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Digital Musik

Als wäre man selbst dabeigewesen

Am Montag ist zoomer.de, das neue töfte Nachrichtenportal für Menschen, die sich von Ulrich Wickert duzen lassen wollen, gestartet (Coffee And TV berichtete). Da der Start von derwesten.de gelehrt hat, dass sich am ersten Tag und nach Inaugenscheinnahme des Layouts nichts verlässliches über die Qualität eines neues Webangebots sagen lässt, habe ich es vorgezogen, mich mit Äußerungen zurückzuhalten, bis es auf der inhaltlichen Seite etwas bloggenswertes gibt. Also bis jetzt.

In London wurden am Mittwochabend die Brit Awards verliehen (den qualitativen Unterschied zum Echo können Sie schon daran ablesen, dass auf der offiziellen Website der Brit Awards die Preisträger sofort aufgelistet waren). zoomer.de entschied sich, die wichtigsten Gewinner in einer Bildergalerie vorzustellen. Nun sind Bildergalerien natürlich Geschmackssache und nicht so meins, aber wenn man ein paar schöne atmosphärische Bilder von der Preisverleihung hat: warum nicht?

Wegen Javascript kann ich die einzelnen Bilder (jedes ein Klick) leider nicht direkt verlinken, aber wir können die neun Seiten trotzdem kurz durchgehen:

Bild 1: Kanye West

Bester internationaler Künstler wurde bei den Brit Awards Kanye West. Vielleicht hebt der Sieg seine Stimmung. Seine Mutter ist vor ein paar Wochen an den Folgen einer Schönheits-OP gestorben.

“vor ein paar Wochen” ist natürlich ein dehnbarer Begriff, starb Dr. Donda West doch bereits im November. Das allerdings ist längst noch nicht so lange her wie der Anlass, bei dem das begleitende dpa-Foto entstanden ist – denn das war beim “Live Earth”-Konzert am 7. Juli 2007.

Bild 2: Kylie Minogue
Nun könnte es natürlich sein, dass Kylie Minogue bei den Brit Awards einfach wieder die gleiche Live-Show geboten hat wie bei der Verleihung der “Goldenen Kamera” und ich deshalb die Fotos verwechsle (bei den Echos hatte sie ja eine andere Frisur). Hat sie aber offenbar nicht.

Bild 3: Foo Fighters
Über den minimal verunglückten Albumtitel kann ich hinwegsehen, ich muss “Echoes, Silence, Patience & Grace” ja auch immer erst nachgucken. Das sind natürlich auch die Foo Fighters – aber das in ihrer Hand ist ziemlich sicher kein Brit Award.

Bild 4: Paul McCartney
Wenn Macca sich nicht während des Auftritts umgezogen hat, ist auch dieses ddp-Bild aus dem Archiv.

Bild 5: Take That
Ich finde auf die Schnelle nichts, was das Gegenteil beweist, also könnten wir davon ausgehen, dass das Bild tatsächlich Take That bei den Brit Awards zeigt, wenn – ja, wenn Take That dort gar nicht aufgetreten wären.

Bild 6: Arctic Monkeys
Tatsache: Das Bild mit der lustigen Verkleidung ist vom Mittwoch.

Bild 7: Mark Ronson
That’s easy: Das in seiner Hand ist ein Grammy.

Bild 8: Kate Nash

Bildnachweis: Promo

Na, jetzt wissen wenigstens alle, wie Kate Nash aussieht, wenn sie gerade nicht den Preis als beste britische Künstlerin erhält.

Bild 9: Mika
Ach, vielleicht ist das ja das gleiche Hemd. Ist letztlich auch egal fürs

Fazit
Von den neun Fotos der Fotostrecke “Brit Awards” stammen mindestens sieben aus dem Archiv, die Minimaltexte neben den Bildern führen noch nicht mal alle Gewinner auf (andererseits: Welcher deutsche Leser kennt schon Adele?) und über den Auftritt des Abends (Rihanna! Klaxons! Zusammen!!!!1) fehlt jedes Wort. Dafür brauch ich kein neues Portal, für derartigen Qualitätsjournalismus habe ich “Spiegel Online” und sueddeutsche.de …

Versöhnlicher Abschluss
Wenn Sie guten Musikjournalismus wollen, lesen Sie Kelefa Sannehs “New York Times”-Artikel über den New Yorker Auftritt von Tokio Hotel. Der ist wirklich toll und die zwei Bilder auf der Seite sind auch noch hundertmal besser als der Archiv-Krempel bei zoomer.de.

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Digital

Du willst es doch auch!

Es freut mich außerordentlich, dass die große Coffee-And-TV-Leserwahl “Aufguss 2007” sich offenbar auf Anhieb solcher Beliebtheit erfreut, dass einige Menschen alles unternehmen, um auch gewählt zu werden.

Dieser Tage erreichten uns noch folgende Bewerbungen für die Kategorie “Depp des Jahres”:

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Politik Rundfunk Print

Feigheit ist keine Nachricht

Wir müssen nochmal auf die Erklärung der 26 SPD-Abgeordneten zu sprechen kommen, in der diese ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ausdrückten, dann aber erklärten, diesem trotzdem zuzustimmen.

Nicht nur ix und Dr. Dean fragen sich, warum es das Thema eigentlich überhaupt nicht in die Medien geschafft hat. Der Sache wollte ich dann doch mal auf den Grund gehen.

Ich schrieb also einige E-Mails und rief in Redaktionen an, wo man mich bat, weitere E-Mails zu schicken. Eine wirkliche Antwort habe ich bisher nur vom ZDF bekommen, wobei das eigentlich auch keine Antwort auf meine Frage war:

Da an diesem Tag auch der Sonderermittler des Europarats Dick Marty seinen Bericht vorstellte, habe man diesem Ansatz den Vorzug gegeben gegenüber einer eher inlandsorientierten Berichterstattung.

Offenbar war die Erklärung der Abgeordneten deshalb nirgendwo Thema gewesen, weil außer den Redakteuren bei heise.de niemand in das Protokoll der entsprechenden Bundestagssitzung geguckt hatte. Die 26 Abgeordneten hatten es also nicht nur geschafft, einem Gesetz zuzustimmen, dass sie selbst für verfassungswidrig hielten, sie hatten es auch noch fertig gebracht, dies in einer öffentlichen Erklärung zuzugeben, die nie eine breitere Öffentlichkeit erreicht hat (oder erreichen sollte). Dafür mussten sie nur eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages abgeben:

§ 31 Erklärung zur Abstimmung

(1) Nach Schluß der Aussprache kann jedes Mitglied des Bundestages zur abschließenden Abstimmung eine mündliche Erklärung, die nicht länger als fünf Minuten dauern darf, oder eine kurze schriftliche Erklärung abgeben, die in das Plenarprotokoll aufzunehmen ist. Der Präsident erteilt das Wort zu einer Erklärung in der Regel vor der Abstimmung.

Damit entlastet man sein Gewissen und kann hinterher, wenn das Gesetzt kassiert wurde und mal wieder alle auf der Bundesregierung rumhacken, freundlich lächelnd Anlage 4 hervorholen und “Wir ham’s ja schon immer gesagt” murmeln.

Eine andere Möglichkeit, dass die Öffentlichkeit von der Erklärung erfahren hätte, wäre natürlich der Pranger der Opposition gewesen. Also rief ich mal bei den drei Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag an und fragte, warum man diese Vorlage aus Teilen der SPD-Fraktion denn nicht für eine öffentliche Bloßstellung der 26 Abgeordneten genutzt habe.

Bei der FDP hatte man bis zu meinem Anruf noch nichts von der Erklärung gehört, war aber sehr interessiert und sagte mir, man wolle “über Handlungsmöglichkeiten nachdenken”. Vielleicht höre ich von denen also noch was.

Mark Seibert, Referent im Büro des Die-Linke-Abgeordneten Jan Korte, nannte die Erklärung eine “politische Verantwortungslosigkeit”, die dem ohnehin umstrittenen Gesetz “die Krone aufgesetzt” habe. Allerdings sei zu dem konkreten Fall im Moment nichts geplant, da “kein neuer Nachrichtenwert” vorhanden sei. Die Linke und besonders Jan Korte seien aber in verschiedenen Initiativen gegen die Vorratsdatenspeicherung organisiert und planten weitere Aktionen.

Auch bis zu Bündnis 90/Die Grünen war der Inhalt von Anlage 4 noch nicht ganz durchgedrungen. Wolfgang Wieland, Sprecher für Innere Sicherheit der grünen Fraktion, ließ mir aber nur wenige Stunden nach meinem Anruf eine schriftliche Stellungnahme zukommen, die ich (schon wegen ihrer Exklusivität) gerne wiedergebe:

Dass man für ein Gesetz stimmt, weil man die Inhalte überzeugend findet, ist der Normalfall. Dass es wenige Gesetze gibt, bei denen man als Abgeordneter nicht auch einige Aspekte verzichtbar gefunden hätte, gehört ebenfalls dazu. Wer aber für ein Gesetz stimmt und darauf vertraut, dass seine ungeliebten Teile sowieso bald vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden, der versucht, aus einem Dilemma eine win-win-Situation zu machen.

Tatsache ist: Die Logik hinter der jüngst beschlossenen Vorratsdatenspeicherung stellt Sicherheit über Freiheit. Tatsache ist auch, dass sie sowohl europarechtlich wie grundgesetzlich auf wackeligen Beinen steht. Das erkennen die Kolleginnen und Kollegen von der SPD ja auch, aber sie handeln nicht danach. Das ist enttäuschend, denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, verfassungsrechtliche Bedenken von vornherein auszuräumen und entsprechende Gesetze zu verabschieden. Das Motto „Koalitionsfrieden wahren, Ideale zitierfähig ins Protokoll schreiben, Karlsruhe das Aufräumen überlassen“ darf nicht die Handlungsmaxime für Abgeordnete sein.

Für uns Blogger heißt das, dass wir einerseits zwar ganz nah an den Themen sind, der Sprung dieser Themen in die sog. “etablierten Medien” und in eine breitere Öffentlichkeit aber andererseits noch überhaupt nicht funktioniert.

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Politik

Größter Nazi-Vergleich aller Zeiten

Es ist alles hergerichtet: Es ist der 9. November, im Bundestag sprechen sie über Autobahnen, nachher wird die Regierungskoalition das Grundgesetz verraten und was macht Wolfgang Schäuble?

Was macht Wolfgang Schäuble?

Innenminister Schäuble provozierte mal wieder, diesmal mit einem Hitler-Vergleich. “Wir hatten den ‘größten Feldherrn aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten”, assoziierte er am Mittwochabend vor Journalisten und Richtern in Karlsruhe.

[taz, via Indiskretion Ehrensache]

Was soll man da noch sagen?

Vielleicht “Schäuble, zurücktreten!” rufen. Oder direkt auswandern.

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Digital

Klickbefehl

Wenn ein Programmdirektor diese Zeilen liest und sich ärgert, kann er von sofort an die Zeitung nicht mehr kaufen. Das kann der Örrf-Gefangene, will er sich gesetzeskonform verhalten, nur dann tun, wenn er sich von allen seinen Radios, Fernsehern, Computern etc. trennt und die GEZ außerdem seine Abmeldung akzeptiert.

Nach dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommentiert Kurt Kister in der “Süddeutschen Zeitung” die “Rundfunkfreiheit” in Deutschland.

Mr. Kurbjuweit also called Winnetou “a German with a migration background,” a phrase I’ve heard used to describe Turks here. Tormented German intellectuals like to ponder whether May’s concept of an “edelmensch,” his term for a truly noble man, as he called Winnetou, has inspired more feelings of fraternity or of racial superiority in the country. An American today is likelier to wonder how May shaped German views of the United States over the last century.

Die “New York Times” versucht ihren Lesern Karl May (“virtually unknown in the United States but the most popular author in German history”) und die Faszination der Deutschen für den Wilden Westen näherzubringen.

das gigantische warenlager mit warenausgabe ist wirklich noch ekliger geworden als der rohbau bereits suggerierte. allein die aufgeklebte fassadendeko und die am eingang aufgestelllte plastik sind so geistlos, dass es einem die tränen in die augen treibt.

Felix Schwenzel steht vor einem pottenhässlichen neuen Berliner Einkaufszentrum und philosophiert über potemkinsche Dörfer und festangestellte Gebäude.

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Gesellschaft Rundfunk

Das Ende der Herman-Schlacht

Manchmal bin ich doch überrascht von der Schnelligkeit eines öffentlich-rechtlichen Senders.

Da schreibt das “Hamburger Abendblatt” am Freitag als einzige anwesende Zeitung darüber, dass Eva Herman bei der Präsentation ihres neuen Buches “Das Prinzip Arche Noah” die “Wertschätzung der Mutter” im Nationalsozialismus als “sehr gut” bezeichnet habe (mehr zur “relativ eingeschränkten” Wertschätzung der Mutter bei den Nazis gibt’s bei wirres.net) und schon am Sonntag vermeldet “Welt Online” Vollzug:

Volker Herres, NDR-Programmdirektor Fernsehen, sagte: „Frau Hermans schriftstellerische Tätigkeit ist aus unserer Sicht nicht länger vereinbar mit ihrer Rolle als Fernsehmoderatorin und Talk-Gastgeberin. Dies ist nach ihren Äußerungen anlässlich einer Buchpräsentation in der vergangenen Woche deutlich geworden.“

Im Gegensatz zu 3,7 Millionen anderen Arbeitslosen in Deutschland wird Frau Herman auch ohne ihren Posten als freie NDR-Mitarbeiterin gut verdienen, denn vermutlich wird gerade diese Geschichte den Erfolg ihres Buches noch weiter vorantreiben.1 Trotzdem finde ich es beruhigend, dass Personen, die derart unreflektiert über die Zeit des Nationalsozialismus sprechen, nicht weiter durch Fernsehgebühren finanziert werden.

[via Pottblog]

1 Auch wenn ich glaube, dass ihre Bücher mehr gekauft und weniger gelesen werden.