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Ein Sommer in pink

Es gibt ja so Men­schen, die man trifft und sofort am Liebs­ten mit ihnen befreun­det wäre. (Oder in sel­te­nen Fäl­len: ver­hei­ra­tet.) Es gibt aber auch Men­schen, die man sich sofort als Kol­le­gen wünscht und dazu gehö­ren für mich die Leu­te von NPR Music. Die Musik­re­dak­ti­on des öffent­li­chen US-Radi­os macht erst­klas­si­gen Musik­jour­na­lis­mus (u.a. im Pod­cast „All Songs Con­side­red“), ist rich­tig breit auf­ge­stellt und ihre Mit­glie­der wir­ken alle unfass­bar fach­kun­dig und sym­pa­thisch.

Jetzt haben die­se tol­len Leu­te von NPR Music ein neu­es Musik­gen­re erfun­den (wobei „erfun­den“ eigent­lich nicht ganz stimmt, eher „gefun­den“): Rosé­wa­ve. Wer sich bei die­ser maxi­mal tref­fen­den Bezeich­nung noch nicht ganz vor­stel­len kann, um was es geht, soll­te an Acts wie HAIM, Car­ly Rae Jep­sen, Tegan And Sara und Vam­pi­re Weekend den­ken. Und an jun­ge Men­schen, die unter­be­zahlt viel zu vie­le Stun­den in Agen­tu­ren in der gro­ßen Stadt klop­pen und sich dann nach Fei­er­abend mit ihren Freun­den in öffent­li­chen Parks tref­fen, Musik aus Blue­tooth-Boxen hören und dabei … nun ja: Rosé trin­ken.

Mir war das Anfangs nicht klar, aber Rosé­wa­ve deckt als Gen­re wei­te Tei­le mei­nes eige­nen Musik­ge­schmacks ab (rea­lis­ti­scher­wei­se könn­te man auch sehr viel ESC-Musik dar­un­ter ein­sor­tie­ren). Und weil die Men­schen bei NPR Music nicht nur sehr sym­pa­thisch sind, son­dern auch sehr gewis­sen­haft, sind sie nach einem Auf­schlag im ver­gan­ge­nen Jahr jetzt so rich­tig bei der Sache mit einer eige­nen Fol­ge „All Songs Con­side­red“ und wöchent­lich neu­en Play­lists mit ver­schie­de­nen, ja: Schwer­punk­ten. Da geht es dann um die schöns­ten Rosé­wa­ve-Songs bei Lie­bes­kum­mer, die bes­ten Rosé­wa­ve-Sin­gle-Hym­nen und spe­zi­el­le Rosé­wa­ve-Tracks für Män­ner. Ich bin mir bei­na­he sicher, dass sie mit der gan­zen Num­mer ein biss­chen über­trei­ben — und fin­de es doch sen­sa­tio­nell toll. So toll, dass ich dann neu­lich im Super­markt tat­säch­lich Rosé gekauft habe. Wenn der Som­mer noch zwei Mona­te anhält, habe ich mich bis dahin bestimmt auch an den Geschmack gewöhnt.

Die­ser Text erschien ursprüng­lich in mei­nem News­let­ter „Post vom Ein­hein­ser“, für den man sich hier anmel­den kann.

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Listenpanik 02/​08

Bei der letz­ten Lis­ten­pa­nik hat­te ich mich beklagt, dass im Janu­ar so weni­ge Plat­ten erschie­nen sei­en. Nun, das war im Febru­ar schon deut­lich anders: Obwohl es bekannt­lich der kür­zes­te Monat ist, war die Aus­wahl an guten bis sen­sa­tio­nel­len Alben plötz­lich rie­sen­groß. Ich habe kurz dar­über nach­ge­dacht, die Top-Five-Rege­lung über den Hau­fen zu wer­fen und ein­fach alle guten Plat­ten auf­zu­schrei­ben, aber Top Five ist Top Five. Für die Jah­res­end­lis­te ist es eh uner­heb­lich, ob ein Album in den Monats­lis­ten auf­ge­taucht ist.

Eben­falls in der letz­ten Lis­ten­pa­nik hat­te ich ver­kün­det, „wenn nichts mehr dazwi­schen kommt“ wer­de „Lucky“ von Nada Surf im Febru­ar die Bes­ten­lis­te der Alben anfüh­ren. Wie Sie in zwei Zei­len erfah­ren wer­den, ist etwas bzw. jemand dazwi­schen­ge­kom­men:

Alben
1. Goldf­rapp – Seventh Tree
Jawoll, sie haben es sich ver­dient: Goldf­rapp, das Duo aus Ali­son Goldf­rapp und Will Gre­go­ry, machen auf ihrem vier­ten Album Musik, die so sehr auf den Punkt ist, dass man sie ein­fach lie­ben muss. Per­fekt aus­ge­pen­delt zwi­schen Folk und Elek­tro­nik, zwi­schen Kath­le­en Edwards und Imo­gen Heap. Erin­nern Sie sich an die unend­li­che Leich­tig­keit, die Ihnen ent­ge­gen ström­te, als Sie zum ers­ten Mal „Moon Safa­ri“ von Air gehört haben? Hier ist sie wie­der, zehn Jah­re spä­ter.

2. Nada Surf – Lucky
Viel falsch gemacht haben Nada Surf in ihrer bis­he­ri­gen Kar­rie­re nicht, auf ihrem fünf­ten Album machen sie fast alles rich­tig. Nach „See The­se Bones“ und „Who­se Aut­ho­ri­ty“ weiß man gar nicht mehr, wohin mit der eige­nen Eupho­rie, und das sind erst die ers­ten bei­den Stü­cke auf der Plat­te. „Lucky“ ist zeit­lo­ser Indie Rock, der in ers­ter Linie hap­py macht.

3. Joe Jack­son – Rain
Ist doch irgend­wie klar, dass ich Joe Jack­son groß­ar­tig fin­den muss: Immer­hin spielt er Kla­vier und hat einen bri­ti­schen Akzent. Nicht klar? Okay: Er hat ziem­lich offen­sicht­lich Ben Folds beein­flusst, so tol­le Musik zu machen – und das war sel­ten so offen­sicht­lich wie auf „Rain“, wo Jack­son so sehr nach Folds klingt (also irgend­wie anders­rum, aber Sie ver­ste­hen) wie lan­ge nicht mehr. Sehr ele­gan­ter Pia­no­pop, der mal zum Pia­no­rock wird, mal zum Jazz, und im tief­trau­ri­gen „Solo (So Low)“ sei­nen … äh: Höhe­punkt fin­det. Oder doch in der Destiny’s‑Child-Anleihe in „Good Bad Boy“?

4. Niels Fre­vert – Du kannst mich an der Ecke raus­las­sen
Für sei­ne alte Band Natio­nal­ga­le­rie bin ich zu jung und auch sonst muss ich zuge­ben, bis heu­te wenig von Niels Fre­vert gehört zu haben. Aber sein drit­tes Solo­al­bum „Du kannst mich an der Ecke raus­las­sen“ gefällt mir, unter ande­rem weil es auf erstaun­li­che Wei­se „undeutsch“ klingt. Die Arran­ge­ments erin­nern an Dami­en Rice und José Gon­za­les und die Stim­mung ist ein biss­chen so wie auf Tom Liwas Meis­ter­werk „St. Amour“. Den dezent swin­gen­den Titel­song soll­te man test­wei­se mal Roger-Cice­ro-Fan­in­nen vor­spie­len, zu The­ra­pie­zwe­cken.

5. Tegan And Sara – The Con
„Kana­da“, „Zwil­lin­ge“, „Indie Pop“ – „Bin­go!“
Nur ein gutes hal­bes Jahr nach sei­nem Release ist das fünf­te Album der Schwes­tern jetzt auch in Deutsch­land erschie­nen. Musik und Tex­te sind eine wun­der­ba­re Mischung aus nied­lich und gemein und man hofft, dass die­ser kana­di­sche Indie Pop (von Zwil­lin­gen!) end­lich mal die Charts und Radio­sta­tio­nen erobert.

Songs
1. Goldf­rapp – A&E
Ich lie­be es, wenn man beim aller­ers­ten Hören eines Songs, noch bevor die­ser zu Ende ist, denkt: „Was für ein tol­les, tol­les Lied! Ich möch­te es mir ins Herz täto­wie­ren las­sen!“ So war es bei „A&E“, von dem ich beim aller­ers­ten Hören gar nicht wuss­te, dass es auch die ers­te Sin­gle aus „Seventh Tree“ ist. Natür­lich völ­lig zu Recht.

2. R.E.M. – Super­na­tu­ral Super­se­rious
Klar: Außer „Shi­ny Hap­py Peo­p­le“ haben R.E.M. noch nie irgend­was falsch gemacht. Gera­de die Vor­ab-Sin­gles waren ja auch bei den letz­ten bei­den Alben („Imi­ta­ti­on Of Life“, „Lea­ving New York“) immer Über­songs, aber so ein ganz klei­nes biss­chen erstaunt ist man dann viel­leicht doch, dass R.E.M. wie­der rich­tig rocken (obwohl sie das ja mit den neu­en Songs auf ihrem Best Of von 2003 auch getan hat­ten) und „Super­na­tu­ral Super­se­rious“ zwei Durch­gän­ge län­ger braucht, bis man sich in den Song ver­liebt hat. Aber dann ist alles ganz wun­der­bar und irgend­wann ver­steht man auch nicht mehr „Gise­la“, son­dern „It’s a lie“.

3. Danko Jones – Take Me Home
Der unwahr­schein­lichs­te Song des Monats auf einem ziem­lich unwahr­schein­li­chen Danko-Jones-Album: Die Kana­di­er spie­len ein Bei­na­he-Cover von John Den­vers „Coun­try Roads“, ori­gi­nal mit Akus­tik­gi­tar­re, Mit­klat­sch­rhyth­mus und Chö­ren im Refrain. Das geht ent­we­der gar nicht oder ist das heim­li­che High­light der Plat­te. Ich ent­schei­de mich für letz­te­res, nicht zuletzt wegen der Text­zei­le „Take me home to whe­re my records are“. Dem­nächst dann ver­mut­lich auf WDR 2.

4. Panic At The Dis­co – Nine In The After­noon
Na, das macht doch schon mal Lau­ne auf das Zweit­werk der Band, die auf Ihrem Debüt noch Panic! At The Dis­co hieß. Ein biss­chen grad­li­ni­ger als die meis­ten Songs auf „A Fever You Can’t Sweat Out“ ist „Nine In The After­noon“ ja schon gewor­den, aber das soll uns nicht stö­ren, denn es ist ein­fach ein fei­ner Song.

5. One­Re­pu­blic – Stop And Sta­re
Schon klar: „Apo­lo­gi­ze“ ging sehr schnell gar nicht mehr. Die­ser Kas­tra­ten­ge­sang, der omni­prä­sen­te Tim­ba­land und dann auch noch Til Schwei­ger im (deut­schen) Video – das konn­te nicht mal mehr Nora Tschirner (eben­falls im deut­schen Video) aus­glei­chen. „Stop And Sta­re“ zwingt zur nähe­ren Beschäf­ti­gung mit One­Re­pu­blic, denn die­se Sor­te Col­lege Rock (oder wie auch immer man die­sen Sound in den Nuller Jah­ren nennt) mag ich sehr ger­ne. Sowohl The Fray als auch Orson las­sen grü­ßen.

EP
Smas­hing Pump­kins – Ame­ri­can Gothic
Wer mit „Zeit­geist“, dem Come­back-Album der Smas­hing Pump­kins, nicht klar kam, weil es „irgend­wie nichts Neu­es“ zu bie­ten hat­te, der wird auch mit der EP „Ame­ri­can Gothic“ sei­ne Pro­ble­me haben, denn auch die könn­te schon zehn Jah­re alt sein. Sehr genau sogar, denn der Ver­zicht auf elek­tri­sche Gitar­ren sorgt für vier der­art melan­cho­li­sche Songs, wie sie Bil­ly Cor­gan seit „Ado­re“ nicht mehr geglückt sind. Natür­lich braucht man streng genom­men gar kei­ne Nach­fol­ger von „To Shei­la“, „Per­fect“ oder „Tear“, aber sobald Bil­ly Cor­gan bei „The Rose March“ anfängt, mit sich selbst im Duett zu sin­gen, setzt wie­der die­se Gän­se­haut ein, für die man die Pump­kins immer geliebt hat. Und wer nicht will, der hat schon.

Eben­falls gehört und für gut befun­den: Danko Jones – Never Too Loud, Home Of The Lame – Sing What You Know, k.d. lang – Waters­hed, Vam­pi­re Weekend – Vam­pi­re Weekend, Chris Wal­la – Field Manu­al

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Ella, ella, eeh

Im Früh­jahr 2007 erschien „Umbrel­la“, die ers­te Sin­gle aus dem drit­ten Album von Rihan­na. Das zuvor semi-pro­mi­nen­te R’n’B-Stern­chen wur­de über Nacht zum Super­star und „Umbrel­la“ der Hit des Jah­res, der es auch auf mei­ne Bes­ten­lis­te schaff­te.

Bereits im Sep­tem­ber berich­te­te NPR über die damals schon zahl­rei­chen Cover­ver­sio­nen des Songs und frag­te:

Can It Be Too Soon to Cover a Pop Song?

Seit­dem dürf­te eine knap­pe hal­be Mil­li­on wei­te­rer Neu­in­ter­pre­ta­tio­nen hin­zu­ge­kom­men sein, von denen ich Ihnen nun eini­ge vor­stel­len möch­te:

Tegan And Sara
Die kana­di­schen Indie-Pop-Zwil­lin­ge haben sich eini­ge Male live durch den Song gekämpft. Nicht immer ganz text­si­cher, aber immer sehr schön.

Man­dy Moo­re
Nach­dem sie schon „Some­day We’ll Know“ der New Radi­cals nicht kaputt gekriegt hat, hat Pop­s­tern­chen Man­dy Moo­re „Umbrel­la“ also in eine Bal­la­de ver­wan­delt. Klappt auch.

Marié Dig­by
Mein Favo­rit unter den Cover­ver­sio­nen: laid back und mit einem eige­nen Ansatz.

Lil­la­sys­ter
Die Tat­sa­che, dass nicht mal eine skan­di­na­vi­sche Proll­me­tal­band das Lied kaputt kriegt, spricht doch deut­lich für des­sen Qua­li­tät.

Vanil­la Sky
Die knuf­fi­gen Italo-Punk­ro­cker, die schon ein spek­ta­ku­lä­res Cover von Vanes­sa Carl­tons „A Thousand Miles“ auf­ge­nom­men hat­ten, covern nicht nur den Song, son­dern gleich noch das Video. Ich mag vor allem, wie das Lied im Refrain rich­tig los­düst. Den Durch­bruch wer­den sie damit aber wie­der nicht schaf­fen.

Plain White T’s
Noch eine Punk­rock-Kapel­le: Nach ihrer (wirk­lich sehr schö­nen) Bal­la­de „Hey The­re Deli­lah“ droht der Band der Ruf des one hit won­ders. Viel­leicht soll­ten sie die­se Akus­tik­ver­si­on zu einer Sin­gle aus­bau­en …

Biffy Cly­ro
Eigent­lich klingt der Alter­na­ti­ve Rock der drei Schot­ten ja ganz anders, aber in der „Live Lounge“ von BBC Radio 1, wo der Song mit­ge­schnit­ten wur­de, hat man ja schon alles an abwe­gi­gen Cover­ver­sio­nen erlebt.

Keith Urban & Car­rie Under­wood
Die Ver­si­on ist unin­spi­riert as hell, aber die Stim­men haben doch einen gewis­sen Reiz.

Manic Street Pre­a­chers
Sogar die wali­si­schen Kom­mu­nis­ten-Rocker lie­ßen sich nicht davon abhal­ten, „Umbrel­la“ für eine NME-Com­pi­la­ti­on zu covern. Immer­hin haben sie als eine der ganz weni­gen den gran­dio­sen Beat (bei dem es sich übri­gens um „Vin­ta­ge Funk Kit 03“ aus Gara­ge Band han­delt) zumin­dest ansatz­wei­se bei­be­hal­ten.

Rihan­na & Kla­xons
Na, das war doch mal was bei den Brit Awards am Mitt­woch: Rihan­na singt den Song halt immer noch am Bes­ten, wäh­rend Kla­xons im Hin­ter­grund „Gol­den Skans“ und „It’s Not Over Yet“ spie­len. So haucht man dem Song auch nach fast einem Jahr noch mal neu­es Leben ein.

[via Oli­ver­Ding in den Kom­men­ta­ren und „Visi­ons News­flash“]