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Musik Leben

25 Jahre „The Ego Has Landed“

Die­ser Ein­trag ist Teil 5 von bis­her 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Robbie Williams - The Ego Has Landed (abfotografiert von Lukas Heinser)

Was für ein merk­wür­di­ges Album: Um das ehe­ma­li­ge Take-That-Mit­glied Rob­bie Wil­liams auch auf dem ame­ri­ka­ni­schen Markt groß zu machen, hat­te Capi­tol Records ein­fach Songs sei­ner ers­ten bei­den Alben zusam­men­ge­wür­felt und auf den Markt gebracht. Das Gan­ze war natür­lich gar nicht für euro­päi­sche Plat­ten­lä­den gedacht gewe­sen und ent­spre­chend teu­er und schwer zu bekom­men, aber ande­rer­seits hat­te man alle Hits und ein paar unbe­kann­te­re Songs auf einem Album. Klar, dass ich mir das zu mei­nem 16. Geburts­tag wün­schen muss­te!

Mei­ne liebs­ten Boy­bands der 1990er Jah­re: 1. East 17, 2. Boy­zo­ne, 3. Take That. Natür­lich waren die Kon­ven­tio­nen zu die­ser Zeit noch so, dass man als Jun­ge mit 12, 13 Jah­ren eine sol­che Boy­band eher doof zu fin­den hat­te, und so war Rob­bie Wil­liams schon dadurch cool gewor­den, dass er die­se Band ver­las­sen hat­te.

Aber auch die Sin­gles, die man danach von ihm im Radio hören konn­te, waren gut. Für einen Jun­gen, der über die Hits von Oasis, Blur und The Light­ning Seeds gera­de mit dem Kon­zept „Brit­pop“ in Kon­takt gekom­men war, waren Songs wie „Strong“, „No Reg­rets“ oder „Old Befo­re I Die“ kon­se­quen­te Ergän­zun­gen – und auch heu­te hal­te ich „Strong“ immer noch für einen der bes­ten Oasis-Songs, den Noel Gal­lag­her nie geschrie­ben hat.

Was für ein groß­ar­ti­ges Album: Da waren nun wirk­lich die gan­zen Hits, die ich aus dem Radio kann­te, plus so deep cuts wie „Win Some Lose Some“, „Jesus In A Cam­per Van“ (ein Song, der spä­ter wegen Urhe­ber­rechts­strei­tig­kei­ten aus Wil­liams‘ gesam­tem Schaf­fen gelöscht wur­de) und „Kar­ma Kil­ler“ (eine von Strei­chern ange­trie­be­ne Alter­na­ti­ve-Rock-Abrech­nung mit dem ehe­ma­li­gen Take-That-Mana­ger Nigel Mar­tin-Smith). Im Herbst 1999 wur­de „The Ego Has Lan­ded“ (Ent­schul­di­gung, was ist das über­haupt für ein genia­ler Album­ti­tel?!) mein treu­es­ter Beglei­ter und noch heu­te kommt „No Reg­rets“ für mich nach „Mill­en­ni­um“ und nicht wie auf dem ori­gi­na­len Album „I’ve Been Expec­ting You“ davor.

Natür­lich habe ich mir spä­ter doch noch die bei­den Alben „Life Thru A Lens“ und „I’ve Been Expec­ting You“ gekauft, so wie ich mir zwi­schen 2001 und 2006 alle Sin­gles und bis 2013 alle Alben gekauft habe. Zwi­schen 2000 und unge­fähr 2005 war Rob­bie Wil­liams, das ist für Nach­ge­bo­re­ne auch nur noch schwer vor­stell­bar, unan­ge­foch­ten das, was man eigent­lich immer über Micha­el Jack­son gesagt hat­te: King of Pop. (War­um er erst 2012 ein Album „Take The Crown“ genannt hat, weiß er auch nur selbst.) Es gab gan­ze Rob­bie-Tage bei MTV und er ist bis heu­te der ein­zi­ge Act, für den ich an einem Sams­tag­mor­gen um halb Acht auf­ge­stan­den bin, um in einem phy­si­schen Ticket-Shop Kon­zert­kar­ten zu erwer­ben. Ent­spre­chend bedrü­ckend fand ich es, in der Net­flix-Doku-Serie über sein Leben zu erfah­ren, dass er, als er uns um die Jahr­tau­send­wen­de so viel Freu­de und so vie­le Ever­greens berei­tet hat, eigent­lich die gan­ze Zeit unglück­lich war. Dabei hat­te er uns das – „You think that I’m strong /​ You’­re wrong“ – ja auch immer gesagt.

Für jeman­den, der sich Weiß-Gott-was auf sei­nen Musik­ge­schmack jen­seits des Main­streams ein­ge­bil­det hat, war Rob­bie Wil­liams natür­lich auch immer ein Anknüp­fungs­punkt zu den Mäd­chen der eige­nen Jahr­gangs­stu­fe. Er war einer der weni­gen Radio-Acts, die einen coo­ler mach­ten, wenn man signa­li­sier­te, sei­ne Musik zu hören. Es gibt so vie­le sei­ner Songs aus die­ser Zeit, deren Tex­te schon damals zu mir spra­chen und es auch heu­te noch tun, dass es sich, wenn ich sie heu­te höre, fast so anfühlt, als könn­ten der 40-jäh­ri­ge Lukas und sein 16-jäh­ri­ger Vor­gän­ger durch die Musik mit­ein­an­der spre­chen.

Als der über­trie­ben kum­pe­li­ge Mode­ra­tor auf WDR 4 (of all places), vor eini­ger Zeit „Feel“ als „einen der Klas­si­ker von Rob­bie Wil­liams“ ankün­dig­te, dach­te ich, ernst­haft über­rascht: „Für mich ist ‚Esca­po­lo­gy‘ immer noch das ‚neue‘ Album!?“ Es erschien im Herbst 2002.

Fol­gen­de wah­re Geschich­te: Als ich Neil Han­non von The Divi­ne Come­dy im Jahr 2006 inter­viewt habe, hab ich ihn natür­lich auch auf „No Reg­rets“ ange­spro­chen – und war­um er so viel schwie­ri­ger zu hören sei als der ande­re Gast-Sän­ger, Neil Ten­n­ant von den Pet Shop Boys. Han­non erzähl­te mir, dass Ten­n­ant zufäl­lig im Stu­dio gewe­sen sei, als der Song gemischt wur­de, und den Audio-Inge­nieur ein­fach gebe­ten habe, die eige­ne Spur ein wenig lau­ter zu dre­hen. Ich habe die­se Anek­do­te nicht zu veri­fi­zie­ren ver­sucht, weil ich den Rock’n’Roll-Mythos dahin­ter nicht zer­stö­ren woll­te.

Rob­bie Wil­liams – The Ego Has Lan­ded
(Chrysalis/​Capitol, 4. Mai 1999)
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Musik

Weihnachten

Ein Blick auf den Kalen­der ver­rät: ’s ist Weih­nach­ten! Und weil es natür­lich Mil­li­ar­den von Songs zu, über oder für Weih­nach­ten gibt, hat Lukas eine wil­de Mischung zusam­men­ge­stellt.

„Last Christ­mas“ oder „Dri­ving Home For Christ­mas“ sind nicht dabei, aber Lukas erzählt, war­um das trotz­dem gute Songs sind, und dann erklärt er, war­um auch Nicht-Weih­nachts­songs zu Weih­nach­ten dazu­ge­hö­ren kön­nen.

Fro­he Weih­nach­ten!

Alle Songs:

  • Cher – Angels In The Snow
  • John­ny Cash – Joy To The World
  • Jac­qui Nay­lor – Hap­py X‑Mas (War Is Over)
  • Max Richard Leß­mann – Wenn es Weih­nach­ten wird
  • Sinéad O’Connor – Silent Night
  • Take That – Pati­ence
  • Titus Andro­ni­cus – Drum­mer Boy
  • The Pogues feat. Kirs­ty Mac­Coll – Fairy­ta­le Of New York

Show­no­tes:

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Das anderste Weihnachten aller Zeiten

Vor uns liegt ein Weih­nachts­fest, das so anders ist, als wir es gewohnt sind — so zumin­dest der Tenor in Medi­en, Politiker*innen-Statements und per­sön­li­chen Gesprä­chen. Dabei ist „anders sein“ bei aller Tra­di­ti­on etwas, was Weih­nach­ten eben­so aus­macht wie unver­hei­ra­te­te Groß­on­kel. Klar: Alle glück­li­chen Weih­nachts­fes­te glei­chen ein­an­der, aber wie viel Pro­zent Über­ein­stim­mung braucht es ana­log zur DNA-Ana­ly­se in der Foren­sik, damit es ein Weih­nach­ten „wie immer“ ist?

Da war das Jahr, wo ich mich an Hei­lig­mor­gen erbrach, nicht mit in die Kir­che konn­te und Fami­li­en­es­sen und Besche­rung auf der Couch ver­brach­te; das letz­te Weih­nach­ten in der alten Woh­nung und das ers­te im neu­en Haus. Das Jahr, in dem mein Groß­va­ter erklär­te, dass es ihm zu anstren­gend gewor­den sei, der Ver­tei­lung und Ent­pa­ckung der Geschen­ke Drit­ter bei­woh­nen zu müs­sen, wes­we­gen es ab da nur noch sorg­sam beschrif­te­te Kuverts mit Geld­schei­nen gab. Oder das letz­te „rich­ti­ge“ Weih­nach­ten, so wie wir es gewohnt waren: drei Kin­der, Mama und Papa und die drei Groß­el­tern. Das war im Jahr 2011 und mei­nem Tage­buch ent­neh­me ich, dass es schon damals „nicht mehr das­sel­be“ war, weil der Gemein­de­pfar­rer, der uns alle getauft und kon­fir­miert hat­te, zwi­schen­zeit­lich in den Ruhe­stand gegan­gen war. Als mein Groß­va­ter im Jahr 2017 bei sei­ner all­jähr­li­chen Weih­nachts­an­spra­che auf die sonst übli­che Schluss­for­mel „… und hof­fen wir, dass der Lie­be Gott uns nächs­tes Jahr noch ein­mal an die­ser Stel­le hier zusam­men­führt“ ver­zich­te­te, wuss­ten wir alle, dass es das letz­te Weih­nachts­fest mit ihm sein wür­de. Was nie­mand ahnen konn­te (außer er selbst, womög­lich): 96 Stun­den spä­ter war er tot.

Für mich ist erst Weih­nach­ten, wenn ich am Nach­mit­tag des Hei­li­gen Abends „Pati­ence“ von Take That gehört habe — ein Song, der nun wirk­lich unter kei­nen Umstän­den ein Weih­nachts­lied ist. Der Grund dafür ist glei­cher­ma­ßen banal wie magisch (also wie das Leben selbst): Ende 2006 lief die gro­ße Come­back-Sin­gle der eins­ti­gen Boy­band im Radio rauf und run­ter — so auch auf der Rück­fahrt vom Weih­nachts­got­tes­dienst zu unse­rem Eltern­haus im Radio. Ein Jahr spä­ter saßen wir Kin­der gemein­sam in Mamas altem Ford Fies­ta, fuh­ren wie­der von der Kir­che zu den Eltern und im Radio lief wie­der die­ser Song, was – ange­sichts einer fünf­mi­nü­ti­gen Auto­fahrt und einer selbst bei WDR 2 mehr als ein­stel­li­gen Zahl von Lie­dern in den Rota­ti­ons­lis­ten – dann doch min­des­tens ein erstaun­li­cher Zufall war. In den Fol­ge­jah­ren ging ich auf Num­mer Sicher, brach­te den Song auf mei­nem iPho­ne mit nach Dins­la­ken und spiel­te ihn auf dem Weg von der Innen­stadt nach Epping­ho­ven ab. Das ist viel­leicht drei, vier Mal pas­siert und ich war über 20, als es begann, aber es ist mehr Weih­nachts­tra­di­ti­on als der Film „Drei Hasel­nüs­se für Aschen­brö­del“, von dem ich noch nie in mei­nem Leben auch nur eine Minu­te gese­hen habe.

Was ich mei­ne ist: Weih­nach­ten ist immer anders und im Grun­de genom­men dann auch immer ähn­lich, wes­we­gen Komö­di­en über Fami­li­en­weih­nach­ten auch so gut funk­tio­nie­ren: Weil sie die frei­wil­li­gen und unfrei­wil­li­gen Ritua­le; die Freu­de und das Elend; die Wie­der­ho­lun­gen, die alle so lan­ge mit den Augen rol­len las­sen, bis sie nicht mehr statt­fin­den und die Augen für­der­hin nicht mehr gerollt, son­dern feucht wer­den; und den Ver­such, Weih­nach­ten „wie immer“ bege­hen zu wol­len, auf den kleins­ten gemein­sa­men Nen­ner run­ter­bre­chen und in der tra­gi­schen Poin­te gip­feln, dass Weih­nach­ten eben lei­der genau­so wird wie immer.

Dou­glas Adams hat­te in den 1980er Jah­ren die Idee, ein Com­pu­ter­pro­gramm zu ent­wi­ckeln, das die stets deckungs­glei­chen Aus­sa­gen des dama­li­gen US-Prä­si­den­ten Ronald Rea­gan von allei­ne repro­du­ziert, mit dem Fern­ziel, irgend­wann sämt­li­che wich­ti­gen Politiker*innen durch Künst­li­che Intel­li­gen­zen zu erset­zen, die sich dann mit­ein­an­der unter­hal­ten. Adams konn­te Donald Trump nicht vor­her­se­hen, aber er hat im Grun­de genom­men Face­book und Twit­ter vor­weg­ge­nom­men, wo sich jede Men­ge Bots und ein­zel­ne ver­wirr­te, ein­sa­me See­len in einem fort­wäh­ren­den Nicht-Dia­log befin­den. Aber wenn die Mensch­heit aus­stür­be (ein Gedan­ke, der, bei Licht bese­hen, sel­ten so nahe­lie­gend war wie im Jahr 2020), könn­ten Spo­ti­fy-Play­lis­ten, Strea­ming­diens­te und die zen­tra­len Logis­tik-Pro­gram­me der Back­wa­ren-Indus­trie jähr­lich ein Weih­nachts­fest emu­lie­ren. Robo­ter an ver­wais­ten Pro­duk­ti­ons­stra­ßen wür­den sich mit Tas­sen vol­ler Glüh­wein, auf denen „Weih­nachts­markt Müns­ter 1993“ steht und deren Hen­kel schon etwas beschä­digt sind, zupros­ten und sich – wo tech­nisch mög­lich – gegen­sei­tig unan­ge­mes­sen berüh­ren, wäh­rend Smart-Home-Gerä­te die Woh­nun­gen in allen Far­ben des Regen­bo­gens blin­ken las­sen.

Und irgend­wo wür­de eine Kaf­fee­ma­schi­ne beseelt den­ken: „Alles wie immer!“

Ich wün­sche Euch und Euren Lie­ben trotz allem fro­he und besinn­li­che Weih­nach­ten im klei­nen Kreis, Gesund­heit und uns allen ein bes­se­res Jahr 2021!

Die­ser Text erschien ursprüng­lich in mei­nem News­let­ter „Post vom Ein­hein­ser“, für den man sich hier anmel­den kann.

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2010 – the year something broke

In Jah­res­end­zeit­stim­mung schaut man ja ger­ne zurück auf das enden­de Jahr, resü­miert und fer­tigt – wenn man der­lei Neu­ro­sen pflegt – obsku­re Lis­ten an. Auf eine Leser­wahl haben wir nach dem Muse-Deba­kel im Vor­jahr ein­fach mal ver­zich­tet und Unhei­lig per Akkla­ma­ti­on zu Ihrer Lieb­lings­band 2010 ernannt.

Doch die letz­ten Dezem­ber­ta­ge lie­ßen mich auch per­sön­lich nach­denk­lich zurück: Was hat­te ich eigent­lich gehört und gut gefun­den?

Mei­ne last.fm-Charts waren eini­ger­ma­ßen wert­los: Aus ver­schie­de­nen Grün­den tauch­ten Songs wie „Fire­f­lies“ (Owl City), „Baby“ (Jus­tin Bie­ber) oder „Catch Me I’m Fal­ling“ (Real Life, hät­ten Sie’s gewusst?) in mei­nen Jah­res-Top-25 auf, was ich in ers­ter Linie besorg­nis­er­re­gend fand. Außer­dem waren alle Songs des Albums von The Natio­nal dabei, was immer­hin schon mal einen deut­li­chen Hin­weis auf das Album des Jah­res gibt, denn so unfass­bar groß wie „High Vio­let“ war 2010 tat­säch­lich nichts mehr.

Es ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass ich das Bes­te wie üblich über­se­hen habe: Arca­de Fire, Get Cape. Wear Cape. Fly, Eels, Suf­jan Ste­vens – alles nicht oft genug gehört, weil mir der Sinn grad nach etwas Ande­rem stand. So habe ich ja auch „Only Revo­lu­ti­ons“ von Biffy Cly­ro erst im Okto­ber 2010 für mich ent­deckt, es ist also denk­bar, dass es auch im letz­ten Jahr wenigs­tens ein gutes Gitar­ren­rock-Album gab – wahr­schein­lich ist es aller­dings nicht, zu wenig ist in den ver­gan­ge­nen Jah­ren im Rock­seg­ment pas­siert. Die Manic Street Pre­a­chers etwa haben mit „Post­cards From A Young Man“ ein durch­aus sehr gutes Spät­werk raus­ge­bracht, aber geknallt hat das jetzt auch nicht rich­tig. Und falls es span­nen­de Neu­lin­ge gab, muss ich sie alle­samt über­se­hen haben: The Hold Ste­ady haben sou­ve­rän gerockt, Jason Lyt­le hat mit sei­ner Post-Grand­ad­dy-Band Admi­ral Rad­ley schön ver­schro­be­nen Indie­rock gemacht, The Gas­light Anthem waren okay, Ende des Jah­res kam mit „All Soul’s Day“ ein ordent­li­ches Lebens­zei­chen von The Ata­ris – aber, Ent­schul­di­gung: Wir spre­chen vom Jahr 2010! Völ­lig okay, dass Ben Folds mit lyri­scher Unter­stüt­zung von Nick Horn­by end­lich mal wie­der ein rich­tig gutes Album gemacht hat, aber der Mann ist jetzt auch schon seit 17 Jah­ren dabei.

Immer­hin haben nicht alle Bands so ent­täuscht wie Wir Sind Hel­den, Shout Out Louds, Ste­reo­pho­nics oder – rich­tig schlecht – Jim­my Eat World und Danko Jones. Weezer haben angeb­lich schon wie­der min­des­tens ein Album ver­öf­fent­licht. Die meis­ten mei­ner Lieb­lings­bands hat­ten sich eh eine Aus­zeit genom­men und ihre Sän­ger solo vor­ge­schickt: Alles über­rag­te dabei Jón­si von Sigur Rós, des­sen „Go“ zu den bes­ten Alben des Jah­res gehört. Jakob Dylan war schon zum zwei­ten Mal ohne Wall­flowers unter­wegs, hat die Band aber immer noch nicht auf­ge­löst. Dabei ist das düs­ter-fol­ki­ge „Women & Coun­try“ eigent­lich bes­ser als alles, was er vor­her gemacht hat. Fran Hea­ly (Tra­vis) und Bran­don Flowers (The Kil­lers) lie­ßen erst The­ra­pie­sit­zun­gen erwar­ten, klan­gen dann aber gar nicht mehr so anders als ihre Bands – eben gut, aber auch nicht mehr so rich­tig span­nend. Carl Barât gehört auch irgend­wie in die­se Auf­zäh­lung, obwohl er die Dir­ty Pret­ty Things ja längst auf­ge­löst hat und es die Liber­ti­nes wie­der gibt. Kele (Bloc Par­ty) und Paul Smith (Maxï­mo Park) hab ich ver­passt. Und die­ses Jahr ver­öf­fent­licht dann Thees Uhl­mann (Tom­te) sein Solo-Debüt …

In Sachen Hip-Hop ging auch nicht mehr so rich­tig viel: Kid Cudi blieb mit sei­nem Zweit­werk hin­ter den Erwar­tun­gen zurück, Kanye West hat ein irres Gesamt­kunst­werk raus­ge­bracht, das mit dem Album eines Ein­zel­in­ter­pre­ten wenig gemein hat und sich mir womög­lich erst in ein, zwei Jahr­hun­der­ten erschlie­ßen wird. Emi­nem war durch­aus kraft­voll wie­der da, krieg­te den meis­ten Air­play aber für ein Duett mit der lang­sam unver­meid­li­chen Rihan­na. Aus Groß­bri­tan­ni­en kam immer­hin Pro­fes­sor Green mit einem dre­ckig-bun­ten Grime-Strauß.

Im Pop gab es (neben Lady Gaga) vor allem zwei The­men: Das gro­ße Come­back von Take That als Quin­tett und Lena. Mit Hil­fe von Stuart Pri­ce (s.a. Scis­sor Sis­ters) nahm die eins­ti­ge Vor­zei­ge-Boy­group (Huch, aus wel­chem Par­al­lel­uni­ver­sum kam denn die­se Kli­schee-For­mu­lie­rung?) ein erstaun­lich elek­tro­ni­sches Album auf – „reif“ hat­te die Band seit ihrem Come­back 2006 ja die gan­ze Zeit geklun­gen. Die zu „Pro­gress“ gehö­ren­de Doku­men­ta­ti­on „Look Back, Don’t Sta­re“ zeigt die Fünf dann auch als wei­se älte­re Her­ren, die ihre Dämo­nen lang­sam aber sicher alle bekämpft haben und jedem Mann Mitte/​Ende Zwan­zig Mut machen, in zehn bis fünf­zehn Jah­ren so gut aus­zu­se­hen wie nie zuvor. Oder man zeugt wenigs­tens eine Toch­ter wie Lena Mey­er-Land­rut, die exakt fünf Tak­te brauch­te, bis sich erst alle Zuschau­er von „Unser Star für Oslo“ und dann 85% der deut­schen Bevöl­ke­rung in sie ver­lieb­ten. Natür­lich war der Tri­umph beim Euro­vi­si­on Song Con­test eine mit­tel­schwe­re Sen­sa­ti­on und auch für mich per­sön­lich ein Erleb­nis, aber das Album „My Cas­set­te Play­er“ war lei­der trotz­dem eine ziem­li­che Ent­täu­schung. Text­lich schwer rüh­rend, aber auch völ­lig see­len­los pro­du­ziert, ragt das von Ellie Goul­ding geschrie­be­ne „Not Fol­lo­wing“ her­vor, der Rest ist nett, aber belang­los.

Was kam sonst aus Deutsch­land? Toco­tro­nic, die mich etwas rat­los zurück­lie­ßen, Erd­mö­bel mit dem bes­ten deutsch­spra­chi­gen Album seit Jah­ren, Die Fan­tas­ti­schen Vier, die sich irgend­wo zwi­schen „Bild“-Interview (in Mor­gen­män­teln im Bett!) und Wer­be­deals voll­ends der Bedeu­tungs­lo­sig­keit hin­ga­ben, wäh­rend Fet­tes Brot ihr vor­läu­fi­ges Ende ver­kün­de­ten. Und dann halt so Leu­te, die man per­sön­lich kennt wie Tom­my Fin­ke, Enno Bun­ger oder die phan­ta­sischen Poly­a­na Fel­bel.

Auf vier bis acht groß­ar­ti­ge Alben folgt eine gan­ze Men­ge Mit­tel­maß und die Gewiss­heit, dass ich vie­les sicher noch über­hört habe. Dafür haben mich die Alben, die ich dann tat­säch­lich gehört habe, zu sehr auf­ge­hal­ten: The Natio­nal, Erd­mö­bel, Del­phic, Jón­si, Jakob Dylan und die Vor­jah­res­über­se­hun­gen Biffy Cly­ro und Mum­ford & Sons. Die Lis­te mei­ner Lieb­lings­songs wird irgend­wo hin­ter Platz 8 recht schnell belie­big, hat aber immer­hin einen rich­ti­gen Kra­cher auf der Eins: „Tokyo“ von The Wom­bats, mit denen ich ehr­lich gesagt am aller­we­nigs­ten gerech­net hät­te.

In den Charts domi­nier­ten erst die Fuß­ball­hym­nen (das vom Kom­merz zer­stör­te „Wavin‘ Flag“ von K’na­an und das nur ner­vi­ge „Waka Waka“ von Shaki­ra), ehe sich das Land zum Jah­res­en­de zwei wahn­sin­nig unwahr­schein­li­che Num­mer-Eins-Hits gönn­te: Eine 17 Jah­re alte Kreu­zung zwei­er Ever­greens auf der Uku­le­le, gesun­gen vom schwer­ge­wich­ti­gen und zwi­schen­zeit­lich ver­stor­be­nen Isra­el Kama­ka­wi­wo’o­le und ein aus dem Wer­be­fern­se­hen bekann­ter, ursprüng­lich nicht als Sin­gle ange­dach­ter Song von Empire Of The Sun, die andert­halb Jah­re zuvor erfolg­los ver­sucht hat­ten, mit einem sehr viel ein­gän­gi­ge­ren Song über das Wer­be­fern­se­hen erfolg­reich zu sein. In den Album­charts durf­te sowie­so jeder mal ran und wenn gera­de kein gro­ßer Name (Peter Maf­fay, AC/​DC, Iron Mai­den, Joe Cocker, Depe­che Mode, Bruce Springsteen) sein neu­es Album raus­ge­hau­en hat­te, schos­sen wie selbst­ver­ständ­lich Unhei­lig wie­der an die Spit­ze der Hit­pa­ra­de.

Na ja: Neu­es Jahr, neu­es Glück.

Songs & Alben 2010 – Die Lis­ten

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Musik

Everybody in the house of love

Lei­der habe ich heu­te Abend schon eine Ver­ab­re­dung mit der Hoch­kul­tur, sonst könn­te ich mir in mei­ner Hei­mat­stadt doch glatt das Come­back des Jah­res anse­hen. In einem mir unbe­kann­ten Bochu­mer Tanz­schup­pen wird die Band auf der Büh­ne ste­hen, die in mei­ner Musik­so­zia­li­sa­ti­on den Zeit­raum zwi­schen der Mün­che­ner Frei­heit und den New Radi­cals bestimmt hat: East 17.

Mit­te der Neun­zi­ger bestimm­te die Fra­ge „Oasis oder Blur?“ die bri­ti­sche Musik­sze­ne. Die ande­re zen­tra­le Fra­ge für die etwas jün­ge­ren und/​oder ahnungs­lo­se­ren lau­te­te: „Take That oder East 17?“. Und wäh­rend es heut­zu­ta­ge völ­lig okay ist, Take That gut gefun­den zu haben (ihr Come­back-Album muss man ja gar lie­ben), „gehen“ East 17 rück­bli­ckend „gar nicht“ – sagen zumin­dest alle.

Ich moch­te die Band damals und die Erin­ne­rung an die­se Zeit lässt es auch heu­te noch nicht zu, ihre Musik schei­ße zu fin­den. Ich war im Besitz einer die­ser aus der „Bra­vo“ zusam­men­ge­klaub­ten und hin­ge­schlu­der­ten (heu­te wür­de man die Wiki­pe­dia neh­men) Band­bio­gra­phien und wäh­rend ich lan­ge Jah­re dach­te, „Post­cards From Hea­ven“ der Light­house Fami­ly wäre mein ers­tes selbst­ge­kauf­tes Album gewe­sen, muss ich die­se Infor­ma­ti­on nach wei­te­rer Inau­gen­schein­nah­me mei­ner CD-Samm­lung kor­ri­gie­ren: es war „Up All Night“ von East 17.

Ich habe East 17, die schließlch nur noch E‑17 hie­ßen (was sie, wie der Ken­ner weiß, natür­lich schon getan hat­ten, bevor sie East 17 hie­ßen) und nur noch zu dritt waren, irgend­wann aus den Augen ver­lo­ren. Von 1996 bis 1998 war mein Inter­es­se an Kino­fil­men und deren Scores grö­ßer als das an Pop­mu­sik. Was ich noch mit­be­kam war, dass das Trio noch ein Album ver­öf­fent­lich­te und sich dann auf­lös­te. Sän­ger Bri­an Har­vey war vor eini­gen Jah­ren Kan­di­dat bei „I’m a Cele­bri­ty … Get Me Out of Here!“ und schaff­te es, von sei­nem eige­nen Mer­ce­des über­fah­ren zu wer­den, wäh­rend er am Steu­er saß. In einem Plat­ten­la­den hat­te ich neu­lich ein Best Of der Band in der Hand, das etli­che Jahr jün­ger war als ihr Best Of bei mir im Regal, aber die glei­chen Songs ent­hielt.

Heu­te Abend ste­hen East 17 also als East 17, aber wei­ter­hin ohne Tony Mor­ti­mer, den coo­len Rap­per, auf der Büh­ne des „Rombach’s“ in Bochum. Ich bin ganz froh, dass ich was ande­res vor­ha­be.

PS: East 17s größ­ter Hit war natür­lich „Stay Ano­ther Day“, den ich auch heu­te noch kom­plett mit­sin­gen kann. Ein wenig kre­di­bi­ler ist das natür­lich bei der Cover­ver­si­on von Maps, die man sich hier her­un­ter­la­den kann.

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Als wäre man selbst dabeigewesen

Am Mon­tag ist zoomer.de, das neue töf­te Nach­rich­ten­por­tal für Men­schen, die sich von Ulrich Wickert duzen las­sen wol­len, gestar­tet (Cof­fee And TV berich­te­te). Da der Start von derwesten.de gelehrt hat, dass sich am ers­ten Tag und nach Inau­gen­schein­nah­me des Lay­outs nichts ver­läss­li­ches über die Qua­li­tät eines neu­es Web­an­ge­bots sagen lässt, habe ich es vor­ge­zo­gen, mich mit Äuße­run­gen zurück­zu­hal­ten, bis es auf der inhalt­li­chen Sei­te etwas blog­gen­s­wer­tes gibt. Also bis jetzt.

In Lon­don wur­den am Mitt­woch­abend die Brit Awards ver­lie­hen (den qua­li­ta­ti­ven Unter­schied zum Echo kön­nen Sie schon dar­an able­sen, dass auf der offi­zi­el­len Web­site der Brit Awards die Preis­trä­ger sofort auf­ge­lis­tet waren). zoomer.de ent­schied sich, die wich­tigs­ten Gewin­ner in einer Bil­der­ga­le­rie vor­zu­stel­len. Nun sind Bil­der­ga­le­rien natür­lich Geschmacks­sa­che und nicht so meins, aber wenn man ein paar schö­ne atmo­sphä­ri­sche Bil­der von der Preis­ver­lei­hung hat: war­um nicht?

Wegen Java­script kann ich die ein­zel­nen Bil­der (jedes ein Klick) lei­der nicht direkt ver­lin­ken, aber wir kön­nen die neun Sei­ten trotz­dem kurz durch­ge­hen:

Bild 1: Kanye West

Bes­ter inter­na­tio­na­ler Künst­ler wur­de bei den Brit Awards Kanye West. Viel­leicht hebt der Sieg sei­ne Stim­mung. Sei­ne Mut­ter ist vor ein paar Wochen an den Fol­gen einer Schön­heits-OP gestor­ben.

„vor ein paar Wochen“ ist natür­lich ein dehn­ba­rer Begriff, starb Dr. Don­da West doch bereits im Novem­ber. Das aller­dings ist längst noch nicht so lan­ge her wie der Anlass, bei dem das beglei­ten­de dpa-Foto ent­stan­den ist – denn das war beim „Live Earth“-Kon­zert am 7. Juli 2007.

Bild 2: Kylie Mino­gue
Nun könn­te es natür­lich sein, dass Kylie Mino­gue bei den Brit Awards ein­fach wie­der die glei­che Live-Show gebo­ten hat wie bei der Ver­lei­hung der „Gol­de­nen Kame­ra“ und ich des­halb die Fotos ver­wechs­le (bei den Echos hat­te sie ja eine ande­re Fri­sur). Hat sie aber offen­bar nicht.

Bild 3: Foo Figh­ters
Über den mini­mal ver­un­glück­ten Album­ti­tel kann ich hin­weg­se­hen, ich muss „Echo­es, Silence, Pati­ence & Grace“ ja auch immer erst nach­gu­cken. Das sind natür­lich auch die Foo Figh­ters – aber das in ihrer Hand ist ziem­lich sicher kein Brit Award.

Bild 4: Paul McCart­ney
Wenn Mac­ca sich nicht wäh­rend des Auf­tritts umge­zo­gen hat, ist auch die­ses ddp-Bild aus dem Archiv.

Bild 5: Take That
Ich fin­de auf die Schnel­le nichts, was das Gegen­teil beweist, also könn­ten wir davon aus­ge­hen, dass das Bild tat­säch­lich Take That bei den Brit Awards zeigt, wenn – ja, wenn Take That dort gar nicht auf­ge­tre­ten wären.

Bild 6: Arc­tic Mon­keys
Tat­sa­che: Das Bild mit der lus­ti­gen Ver­klei­dung ist vom Mitt­woch.

Bild 7: Mark Ron­son
That’s easy: Das in sei­ner Hand ist ein Gram­my.

Bild 8: Kate Nash

Bild­nach­weis: Pro­mo

Na, jetzt wis­sen wenigs­tens alle, wie Kate Nash aus­sieht, wenn sie gera­de nicht den Preis als bes­te bri­ti­sche Künst­le­rin erhält.

Bild 9: Mika
Ach, viel­leicht ist das ja das glei­che Hemd. Ist letzt­lich auch egal fürs

Fazit
Von den neun Fotos der Foto­stre­cke „Brit Awards“ stam­men min­des­tens sie­ben aus dem Archiv, die Mini­mal­tex­te neben den Bil­dern füh­ren noch nicht mal alle Gewin­ner auf (ande­rer­seits: Wel­cher deut­sche Leser kennt schon Ade­le?) und über den Auf­tritt des Abends (Rihan­na! Kla­xons! Zusammen!!!!1) fehlt jedes Wort. Dafür brauch ich kein neu­es Por­tal, für der­ar­ti­gen Qua­li­täts­jour­na­lis­mus habe ich „Spie­gel Online“ und sueddeutsche.de …

Ver­söhn­li­cher Abschluss
Wenn Sie guten Musik­jour­na­lis­mus wol­len, lesen Sie Kele­fa San­nehs „New York Times“-Arti­kel über den New Yor­ker Auf­tritt von Tokio Hotel. Der ist wirk­lich toll und die zwei Bil­der auf der Sei­te sind auch noch hun­dert­mal bes­ser als der Archiv-Krem­pel bei zoomer.de.

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Musik

Listenpanik (4): Knietief im Pop

Dank der zu Anfang etwas kru­den Abrech­nungs­zeit­räu­me war Teil 3 unse­rer Serie für den Mai gedacht, die­ser (vier­te) befasst sich also mit den Alben und Sin­gles des Monats Juni. Wie immer streng sub­jek­tiv und ohne den Hauch eines Anspruchs auf Voll­stän­dig­keit – und dies­mal beson­ders pop­pig:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. Crow­ded House – Time On Earth
Crow­ded House war trotz der gro­ßen Hits („Wea­ther With You“, „Don’t Dream It’s Over“, „Four Sea­sons In One Day“, …) die Band, die kaum jemand kann­te. Das änder­te sich auch nicht groß, als sich die Band 1996 auf­lös­te und ihr Kopf Neil Finn allei­ne und mit sei­nem Bru­der Tim schö­ne bis groß­ar­ti­ge Pop-Alben ver­öf­fent­lich­te. Jetzt hat sich die Band in Bei­na­he-Ori­gi­nal­be­set­zung (Schlag­zeu­ger Paul Hes­ter beging 2005 Selbst­mord) wie­der zusam­men­ge­tan und ihr fünf­tes regu­lä­res Album ver­öf­fent­licht. Und man muss sagen: Wenn es je eine Band ver­dient hat, das musi­ka­li­sche Erbe der Beat­les anzu­tre­ten, dann Crow­ded House. Die wun­der­schö­nen, oft melan­cho­li­schen Melo­dien pur­zeln nur so aus den Boxen und Songs wie die Sin­gle „Don’t Stop Now“ hät­ten es ver­dient, min­des­tens so berühmt zu wer­den wie „Wea­ther With You“.

2. Jupi­ter Jones – Ent­we­der geht die­se scheuß­li­che Tape­te – oder ich
Zwei­ein­halb Jah­re nach ihrem Debüt sind Jupi­ter Jones zurück und machen bei­na­he da wei­ter, wo sie auf­ge­hört haben. Zu den gran­dio­sen Tex­ten über Lie­be und Ein­sam­keit, Auf­bruch und Auf­ge­ben hat sich die Band musi­ka­lisch wei­ter­ent­wi­ckelt und beein­druckt jetzt mit Blä­sern, Strei­chern und natür­lich auch wei­ter­hin mit jede Men­ge Feu­er unterm Arsch. Nenn‘ es Punk­rock, nenn‘ es Deutsch­rock oder Emo – das ist eigent­lich egal, denn es ist und bleibt gut: Musik mit kathar­ti­scher Wir­kung.

3. Mark Ron­son – Ver­si­on
Mark Ron­son ist DJ und Pro­du­zent (Lily Allen, Rob­bie Wil­liams, …) und das, was er auf sei­nem zwei­ten Solo­al­bum betreibt, ist das, was ein DJ und Pro­du­zent eben so macht: Songs inein­an­der über­ge­hen las­sen und über­ra­schen­de Klän­ge her­vor­zau­bern. Neun Cover­ver­sio­nen gibt es, zwei Remi­xe und drei Instru­men­tal­tracks und die Gast­stars geben sich die Klin­ke in die Hand: Die char­man­te Lily Allen gewinnt „Oh My God“ von den Kai­ser Chiefs ein weib­li­che Lon­do­ner Kom­po­nen­te ab, Dani­el Mer­ri­wea­ther schmach­tet sich durch „Stop Me“ von The Smit­hs, Phan­tom-Pla­net-Sän­ger Alex Green­wald bezwingt (wie schon auf die­sem Tri­bu­te-Sam­pler) Radio­heads „Just“ und Rob­bie Wil­liams darf bei „The Only One I Know“ von den Char­la­tans zei­gen, dass er immer noch sin­gen kann. Dazu gibt’s fet­te Beats und sat­te Blä­ser und schon hat man etwas ganz sel­te­nes: ein Album, dass man auf einer Par­ty durch­lau­fen las­sen kann.

4. Ryan Adams – Easy Tiger
Fast andert­halb Jah­re lagen zwi­schen der Ver­öf­fent­li­chung von „29“ und „Easy Tiger“ – Ryan Adams hat­te doch nicht etwa eine Schreib­blo­cka­de? Iwo: Der leicht ver­peil­te Alt.-Country-Rocker hat nur Anlauf genom­men und will die­ses Jahr noch ein Box­set mit Out­takes und Rari­tä­ten ver­öf­fent­li­chen. Vor­her gibt es aber „Easy Tiger“, das so ziem­lich alle Qua­li­tä­ten des frü­he­ren Whis­key­town-Sän­gers ver­eint: Rock’n’Roll‑, Folk‑, Coun­try- und Pop­songs ste­hen neben­ein­an­der wie Geschwis­ter, die sich nicht so hun­dert­pro­zen­tig ähn­lich sehen, aber doch den glei­chen Papa haben. Es ist Adams‘ abwechs­lungs­reichs­tes Album seit dem phan­tas­ti­schen „Gold“ und viel­leicht auch sein bes­tes seit­dem. Das merkt man u.a. dar­an, dass bei „Two“ noch nicht mal Sheryl Crow stört.

5. Ghosts – The World Is Out­side
Jedes Jahr kom­men jun­ge bri­ti­sche Bands zu uns, die die Nach­fol­ge von a‑ha oder wenigs­tens der New Radi­cals antre­ten wol­len. Bei man­chen (Kea­ne) klappt das, ande­re lau­fen zwar im Radio, schaf­fen den Durch­bruch dann aber doch nicht (Orson, The Fee­ling, Thir­teen Sen­ses. …). Wozu Ghosts gehö­ren wer­den, ist noch nicht abzu­se­hen. Man kann aber schon sagen, dass sie schi­cke Pop­mu­sik machen, die uns durch den Som­mer beglei­ten soll – egal, wie das Wet­ter noch wird. Das klappt viel­leicht nich über die vol­le Album­di­stanz und ist auch alles ande­re als neu, aber eben doch sehr nett gemacht. Wer jetzt sagt: „Na, das ist aber kein beson­ders über­zeu­gen­des Plä­doy­er“, dem sage ich: „Kann schon sein. Aber hören Sie sich das ein­fach mal an, es könn­te Ihnen gefal­len.“

Sin­gles (inkl. iTu­nes-Links)
1. Beat­steaks – Cut Off The Top
Das dazu­ge­hö­ri­ge Album hat­te ich hier schon sträf­lich ver­nach­läs­sigt, die Sin­gle muss aber rein. Die Beat­steaks machen mal wie­der alles rich­tig und hau­en einen schwer zu kate­go­ri­sie­ren­den Song (und ein tol­les Video) raus. „Dama­ge! Dama­ge!“

2. Smas­hing Pump­kins – Taran­tu­la
Dafür bringt man als 16-Jäh­ri­ger all sein Taschen­geld zum Ticket­händ­ler und geht auf ein Kon­zert der „Abschieds­tour­nee“, damit sich die Band sie­ben Jah­re spä­ter refor­miert. Oder: Damit sich Bil­ly Cor­gan ein paar neue Band­dar­stel­ler auf die Büh­ne stellt und Paris Hil­ton aufs Sin­gle-Cover klatscht. Der Song ist aber schon recht beacht­lich, der ein­zi­ge ande­re Ur-Pump­kin Jim­my Cham­ber­lin knüp­pelt sich durch min­des­tens vier ver­schie­de­ne Rhyth­men und ich muss gleich drin­gend los und mir das Album kau­fen. Bleibt nur die Fra­ge: Was ist mit dem „The“ im Band­na­men pas­siert?

3. Mika – Relax (Take It Easy)
Mika habe ich ja schon eini­ge Male gefei­ert (z.B. hier sein Album), „Relax“ kann man ruhig aber noch mal extra erwäh­nen. Für alle, die kei­ne Cut­ting-Crew-Samples und kei­ne Kopf­stim­men mögen, ist der Song natür­lich eine Zumu­tung, für mich eine char­mant durch­ge­knall­te Dis­co-Num­mer, die auch durch die Ver­wen­dung im Wer­be­fern­se­hen kei­nen gro­ßen Scha­den nimmt.

4. Ghosts – Stay The Night
Schon wie­der Ghosts. Ja, das ist halt ein­gän­gi­ger Radio­pop und „Stay The Night“ das, was man wohl als „Gute-Lau­ne-Musik“ bezeich­nen wür­de, wenn das nicht ein abso­lut wider­li­cher, bescheu­er­ter Begriff wäre. Mal dar­über nach­ge­dacht, dass die­se Sin­gles-Lis­te immer so pop­las­tig sein könn­te, weil so wenig Math­co­re- oder Expe­ri­men­tal-Bands Sin­gles ver­öf­fent­li­chen? Ist mir auch gera­de erst auf­ge­fal­len.

5. Take That – Reach Out
Jawoll, ich bin end­gül­tig wahn­sin­nig gewor­den und packe Take That auf mei­ne Lis­te. Aber wie­so eigent­lich wahn­sin­nig? Das ist doch wohl ein­fach ein schö­ner Pop­song, sau­ber geschrie­ben und gut gesun­gen. Und um mich gleich rich­tig lächer­lich zu machen: Bin ich der ein­zi­ge, den die Stro­phen an „Die Tie­re sind unru­hig“ von Kan­te erin­nern?