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Wie man 2009 einen Hit landet – und wie nicht

a‑ha ver­kün­de­ten ges­tern stolz via Twit­ter, dass „Foot Of The Moun­tain“ auf Platz 3 der deut­schen Charts ein­stei­gen wer­de und damit die erfolg­reichs­te Sin­gle seit „Take On Me“ vor 24 Jah­ren sei.

Nun sind a‑ha trotz der vie­len Hits nicht unbe­dingt das, was man unter einem Sin­gle-Act ver­steht. Ihre Songs wer­den zwar im Radio gespielt, aber die Kern­ziel­grup­pe (Men­schen um die 40) war­tet dann wohl doch eher, bis das Album erscheint.

Ande­rer­seits war der Song beim Fina­le von „Germany’s Next Top­mo­del“ der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt wor­den und danach sofort bei iTu­nes ver­füg­bar. Ein ande­rer Song, der in die­ser Sen­dung nur im Hin­ter­grund zu hören war, blo­ckiert seit­dem Platz 1 der iTu­nes-Charts: „Jungle Drum“ von der sonst eher Hit-unver­däch­ti­gen Emi­lia­na Tor­ri­ni.

Die­se Fäl­le zei­gen, dass die Leu­te sehr wohl bereit sind, für Musik zu zah­len. Es muss nur der schnells­te und ein­fachs­te Weg sein: Man hört einen Song im Radio oder im Fern­se­hen, geht ins Inter­net und hat zwei Minu­ten und 99 Cent spä­ter das gewünsch­te Lied auf der Fest­plat­te – schnel­ler und ein­fa­cher als bei den meis­ten ande­ren Quel­len. (Dass es auch „lega­ler“ ist, dürf­te die meis­ten Nut­zer näm­lich offen gestan­den nicht inter­es­sie­ren. Sie wol­len es schnell und bequem – und sind zumin­dest zum Teil bereit, für die­se Bequem­lich­keit zu zah­len.)

Wie man dar­aus kein Kapi­tal schlägt, zeigt der Fall des gro­ßen „Scrubs“-Finales: Am Ende der letz­ten Fol­ge läuft in einer wun­der­bar rüh­ren­den Sze­ne „The Book Of Love“ von Peter Gabri­el. Die­se Cover­ver­si­on eines Magne­tic-Fields-Songs war vor fünf Jah­ren auf dem Sound­track zur Richard-Gere-Komö­die „Shall We Dance?“ ent­hal­ten und ist im ame­ri­ka­ni­schen iTu­nes Store nur als Teil des gesam­ten Sound­tracks für 11,99$, bei Amazon.com für 8,99$ erhält­lich. Bei den deut­schen Äqui­va­len­ten ist das Lied gar nicht ver­füg­bar.

In den Kom­men­ta­ren bei iTu­nes wur­de die Mög­lich­keit, den Song ein­zeln kau­fen zu kön­nen, schon vor vier Jah­ren ein­ge­for­dert. Ich bin mir sicher, ein nicht uner­heb­li­cher Teil der Men­schen, die bei last.fm (wo es den Song natür­lich auch nicht zu hören gibt) schrei­ben, wie gut ihnen die Ver­wen­dung des Stücks bei „Scrubs“ gefal­len hat, hät­ten „The Book Of Love“ kurz nach der Aus­strah­lung ger­ne sofort gekauft. Aber Uni­ver­sal, einer der trägs­ten unter den ver­blie­ben Majors, hat wie­der ein­mal gepennt und sich damit ein gro­ßes Geschäft ver­saut.

Dar­un­ter lei­den natür­lich auch Peter Gabri­el und die Musi­ker von den Magne­tic Fields, die den Song geschrie­ben haben – aber die sind nor­ma­ler­wei­se eh bei ganz ande­ren Plat­ten­fir­men.

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Musik

Listenpanik 01/​08

Mit die­sen Lis­ten ist das ja so eine Sache: Die Jah­res­lis­ten woll­te ich schon am 2. Janu­ar wie­der umwer­fen und um wenigs­tens zwei Künst­ler (M.I.A. und Band Of Hor­ses) ergän­zen. Trotz­dem ver­su­che ich mich auch in die­sem Jahr wie­der an einer monat­li­chen Rück­schau auf die musi­ka­li­schen Ver­öf­fent­li­chun­gen. Der Janu­ar wirft dabei erschre­ckend weni­ge neue Alben ab, was aber auch ganz gut ist, denn ich höre eh die meis­te Zeit den ers­ten gro­ßen Favo­ri­ten auf das Album des Jah­res 2008:

Alben
1. Slut – StillNo1
Nach ihrem ordent­li­chen, ins­ge­samt aber eher unspek­ta­ku­lä­ren letz­ten Album „All We Need Is Silence“ betä­tig­ten sich Slut als Thea­ter­ka­pel­le für die „Drei­gro­schen­oper“ und nah­men eine ordent­li­che Por­ti­on Kurt Weill mit ins Stu­dio, wo sie ihr sechs­tes Album auf­nah­men. „StillNo1“ steht in einer Linie zu ihrem Opus Magnum „Look­book“, ist dann aber doch ganz anders gewor­den: Slut klin­gen plötz­lich nach Sigur Rós, Peter Gabri­el den Shout Out Louds und Dres­den Dolls und wären Beat­les-Ver­glei­che nicht ver­bo­ten, dräng­ten sich auch noch gewis­se Par­al­le­len zu „Sgt. Pep­per“ auf. So klingt eine Band, die zwi­schen Melan­cho­lie und Eupho­rie ganz bei sich ist, und die des­halb mal eben ein Meis­ter­werk aus dem Ärmel schüt­teln kann. Und über das … eigen­wil­li­ge Plat­ten­co­ver schwei­gen wir uns ein­fach mal aus.

2. Cat Power – Juke­box
Wenn Musi­ker Cover-Alben ver­öf­fent­li­chen, muss man immer ein biss­chen Angst haben, ihnen sei­en die Ideen aus­ge­gan­gen. Bei Cat Power ist das nicht der Fall. Dass sie sen­sa­tio­nel­le Cover­ver­sio­nen voll­brin­gen kann, wis­sen wir spä­tes­tens seit ihrer Inter­pre­ta­ti­on von „(I Can’t Get No) Satis­fac­tion“. Auf „Juke­box“ spielt sie nun eige­ne und ander­erleuts Lie­der neu ein. Von „New York“ (ja, dem Frank-Sina­tra-Ever­green) bleibt außer dem Text nicht mehr viel übrig und auch die Songs von Hank Wil­liams, Bil­lie Holi­day, Bob Dylan und Joni Mit­chell klin­gen über­ra­schend anders, aber toll.

3. Get Well Soon – Rest Now, Wea­ry Head
Der Hype der Stun­de, die deut­sche Band des Monats. Da ich Hypes has­se und mir die Natio­na­li­tät von Leu­ten grund­sätz­lich egal ist, zählt die Musik: Eine char­man­te Mischung aus orches­tra­lem Pop, melan­cho­li­schen Folk­lo­re-Ein­flüs­sen und ver­hal­te­ner Elek­tro­nik. Das erin­nert mal an Bei­rut, mal an Pulp oder The Divi­ne Come­dy und immer wie­der auch an die neue Slut-Plat­te. Lei­der sind eini­ge Stü­cke zu ver­spielt und eklek­tisch gera­ten und die Stim­me von Kon­stan­tin Grop­per ist nicht so meins. Bei man­chen Songs wie der Sin­gle „If This Hat Is Miss­ing I Have Gone Hun­ting“ berei­tet sie mir gar kör­per­li­che Schmer­zen. Auch ein wenig kom­pak­ter hät­te das Album (14 Songs in 60 Minu­ten) sein kön­nen, aber für ein Debüt ist es schon ganz ordent­lich und das „Born Slippy“-Cover ist in der Tat fan­tas­tisch gera­ten.

4. The Magne­tic Fields – Dis­tor­ti­on
Ist es eigent­lich noch „Pop“, wenn man sei­ne Pop­songs so auf­nimmt, dass sie klin­gen, als höre man die Beach Boys über Tele­fon? Mit einem zwi­schen­ge­schal­te­ten Effekt­pe­dal? Live über­tra­gen aus einem unbe­to­nier­ten Erd­loch? Egal, wie man’s nennt: Das neue Album der Magne­tic Fields trägt sei­nen Titel durch­aus zu Recht und auch als War­nung. Man muss sowas mögen, um es gran­di­os zu fin­den, aber das gilt ja für alles.

5. The Hoo­siers – The Trick To Life
„Worried About Ray“ ist und bleibt ein char­man­ter Pop­song, das Album kann aber noch mehr als Indie-Dis­co. In den ruhi­gen Momen­ten klopft gar Jeff Buck­ley an. Nicht alles ist kom­plett aus­ge­reift und mei­ner Mei­nung nach könn­te jetzt mal wirk­lich Schluss mit die­ser Wel­le sein, aber bit­te: „The Trick To Life“ ist ein okayes Album für Men­schen, die gera­de erst anfan­gen, Plat­ten zu sam­meln.

Songs
1. Slut – Wed­nes­day
Ein Kla­vier, die immer wie­der berüh­ren­de Stim­me von Chris Neu­bur­ger, eine Akus­tik­gi­tar­re, ein paar Strei­cher und Stör­ge­räu­sche – mehr braucht es nicht, um Gän­se­haut zu buch­sta­bie­ren und die viel­leicht unwahr­schein­lichs­te (Promo-)Single der letz­ten Mona­te zu wer­den.

2. Nada Surf – Who­se Aut­ho­ri­ty
Jetzt müss­te ich über­le­gen, ob Nada Surf je einen Song gemacht haben, der nicht wenigs­tens okay war, son­dern wirk­lich schlecht. Mir fie­le so spon­tan kei­ner ein. „Who­se Aut­ho­ri­ty“ gehört aber eh zum obe­ren Drit­tel der Nada-Surf-Lie­der und er wird mit jedem Hören bes­ser. So eupho­risch klingt ein sich lang­sam ankün­di­gen­der Früh­ling und wenn nichts mehr dazwi­schen kommt, wird das dazu­ge­hö­ri­ge Album „Lucky“ hier im Febru­ar die Bes­ten­lis­te anfüh­ren.

3. Fet­tes Brot – Bet­ti­na (Zieh dir bit­te etwas an)
Fet­tes Brot klau­en sich Ver­satz­stü­cke aus 15 Jah­ren deut­schem Hip-Hop zusam­men und bau­en dar­aus einen Track, der einen sicher in einem hal­ben Jahr tie­risch ner­ven wird. Im Moment ist er aber die bes­te Bro­te-Sin­gle seit „Schwu­le Mäd­chen“, von dem er musi­ka­lisch auch gar nicht so weit ent­fernt ist. Der Text ist natür­lich Gesell­schafts­kri­tik in Rein­form.

4. Gre­gor Meyle – Nie­mand
Damit hät­te ich auch nicht gerech­net, dass mal ein Cas­ting­show-Teil­neh­mer auf mei­ner Lis­te lan­den wür­de. Aber „SSDSDSSWEMUGABRTLAD“ war ja kei­ne her­kömm­li­che Cas­ting­show und Gre­gor Meyle ist jemand ganz ande­res als ver­dammt, ich hab die gan­zen Namen ver­ges­sen und bin zu faul, sie nach­zu­goo­geln. „Nie­mand“ ist ein sehr guter Song, auch wenn das Video so typisch deutsch gera­ten ist.

5. Nick Cave & The Bad Seeds – Dig, Laza­rus, Dig!!!
So rich­tig Zugang habe ich zu Nick Cave nie gefun­den. Ein­zel­ne Songs fin­de ich sehr gut, aber zur tie­fer­ge­hen­den Aus­ein­an­der­set­zung mit sei­nem Werk fehl­te mir immer die Muße. Jetzt gibt es eine neue Sin­gle, die ordent­lich rockt und auf eine ange­neh­me Art über­dreht ist.