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2010 – the year something broke

In Jah­res­end­zeit­stim­mung schaut man ja ger­ne zurück auf das enden­de Jahr, resü­miert und fer­tigt – wenn man der­lei Neu­ro­sen pflegt – obsku­re Lis­ten an. Auf eine Leser­wahl haben wir nach dem Muse-Deba­kel im Vor­jahr ein­fach mal ver­zich­tet und Unhei­lig per Akkla­ma­ti­on zu Ihrer Lieb­lings­band 2010 ernannt.

Doch die letz­ten Dezem­ber­ta­ge lie­ßen mich auch per­sön­lich nach­denk­lich zurück: Was hat­te ich eigent­lich gehört und gut gefun­den?

Mei­ne last.fm-Charts waren eini­ger­ma­ßen wert­los: Aus ver­schie­de­nen Grün­den tauch­ten Songs wie „Fire­f­lies“ (Owl City), „Baby“ (Jus­tin Bie­ber) oder „Catch Me I’m Fal­ling“ (Real Life, hät­ten Sie’s gewusst?) in mei­nen Jah­res-Top-25 auf, was ich in ers­ter Linie besorg­nis­er­re­gend fand. Außer­dem waren alle Songs des Albums von The Natio­nal dabei, was immer­hin schon mal einen deut­li­chen Hin­weis auf das Album des Jah­res gibt, denn so unfass­bar groß wie „High Vio­let“ war 2010 tat­säch­lich nichts mehr.

Es ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass ich das Bes­te wie üblich über­se­hen habe: Arca­de Fire, Get Cape. Wear Cape. Fly, Eels, Suf­jan Ste­vens – alles nicht oft genug gehört, weil mir der Sinn grad nach etwas Ande­rem stand. So habe ich ja auch „Only Revo­lu­ti­ons“ von Biffy Cly­ro erst im Okto­ber 2010 für mich ent­deckt, es ist also denk­bar, dass es auch im letz­ten Jahr wenigs­tens ein gutes Gitar­ren­rock-Album gab – wahr­schein­lich ist es aller­dings nicht, zu wenig ist in den ver­gan­ge­nen Jah­ren im Rock­seg­ment pas­siert. Die Manic Street Pre­a­chers etwa haben mit „Post­cards From A Young Man“ ein durch­aus sehr gutes Spät­werk raus­ge­bracht, aber geknallt hat das jetzt auch nicht rich­tig. Und falls es span­nen­de Neu­lin­ge gab, muss ich sie alle­samt über­se­hen haben: The Hold Ste­ady haben sou­ve­rän gerockt, Jason Lyt­le hat mit sei­ner Post-Grand­ad­dy-Band Admi­ral Rad­ley schön ver­schro­be­nen Indie­rock gemacht, The Gas­light Anthem waren okay, Ende des Jah­res kam mit „All Soul’s Day“ ein ordent­li­ches Lebens­zei­chen von The Ata­ris – aber, Ent­schul­di­gung: Wir spre­chen vom Jahr 2010! Völ­lig okay, dass Ben Folds mit lyri­scher Unter­stüt­zung von Nick Horn­by end­lich mal wie­der ein rich­tig gutes Album gemacht hat, aber der Mann ist jetzt auch schon seit 17 Jah­ren dabei.

Immer­hin haben nicht alle Bands so ent­täuscht wie Wir Sind Hel­den, Shout Out Louds, Ste­reo­pho­nics oder – rich­tig schlecht – Jim­my Eat World und Danko Jones. Weezer haben angeb­lich schon wie­der min­des­tens ein Album ver­öf­fent­licht. Die meis­ten mei­ner Lieb­lings­bands hat­ten sich eh eine Aus­zeit genom­men und ihre Sän­ger solo vor­ge­schickt: Alles über­rag­te dabei Jón­si von Sigur Rós, des­sen „Go“ zu den bes­ten Alben des Jah­res gehört. Jakob Dylan war schon zum zwei­ten Mal ohne Wall­flowers unter­wegs, hat die Band aber immer noch nicht auf­ge­löst. Dabei ist das düs­ter-fol­ki­ge „Women & Coun­try“ eigent­lich bes­ser als alles, was er vor­her gemacht hat. Fran Hea­ly (Tra­vis) und Bran­don Flowers (The Kil­lers) lie­ßen erst The­ra­pie­sit­zun­gen erwar­ten, klan­gen dann aber gar nicht mehr so anders als ihre Bands – eben gut, aber auch nicht mehr so rich­tig span­nend. Carl Barât gehört auch irgend­wie in die­se Auf­zäh­lung, obwohl er die Dir­ty Pret­ty Things ja längst auf­ge­löst hat und es die Liber­ti­nes wie­der gibt. Kele (Bloc Par­ty) und Paul Smith (Maxï­mo Park) hab ich ver­passt. Und die­ses Jahr ver­öf­fent­licht dann Thees Uhl­mann (Tom­te) sein Solo-Debüt …

In Sachen Hip-Hop ging auch nicht mehr so rich­tig viel: Kid Cudi blieb mit sei­nem Zweit­werk hin­ter den Erwar­tun­gen zurück, Kanye West hat ein irres Gesamt­kunst­werk raus­ge­bracht, das mit dem Album eines Ein­zel­in­ter­pre­ten wenig gemein hat und sich mir womög­lich erst in ein, zwei Jahr­hun­der­ten erschlie­ßen wird. Emi­nem war durch­aus kraft­voll wie­der da, krieg­te den meis­ten Air­play aber für ein Duett mit der lang­sam unver­meid­li­chen Rihan­na. Aus Groß­bri­tan­ni­en kam immer­hin Pro­fes­sor Green mit einem dre­ckig-bun­ten Grime-Strauß.

Im Pop gab es (neben Lady Gaga) vor allem zwei The­men: Das gro­ße Come­back von Take That als Quin­tett und Lena. Mit Hil­fe von Stuart Pri­ce (s.a. Scis­sor Sis­ters) nahm die eins­ti­ge Vor­zei­ge-Boy­group (Huch, aus wel­chem Par­al­lel­uni­ver­sum kam denn die­se Kli­schee-For­mu­lie­rung?) ein erstaun­lich elek­tro­ni­sches Album auf – „reif“ hat­te die Band seit ihrem Come­back 2006 ja die gan­ze Zeit geklun­gen. Die zu „Pro­gress“ gehö­ren­de Doku­men­ta­ti­on „Look Back, Don’t Sta­re“ zeigt die Fünf dann auch als wei­se älte­re Her­ren, die ihre Dämo­nen lang­sam aber sicher alle bekämpft haben und jedem Mann Mitte/​Ende Zwan­zig Mut machen, in zehn bis fünf­zehn Jah­ren so gut aus­zu­se­hen wie nie zuvor. Oder man zeugt wenigs­tens eine Toch­ter wie Lena Mey­er-Land­rut, die exakt fünf Tak­te brauch­te, bis sich erst alle Zuschau­er von „Unser Star für Oslo“ und dann 85% der deut­schen Bevöl­ke­rung in sie ver­lieb­ten. Natür­lich war der Tri­umph beim Euro­vi­si­on Song Con­test eine mit­tel­schwe­re Sen­sa­ti­on und auch für mich per­sön­lich ein Erleb­nis, aber das Album „My Cas­set­te Play­er“ war lei­der trotz­dem eine ziem­li­che Ent­täu­schung. Text­lich schwer rüh­rend, aber auch völ­lig see­len­los pro­du­ziert, ragt das von Ellie Goul­ding geschrie­be­ne „Not Fol­lo­wing“ her­vor, der Rest ist nett, aber belang­los.

Was kam sonst aus Deutsch­land? Toco­tro­nic, die mich etwas rat­los zurück­lie­ßen, Erd­mö­bel mit dem bes­ten deutsch­spra­chi­gen Album seit Jah­ren, Die Fan­tas­ti­schen Vier, die sich irgend­wo zwi­schen „Bild“-Interview (in Mor­gen­män­teln im Bett!) und Wer­be­deals voll­ends der Bedeu­tungs­lo­sig­keit hin­ga­ben, wäh­rend Fet­tes Brot ihr vor­läu­fi­ges Ende ver­kün­de­ten. Und dann halt so Leu­te, die man per­sön­lich kennt wie Tom­my Fin­ke, Enno Bun­ger oder die phan­ta­sischen Poly­a­na Fel­bel.

Auf vier bis acht groß­ar­ti­ge Alben folgt eine gan­ze Men­ge Mit­tel­maß und die Gewiss­heit, dass ich vie­les sicher noch über­hört habe. Dafür haben mich die Alben, die ich dann tat­säch­lich gehört habe, zu sehr auf­ge­hal­ten: The Natio­nal, Erd­mö­bel, Del­phic, Jón­si, Jakob Dylan und die Vor­jah­res­über­se­hun­gen Biffy Cly­ro und Mum­ford & Sons. Die Lis­te mei­ner Lieb­lings­songs wird irgend­wo hin­ter Platz 8 recht schnell belie­big, hat aber immer­hin einen rich­ti­gen Kra­cher auf der Eins: „Tokyo“ von The Wom­bats, mit denen ich ehr­lich gesagt am aller­we­nigs­ten gerech­net hät­te.

In den Charts domi­nier­ten erst die Fuß­ball­hym­nen (das vom Kom­merz zer­stör­te „Wavin‘ Flag“ von K’na­an und das nur ner­vi­ge „Waka Waka“ von Shaki­ra), ehe sich das Land zum Jah­res­en­de zwei wahn­sin­nig unwahr­schein­li­che Num­mer-Eins-Hits gönn­te: Eine 17 Jah­re alte Kreu­zung zwei­er Ever­greens auf der Uku­le­le, gesun­gen vom schwer­ge­wich­ti­gen und zwi­schen­zeit­lich ver­stor­be­nen Isra­el Kama­ka­wi­wo’o­le und ein aus dem Wer­be­fern­se­hen bekann­ter, ursprüng­lich nicht als Sin­gle ange­dach­ter Song von Empire Of The Sun, die andert­halb Jah­re zuvor erfolg­los ver­sucht hat­ten, mit einem sehr viel ein­gän­gi­ge­ren Song über das Wer­be­fern­se­hen erfolg­reich zu sein. In den Album­charts durf­te sowie­so jeder mal ran und wenn gera­de kein gro­ßer Name (Peter Maf­fay, AC/​DC, Iron Mai­den, Joe Cocker, Depe­che Mode, Bruce Springsteen) sein neu­es Album raus­ge­hau­en hat­te, schos­sen wie selbst­ver­ständ­lich Unhei­lig wie­der an die Spit­ze der Hit­pa­ra­de.

Na ja: Neu­es Jahr, neu­es Glück.

Songs & Alben 2010 – Die Lis­ten

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Bevor es zu spät ist

Nach­dem ich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren die bes­ten Alben (Bon Iver, The Gas­light Anthem; Mum­ford & Sons, Emmy The Gre­at, Biffy Cly­ro) jeweils erst nach Sil­ves­ter ent­deckt habe, dach­te ich mir, dass es die­ses Jahr anders wer­den muss: Ich bit­te also jetzt schon um Hin­wei­se, was ich even­tu­ell über­se­hen haben könn­te.

Bis­her ganz oben auf mei­ner Short­list für die bes­ten Alben 2010 ste­hen:

  • Erd­mö­bel – Kro­kus
  • The Natio­nal – High Vio­let
  • Del­phic – Aco­ly­te
  • Jón­si – Go
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Gesammelte Platten April 2010

Die­ser Ein­trag ist Teil 4 von bis­her 8 in der Serie Gesam­mel­te Plat­ten

Blunt Mecha­nic – World Record
Man soll ja Plat­ten nicht nur auf­grund ihrer Cover beur­tei­len, aber: Gott, ist das nied­lich! Ähem … Das ist also das Ein-Mann-Pro­jekt von Ben Bar­nett, der neue US-Import auf Grand Hotel van Cleef. Wobei es schon ein biss­chen über­ra­schend ist, dass das Album von 2009 ist – vom Sound her könn­te es auch bereits 15 Jah­re alt sein und der Hoch­zeit von Pave­ment, Lemon­heads, Weezer und They Might Be Giants ent­stam­men. Unauf­ge­reg­ter ame­ri­ka­ni­scher Indie­rock eben. Alles schep­pert und rauscht ein biss­chen, aber genau die­ses etwas Schrä­ge macht das Album so sym­pa­thisch. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

Bro­ken Social Sce­ne – For­gi­ve­ness Rock Record
Wie erklärt man das jetzt? Die­se Band war da, als mir etwas abhan­den kam. Wie beschreibt man jetzt die­ses Musi­ker­kol­lek­tiv aus Kana­da, das Feist, Emi­ly Hai­nes und Wahn­sinn­s­al­ben und Sound­tracks her­vor­ge­bracht hat?
Und was sagt man dann über die­ses neue Album „For­gi­ve­ness Rock Record“?
Ein Ver­such. Man ist ja vie­les gewöhnt bei den Bro­ken Social Sce­n­es­ters, es gibt da Alben von Ihnen, die rein Instru­men­tal sind und einen weg­bla­sen, dann kom­men Alben, bei denen die Lyrics allei­ne einen umhau­en, und dann fängt die neue Plat­te mit „World Sick“ an und dann passiert’s: Alles fließt zusam­men – Melo­die, Text, Arran­ge­ment und Gesang und man ist mit­ten­drin, in der Bro­ken Social Sce­ne, die bei die­sem Album alle ihre Sub­kul­tu­ren zum bes­ten ver­schmol­zen haben. Sieb­zi­ger­jah­re-Tau­mel­rock und Waber­syn­thie­or­gel­parts, Strei­cher und Key­boards – fast jeder Song ist eine klei­ne Hym­ne für sich allein. Und wer hät­te nach „You For­get It In Peo­p­le“ gedacht, dass die Bro­ken Social Sce­ne nicht in ihre Ein­zel­tei­le zer­springt, son­dern im Kol­lek­tiv so ein Album raus­bringt?
Jeden­falls bin ich mir sicher, dass die­ses mal bei die­sem Alben auch eini­ge noch nicht gewuss­te Lücken ihre Bro­ken-Socia- Sce­ne-Fül­lung erhal­ten.
High­lights: Kann ich jeden Song hier hin schrei­ben? Wenn ich dann doch aus­wäh­len muss: World Sick, Art House Direc­tor und Me In The Base­ment. (AK)

Jakob Dylan – Women And Coun­try
Offi­zi­ell lie­gen die Wall­flowers nur auf Eis, aber so rich­tig wür­de es mich nicht stö­ren, wenn Jakob Dylan sei­ne Haupt­band nicht mehr wie­der­auf­er­ste­hen lie­ße – die hat­ten zwar die Hits und die grö­ße­ren Pop­songs, aber seit Dylan solo unter­wegs ist, hat er noch ein­mal einen gro­ßen Sprung als Musi­ker gemacht. Nach der völ­lig redu­zier­ten Rick-Rubin-Pro­duk­ti­on auf „See­ing Things“ sorgt dies­mal T‑Bone Bur­nett für einen vol­le­ren Süd­staa­ten­sound. Neko Case und Kel­ly Hogan sind als Back­ground-Sän­ge­rin mit dabei und ver­lei­hen den düs­ter vor sich hin­stap­fen­den Songs damit noch eine ganz eige­ne Note. In den Tex­ten geht es um apo­ka­lyp­ti­sche Bil­der und Fins­ter­nis, aber drun­ter macht es Jakob Dylan ja seit Jah­ren schon nicht mehr. Man kann die­ses Album kaum hören, ohne vor dem geis­ti­gen Auge die Step­pen­läu­fer in der Abend­son­ne im Staub tan­zen zu sehen. In sei­ner ver­meint­lich stoi­schen Ruhe liegt eine unge­heu­re Kraft, die einen fest­hält und run­ter­zieht – nur damit die Musik einen im nächs­ten Moment sanft über die Din­ge hebt. Groß­ar­ti­ge Auf­trit­te von Dylan und sei­ner Begleit­band auch bei NPR und Day­trot­ter. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

The Hold Ste­ady – Hea­ven Is When­ever
Jah­re­lang waren The Hold Ste­ady an mir vor­bei­ge­rauscht, dann tra­fen sich mich mit „Stay Posi­ti­ve“ mit vol­ler Wucht und ich muss­te alle Alben haben. Jetzt also der ers­te Album­re­lease als Fan und die­se ganz beson­de­re Mischung aus Vor­freu­de und Angst vor Ent­täu­schung – zumal Key­boar­der Franz Nico­lay die Band ja gera­de erst ver­las­sen hat­te. Der Ope­ner „The Sweet Part Of The City“ beginnt schlep­pend und mit slide gui­tars und lässt mich etwas rat­los zurück. Aber dann: „Soft In The Cen­ter“ mit einem Refrain, der gleich­zei­tig die Arme aus­brei­tet und um einen schlingt (ver­su­chen Sie das mal als Mensch!); „The Weeken­ders“ mit ganz vie­len „Woooo-hoooo“-Chören und U2-mäßi­gen Stro­phen; in der ers­ten Sin­gle „Hur­ri­ca­ne J“ klafft die Sche­re zwi­schen eupho­ri­scher Musik und resi­gnier­tem Text – das Album läuft und es läuft rund. Die Lyrics sind wie­der vol­ler Par­ty-Beschrei­bun­gen und Selbst­zi­ta­te (und eini­ger wun­der­schön wind­schie­fer Lie­bes­er­klä­run­gen), die Musik vol­ler Ener­gie. „Hea­ven Is When­ever“ braucht ein paar Anläu­fe und es ist sicher nicht das bes­te Hold-Ste­ady-Album (das ist „Boys And Girls In Ame­ri­ca“), aber es gibt kei­nen Grund zur Ent­täu­schung. (LH)

Sophie Hun­ger – 1983
Ein wil­des Kind. Eine wider­spens­ti­ge Frau. Feuil­le­ton­lieb­ling und eine der­je­ni­gen, die man auch wirk­lich als „Künst­le­rin“ bezei­chenen kann. Über­all auf der Welt auf­ge­wach­sen, Enke­lin von Schwei­zer Urvä­tern, eigent­lich nicht kate­go­ri­sier­bar. Am aller­wich­tis­ten aber ist, dass sie eine wahn­sin­nig begab­te Musi­ke­rin ist. Irgend­wo zwi­schen Jazz, Folk­lo­re, Pop. Uni­ver­sal­ta­lent. Uni­ver­sal­mu­sik.
Wer Inter­views mit ihr sieht, sieht einen sehr eigen­wil­li­gen Men­schen. Sophie Hun­ger ist sehr grad­li­nig, was ihre Aus­sa­gen betrifft, was man bei ihr eigent­lich eher nicht erwar­tet. Sie ist schwer greif­bar. Fra­gen in Inter­views wer­den seziert und auf den Punkt gebracht. Die Tex­te sind Mosai­ke oder eher Emo­tio­nen die man dann beim Hören spürt. Und man ver­gisst manch­mal bei all der Ernst­haf­tig­keit, wie viel Spaß ihr die Musik bringt. Viel­leicht ist das ihr Über­ra­schungs­mo­ment.
Das zwei­te Album „1983“ ist ein Wech­sel­bad der Hör­ge­füh­le. Heiß, kalt, laut und lei­se. Aber immer mit­ten ins Herz oder ins Ohr. Ihr wisst schon, das Organ, das Musik als ers­tes fühlt. Schon ihr Debüt­al­bum „Mon­day Ghost“ war ver­zau­bernd. Zumin­dest bin ich dem Zau­ber der Sophie Hun­ger erle­gen gewe­sen und bin es immer noch.
Viel­leicht passt Zau­ber sehr gut zu die­sem Album. Ein wenig exzen­trisch, ein wenig eigen­wil­lig aber eben Sophie Hun­ger pur.
High­lights: „Lea­ve Me With The Mon­keys“, „Your Per­so­nal Reli­gi­on“ und „Invin­ci­b­le“: „Some­whe­re in the Hin­du­kush /​ Lives the grea­test poet /​ Scribb­ling sings into the dust /​ And we will never know it“. (AK)

Jón­si – Go
Noch so ein Band­lea­der mit Solo­al­bum: Wäh­rend Sigur Rós ger­ne mal etwas län­ger brau­chen, nutzt deren Sän­ger die aktu­el­le Krea­tiv- und Baby­pau­se, um ein Album nach dem ande­ren raus­zu­hau­en. Letz­tes Jahr das Pro­jekt „Rice­boy Sleeps“, jetzt also ein offi­zi­el­les Solo­al­bum. Schon wegen Jón Þór Bir­gis­sons cha­rak­te­ris­ti­scher Stim­me erin­nert das natür­lich immer wie­der an die Haupt­band, aber dann klingt es doch wie­der ganz anders. Songs wie „Ani­mal Arith­me­tic“ oder „Boy Lili­koi“ sind zu Musik geron­ne­ne Eupho­rie, aber auch Melan­cho­li­ker bekom­men genug Stoff. Der Span­nungs­bo­gen fällt nach den … äh: Par­ty­songs (auf sol­che Par­ties wür­de ich wirk­lich, wirk­lich ger­ne mal ein­ge­la­den wer­den) am Anfang kon­ti­nu­ier­lich ab, bis man am Ende bei „Hen­gilás“ die Ster­ne auf­ge­hen sieht. Ach ja: Das Wort „Schwe­re­lo­sig­keit“ soll­te auch noch in die­ser Rezen­si­on ste­hen. Tut’s ja jetzt. Toll! (LH)

The Radio Dept. – Clinging To A Sche­me
Wir befin­den uns in einem Land, in dem die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung im Süden des Lan­des lebt, Inte­gra­ti­on eigent­lich Stan­dard ist und seit Jah­ren Musik in die Welt kata­pul­tiert, das man allein beim Wort­as­so­zia­ti­ons­spiel jedes Stadt-Land-Fluss-Spiel gewin­nen könn­te. Hier Euer 10-Punk­te-Bonus für R – The Radio Dept.
Die Her­ren Radio Dept. kom­men aus Lund, bestehen aus drei Mit­glie­dern, haben seit Grün­dung 1995 ihre Beset­zung ein paar mal gewech­selt und schwim­men zwi­schen Dream Pop, Show­ga­ze und dem Indie­o­zan hin und her. Ich kann­te die Her­ren nicht, bin durch glück­li­chen Recher­che­zu­fall drü­ber gestol­pert und beim Hören hän­gen geblie­ben.
Eigen­wil­lig ist ja immer gut. Eigen­wil­lig­keit über­schrei­tet Gen­re­gren­zen. The Radio Dept. haben auf ihrem drit­ten Album für mich als Erst­hör­ling alles rich­tig gemacht. Schlaue Melo­dien, ein wenig schwe­di­sche Melan­cho­lie und Talent für Kom­po­si­ti­on. An den rich­ti­gen Ecken bleibt man hän­gen und auch sonst haben sie ihr Ziel für mei­nen Geheim­tipp erreicht.
High­lights in no par­ti­cu­lar order: „You Stop­ped Making Sen­se“, „Never Fol­low Suit“ und „Heaven’s On Fire“. (AK)

Mit­ar­beit an die­ser Aus­ga­be:
AK: Anni­ka Krü­ger
LH: Lukas Hein­ser