charts fiel Stefanie Heinzmann ab (die ihren Job auch wirklich gut macht), für die nachdenklicheren Momente Gregor Meyle. Der ist nicht nur ein sympathischer Gesprächspartner, sondern auch noch ein sehr guter Songwriter: textlich geht er manchmal bis ganz knapp vor die Schlagergrenze (aber was will man machen, wenn man jedes Wort versteht?), musikalisch ist er auf Weltniveau und “Irgendwann” ist ein Lied, das Sehnsucht und Antriebslosigkeit, Optimismus und Resignation bestens ausbalanciert in viereinhalb Minuten packt.

14. Nada Surf – Whose Authority
Ich bezweifle ja, dass Nada Surf irgendwas falsch machen können, und auch “Lucky” ist wieder ein sehr feines Album geworden. “Whose Authority” ist diese ganz spezielle jugendliche Mischung aus Übermut und Melancholie in Musik gegossen und das Video, das im Licht der tiefstehenden Sonne badet, passt wie die Faust aufs Auge.

13. Coldplay – Viva La Vida
Können Sie’s noch hören? Ich habe Glück, da ich mich ja vom Radio fernhalte. Zwar haben alleine diese Woche ungefähr 42 Jahresrückblicke versucht, mir das Lied doch noch zu verleiden, aber irgendwie ist es dann doch resistent gegen solche Verwurstungen. Wann geht schon mal ein Lied mit biblischen Motiven, dessen ganze Rhythmusstruktur auf Streichern, Pauken und Glocken (!) aufbaut, in die Charts? Nach langem Studium kann ich Parallelen zu “Disarm” und “Tonight, Tonight” von den Smashing Pumpkins erahnen, aber Chris Martin hat die schönere Stimme. So klingt es, wenn man die Welt regiert.

12. The Hold Steady – Constructive Summer
Definitiv eine meiner Entdeckungen des Jahres: The Hold Steady. So müssen Alben übrigens losgehen: mit etwas Klavier, vielen Gitarren, etwas (aber nur etwas) Gegröle, Eskapismus und Verweisen auf Joe Strummer (“I think he might have been our only decent teacher”). So klingt es, wenn große Gefühle auf gerade noch gebremste Energien treffen.

11. R.E.M. – Supernatural Superserious
Michael Stipe könnte die Schlagzeilen singen und es wäre ein großer Song. Entschuldigung, ich höre gerade, das ist bereits geschehen und hieß “It’s The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)”. Egal: R.E.M. werden nie ein schlechtes Album machen und “Accelerate” war eine gelungene Rückkehr zu den Wurzeln. “Supernatural Superserious” sollen ihnen diese ganzen 18-Jährigen erstmal nachmachen. (Und er singt wirklich nicht “Gisela, Giselei”? Nein? Okay.)

10. The Gaslight Anthem – Old White Lincoln
Warum man dann manchmal doch noch mal Radio hören sollte: Man könnte dort bisher übersehene Juwelen entdecken. So wie dieses feine Lied (das Album habe ich mir immer noch nicht gekauft, was sich vermutlich bei der Albenliste rächen wird), das nach 30 Mal hören zwar immer noch verblüffende Parallelen zu The Cure und den Killers aufweist, aber eben doch eigenständig genug ist, um es innerhalb von dreieinhalb Wochen noch in die Top 10 geschafft zu haben.

9. Fettes Brot – Lieber Verbrennen als Erfrieren
“Wir sind jung, wir sind frei, das ist unsere Stadt / Wir haben nichts zu verlieren / Es ist soweit, ich bin dabei, denn das ist unsere Nacht / Lieber verbrennen als erfrieren” — Noch Fragen? Na gut: Nein, das ist gar keine Dicke-Hose-Hymne. Party ja, aber keine ohne Morgen. So sollte deutschsprachiger Hip Hop immer sein, es muss ja nicht immer gegen Frauen und Schwule gehen.

8. Black Kids – I’m Not Going To Teach Your Boyfriend How To Dance
Das Debütalbum der Black Kids fand ich bisschen nichtssagend, aber wer darauf so einen überdrehten Tanzbodenfüller unterkriegt, ist natürlich wenigstens bei den Songs des Jahres vorne mit dabei. Die Verteilung der Geschlechterrollen im Text erschließt sich mir kein bisschen, aber wer wird beim wüsten Herumwackeln noch auf sowas achten? “Dance, dance, dance, dance!”

7. The Ting Tings – Great DJ
Sie meinen, “That’s Not My Name” sei der bessere, weil noch ein bisschen irrere Song gewesen? Mag sein, aber “Great DJ” hatte mich beim ersten Hören in “All Songs Considered”. Ein schlichtes Lied, das aber auch gar nicht mehr will als unbedingtes Mitzappeln und -singen. Und das funktioniert hier ja wohl großartig. Die Trommeln, übrigens!

6. Hotel Lights – Amelia Bright
Ganz krasser Richtungswechsel jetzt: Eine Folkballade, die mich seit sieben Jahren begleitet hat und jetzt endlich “fertig” ist. Das ist natürlich viel mehr Zeit, als sonst irgendein Lied hatte, um mir ans Herz zu wachsen, aber die Studioversion ist ja auch wunderschön geworden. Neben Nizlopi sind Hotel Lights der Geheimtipp auch in diesem Jahr und wir werden beide Bands so lange in den Himmel schreiben, bis zumindest ihre Alben hierzulande zu Kaufen sind.

5. Sigur Rós – Inní Mér Syngur Vitleysingur
Lieder, deren Namen man sich beim besten Willen nicht merken kann, haben es mitunter etwas schwer, wenn es um das Erstellen von Bestenlisten geht: “Hier, Dings, dieses Lied mit dem Klavier, den Bläsern und dem entrückten Gesang!” Egal: Dank Copy & Paste wissen wir jetzt alle, dass dieses Lied “Inní Mér Syngur Vitleysingur” heißt (was auch immer das heißen mag), und dass es großartig ist, müssen Sie mir glauben (oder es nachhören). Zu meinem nächsten Geburtstag wünsche ich mir eine Marching Band, die mit diesem Lied durch meine Bochumer Bergarbeitersiedlung marschiert (einen Schokoladenspringbrunnen habe ich ja dieses Jahr schon bekommen).

4. MGMT – Time To Pretend
Nennen Sie mir eine Möglichkeit, diesem Keyboard-Riff zu widerstehen, und ich müsste nicht jedes Mal “Waaah, wie geil!” schreien, wenn ich das Lied irgendwo höre. Wenn Sie bei allem Arschwackeln dann vielleicht noch ein bisschen Wertschätzung für diesen unglaublich klugen Text übrig hätten, könnten wir die Missionsarbeit an dieser Stelle auch beenden und nur noch diesem großartigen Indieknaller lauschen.

3. Fleet Foxes – White Winter Hymnal
Ich wiederhole mich gerne, aber die ersten 30 Sekunden dieses Liedes zählen mit zum Besten, was es dieses Jahr überhaupt zu Hören gab. Der Rest des Liedes (und des ganzen Albums) glücklicherweise auch und deshalb ist “White Winter Hymnal” natürlich völlig zu Recht auf dem Treppchen vertreten.

2. The Killers – Human
Auch nach über 50 Durchgängen bin ich mir sicher: dieser Song ist arschgeil! Meckern Sie ruhig alle rum von wegen Michael Wendler. Selbst wenn Thees Uhlmann und ich neben Brandon Flowers die einzigen Menschen auf der Welt wären, die dessen Texte zu schätzen wüssten: es bliebe immer noch ein absoluter Oberhammer von Popsong! Allein diese unfassbar brillante Frage “Are we human or are we dancer?”, da braucht man doch weder Hegel, noch Kant noch Douglas Adams, das ist der absolute Kern von Philosophie! Und jetzt Ruhe!

1. Goldfrapp – A&E
Ganz, ganz knapp sind die Killers nur Zweite geworden, weil dieses Lied dann am Ende doch noch ein kleines bisschen besser war. So hypnotisch, so klug aufgebaut und so wunder-wunderschön. Ich musste das Lied ungefähr 40 Mal hören, bis ich begriffen habe, worum es in dem Text eigentlich gehen könnte (gescheiterter Selbstmordversuch wegen Liebeskummers), aber selbst wenn es um die Abgeltungssteuer ginge: kein Lied war 2008 in der Summe besser als “A&E”. Und wenn ich das nach mehr als acht Monaten der Dauerrotation sage, wird es schon stimmen, oder?

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Listenpanik 02/08

Bei der letzten Listenpanik hatte ich mich beklagt, dass im Januar so wenige Platten erschienen seien. Nun, das war im Februar schon deutlich anders: Obwohl es bekanntlich der kürzeste Monat ist, war die Auswahl an guten bis sensationellen Alben plötzlich riesengroß. Ich habe kurz darüber nachgedacht, die Top-Five-Regelung über den Haufen zu werfen und einfach alle guten Platten aufzuschreiben, aber Top Five ist Top Five. Für die Jahresendliste ist es eh unerheblich, ob ein Album in den Monatslisten aufgetaucht ist.

Ebenfalls in der letzten Listenpanik hatte ich verkündet, “wenn nichts mehr dazwischen kommt” werde “Lucky” von Nada Surf im Februar die Bestenliste der Alben anführen. Wie Sie in zwei Zeilen erfahren werden, ist etwas bzw. jemand dazwischengekommen:

Alben
1. Goldfrapp – Seventh Tree
Jawoll, sie haben es sich verdient: Goldfrapp, das Duo aus Alison Goldfrapp und Will Gregory, machen auf ihrem vierten Album Musik, die so sehr auf den Punkt ist, dass man sie einfach lieben muss. Perfekt ausgependelt zwischen Folk und Elektronik, zwischen Kathleen Edwards und Imogen Heap. Erinnern Sie sich an die unendliche Leichtigkeit, die Ihnen entgegen strömte, als Sie zum ersten Mal “Moon Safari” von Air gehört haben? Hier ist sie wieder, zehn Jahre später.

2. Nada Surf – Lucky
Viel falsch gemacht haben Nada Surf in ihrer bisherigen Karriere nicht, auf ihrem fünften Album machen sie fast alles richtig. Nach “See These Bones” und “Whose Authority” weiß man gar nicht mehr, wohin mit der eigenen Euphorie, und das sind erst die ersten beiden Stücke auf der Platte. “Lucky” ist zeitloser Indie Rock, der in erster Linie happy macht.

3. Joe Jackson – Rain
Ist doch irgendwie klar, dass ich Joe Jackson großartig finden muss: Immerhin spielt er Klavier und hat einen britischen Akzent. Nicht klar? Okay: Er hat ziemlich offensichtlich Ben Folds beeinflusst, so tolle Musik zu machen – und das war selten so offensichtlich wie auf “Rain”, wo Jackson so sehr nach Folds klingt (also irgendwie andersrum, aber Sie verstehen) wie lange nicht mehr. Sehr eleganter Pianopop, der mal zum Pianorock wird, mal zum Jazz, und im tieftraurigen “Solo (So Low)” seinen … äh: Höhepunkt findet. Oder doch in der Destiny’s-Child-Anleihe in “Good Bad Boy”?

4. Niels Frevert – Du kannst mich an der Ecke rauslassen
Für seine alte Band Nationalgalerie bin ich zu jung und auch sonst muss ich zugeben, bis heute wenig von Niels Frevert gehört zu haben. Aber sein drittes Soloalbum “Du kannst mich an der Ecke rauslassen” gefällt mir, unter anderem weil es auf erstaunliche Weise “undeutsch” klingt. Die Arrangements erinnern an Damien Rice und José Gonzales und die Stimmung ist ein bisschen so wie auf Tom Liwas Meisterwerk “St. Amour”. Den dezent swingenden Titelsong sollte man testweise mal Roger-Cicero-Faninnen vorspielen, zu Therapiezwecken.

5. Tegan And Sara – The Con
“Kanada”, “Zwillinge”, “Indie Pop” – “Bingo!”
Nur ein gutes halbes Jahr nach seinem Release ist das fünfte Album der Schwestern jetzt auch in Deutschland erschienen. Musik und Texte sind eine wunderbare Mischung aus niedlich und gemein und man hofft, dass dieser kanadische Indie Pop (von Zwillingen!) endlich mal die Charts und Radiostationen erobert.

Songs
1. Goldfrapp – A&E
Ich liebe es, wenn man beim allerersten Hören eines Songs, noch bevor dieser zu Ende ist, denkt: “Was für ein tolles, tolles Lied! Ich möchte es mir ins Herz tätowieren lassen!” So war es bei “A&E”, von dem ich beim allerersten Hören gar nicht wusste, dass es auch die erste Single aus “Seventh Tree” ist. Natürlich völlig zu Recht.

2. R.E.M. – Supernatural Superserious
Klar: Außer “Shiny Happy People” haben R.E.M. noch nie irgendwas falsch gemacht. Gerade die Vorab-Singles waren ja auch bei den letzten beiden Alben (“Imitation Of Life”, “Leaving New York”) immer Übersongs, aber so ein ganz kleines bisschen erstaunt ist man dann vielleicht doch, dass R.E.M. wieder richtig rocken (obwohl sie das ja mit den neuen Songs auf ihrem Best Of von 2003 auch getan hatten) und “Supernatural Superserious” zwei Durchgänge länger braucht, bis man sich in den Song verliebt hat. Aber dann ist alles ganz wunderbar und irgendwann versteht man auch nicht mehr “Gisela”, sondern “It’s a lie”.

3. Danko Jones – Take Me Home
Der unwahrscheinlichste Song des Monats auf einem ziemlich unwahrscheinlichen Danko-Jones-Album: Die Kanadier spielen ein Beinahe-Cover von John Denvers “Country Roads”, original mit Akustikgitarre, Mitklatschrhythmus und Chören im Refrain. Das geht entweder gar nicht oder ist das heimliche Highlight der Platte. Ich entscheide mich für letzteres, nicht zuletzt wegen der Textzeile “Take me home to where my records are”. Demnächst dann vermutlich auf WDR 2.

4. Panic At The Disco – Nine In The Afternoon
Na, das macht doch schon mal Laune auf das Zweitwerk der Band, die auf Ihrem Debüt noch Panic! At The Disco hieß. Ein bisschen gradliniger als die meisten Songs auf “A Fever You Can’t Sweat Out” ist “Nine In The Afternoon” ja schon geworden, aber das soll uns nicht stören, denn es ist einfach ein feiner Song.

5. OneRepublic – Stop And Stare
Schon klar: “Apologize” ging sehr schnell gar nicht mehr. Dieser Kastratengesang, der omnipräsente Timbaland und dann auch noch Til Schweiger im (deutschen) Video – das konnte nicht mal mehr Nora Tschirner (ebenfalls im deutschen Video) ausgleichen. “Stop And Stare” zwingt zur näheren Beschäftigung mit OneRepublic, denn diese Sorte College Rock (oder wie auch immer man diesen Sound in den Nuller Jahren nennt) mag ich sehr gerne. Sowohl The Fray als auch Orson lassen grüßen.

EP
Smashing Pumpkins – American Gothic
Wer mit “Zeitgeist”, dem Comeback-Album der Smashing Pumpkins, nicht klar kam, weil es “irgendwie nichts Neues” zu bieten hatte, der wird auch mit der EP “American Gothic” seine Probleme haben, denn auch die könnte schon zehn Jahre alt sein. Sehr genau sogar, denn der Verzicht auf elektrische Gitarren sorgt für vier derart melancholische Songs, wie sie Billy Corgan seit “Adore” nicht mehr geglückt sind. Natürlich braucht man streng genommen gar keine Nachfolger von “To Sheila”, “Perfect” oder “Tear”, aber sobald Billy Corgan bei “The Rose March” anfängt, mit sich selbst im Duett zu singen, setzt wieder diese Gänsehaut ein, für die man die Pumpkins immer geliebt hat. Und wer nicht will, der hat schon.

Ebenfalls gehört und für gut befunden: Danko Jones – Never Too Loud, Home Of The Lame – Sing What You Know, k.d. lang – Watershed, Vampire Weekend – Vampire Weekend, Chris Walla – Field Manual

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Musik

Listenpanik 01/08

Mit diesen Listen ist das ja so eine Sache: Die Jahreslisten wollte ich schon am 2. Januar wieder umwerfen und um wenigstens zwei Künstler (M.I.A. und Band Of Horses) ergänzen. Trotzdem versuche ich mich auch in diesem Jahr wieder an einer monatlichen Rückschau auf die musikalischen Veröffentlichungen. Der Januar wirft dabei erschreckend wenige neue Alben ab, was aber auch ganz gut ist, denn ich höre eh die meiste Zeit den ersten großen Favoriten auf das Album des Jahres 2008:

Alben
1. Slut – StillNo1
Nach ihrem ordentlichen, insgesamt aber eher unspektakulären letzten Album “All We Need Is Silence” betätigten sich Slut als Theaterkapelle für die “Dreigroschenoper” und nahmen eine ordentliche Portion Kurt Weill mit ins Studio, wo sie ihr sechstes Album aufnahmen. “StillNo1” steht in einer Linie zu ihrem Opus Magnum “Lookbook”, ist dann aber doch ganz anders geworden: Slut klingen plötzlich nach Sigur Rós, Peter Gabriel den Shout Out Louds und Dresden Dolls und wären Beatles-Vergleiche nicht verboten, drängten sich auch noch gewisse Parallelen zu “Sgt. Pepper” auf. So klingt eine Band, die zwischen Melancholie und Euphorie ganz bei sich ist, und die deshalb mal eben ein Meisterwerk aus dem Ärmel schütteln kann. Und über das … eigenwillige Plattencover schweigen wir uns einfach mal aus.

2. Cat Power – Jukebox
Wenn Musiker Cover-Alben veröffentlichen, muss man immer ein bisschen Angst haben, ihnen seien die Ideen ausgegangen. Bei Cat Power ist das nicht der Fall. Dass sie sensationelle Coverversionen vollbringen kann, wissen wir spätestens seit ihrer Interpretation von “(I Can’t Get No) Satisfaction”. Auf “Jukebox” spielt sie nun eigene und andererleuts Lieder neu ein. Von “New York” (ja, dem Frank-Sinatra-Evergreen) bleibt außer dem Text nicht mehr viel übrig und auch die Songs von Hank Williams, Billie Holiday, Bob Dylan und Joni Mitchell klingen überraschend anders, aber toll.

3. Get Well Soon – Rest Now, Weary Head
Der Hype der Stunde, die deutsche Band des Monats. Da ich Hypes hasse und mir die Nationalität von Leuten grundsätzlich egal ist, zählt die Musik: Eine charmante Mischung aus orchestralem Pop, melancholischen Folklore-Einflüssen und verhaltener Elektronik. Das erinnert mal an Beirut, mal an Pulp oder The Divine Comedy und immer wieder auch an die neue Slut-Platte. Leider sind einige Stücke zu verspielt und eklektisch geraten und die Stimme von Konstantin Gropper ist nicht so meins. Bei manchen Songs wie der Single “If This Hat Is Missing I Have Gone Hunting” bereitet sie mir gar körperliche Schmerzen. Auch ein wenig kompakter hätte das Album (14 Songs in 60 Minuten) sein können, aber für ein Debüt ist es schon ganz ordentlich und das “Born Slippy”-Cover ist in der Tat fantastisch geraten.

4. The Magnetic Fields – Distortion
Ist es eigentlich noch “Pop”, wenn man seine Popsongs so aufnimmt, dass sie klingen, als höre man die Beach Boys über Telefon? Mit einem zwischengeschalteten Effektpedal? Live übertragen aus einem unbetonierten Erdloch? Egal, wie man’s nennt: Das neue Album der Magnetic Fields trägt seinen Titel durchaus zu Recht und auch als Warnung. Man muss sowas mögen, um es grandios zu finden, aber das gilt ja für alles.

5. The Hoosiers – The Trick To Life
“Worried About Ray” ist und bleibt ein charmanter Popsong, das Album kann aber noch mehr als Indie-Disco. In den ruhigen Momenten klopft gar Jeff Buckley an. Nicht alles ist komplett ausgereift und meiner Meinung nach könnte jetzt mal wirklich Schluss mit dieser Welle sein, aber bitte: “The Trick To Life” ist ein okayes Album für Menschen, die gerade erst anfangen, Platten zu sammeln.

Songs
1. Slut – Wednesday
Ein Klavier, die immer wieder berührende Stimme von Chris Neuburger, eine Akustikgitarre, ein paar Streicher und Störgeräusche – mehr braucht es nicht, um Gänsehaut zu buchstabieren und die vielleicht unwahrscheinlichste (Promo-)Single der letzten Monate zu werden.

2. Nada Surf – Whose Authority
Jetzt müsste ich überlegen, ob Nada Surf je einen Song gemacht haben, der nicht wenigstens okay war, sondern wirklich schlecht. Mir fiele so spontan keiner ein. “Whose Authority” gehört aber eh zum oberen Drittel der Nada-Surf-Lieder und er wird mit jedem Hören besser. So euphorisch klingt ein sich langsam ankündigender Frühling und wenn nichts mehr dazwischen kommt, wird das dazugehörige Album “Lucky” hier im Februar die Bestenliste anführen.

3. Fettes Brot – Bettina (Zieh dir bitte etwas an)
Fettes Brot klauen sich Versatzstücke aus 15 Jahren deutschem Hip-Hop zusammen und bauen daraus einen Track, der einen sicher in einem halben Jahr tierisch nerven wird. Im Moment ist er aber die beste Brote-Single seit “Schwule Mädchen”, von dem er musikalisch auch gar nicht so weit entfernt ist. Der Text ist natürlich Gesellschaftskritik in Reinform.

4. Gregor Meyle – Niemand
Damit hätte ich auch nicht gerechnet, dass mal ein Castingshow-Teilnehmer auf meiner Liste landen würde. Aber “SSDSDSSWEMUGABRTLAD” war ja keine herkömmliche Castingshow und Gregor Meyle ist jemand ganz anderes als verdammt, ich hab die ganzen Namen vergessen und bin zu faul, sie nachzugoogeln. “Niemand” ist ein sehr guter Song, auch wenn das Video so typisch deutsch geraten ist.

5. Nick Cave & The Bad Seeds – Dig, Lazarus, Dig!!!
So richtig Zugang habe ich zu Nick Cave nie gefunden. Einzelne Songs finde ich sehr gut, aber zur tiefergehenden Auseinandersetzung mit seinem Werk fehlte mir immer die Muße. Jetzt gibt es eine neue Single, die ordentlich rockt und auf eine angenehme Art überdreht ist.

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But still we thought we knew

Ich finde es immer einigermaßen schockierend, wenn Leute, die man aus den Medien “kannte”, in jungen Jahren versterben.

Letzte Woche Brad Renfro (25), gestern Heath Ledger (28).

Für sie nun: Nada Surf mit “River Phoenix”.

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Musik

Listenpanik 11/07: Torschlusspanik

Der Dezember ist erfahrungsgemäß der Monat, in dem die Plattenfirmen mit Best Ofs, Livealben und Raritätensammlungen am Weihnachtsgeschäft partizipieren wollen. Die letzten normalen Alben erscheinen deshalb meist im November. Und selbst in meine wie üblich subjektive und willkürliche Liste haben sich die Geldmacherplatten geschoben, die eben nicht immer Geldmacherplatten sind:

Alben
1. The Wombats – A Guide To Love, Loss & Desperation
Kurz vor Ende des Musik-Jahres und dem damit verbundenen Listenschluss schiebt sich noch eine Band recht weit nach vorne ins Getümmel und brüllt “Hier sind wir!” bzw. “Let’s Dance To Joy Division”. Wer hätte gedacht, dass die elfmillionste Indiepopband mit tanzbaren Rhythmen und lustigen Texten noch einmal eine sein würde, die richtig gut ist? The Wombats klingen wie eine Mischung aus viel Rakes und etwas Weezer und haben mit besagtem “Let’s Dance To Joy Division” und “Backfire At The Disco” zwei brillante Singles auf dem Album. Manchmal lohnt es sich eben zu warten.

2. The Killers – Sawdust
Die Raritäten-Sammlung der größten Entertainer im heutigen Popbusiness braucht ein wenig Zeit, ist aber toll. [ausführliche Besprechung folgt]

3. Beirut – The Flying Club Cup
Ehrlich gesagt bedurfte es erst eines Kommentars von Daniel und eines Einsatzes bei “Weeds”, ehe ich mich mich Beirut beschäftigt habe. Inzwischen liebe ich diese Mischung aus Indiepop und verschiedensten Folklore-Einflüssen. Deshalb weise ich auch gerne auf dieses famose zweite Album hin, das eigentlich schon im Oktober erschienen ist.

4. Sigur Rós – Hvarf-Heim
Die Isländer beglücken uns in diesem Jahr nicht nur mit der sicher phantastischen, aber leider noch nicht gesehenen Tour-Dokumentation “Heima”, sie werfen auch noch ein Doppelalbum mit unveröffentlichten Songs und Akustikversionen auf den Markt. Das unterscheidet sich musikalisch nicht allzu sehr von den letzten Alben, aber das macht ja nichts, denn es ist natürlich trotzdem toll. Genau die richtige Musik, um an einem nasskalten Dezembernachmittag auf dem Bett zu liegen, die Decke anzustarren und von besseren Tagen zu träumen.

5. New Young Pony Club – Fantastic Playroom
Die (durchaus charmante) Single “Ice Cream” hatte ich irgendwie immer für was neues von Peaches gehalten. Das Album vom New Young Pony Club klingt insgesamt nach Talking Heads und Blondie (oder in heutigen Dimensionen The Sounds oder eben Peaches) und ist eben ziemlich genau das, was man von New Wave mit Sängerin erwartet. Mein Gott, das klingt wie ein Verriss, ist aber durchaus nett gemeint. Reinhören lohnt sich!

Songs
1. The Wombats – Let’s Dance To Joy Division
Hatte ich nicht oben schon geschrieben, wie toll das Album ist und wie positiv es sich auf meine Laune auswirkt? “Let’s Dance To Joy Division” ist die Essenz des Ganzen und passt natürlich nur rein zufällig zum aktuellen Joy-Devision-ReHype.

2. Bloc Party – Flux
Es scheint dann wohl Tradition werden zu sollen, dass Bloc Party ihren Alben immer noch eine Non-Album-Track-Single hinterherschmeißen. War es vor zwei Jahren das gefällige “Two More Years”, ist es diesmal das erheblich sperrigere “Flux”, das man so irgendwie nicht erwartet hätte und das einen trotzdem nicht groß verwundert. Bei Bloc Party muss man anscheinend mit allem rechnen, vor allem aber mit durchweg guten Songs.

3. Nada Surf – See These Bones
Der erste Vorbote des neuen Nada-Surf-Albums, den man sich hier kostenlos herunterladen kann, blieb letzte Woche leider ungespielt (in Bielefeld war er hingegen zu hören). Das Lied macht da weiter, wo die Band auf “The Weight Is A Gift” aufhörte und überbrückt die Wartepause bis zum neuen Album “Lucky” im Februar.

4. Linkin Park – Shadow Of The Day
Als ich die Single zum ersten Mal hörte (passenderweise auf WDR 2), dachte ich, Bono von U2 habe sich irgendwie die Stimme ruiniert. Es waren aber faszinierenderweise Linkin Park, von denen ich nie so recht weiß, wie ich sie finden soll. Das Video sieht auch verdächtig nach U2 aus, aber ich glaube, das macht den Charme dieses Songs aus.

5. The Hoosiers – Worried About Ray
Zugegeben: Eigentlich ist das Video mit seiner großartigen Hommage an Ray Harryhausen ein Stück besser als der Song selbst. Trotzdem haben wir es auch hier wieder mit einem Zwei-Minuten-Fünfzig-Indieschlager zu tun, der niemandem weh tut und die Tanzflächen füllen dürfte. Das Lied auf dem Radiowecker und der Tag begönne gut.

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Musik

Kein Wellenreiten in der Gruft

Es gibt Tage, an denen fühle ich mich sehr alt. Zum Beispiel, wenn es bei “Yesterday” auf WDR 2 um die 90er Jahre geht oder wenn ich auf die Frage nach der Uhrzeit mit “Viertel vor Nesquik” antworte und mich die jungen, schönen Menschen um mich herum fassungslos anstarren. Oder wenn ich denke, dass ich eigentlich nicht mehr auf Rockkonzerte gehen sollte.

Gestern veranstaltete das Musikmagazin “Visions” eine seiner “Visions Partys” (nur echt ohne Bindestrich und mit falschem Plural), die früher einmal im Monat im Dortmunder “Sabotage” stattfanden, inzwischen aber an jedem Wochenende in jeder deutschen Stadt, die nicht Gräfentonna oder Dinslaken ist. Im “Sabotage” indes finden sie nicht mehr statt, der Laden wurde (mutmaßlich wegen feuerpolizeilicher Mängel) geschlossen.

Da ich Nada Surf sehr mag und spannende Konzerte in Bochum auch nicht gerade an der Tagesordnung sind, schleppte ich mich zur gestrigen Party mit eben jenen Nada Surf, Minus The Bear und Escapado – auch wenn sie in der “Matrix” in Langendreer stattfand. Die Matrix ist eine völlig unübersichtliche Gothic-Großraumdisco ((Nur alternative Reggae-Kulturzentren laufen noch weniger Gefahr, von mir besucht zu werden.)) unter der Erde und der mit Abstand schlechteste Ort für Konzertveranstaltungen, den ich kenne. Die eigentliche Konzerthalle liegt am Ende eines langen Labyrinthartigen Raumverbundes, ist schlauchförmig und zeichnet sich vor allem durch große Hitze und Luftarmut aus. Schon bevor Escapado anfingen, hatte ich eigentlich keinen Bock mehr.

Escapado machen Hardcore mit deutschen Texten, von denen man live leider nicht allzu viel mitbekommt, weil sich die Konzepte “Hardcore” und “Texte verstehen” irgendwie ausschließen. Da fiel mir auch wieder ein, dass ich deren aktuelles Album “Initiale” noch irgendwo ungehört rumfliegen habe, was ich dringend ändern sollte, denn schlecht fand ich die Band nicht, obwohl Hardcore (oder “Lärm”, wie mein Vater sagen würde) nicht unbedingt meine Musik ist. Wer wie ich gedacht hatte, Hardcore-Konzerte müsse man sich aus sicherer Entfernung vom Hallenende aus ansehen, wurde gestern allerdings enttäuscht: die Masse ließ sich nicht bewegen. Wenigstens war der Sound in der Halle nicht so schlecht wie bei meinem letzten Besuch dort.

Minus The Bear machten netten Indierock, aber die Bedingungen in der Halle und mein Rücken (Alter, s.o.) sorgten dafür, dass ich mich lieber mit ein paar Freunden an eine der Bars zurückzog, wo man sich allerdings auch nicht unterhalten konnte, weil dort die vorhersehbarsten Indiehits der letzten 25 Jahre sehr laut liefen.

Nada Surf wollte ich mir eigentlich aus der Nähe ansehen, aber meine Klaustrophobie und Abneigung gegenüber großen Menschenmassen verstärkt sich noch, wenn diese Menschenmasse an der linken und der rechten Seite von massiven Backsteinwänden eingeschlossen ist. Ich sollte mehr in Jazzclubs gehen. Mein ganzer Hass auf den Laden, den ich schließlich auf die Liste “Orte, an denen Ben Folds spielen könnte, und wo ich trotzdem nie mehr hingehen würde” setzte ((Falls es Sie interessiert: Auf der Liste stand bisher nur das Immergut-Festival in Neustrelitz.)), verflog aber mit den ersten Takten von “Happy Kid”.

Die drei New Yorker zeigten sichtliche Spielfreude Man merkte, dass die Band Spaß hatte, mal wieder in Deutschland zu spielen. Die meisten Stücke waren einen Tacken schneller und rockiger als sonst, Matthew Caws und Ira Elliot quakten zwischen den Songs munter durcheinander und es gab mit “I Like What You Say” (eigentlich vom “John Tucker Must Die”-Soundtrack) und “Whose Authority” auch noch zwei Songs aus ihrem neuen Album “Lucky”, das im Februar 2008 erscheinen soll. Schließlich spielten sie auf besonderen Wunsch eines Label-Mitarbeiters (und sicher nicht zum Missfallen des Publikums) ihren versehentlichen Hit “Popular” und an dieser Stelle hätte die Menge auch gekocht, wenn das Konzert irgendwo im Packeis und nicht in diesem Steinofen stattgefunden hätte. Wie Matthew Caws den Text in den Strophen so schnell sprechen kann, werde ich allerdings nie verstehen.

Heute spielen Nada Surf übrigens in Bielefeld. Sie ahnen nie, welche Band noch dabei ist …