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Feieralarm

Cof­fee And TV fei­ert heu­te sei­nen ers­ten Geburts­tag und wie es zu solch gro­ßen Ereig­nis­sen üblich ist, soll auch hier eine Nabel­schau der Extra­klas­se statt­fin­den.

Lesen Sie noch ein­mal nach, wie es war, als wir den Start mit einem Feu­er­werk der guten Lau­ne fei­er­ten oder sehen Sie sich das Ereig­nis auf Video an.

Kli­cken Sie sich auch noch ein­mal durch die Ein­trä­ge der ers­ten Wochen, als das Kon­zept „Grup­pen­blog“ irgend­wie noch bes­ser funk­tio­niert hat. Und erfreu­en Sie sich an den popu­lärs­ten Bei­trä­gen über irra­tio­na­le Ängs­te, den Kon­flikt von Spra­che und Jus­tiz, nack­te Jung­schau­spie­le­rin­nen, Eva Her­man, die Musik­in­dus­trie und Nazis. Oder lesen Sie den Text, in dem die meis­te jour­na­lis­ti­sche Arbeit steckt. Nen­nen Sie uns Ihren Lieb­lings­text auf Cof­fee And TV! Erzäh­len Sie, wie Sie zu die­sem Blog gefun­den haben! Boh­ren Sie sich ein Loch ins Knie und schüt­ten Sie Mag­gi rein!

Und wo ich grad vor sechs Zei­len „Grup­pen­blog“ geschrie­ben hab: Sagen Sie „Hal­lo!“ zu unse­rem neu­en Mit­ar­bei­ter Mar­kus Steidl!

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„Nazi!“ – „Selber!“

Bei­na­he wöchent­lich erschüt­tert ein neu­er „Nazi-Skan­dal“ die Öffent­lich­keit. Kaum jemand kann noch den Über­blick behal­ten, wer gera­de wie­der ver­se­hent­lich oder absicht­lich etwas gesagt hat, was „halt nicht geht“.

Das Dienst­leis­tungs­blog Cof­fee And TV hat sich des­halb bemüht, einen his­to­ri­schen Abriss der skan­da­lö­ses­ten Skan­da­le und der empö­rens­wer­tes­ten Ent­glei­sun­gen zusam­men­zu­stel­len, der selbst­ver­ständ­lich kei­nen Anspruch auf Voll­stän­dig­keit erhe­ben will:

  • 1979 Als Franz Josef Strauß im Wahl­kampf mit Eiern und Toma­ten bewor­fen wird, ver­gleicht sein Wahl­kampf­lei­ter Edmund Stoi­ber das Ver­hal­ten der Men­schen mit dem der „schlimms­ten Nazi-Typen in der End­zeit der Wei­ma­rer Repu­blik“.
  • Sep­tem­ber 1980 In „Kon­kret“ erscheint ein Arti­kel von Hen­ryk M. Bro­der, der glaubt, bei einer Artis­tik­num­mer im „Cir­cus Ron­cal­li“ eine „faschis­ti­sche Ästhe­tik“ und den Hit­ler­gruß beob­ach­tet zu haben.
  • 15. Juni 1983 Hei­ner Geiß­ler (CDU) sagt in einer Sicher­heits­de­bat­te im Bun­des­tag: „Ohne den Pazi­fis­mus der 30er Jah­re wäre Ausch­witz über­haupt nicht mög­lich gewe­sen.“
  • 15. Juli 1982 Oskar Lafon­taine äußert sich über die „Sekun­där­tu­gen­den“ von Bun­des­kanz­ler Hel­mut Schmidt, mit denen „man auch ein KZ betrei­ben“ kön­ne.
  • 25. April 1983 Der „Stern“ prä­sen­tiert auf einer Pres­se­kon­fe­renz die angeb­li­chen Tage­bü­cher Adolf Hit­lers, die sich zehn Tage spä­ter als Fäl­schung erwei­sen. Die Chef­re­dak­ti­on muss zurück­tre­ten, Repor­ter Gerd Hei­de­mann und Fäl­scher Kon­rad Kujau wer­den zu Haft­stra­fen ver­ur­teilt.
  • 1985 Alt-Kanz­ler Brandt sagt, Hei­ner Geiß­ler sei „seit Goeb­bels der schlimms­te Het­zer in unse­rem Land.“
  • 15. Okto­ber 1986 In einem Inter­view mit „News­week“ ver­gleicht Hel­mut Kohl die PR-Fähig­kei­ten des sowje­ti­schen Staats- und Par­tei­chefs Michail Gor­bat­schow mit denen von Joseph Goeb­bels.
  • 17. Okto­ber 1988 In einem Arti­kel in der „taz“ bezeich­net der freie Mit­ar­bei­ter Tho­mas Kapiel­ski ein Dis­co als „Gas­kam­mer­voll“. Nach wochen­lan­gen Leser­pro­tes­ten wer­den die zustän­di­gen Redak­teu­rin­nen ent­las­sen.
  • 10. Novem­ber 1988 Bun­des­tags­prä­si­dent Phil­ipp Jen­nin­ger hält eine Rede über das „Fas­zi­no­sum“ des Natio­nal­so­zia­lis­mus und muss nach öffent­li­chen Pro­tes­ten sei­nen Rück­tritt erklä­ren.
  • 10. Dezem­ber 1988 Wiglaf Dros­te über­schreibt einen Arti­kel in der „taz“ über Wolf­gang Neuss mit „Trau­er­ar­beit macht frei“. Die Leser­brie­fe tref­fen wasch­kör­be­wei­se in der Redak­ti­on ein.
  • 6. April 1994 Das für den 20. April geplan­te Fuß­ball­län­der­spiel Deutsch­land – Eng­land im Ber­li­ner Olym­pia­sta­di­on wird nach Pro­tes­ten abge­sagt.
  • 10. Febru­ar 1997 In Flo­ri­da herrscht ein betrun­ke­ner Harald Juhn­ke einen far­bi­gen Wach­mann an: „Du dre­cki­ger N[*****], bei Hit­ler wäre so etwas ver­gast wor­den.“
  • Mai 1997 Bei einem Gast­spiel in Isra­el unter­schreibt ein Bas­sist der Deut­schen Oper eine Hotel­rech­nung mit „Adolf Hit­ler“.
  • Juni 1998 Nokia wirbt mit dem Slo­gan „Jedem das Sei­ne“ für aus­tausch­ba­re Han­dy­co­ver. Nach Pro­tes­ten wird die Kam­pa­gne ein­ge­stellt.
  • 11. Okto­ber 1998 Mar­tin Wal­ser hält in der Frank­fur­ter Pauls­kir­che sei­ne „Moralkeulen“-Rede, für die er von Ignatz Bubis lang­an­hal­tend kri­ti­siert wird.
  • Febru­ar 1999 Nach dem Raus­wurf von Trai­ner Horst Ehrm­an­traut sagt der Ein­tracht-Frank­furt-Spie­ler Jan-Age Fjör­toft laut Sport­di­rek­tor Ger­not Rohr: „Vor­her war es Hit­ler­ju­gend, jetzt ist es kor­rekt.“
  • 1. Febru­ar 2001 Nico­la Beer, FDP-Abge­ord­ne­te im hes­si­schen Land­tag, sieht den Unter­schied zwi­schen den „Putz­grup­pen“, denen Josch­ka Fischer frü­her ange­hört hat, und Neo­na­zis „nur dar­in, dass die Putz­trup­pen damals mit Turn­schu­hen im Wald unter­wegs waren und dass die heu­te Sprin­ger­stie­fel anha­ben.“
  • 12. März 2001 Bun­des­um­welt­mi­nis­ter Jür­gen Trit­tin sagt über den kahl­köp­fi­gen CDU-Gene­ral­se­kre­tär, die­ser habe „die Men­ta­li­tät eines Skin­heads und nicht nur das Aus­se­hen“.
  • März 2002 Jamal Kars­li, damals Grü­nen-Abge­ord­ne­ter im NRW-Land­tag ver­öf­fent­licht eine Pres­se­er­klä­rung mit der Über­schrift „Israe­li­sche Armee wen­det Nazi-Metho­den an!“ Kurz dar­auf ver­lässt er die Grü­nen und wird von Jür­gen W. Möl­le­mann kurz­zei­tig in die FDP-Frak­ti­on geholt.
  • 13. Mai 2002 Im FAZ-Feuil­le­ton schreibt Patrick Bah­ners über die feh­len­de Regie­rungs­er­fah­rung des FDP-Kanz­ler­kan­di­da­ten Gui­do Wes­ter­wel­le: „Der letz­te deut­sche Kanz­ler, den nur das Cha­ris­ma des Par­tei­füh­rers emp­fahl, war Adolf Hit­ler.“ FDP-Gene­ral­se­kre­tä­rin Cor­ne­lia Pie­per for­dert ver­geb­lich eine Ent­schul­di­gung.
  • 13. August 2002 Weil er sich vom Rasen­mä­hen sei­ner Nach­barn beläs­tigt fühlt, bezeich­net der Lie­der­ma­cher Rein­hard Mey die­se als „Gar­ten­na­zis“.
  • 29. August 2002 Wie der „Spie­gel“ berich­tet, habe Hel­mut Kohl Bun­des­tags­prä­si­dent Wolf­gang Thier­se in einem pri­va­ten Gespräch als „schlimms­ten Prä­si­den­ten seit Her­mann Göring“ bezeich­net.
  • Sep­tem­ber 2002 Nach einer wochen­lan­gen Anti­se­mi­tis­mus­de­bat­te mit Michel Fried­man ver­öf­fent­licht Jür­gen W. Möl­le­mann weni­ge Tage vor der Bun­des­tags­wahl ein Flug­blatt, auf dem er Fried­man und Ari­el Sharon scharf angreift. Dem Par­tei­aus­schluss kommt er im März 2003 durch einen Aus­tritt zuvor.
  • 18. Sep­tem­ber 2002 Her­ta Däub­ler-Gme­lin ver­gleicht die Poli­tik Geor­ge W. Bushs mit der Adolf Hit­lers.
  • 11. Dezem­ber 2002 Roland Koch bezeich­net die Rei­chen-Kri­tik von Ver.di-Chef Frank Bsir­s­ke als „eine neue Form des Sterns auf der Brust“.
  • 2. Juli 2003 Im Euro­päi­schen Par­la­ment schlägt Sil­vio Ber­lus­co­ni den deut­schen SPD-Abge­ord­ne­ten Mar­tin Schulz „für die Rol­le des Lager­chefs“ in einem Spiel­film über Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger vor.
  • 3. Okto­ber 2003 Bei einer Rede zum Tag der deut­schen Ein­heit han­tiert der CDU-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Mar­tin Hoh­mann mit dem Begriff „Täter­volk“ in der Nähe zu „den Juden“ und wird im fol­gen­den Jahr aus der Par­tei aus­ge­schlos­sen.
  • 30. August 2004 Auf dem selbst­be­ti­tel­ten Album der Liber­ti­nes erscheint ein Song namens „Arbeit Macht Frei“. Da Pete Doh­erty aber noch nicht der „Skan­dal-Rocker“ und „(Ex-)Freund von Kate Moss“ ist, ist die­ser Umstand kei­ne Mel­dung wert.
  • 15. Dezem­ber 2004 In Hes­sen dür­fen Ord­nungs­äm­ter „Ord­nungs­po­li­zei“ hei­ßen. Da der Begriff schon für die Dach­or­ga­ni­sa­ti­on der Poli­zei im Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­wen­det wur­de, kommt es zu Pro­tes­ten und schließ­lich zur Auf­lö­sung der Behör­de.
  • 6. Janu­ar 2005 Der Köl­ner Erz­bi­schof Joa­chim Kar­di­nal Meis­ner ver­gleicht Abtrei­bun­gen mit den Ver­bre­chen von Hit­ler und Sta­lin.
  • 13. Janu­ar 2005 Der bri­ti­sche Prinz Har­ry erscheint in einer Nazi-Uni­form auf einem Kos­tüm­ball.
  • 13. Mai 2005 Der bay­ri­sche Wis­sen­schafts­mi­nis­ter Tho­mas Gop­pel bezeich­net nach einer Rede das Ver­hal­ten pro­tes­tie­ren­der Stu­den­ten als „Hin­weis auf die Into­le­ranz, die uns damals in das Schla­mas­sel gebracht haben“.
  • 12. Juli 2005 SPD-Frak­ti­ons­vi­ze Lud­wig Stiegler ver­gleicht den CDU-Slo­gan „Sozi­al ist, was Arbeit schafft“ mit der KZ-Inschrift „Arbeit macht frei“.
  • 16. Sep­tem­ber 2005 Weil CDU-Abge­ord­ne­te die Rede eines SPD-Abge­ord­ne­ten mit Zwi­schen­ru­fen stö­ren, ver­gleicht Sig­mar Gabri­el deren Ver­hal­ten mit dem der Nazis.
  • Sep­tem­ber 2005 Die­ter Tho­mas Heck ver­gleicht Ange­la Mer­kels Rhe­to­rik mit der Adolf Hit­lers.
  • 24. Febru­ar 2006 Weil er einen jüdi­schen Jour­na­lis­ten mit einem KZ-Auf­se­her ver­gli­chen hat­te, wird der Lon­do­ner Bür­ger­meis­ter Ken Living­stone für vier Wochen vom Dienst sus­pen­diert.
  • 17. August 2006 Bei einem Test­spiel in Ita­li­en for­men kroa­ti­sche Fuß­ball­fans auf der Tri­bü­ne ein Haken­kreuz.
  • Novem­ber 2006 Der Stu­diVZ-Grün­der Ehs­san Daria­ni ver­schickt eine Geburts­tags­ein­la­dung im Sti­le des „Völ­ki­schen Beob­ach­ters“.
  • 9. Febru­ar 2007 Ein „Bild“-Leser ent­deckt in Goog­le Earth den Schrift­zug „Nazi Ger­ma­ny“ bei Ber­lin.
  • 9. Febru­ar 2007 Die RTL-Woh­nungs­ver­schö­ne­rin Tine Witt­ler erwirkt eine einst­wei­li­ge Ver­fü­gung gegen einen Trai­ler für die fik­ti­ve Sen­dung „Tine Hit­ler: Ein­marsch in vier Wän­den“ bei Come­dy Cen­tral („täg­lich von 19.33 Uhr bis 19.45 Uhr“).
  • 14. März 2007 Bei einer inter­nen Unter­su­chung stellt die Frank­fur­ter Poli­zei fest, dass sich Per­so­nen­schüt­zer von Michel Fried­man ger­ne mit Nazi-Sym­bo­len prä­sen­tier­ten.
  • 11. April 2007 In sei­ner Trau­er­re­de auf Hans Fil­bin­ger bezeich­net Gün­ther Oet­tin­ger den frü­he­ren Mari­ne­rich­ter als „Geg­ner des NS-Regimes“.
  • 6. Sep­tem­ber 2007 Bei einer Buch­vor­stel­lung äußert sich Eva Her­man umständ­lich und miss­ver­ständ­lich über die Fami­li­en­po­li­tik im Natio­nal­so­zia­lis­mus und wird vom NDR gefeu­ert.
  • 14. Sep­tem­ber 2007 Im Köl­ner Dom warnt Joa­chim Kar­di­nal Meis­ner: „Dort, wo die Kul­tur vom Kul­tus, von der Got­tes­ver­eh­rung abge­kop­pelt wird, erstarrt der Kult im Ritua­lis­mus und die Kul­tur ent­ar­tet.“
  • 9. Okto­ber 2007 Bei einem Auf­tritt in der Show von Johan­nes B. Ker­ner ver­hed­dert sich Eva Her­man aber­mals in rhe­to­ri­schen Fuß­an­geln, als sie von Hit­lers Auto­bah­nen spricht. Es ist ihr letz­ter Fern­seh­auf­tritt bis heu­te.
  • 20. Okto­ber 2007 Bischof Wal­ter Mixa fühlt sich durch Äuße­run­gen von Clau­dia Roth „in erschre­cken­der Wei­se an die Pro­pa­gan­da-Het­ze der Natio­nal­so­zia­lis­ten gegen die Katho­li­sche Kir­che und ihre Reprä­sen­tan­ten“ erin­nert.
  • 25. Okto­ber 2007 In der ers­ten Sen­dung von „Schmidt & Pocher“ kommt ein „Nazo­me­ter“ zum Ein­satz, das für Pro­tes­te sorgt.
  • 7. Novem­ber 2007 Wolf­gang Schäub­le sagt im Hin­blick auf die Mas­sen­kla­ge gegen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung: „Wir hat­ten den ‚größ­ten Feld­herrn aller Zei­ten‘, den GröFaZ, und jetzt kommt die größ­te Ver­fas­sungs­be­schwer­de aller Zei­ten.“
  • 27. Dezem­ber 2007 Will Smith spe­ku­liert über Adolf Hit­lers Mor­gen­ge­dan­ken.
  • 20. Janu­ar 2008 Gui­do Knopp fühlt sich durch einen Vor­trag von Tom Crui­se an die Sport­pa­last-Rede von Joseph Goeb­bels erin­nert.
  • 23. Janu­ar 2008 „Bild“ ver­öf­fent­licht ein Video, das DJ Tomekk mit erho­be­nem rech­ten Arm und beim Sin­gen der ers­ten Stro­phe des „Deutsch­land­lieds“ zeigt.
  • 30. Janu­ar 2008 In der Pro­Sie­ben-Quiz­show „Night­l­oft“ sagt Mode­ra­to­rin Julia­ne Zieg­ler „Arbeit macht frei“. Am nächs­ten Mor­gen trennt sich der Sen­der von ihr.
  • 31. Janu­ar 2008 In Rio de Janei­ro ver­bie­tet ein Gericht den Ein­satz eines Kar­ne­vals­wa­gens mit über­ein­an­der gesta­pel­ten Holo­caust-Opfern und eines Tän­zers im Hit­ler­kos­tüm beim Kar­ne­vals­zug.

Mit Dank an Niels W. für die indi­rek­te Anre­gung und Ste­fan N. für die Unter­stüt­zung bei der Recher­che.

Unter Zuhil­fe­nah­me von agitpopblog.org, FAZ.net und der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler an der FU Ber­lin.

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Verschwör dich gegen dich

Kommt ein BILD­blog­ger in die Buch­hand­lung und stol­pert über ein Buch mit dem Unter­ti­tel „Was 2007 nicht in der Zei­tung stand“. Er blät­tert ein wenig dar­in, denkt „Das hört sich ja ganz inter­es­sant an“, fragt sich, woher ihm der Name Ger­hard Wis­new­s­ki bekannt vor­kommt und zahlt den sym­pa­thi­schen Preis von sechs Euro.

Und damit lag „Ver­heim­licht, ver­tuscht, ver­ges­sen“ (von nun an: „VVV“) vor mir. Im Vor­wort erklärt Wis­new­s­ki die Inten­ti­on sei­nes „kri­ti­schen Jahr­buchs“:

Mein Ziel war es, bekann­te The­men noch­mals unter die Lupe zu neh­men und unbe­kann­te The­men auf­zu­de­cken, um das Geschichts­bild die­ses Jah­res ein wenig zu kor­ri­gie­ren.

Ein heh­res Ziel, wenn­gleich er einen Absatz spä­ter immer­hin ein­räumt, nicht im Besitz der abso­lu­ten Wahr­heit zu sein. Gute 300 Sei­ten spä­ter weiß der Leser, wo Wis­new­s­ki Kor­rek­tur­be­darf sieht: Es gibt kei­ne vom Men­schen ver­ur­sach­te glo­ba­le Erwär­mung, kei­ne Vogel­grip­pe und kein Aids; die Anschlä­ge des 11. Sep­tem­bers 2001 wur­den von den Ame­ri­ka­nern selbst geplant (wobei eini­ge Medi­en im Vor­feld infor­miert waren) und mit Hil­fe von Al Gore soll eine „Kli­ma­plan­wirt­schaft“, eine „Dik­ta­tur mit lächeln­dem Gesicht, aber mit eiser­nen Fes­seln“ instal­liert wer­den um die Macht der USA in der Welt wei­ter aus­zu­bau­en.

Uff! Da soll­te man sich viel­leicht erst mal noch mal anschau­en, wer die­ser „bekann­te Erfolgs­au­tor und Ent­hül­lungs­jour­na­list“ (so der Ver­lag) Ger­hard Wis­new­s­ki eigent­lich ist. Er ist Jahr­gang 1959, hat Poli­tik­wis­sen­schaf­ten stu­diert, als Jour­na­list gear­bei­tet und meh­re­re Sach­bü­cher geschrie­ben. Zum Bei­spiel „Lügen im Welt­raum“ (die Mond­lan­dung hat es so nicht gege­ben), „Das RAF-Phan­tom“ (die drit­te Gene­ra­ti­on der RAF hat es so nicht gege­ben), „Mythos 9/​11“ und „Ope­ra­ti­on 9/​11“ (den 11. Sep­tem­ber hat es so nicht gege­ben). Über den 11. Sep­tem­ber hat Wis­new­s­ki sogar einen Doku­men­tar­film für den WDR gedreht: „Akten­zei­chen 11.9. unge­löst“ wur­de vom „Spie­gel“ der­art zer­pflückt, dass der WDR anschlie­ßend eine wei­te­re Zusam­men­ar­beit mit Wis­new­s­ki und sei­nem Co-Autor aus­schloss.

Vor­sich­tig aus­ge­drückt sind Wis­newskis Theo­rien also mit Vor­sicht zu genie­ßen. Und in der Tat sind man­che Beweis­füh­run­gen so kru­de, man­che Quel­len so dubi­os und man­che hand­werk­li­chen Feh­ler so offen­sicht­lich, dass es der Glaub­wür­dig­keit des Buches erheb­lich scha­det. Das ist tra­gisch, denn in „VVV“, das die Ereig­nis­se von Okto­ber 2006 bis Sep­tem­ber 2007 behan­delt, gibt es durch­aus Kapi­tel, die lesens­wert sind. So ist zum Bei­spiel eine kur­ze Rück­schau auf die ver­schie­de­nen Bun­des­mi­nis­ter des Inne­ren in den letz­ten Jahr­zehn­ten hoch­in­ter­es­sant, weil hier ein­drucks­voll auf­ge­lis­tet wird, wie es um die Ver­fas­sungs- und Geset­zes­treue der jewei­li­gen Her­ren so bestellt war. Auch Wis­newskis Kri­tik an Wahl­au­to­ma­ten, ePäs­sen und RFID-Chips ist wei­test­ge­hend fun­diert und sinn­voll, sei­ne sta­tis­ti­schen Ver­glei­che der Gefah­ren von Vogel­grip­pe und inter­na­tio­na­lem Ter­ro­ris­mus mit denen im Stra­ßen­ver­kehr sind ange­nehm Hys­te­rie-brem­send. Eini­ge der Kapi­tel über unge­lös­te Kri­mi­nal­fäl­le laden zumin­dest zu einer nähe­ren Beschäf­ti­gung mit den Quel­len ein, sorg­ten aber auch dafür, dass ich mich nach der Lek­tü­re fühl­te wie als Vier­zehn­jäh­ri­ger nach dem „Akte X“-Gucken, als ich bei ein­ge­schal­te­tem Licht ein­schla­fen muss­te.

Wis­new­s­ki ist davon über­zeugt, dass sich die Welt­wirt­schaft unter ame­ri­ka­ni­scher Füh­rung gera­de im Zusam­men­bruch befin­det (was ich als Wirt­schafts­laie nach den Ereig­nis­sen vom Mon­tag nicht mal aus­schlie­ßen kann), ver­mu­tet hin­ter den Vogel­grip­pe-Fäl­len in Deutsch­land eine Ver­schwö­rung von Phar­ma-Indus­trie, Geflü­gel­groß­be­trie­ben und dem Fried­rich-Loeff­ler-Insti­tut und wärmt die alte Ver­schwö­rungs­theo­rie um die BBC am 11. Sep­tem­ber 2001 wie­der auf. Ihn zu wider­le­gen erscheint in den meis­ten Fäl­len unmög­lich, da es ja zum Wesen jeder bes­se­ren Ver­schwö­rungs­theo­rie gehört, dass ihre Ver­brei­ter dem Rest der Welt unter­stel­len, selbst Ver­schwö­rer oder deren Opfer zu sein. Offi­zi­el­le Quel­len gel­ten eh nicht, unab­hän­gi­ge Sach­ver­stän­di­ge sind Teil der Ver­schwö­rung und wer die „Gegen­be­wei­se“ kri­ti­siert gehört zu denen. Unter die­ser Prä­mis­se kann natür­lich kei­ne Sei­te irgend­was bewei­sen – oder es haben ein­fach bei­de Recht.

Ich tue mich schwer damit, „VVV“ pau­schal als sub­stanz­lo­se Ver­schwö­rungs­theo­rie und alber­nes Gewäsch abzu­tun, weil in dem Buch eini­ge inter­es­san­te Denk­an­sät­ze auf­tau­chen. Auf der ande­ren Sei­te steht dar­in aber auch viel Quark, der bei mir teils für Geläch­ter, teils für Wut­an­fäl­le gesorgt hat:

  • Die alber­ne RTL-Come­dy „Frei­tag­nacht­news“ lobt Wis­new­s­ki gleich an zwei Stel­len als „Sati­re­sen­dung“ bzw. die „zusam­men mit Sie­ben Tage, sie­ben Köp­fe […] ein­zi­ge Sen­dung, die man sich im Deut­schen Fern­se­hen über­haupt anse­hen konn­te“.
  • Das Kapi­tel über den unter mys­te­riö­sen Umstän­den ver­stor­be­nen Felix von Quis­torp beginnt Wis­new­s­ki mit dem Hin­weis, dass in Deutsch­land jähr­lich etwa 50.000 Kin­der als ver­misst gemel­det wer­den – um ein paar Zei­len spä­ter auf Fäl­le von ver­wahr­los­ten und miss­han­del­ten Kin­dern zu spre­chen zu kom­men und zwi­schen­durch noch Made­lei­ne McCann zu erwäh­nen, die nun kaum zu den in Deutsch­land ver­miss­ten Kin­dern zäh­len dürf­te.
  • Wis­new­s­ki will Murat Kur­naz des­sen Fol­ter­be­schrei­bun­gen nicht glau­ben, weil die­sem „selbst die Beschrei­bung schlimms­ter Fol­ter­prak­ti­ken“ „kei­ne Gefühls­re­gun­gen“ ent­lo­cke. Eine etwas dün­ne Logik, wenn man sich vor­stellt, wel­che psy­chi­schen Fol­gen sol­che Fol­ter aus­lö­sen muss.
  • Im Fall des Amok­laufs von Blacksburg zwei­felt er die offi­zi­el­le Ver­si­on mit der Begrün­dung an, es habe ja gar kei­ne Ver­bin­dung zwi­schen dem ver­meint­li­chen Täter und sei­nen Opfern gege­ben. Dabei dach­te ich immer, die­se Will­kür gehö­re zum Kon­zept des Amok.
  • Das Kapi­tel über Mark Med­lock (bzw. die Prak­ti­ken von RTL bei der tele­fo­ni­schen Abstim­mung) beginnt er mit dem Kli­schee­satz jedes Kul­tur­pes­si­mis­ten

    Das deut­sche Show­ge­schäft erreicht einen neu­en künst­le­ri­schen und ästhe­ti­schen Tief­punkt.

    um hin­zu­zu­fü­gen, Med­lock sehe „schlecht“ aus, sin­ge „schlecht“ und spre­che „schlecht“:

    Dem Wah­ren, Schö­nen, Guten setzt DSDS das Unwah­re, Häss­li­che und Schlech­te ent­ge­gen.

  • Völ­lig unre­flek­tiert zitiert Wis­new­s­ki einen Wis­sen­schaft­ler, der das „befürch­te­te Über­grei­fen der Seu­che [Aids, Anm. des Blog­gers] auf die hete­ro­se­xu­el­le Bevöl­ke­rung“ in Abre­de stellt.
  • Den Sta­tus der „Bild“-Zeitung als Hof­be­richt­erstat­te­rin im „Arbei­ter- und Mer­kel­staat“ will Wis­new­s­ki allen Erns­tes mit einer Mel­dung über die Qua­li­tät von Bil­lig-Son­nen­cremes bele­gen.
  • Zu Eva Her­man fällt ihm ein, sie sei Opfer eines bös­wil­li­gen Kom­plotts gewor­den. Ihr viel geschol­te­nes Zitat sei doch „ein­deu­tig“ gewe­sen. Dabei hat­te ich gehofft, man könn­te sich inzwi­schen wenigs­tens dar­auf eini­gen, dass das gan­ze Elen­de die­ser unse­li­gen Debat­te nur ent­stan­den ist, weil sich Frau Her­man im frei­en Vor­trag in ihren Neben­sät­zen ver­hed­dert hat­te und sich hin­ter­her zu fein war, die­se Mög­lich­keit auch nur in Betracht zu zie­hen. Wir haben gese­hen, dass man Her­mans berühm­ten Satz in zwei­er­lei Rich­tun­gen aus­le­gen kann und genau das soll­te doch wohl ein Kri­te­ri­um für Unein­deu­tig­keit sein.
  • Wis­new­s­ki macht aber zwi­schen­durch auch noch mal selbst die Her­man, wenn er die „erheb­li­chen“ Unter­schie­de im Ver­hal­ten von Jun­gen und Mäd­chen am fol­gen­den Bei­spiel bewei­sen will:

    Wäh­rend Mäd­chen im Hand­ar­beits­un­ter­richt brav sti­cken, schwei­fen Jun­gen gedank­lich ab und gucken aus dem Fens­ter.

Sol­che Bücher machen mich ganz gaga, weil ich die meis­te Zeit damit beschäf­tigt bin, mich selbst zu fra­gen, ob ich dem Autor bei die­sem oder jenem The­ma über­haupt noch zustim­men kann, wenn ich an ande­ren Stel­len nicht nur nicht sei­ner Mei­nung bin, son­dern sein Vor­ge­hen mal für falsch, mal für gefähr­lich hal­te. Natür­lich kann ich das, denn letzt­lich muss ja sowie­so jeder für sich selbst ent­schei­den, was er glaubt und was nicht. Die Quint­essenz der Lek­tü­re kann also nur lau­ten, allen Quel­len mit einer gewis­sen Grund­skep­sis zu begeg­nen. Für die­se Erkennt­nis brau­che ich aber kei­ne 300 Sei­ten Text.

Der BILD­blog­ger fand dann übri­gens zumin­dest doch noch was: Im Kapi­tel über die Haft­ent­las­sung Bri­git­te Mon­haupts zitiert Wis­new­s­ki die „sehr emp­feh­lens­wer­te, Bild-kri­ti­sche Web­site www.bildblog.de“.

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Das virtuelle Massengrab der Nischendekadenz

Bei Wind und Wet­ter ste­hen auf der Dr.-Gerhard-Petschelt-Brücke, die die Bochu­mer Stadt­bahn-Hal­te­stel­le „Ruhr-Uni­ver­si­tät“ mit dem eigent­li­chen Gelän­de der Ruhr-Uni­ver­si­tät ver­bin­det (und die daher zum öffent­li­chen Raum gehört) Men­schen mit einem klapp­ri­gen Cam­ping­tisch, auf dem Flug­schrif­ten aus­lie­gen. Mit wack­li­gen Holz­auf­stel­lern, auf denen wir­re For­de­run­gen geschrie­ben ste­hen, ver­sper­ren sie den Stu­den­ten den Weg zu ihrer Alma Mater. Dies sind die Mit­glie­der der „Bür­ger­rechts­be­we­gung Soli­da­ri­tät“, kurz „BüSo“.

Die meis­ten Stu­den­ten has­ten vor­bei, nur weni­ge las­sen sich von Bot­schaf­ten wie „Die Kern­schmel­ze des Welt­fi­nanz­sys­tems ist in vol­lem Gang!“ oder „Kil­ler­spie­le töten die See­le!“ dazu hin­rei­ßen, Infor­ma­ti­ons­ge­sprä­che zu suchen. Ges­tern fand ich aber eine aus­ge­le­se­ne „BüSo“-Kampfschrift in einem Semi­nar­raum und mei­ne jour­na­lis­ti­sche Neu­gier zwang mich dazu, das Werk mit spit­zen Fin­gern (sehr bil­li­ge Dru­cker­schwär­ze, saut rum wie sonst was) in Augen­schein zu neh­men. Ein Pro­to­koll.

Die Flug­schrift, die an eine klei­ne Zei­tung erin­nert („2 € emp­foh­le­ner Bei­trag“), ist zwei­ge­teilt: Aus der einen Rich­tung beschäf­tigt sie sich mit der Fra­ge „Steckt der Teu­fel in Dei­nem Lap­top?“ (dazu kom­men wir gleich noch aus­führ­lich), dreht man sie um, lacht einen die über­ra­schen­de For­de­rung „Bau­en wir die Welt­land­brü­cke!“ an.

“BüSo”: “Bauen wir die Weltlandbrücke!”Die „Welt­land­brü­cke“, das soll ein „genau auf­ein­an­der abge­stimm­tes Sys­tem von Schnell­bah­nen, Trans­ra­pidstre­cken, Auto­bah­nen sowie Was­ser­we­gen“ wer­den, ergänzt durch die „Que­rung der Bering­stra­ße mit einem 100 km lan­gen Tun­nel“. Gebraucht wer­de die­ses völ­lig neu­ar­ti­ge Ver­kehrs­netz für die Zeit nach dem „gegen­wär­tig kol­la­bie­ren­den Sys­tem der Glo­ba­li­sie­rung“ und um eine „neue Frie­dens­ord­nung“ mög­lich zu machen. Sol­che Uto­pien von laten­tem Grö­ßen­wahn üben immer eine gewis­se Fas­zi­na­ti­on auf mich aus, so wie die das „Glo­ba­le Wie­der­auf­bau­pro­gramm für dau­er­haf­ten Welt­frie­den“ oder die Plä­ne für die „Welt­haupt­stadt Ger­ma­nia“ (deren zugrun­de lie­gen­der Grö­ßen­wahn aller­dings nicht mehr latent war).

Die „Welt­land­brü­cke“ basiert auf einem Vor­schlag von Lyn­don LaRou­che, einem ame­ri­ka­ni­schen Poli­ti­ker, der vor allem durch den sie­ben­ma­li­gen Ver­such, Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat der Demo­kra­ten zu wer­den, anti­se­mi­ti­sche Äuße­run­gen und eine Ver­ur­tei­lung wegen Ver­schwö­rung und Post­be­trug von sich reden mach­te. ((LaRou­che bezeich­net sei­ne Ver­ur­tei­lung als eine Ver­schwö­rung von – hal­ten Sie sich bit­te fest! – Hen­ry Kis­sin­ger, dem FBI, dem „Wall Street Jour­nal“, NBC, „Reader’s Digest“ und der Anti-Defa­ma­ti­on League.)) Geschrie­ben wur­de der Arti­kel von Hel­ga Zepp-LaRou­che, der Gat­tin Lyn­don LaRou­ch­es und Grün­de­rin des „Schil­ler-Insti­tuts“, der Par­tei­en „Euro­päi­schen Arbei­ter­par­tei“ und „Patrio­ten für Deutsch­land“, sowie von „BüSo“. In der gan­zen Schrift fin­det sich kein Arti­kel, der nicht aus der Feder eines der Bei­den stammt, sie zitiert oder auf ihre Theo­rien Bezug nimmt.

Besorg­nis­er­re­gen­der als die For­de­rung, eine „Eura­si­sche Land­brü­cke“ zu bau­en, ist der ande­re Teil der Flug­schrift, der mit mar­ki­gen Wor­ten ein­ge­lei­tet wird:

His­to­risch betrach­tet könn­te man die­ser Flug­schrift viel­leicht eben­so viel Wert bei­mes­sen wie den Flug­blät­tern der Wei­ßen Rose, die mit Hel­den­mut den Feind im eige­nen Land bekämpf­ten und bis zuletzt das wah­re Deutsch­land Fried­rich Schil­lers ver­tei­dig­ten. Wie im fol­gen­den klar wer­den wird, kommt Faschis­mus heu­te nicht im brau­nen Gewand daher, son­dern mit­tels sub­ti­ler Gleichschaltung/„Vernetzung“ einer gan­zen Gene­ra­ti­on, bei der sowohl Joseph Goeb­bels als auch Aldous Hux­ley vor Neid erblaßt wären. Die­se Flug­schrift soll vor allem den jun­gen Leser befä­hi­gen, dies als Krank­heit zu erken­nen, um sich recht­zei­tig davon zu befrei­en.

„Oh mein Gott, wor­um geht’s?“, wer­den Sie sich ent­setzt fra­gen. Oder: „Was kann ich dage­gen tun?“ Nichts, denn Sie und ich, wir sind schon mit­ten­drin im Elend, im Kampf „Noo­sphä­re con­tra Blogo­sphä­re“. Was die „Noo­sphä­re“ ist, ent­neh­men Sie bit­te der Wiki­pe­dia.

Doch wor­um geht es wirk­lich? MySpace, Face­book und Kil­ler­spie­le, die allen Erns­tes durch­ge­hend in die­ser Drei­fal­tig­keit genannt wer­den, sind Schuld dar­an, dass die Jugend völ­lig ver­kommt und zu bru­ta­len Amok­läu­fern wird:

Ob iPod, Lap­top, wLAN, Kil­ler­spie­le, Second Life usw.; wer sich die­se Art von Zeit­ver­treib a la MySpace, Stu­diVZ oder Schü­lerVZ mal genau­er anschaut, wird schnell fest­stel­len, daß er hier auf ein vir­tu­el­les Mas­sen­grab gesto­ßen ist, in dem wirk­lich jede Form von Deka­denz ihre Nische gefun­den hat, bis hin zur Nekro- und Pädo­phi­lie.

Hin­ter all dem ste­cken das „Inter­na­tio­nal Net­work of Social Net­work Ana­ly­sis“ (INSNA), das das Inter­net erfun­den hat, um die Mensch­heit zu unter­jo­chen, und Bill Gates, des­sen Fir­ma Micro­soft laut Flug­schrift unter ande­rem für „Coun­terstrike“ und „Doom“ ver­ant­wort­lich ist, zwei „Kil­ler­spie­le“, die in der Welt, die wir für die Rea­li­tät hal­ten, natür­lich von Sier­ra Entertainment/​EA Games bzw. id soft stam­men und mit Micro­soft so rein gar nichts am Hut haben.

Wir haben aber natür­lich alle kei­ne Ahnung, weil wir uns auf Goog­le und die Wiki­pe­dia ver­las­sen. In einem ganz­sei­ti­gen Arti­kel wird der Ver­such unter­nom­men, die Geschich­te der Wiki­pe­dia zu erklä­ren, die ihrem Grün­der Jim Wales unter­stellt sei. Der eben­so zen­tra­le wie ent­lar­ven­de Satz des Arti­kels lau­tet:

Stöhnt man stets „Ver­schwö­rungs­theo­rie!“ und schließt aus, was nicht dem gän­gi­gen Kon­sens ent­spricht, so ver­bie­tet man effek­tiv, nach Grün­den und Ursa­chen zu for­schen, und zwingt ande­re, sich der Mani­pu­la­ti­on und Über­re­dung des ein­fa­chen Kon­sens zu unter­wer­fen.

“BüSo”: “Steckt der Teufel in Deinem Laptop?”Der Satz bezieht sich auf die 9/11-Ver­schwö­rungs­theo­rien, die durchs Inter­net geis­tern, von LaRou­che ger­ne mal befeu­ert wer­den und theo­re­tisch mit­hil­fe der Wiki­pe­dia belegt wer­den kön­nen – wenn man ihr denn als Quel­le traut. Er sagt aber im Umkehr­schluss auch alles über die Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker die­ser Welt aus: Hat man näm­lich ein­mal den Gedan­ken ver­in­ner­licht, dass eine gleich­ge­schal­te­te Welt­öf­fent­lich­keit einem Infor­ma­tio­nen vor­ent­hält, dann muss man ja die Infor­ma­tio­nen, die einem die Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker unter­brei­ten, schon allein des­halb für bare Mün­ze neh­men, weil man sie ja nir­gend­wo sonst fin­det. Und schon befin­det man sich mit­ten in der alt­be­kann­ten Logik­schlei­fe der Para­no­iden, die man auch gar nicht mehr stop­pen kann, weil man ja sys­tem­im­ma­nent kei­nen Gegen­be­weis antre­ten kann. Des­halb sieht es für mich als Opfer der Ver­schwö­rung natür­lich auch so aus, als ste­cke hin­ter dem Wiki­pe­dia-Bas­hing vor allem gekränk­te Eitel­keit, wie die­ser Abschnitt sug­ge­riert:

Ori­gi­nal­schrif­ten, die von LaRou­che oder sei­ner Bewe­gung ver­faßt wur­den, dür­fen aus jedem Wiki­pe­dia-Arti­kel, außer den Arti­keln „Lyn­don­La­Rou­che“ und ande­ren eng ver­wand­ten, gelöscht wer­den. Wei­ter­hin wer­den die Unter­stüt­zer LaRou­ch­es ange­wie­sen, kei­ne direk­ten Refe­ren­zen zu ihm in Arti­kel ein­zu­fü­gen, es sei denn dort, wo sie sehr rele­vant sind. Es soll nichts geschrie­ben wer­den, was als „Wer­bung“ für LaRou­che wahr­ge­nom­men wer­den könn­ten.

Es wur­de, so erfah­ren wir wei­ter, ein Arti­kel rück­gän­gig gemacht, in dem Lyn­don LaRou­che als „die drit­te gro­ße Schu­le der Kri­tik an der Frank­fur­ter Schu­le zitiert wur­de“.

In einem vor den übli­chen Kli­schees nur so strot­zen­den Drei­sei­ter über Amok­läu­fer soll nach­ge­wie­sen wer­den, dass „die Fak­ten“ „auf der Hand“ lie­gen, was im Klar­text heißt: Sie alle haben „Kil­ler­spie­le“ gespielt und Nine Inch Nails („die Lieb­lings­band bereits frü­he­rer Schul­at­ten­tä­ter“) gehört. Inwie­fern die Lieb­lings­bü­cher eines fin­ni­schen Amok­läu­fers („1984 von Geor­ge Orwell, Schö­ne neue Welt von Aldous Hux­ley und Nietz­sches Gesamt­werk“) da hin­ein­pas­sen sol­len, erschließt sich mir als ahnungs­lo­sem Außen­ste­hen­den zwar nicht, aber Hux­ley haben wir ja wei­ter oben schon in einem Atem­zug mit Goeb­bels getrof­fen.

Ein wei­te­rer Arti­kel han­delt von den „42 Mil­lio­nen MySpace-Nut­zern bzw. ‑Opfern!“, der „alten ang­lo-hol­län­di­schen Poli­tik, die die Kul­tur len­ken und den Geist der­je­ni­gen kon­trol­lie­ren will, die in Zukunft die Füh­rung der Mensch­heit dar­stel­len“ und war­tet mit so geist­rei­chen Fak­ten wie die­sen auf:

Wie die Inter­net­sei­te MyDe­ath­Space im Nov. 2006 berich­te­te, gab es 600 Mord­op­fer und 35 Mör­der, die bei MySpace regis­triert waren.

Das hört sich natür­lich spek­ta­ku­lär an. In Deutsch­land mit sei­nen 82 Mil­lio­nen (also fast dop­pelt so vie­len) Ein­woh­nern gab es im Jahr 2006 983 Mord­op­fer (1,19 Mor­de pro 100.000 Ein­woh­ner). Zieht man zum Ver­gleich aber die Kri­mi­na­li­täts­ra­te in den USA her­an, die 7,8 Mord­op­fer pro 100.000 Ein­woh­ner zählt, wäre selbst eine Zahl von 600 Mord­op­fern bei 42 Mil­lio­nen „MySpace-Opfern“ noch die rela­tiv harm­lo­se Mord­quo­te von 1,43 Opfern pro 100.000. Und Ber­lin wäre froh, wenn sich dort nur 35 Mör­der rum­trie­ben!

Das Geeie­re um „Kil­ler­spie­le und Inter­net­ge­walt“ wirkt, als hät­ten die Redak­teu­re von „Fron­tal 21“ und „Süd­deut­scher Zei­tung“ einen Eier­li­kör­rei­chen Nach­mit­tag bei mei­nen Groß­el­tern auf der Couch ver­bracht, und das sons­ti­ge Welt­bild hin­ter „BüSo“ ist so bunt und kru­de zusam­men­ge­zim­mert, dass selbst L. Ron Hub­bard und Eva Her­man noch etwas ler­nen könn­ten. Das nord­rhein-west­fä­li­sche Innen­mi­nis­te­ri­um nennt das gan­ze „all­ge­mei­ne poli­ti­sche Theo­rien, uto­pi­sche Vor­stel­lun­gen und z. T. ver­wir­ren­de For­de­run­gen und The­sen“, die „im Übri­gen jedoch kei­ne Kern­for­de­run­gen der frei­heit­li­chen demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung in Fra­ge stel­le“.

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Noch ein Anstreicher

Es ist ja kei­ne neue Erkennt­nis, dass der kläg­li­che Ver­such, der deut­schen Aus­ga­be von „Vani­ty Fair, eine Exis­tenz­be­rech­ti­gung jen­seits der Rät­sel­sei­te zu ver­pas­sen, min­des­tens mit­tel­fris­tig zum Schei­tern ver­ur­teilt ist. Die­sen Null­stel­len-Jour­na­lis­mus im Hin­ter­kopf war die Mel­dung, dass mit Horst Mahler der ein­zi­ge Mensch, der kru­de genug im Hirn ist, sowohl in der RAF als auch in der NPD gewe­sen zu sein, sei­nen Denk­mist aus­ge­rech­net dort in einem Inter­view aus­brei­ten durf­te, für eini­ges Ent­set­zen gut.

Nun hat man sich mit Michel Fried­mann einen exter­nen Mit­ar­bei­ter für die­ses Gespräch gean­gelt, der das von vor­ne­her­ein zum Schei­tern ver­ur­teil­te Unter­fan­gen (man den­ke an das hilf­lo­se Desas­ter, als Ralph Giord­a­no und Micha­el Glos in der n‑tv-Sen­dung Talk in Ber­lin Jörg Hai­der demas­kie­ren woll­ten) recht bra­vou­rös nach Hau­se bringt. Die­ses eine Mal näm­lich darf, nein, muss Fried­mann so ange­nehm über­heb­lich agie­ren. Denn die Zwei­fel dar­an, daß Mahler ziem­lich schat­tig im Schä­del ist, schwin­den dank Fried­manns gespiel­ter Nai­vi­tät, die Mahler zu immer neu­em Dünn­sinn pro­vo­ziert, immer wei­ter. Aber die Anma­ßung, ein­zig Vani­ty Fair wis­se, wie man mit Nazis zu spre­chen habe, ist dann doch etwas zu viel mit dem Feu­er gespielt. Es ist ja gar nicht lan­ge her, daß eine in die Ecke gedräng­te Zukurz­den­ke­rin die Mit­leids­kar­te aus­spie­len durf­te.

Weni­ger Schau­lau­fen dürf­te der Film „Roots Ger­ma­nia“ von Mo Asumang sein, die als Reak­ti­on auf den Song einer Nazi­band, in dem ihr eine Kugel ver­passt wer­den soll­te, spon­tan das Gespräch mit den Flach­bir­nen such­te und ihnen beim Sich­selbst­ent­lar­ven half. Die­se Nacht um 0:20 Uhr im ZDF. Angu­cken.

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Don’t party like it’s 1999

Kürz­lich blät­ter­te ich mal wie­der in „Tris­tesse Roya­le“, dem Rea­der der deutsch­spra­chi­gen Pop­li­te­ra­tur der 1990er Jah­re, dem Zeit­do­ku­ment der ers­ten Tage der Ber­li­ner Repu­blik. Und mir wur­de klar: Wer ver­ste­hen will, wie sehr sich unse­re Gesell­schaft und unse­re Welt im letz­ten Jahr­zehnt ver­än­dert haben, der muss nur die­se Pro­to­kol­le der Gesprä­che lesen, die Joa­chim Bes­sing, Chris­ti­an Kracht, Eck­hart Nickel, Alex­an­der von Schön­burg und Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re im spä­ten April des Jah­res 1999 im frisch wie­der­eröff­ne­ten Ber­li­ner Hotel „Adlon“ geführt haben.

Neh­men wir nur einen kur­zen Aus­schnitt, der eigent­lich alles sagt:

JOACHIM BESSING Gibt es denn eigent­lich über­haupt noch soge­nann­te gesell­schaft­li­che Tabus?
ALEXANDER V. SCHÖNBURG Die katho­li­sche Kir­che zu ver­tei­di­gen ist zum Bei­spiel ein moder­nes Tabu. Es ist ein All­ge­mein­platz, für die Anti­ba­by­pil­le und gegen die Fami­li­en­po­li­tik des Paps­tes zu sein. Wer heu­te, wie ich, sagt: Ich bin für den Papst und gegen die „Pil­le danach“, bricht ein gesell­schaft­lich ver­ein­bar­tes Tabu. Viel­leicht ist es auch ein ähn­li­cher Tabu­bruch, wenn eine Frau sagt: Ich gehö­re hin­ter den Herd und möch­te ger­ne mei­ne Kin­der erzie­hen. Ich möch­te gar nicht in die Drei-Wet­ter-Taft-Welt ein­tre­ten.

„Tris­tesse Roya­le“, S. 118

Lesen Sie die­se Aus­füh­run­gen ruhig mehr­mals. Und ver­su­chen Sie dann, sich vor­zu­stel­len, dass es eine Welt gab, in der „wir“ noch nicht Papst waren und in der Eva Her­man nur die Nach­rich­ten vor­ge­le­sen hat. Es war eine Welt, in der alles noch so war, wie es war, bevor nichts mehr so war, wie es zuvor gewe­sen war. Eine Welt in einem ande­ren Jahr­tau­send – aber wer heu­te aufs Gym­na­si­um kommt, war damals schon gebo­ren.

Natür­lich ist „Tris­tesse Roya­le“ kein Pro­to­koll einer tat­säch­li­chen Gesell­schaft. Die welt­män­ni­schen Posen der fünf jun­gen, kon­ser­va­ti­ven Her­ren lie­ßen sich auch damals nur schwer­lich mit der Welt­sicht der Mehr­heit der Bevöl­ke­rung auf eine Line brin­gen. Aber sie pass­ten sti­lis­tisch in die Eupho­rie des Auf­bruchs. Das Buch ist des­halb eine gute Erin­ne­rung an die­se ers­ten Tage der soge­nann­ten Ber­li­ner Repu­blik, als es so aus­sah, als wür­den Ger­hard Schrö­der und die rot-grü­ne Koali­ti­on Deutsch­land allei­ne aus der Kri­se füh­ren. In gewis­ser Wei­se haben sie das getan, aber das Volk hat es ihnen nicht gedankt, weil die als gro­ße „Reform“ anmo­de­rier­te Agen­da 2010 weh tat und sie zu einem nicht uner­heb­li­chen Teil auch unso­zi­al war. Nie­mand fragt, war­um es Deutsch­land unter einer Kanz­le­rin Mer­kel, die bis­her kei­ne ein­zi­ge innen­po­li­ti­sche Ent­schei­dung grö­ße­rer Trag­wei­te getrof­fen hat, plötz­lich so gut gehen soll, wie lan­ge nicht mehr. Nie­mand ist erstaunt, wenn die SPD unter dem Pfäl­zer Ted­dy Kurt Beck plötz­lich wie­der Sozi­al­de­mo­kra­tie der 1960er Jah­re betrei­ben will. Aber alle jam­mern über die­se wahn­sin­ni­gen Teue­rungs­ra­ten und über die Gefahr, schon mor­gen auf dem Koblen­zer Markt­platz Opfer einer isla­mis­ti­schen Atom­bom­be zu wer­den.

Zwi­schen April ’99 und Okto­ber ’07 lag der 11. Sep­tem­ber 2001, der natür­lich viel ver­än­dert hat und der für zwei neue gro­ße Krie­ge auf die­sem Pla­ne­ten ver­ant­wort­lich ist. Aber ich glau­be nicht, dass die­se Ter­ror­an­schlä­ge, so schlimm sie auch waren und so vie­le danach auch noch kamen, der Haupt­grund für die­se Ver­schie­bung gesell­schaft­li­cher Vor­stel­lun­gen ist.

Zwi­schen 1999 und 2007 lag näm­lich auch und vor allem ein Jahr­tau­send­wech­sel, egal ob man den am 1. Janu­ar 2000 oder erst ein Jahr spä­ter begos­sen hat. Wenn wir uns anse­hen, wel­che Aus­wir­kun­gen schon eine schlich­te Jahr­hun­dert­wen­de gehabt hat, dann müs­sen wir erstaunt sein, dass die­ser Über­gang vom zwei­ten zum drit­ten Mill­en­ni­um häu­fig so ein­fach über­gan­gen wird: Das spä­te 19. Jahr­hun­dert hat­te das Fin de siè­cle, das Zeit­al­ter des Deka­den­tis­mus, und genau das fin­den wir auch in „Tris­tesse Roya­le“ und der Gesell­schaft die­ser spä­ten 1990er Tage wie­der. Nicht weni­ge erwar­te­ten für die Sil­ves­ter­nacht 1999/​2000 den sofor­ti­gen Welt­un­ter­gang und ent­spre­chend wur­de auch gefei­ert und gelebt. Die­ser Über­schwung hielt dies­mal aber kei­ne 14 Jah­re, bis ein Ereig­nis die Welt erschüt­ter­te, son­dern die paar Mona­te bis zum Sep­tem­ber 2001.

Als Peter Scholl-Latour am Abend des 12. Sep­tem­ber 2001 in der Talk­show von Michel Fried­man das Ende der Spaß­ge­sell­schaft pos­tu­lier­te, hin­ter­ließ das zwar kei­nen all­zu blei­ben­den Ein­druck bei der Welt­be­völ­ke­rung, aber nach so einer Ansa­ge fie­len die Cham­pa­gner­bä­der in Ber­lin-Mit­te viel­leicht doch zunächst ein biss­chen klei­ner aus. Und ehe man sich’s ver­sah, war auch auf höhe­rer Ebe­ne aus einer apo­li­ti­schen Deka­denz­ge­sell­schaft eine apo­li­ti­sche Bie­der­mei­er­ge­sell­schaft gewor­den, in der man sei­nen dun­kel­haa­ri­gen Nach­barn sofort für einen poten­ti­el­len Mas­sen­mör­der hält, weil der sich drei­mal am Tag die Hän­de wäscht und betet. Ande­rer­seits wird ein alter Kir­chen­mann von Jugend­li­chen wie ein Pop­star ver­ehrt und Fern­seh­mo­de­ra­to­rin­nen erhe­ben das Gegen­teil ihres eige­nen Lebens­we­ges zum Heils­ver­spre­chen für alle Frau­en.

Damit sind wir, auf Umwe­gen, wie­der beim Aus­gangs­zi­tat ange­kom­men. Was machen eigent­lich die­se gro­ßen Män­ner der deutsch­spra­chi­gen Deka­denz heu­te? Nun: Alex­an­der von Schön­burg war kurz­zei­tig Chef­re­dak­teur des Edel­ma­ga­zins „Park Ave­nue“ und kollum­ni­ert für „Bild“; Joa­chim Bes­sing schreibt Bücher, die auf dem „Lebenshilfe“-Tisch der Buch­hand­lun­gen neben denen von Eva Her­man lie­gen; Eck­hart Nickel und Chris­ti­an Kracht grün­de­ten die sehr inter­es­san­te, lei­der aber nicht sehr erfolg­rei­che Lite­ra­tur­zeit­schrift „Der Freund“; Kracht selbst ent­schwebt in sei­nen Repor­ta­gen in immer unzu­gäng­li­che­re Sphä­ren und Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re war zuletzt als Rosen­ver­käu­fer im neu­en Horst-Schläm­mer-Video zu sehen.

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Eva Herman – Der Film

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Im Stechschritt in den Fettnapf

Ich woll­te nichts mehr über Eva Her­man schrei­ben, wirk­lich nicht. Die Frau war für mich unter DBDDHKPUAKKU1 ein­sor­tiert und ich woll­te zum Tages­ge­schäft über­ge­hen. Doch dann stol­per­te ich bei den Ost­hes­sen News über einen Ton­mit­schnitt ihrer Rede beim Forum Deut­scher Katho­li­ken, die ja auch schon für etwas Wir­bel gesorgt hat­te.

Um nicht als bös­wil­lig, sinn­ent­stel­lend und gleich­ge­schal­tet zu gel­ten, habe ich mir mit den Zäh­nen in der Tisch­plat­te die gan­ze Rede ange­hört. Danach wuss­te ich zumin­dest, war­um sie bei Ker­ner nicht auf die Argu­men­te der ande­ren Gesprächs­part­ner ein­zu­ge­hen ver­moch­te: Sie woll­te gera­de ihre Rede vom Wochen­en­de aus­wen­dig auf­sa­gen und war nicht auf Impro­vi­sa­tio­nen ein­ge­stellt.

Aus der Rede wird eines deut­lich, noch deut­li­cher als aus ihrem Auf­tritt bei Ker­ner: Eva Her­man wird nie als gro­ße Rhe­to­ri­ke­rin in die Geschich­te ein­ge­hen. Da beschwert sie sich erst, ein Halb­satz von ihr sei falsch und sinn­ent­stel­lend zitiert wor­den und sie wür­de ja eh immer schnell in die rech­te Ecke gerückt, und dann sagt sie allen Erns­tes Sät­ze wie die­se:

„Wir mar­schie­ren im Stech­schritt durch einen anstren­gen­den All­tag vol­ler Wider­sprü­che. Wir seh­nen uns ver­zwei­felt nach Gebor­gen­heit, Heim und Fami­lie, und kämp­fen täg­lich unser ein­sa­mes Gefecht in der männ­lich gepräg­ten Arbeits­welt.“

„Mar­schie­ren“! „Im Stech­schritt“! „Ein­sa­mes Gefecht“! Wer auch immer der Frau sei­nen Meta­phern-Duden gelie­hen hat: Er soll­te ihn schnells­tens zurück­for­dern.

Kei­ne zwei Minu­ten spä­ter:

„Sofern jemand das Wort erhebt und sich für die­se Wer­te ein­setzt, wird er bom­bar­diert, es wird Nazi­lob in ihn pro­je­ziert und gleich­zei­tig wird er als Sym­pa­thi­sant die­ser Ideo­lo­gie öffent­lich ver­ur­teilt.“

Er wird „bom­ba­diert“? Ja hal­lo, geht’s denn noch? Muss sich eine Frau, der die brau­ne Kacke nur so am Schuh klebt, denn auch noch hin­stel­len und aus dem rie­si­gen Strauß sprach­li­cher Bil­der aus­ge­rech­net die­je­ni­gen her­aus­pi­cken, auf denen „Explo­si­ve devices, do not touch“ steht?

Ali­ce Schwar­zer bezeich­net sie als „Chef-Femi­nis­tin“, die mit­ver­ant­wort­lich sei für eine der „bei­spiel­lo­ses­ten Abtrei­bungs­kam­pa­gnen auf die­ser Erde“ und man freut sich, dass man sich an dem Super­la­tiv der Bei­spiel­lo­sig­keit fest­bei­ßen kann und gar nicht erst auf die inhalt­li­che Ebe­ne hin­un­ter­klet­tern muss.

Frau Her­man fürch­tet allen Erns­tes, dass „wir“ aus­ster­ben und ange­sichts der immer schnel­ler wach­sen­den Welt­be­völ­ke­rung müss­te sie sich eigent­lich fra­gen las­sen, wer zum Hen­ker denn da aus­ster­ben soll. Sie kann von Glück reden, dass gera­de kein böser, gleich­ge­schal­te­ter Jour­na­list vor­bei­kam, der ihr zyni­scher­wei­se „das deut­sche Volk“ unter­stel­len woll­te.

Bald sieht sie sich und die Ihri­gen gar ver­folgt und spä­tes­tens in die­sem Moment wäre ich wohl auf­ge­sprun­gen und hät­te sie los­ge­schickt, mal fünf Minu­ten mit jeman­dem zu reden, der wirk­lich ver­folgt wur­de oder wird. Egal ob im Drit­ten Reich, in der DDR oder in Chi­na.

Noch was rich­tig unglück­lich For­mu­lier­tes? Bit­te­schön:

„Die Sta­tis­ti­ken, die ernüch­ternd sind, die Dis­kus­si­on, die Ursa­chen und die Fol­gen der heu­ti­gen Kin­der­lo­sig­keit wer­den mich auch wei­ter­hin dazu bewe­gen, die­se Dis­kus­si­on zu füh­ren – da hilft auch kein Berufs­ver­bot.“

„Berufs­ver­bot“?! Nee, sicher: Gab’s auch alles schon vor den Nazis und hin­ter­her natür­lich auch. Zum Bei­spiel für die viel­ge­schol­te­nen Acht­und­sech­zi­ger.

In den USA wür­de man spä­tes­tens hier den Umstand beto­nen, wie toll es doch sei, in einem frei­en Land leben zu kön­nen, wo jeder frei spre­chen kön­ne – auch Eva Her­man. Und viel­leicht soll­te man wirk­lich mal die Gold­waa­ge weg­pa­cken, die sprach­li­che Ebe­ne auf der eh nichts mehr zu holen ist, ver­las­sen und sich dem Inhalt­li­chen zuwen­den.

So erzählt Eva Her­man die Geschich­te, wie sehr die Geburt ihres Kin­des ihr Leben ver­än­dert habe, und wie unver­ein­bar Fami­lie für sie plötz­lich mit einem Beruf schien. Man glaubt ihr das ja, man ahnt, dass man hier ganz nah dran ist an dem Knacks, den die­se Frau irgend­wann mal erlit­ten haben muss. Nur schließt sie dabei wie so oft von ihrer per­sön­li­chen Erfah­rung auf ande­re und selbst, wenn ihr statt 700 Katho­li­ken 700.000 zuge­ju­belt hät­ten, wür­den mir immer noch genug Frau­en ein­fal­len, die Beruf und Fami­lie unter einen Hut bekom­men haben – offen­bar ohne dar­an zu zer­bre­chen.

Man soll­te ihre Mei­nung und vor allem ihren Glau­ben respek­tie­ren, soll­te sie bemit­lei­den für die Kar­rie­re, die sie tra­gi­scher­wei­se gemacht hat, und sie beglück­wün­schen dafür, dass sie für sich die „Wahr­heit“ ent­deckt hat – so, wie man jedem Men­schen wünscht, dass er nach sei­ner Fas­son glück­lich wer­de. Aber sie macht es einem so schwer, indem sie ihre Ansich­ten als unum­stöß­li­che Fak­ten dar­stellt, das Sin­gle­da­sein als unvoll­ende­ten Schöp­fungs­wil­len betrach­tet und in einer Tour von einem „Wir“ spricht, ohne je zu sagen, wer das sein soll: Alle Frau­en, alle kon­ser­va­ti­ven Frau­en, alle para­no­iden Ex-Fern­seh­mo­de­ra­to­rin­nen?

Eva Her­mans Welt­sicht ist eine der­art ver­quas­te­te Melan­ge aus Kapi­ta­lis­mus­kri­tik, Schöp­fungs­leh­re und Fort­schritts­feind­lich­keit, dass ich mir dage­gen wie ein neo­li­be­ra­ler Athe­ist vor­kom­me – und so will ich mich nie wie­der füh­len. Fast wäre man geneigt zu sagen, sie habe einen Urknall, wenn man sich nicht sicher sein könn­te, dass sie genau den nicht hat.

1 Doof bleibt doof, da hel­fen kei­ne Pil­len und auch kei­ne kal­ten Umschlä­ge.

Nach­trag 13:14 Uhr: Irgend­wie scheint der gan­ze The­men­kom­plex ver­un­glück­te Meta­phern regel­recht anzu­zie­hen. Dies­mal ist es Franz Josef Wag­ner, der Ker­ner vor­wirft, mit Her­man über­haupt über das The­ma Natio­nal­so­zia­lis­mus gespro­chen zu haben.

Mit die­sen Wor­ten:

Das Mons­ter Hit­ler sprengt unse­re Tafel­run­de.

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Mädchen, warum hast Du nichts gelernt?

Na, das hat ja alles bes­tens geklappt: Der „Raus­wurf“ der Eva Her­man bei und durch Johan­nes B. Ker­ner ist das Tages­the­ma. All­über­all ent­wi­ckeln sich lan­ge und span­nen­de Dis­kus­sio­nen (selbst bei uns), Ker­ner hat eine „Top­quo­te“ ein­ge­fah­ren und Eva Her­mans aktu­el­les Buch ist in den Best­sel­ler­lis­ten von Ama­zon flei­ßig nach oben geklet­tert (Platz 17 um 16 Uhr). Also eine Win-Win-Situa­ti­on für alle Betei­lig­ten?

Nun, Her­man dürf­te sich für län­ge­re Zeit ins Aus manö­vriert haben. Nicht, weil sie obsku­re Wer­te­vor­stel­lun­gen hat (die darf jeder haben), noch nicht ein­mal, weil sie sich vor sechs Wochen so ver­quas­tet und miss­ver­ständ­lich geäu­ßert hat. Aber weil sie ges­tern gegen die gol­de­ne Regel des Medi­en­be­triebs ver­sto­ßen hat: gegen das Recht des Publi­kums auf eine groß­an­ge­leg­te Ent­schul­di­gungs­ze­re­mo­nie.

Chris­toph Daum durf­te, nach­dem er sich wort­reich für sei­ne Koka­in-Affä­re ent­schul­digt hat­te, wei­ter als Fuß­ball­trai­ner arbei­ten; Michel Fried­man, dem auch Koka­in zum Ver­häng­nis wur­de, leis­te­te öffent­lich Abbit­te und ist heu­te wie­der in fast allen Medi­en prä­sent. Noch schnel­ler ver­zieh das Land Erik Zabel, der aus der trä­nen­rei­chen Pres­se­kon­fe­renz ging, als sei nie etwas gewe­sen, und selbst in den USA ver­zieh der Dis­ney-Kon­zern sei­nem Tee­nie­star Vanes­sa Hud­gens deren Nackt­bil­der, nach­dem sie sich dafür ent­schul­digt hat­te. Sie alle haben die Mecha­nis­men der Medi­en begrif­fen: Ein­mal zer­knirscht und am Bes­ten unter Trä­nen vor die Pres­se tre­ten, dann ist irgend­wann alles wie­der gut – egal, ob man das eige­ne Ver­hal­ten jetzt wirk­lich als Feh­ler ansieht, egal ob es über­haupt ein Feh­ler war.

Die­je­ni­gen, die kei­ne Feh­ler ein­räu­men und sich nicht ent­schul­di­gen woll­ten, wer­den im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis unter „unbe­lehr­bar“, „ver­rückt“ oder gar „para­no­id“ ein­sor­tiert. Ihre Namen lau­ten Jür­gen W. Möl­le­mann, Die­ter Bau­mann oder Jan Ull­rich. Das Gemei­ne an die­ser Situa­ti­on: Wir wis­sen nicht, ob Die­ter Bau­manns Zahn­pas­ta mit Doping­mit­teln ver­setzt wur­de, wir wis­sen nicht, ob Jan Ull­rich nicht viel­leicht wirk­lich unschul­dig ist. Wir wis­sen ja auch nicht, ob Daum und Fried­man ihr Dro­gen­kon­sum wirk­lich leid tut, aber wir müs­sen es glau­ben, weil es durch die Medi­en ging.

Da stellt sich die Fra­ge, ob Jan Ull­rich nicht längst wie­der Ren­nen fah­ren (oder zumin­dest kom­men­tie­ren) dürf­te, wenn er zuge­ge­ben hät­te, gedopt zu haben – selbst, wenn er es nie getan hät­te. Ist eine trä­nen­rei­che Ent­schul­di­gung nicht in jedem Fal­le hilf­rei­cher als die Ver­brei­tung kru­der Ver­schwö­rungs­theo­rien – etwas, womit Eva Her­man ges­tern bei Ker­ner zu ihrem Unglück auch noch ange­fan­gen hat?

Sicher, das wäre schon sehr zynisch, aber zynisch ist die Welt, sind vor allem die Medi­en. Eva Her­man soll­te, nein: muss das wis­sen. Es sind die Regeln eines gro­ßen Spiels, das sich mit­un­ter um Kar­rie­ren und Men­schen­le­ben dreht. Man könn­te es ihr als per­sön­li­che Stär­ke anrech­nen, sich nicht für etwas ent­schul­di­gen zu wol­len, das sie nach eige­ner Auf­fas­sung nicht gesagt und schon gar nicht gemeint hat. Aber Johan­nes B. Ker­ner war in der Bezie­hung erstaun­lich fair: Er woll­te nicht ein­mal ein „Mir tut das alles so unend­lich leid“ hören, ihm hät­te ein „Nun ja, ich sehe ein, dass mei­ne Sät­ze in der frei­en Rede etwas kru­de und miss­ver­ständ­lich waren. Was ich sagen woll­te, ist Fol­gen­des …“ gereicht. Allein: Eva Her­man war nicht ein­mal bereit, eige­ne lin­gu­is­ti­sche Unzu­läng­lich­kei­ten ein­zu­ge­ste­hen und bezog sich mun­ter wei­ter auf die Sät­ze, die sie gesagt hat­te, und die eben wirr for­mu­liert as hell waren. Nicht ein­mal, als ihr Mar­ga­re­the Schrei­ne­ma­kers die­sen Weg vor­for­mu­liert auf­zeig­te.

Was dann folg­te, war nur noch unpro­fes­sio­nell: Sie kom­men­tier­te von oben her­ab („Wer redet heu­te noch über Dei­ne Sen­dung?“ zu Frau Schrei­ne­ma­kers, „Mit Ihnen rede ich nicht mehr!“ zum gela­de­nen Exper­ten) und es war plötz­lich völ­lig egal, dass Frau Schrei­ne­ma­kers auch schon unrühm­li­che TV-Momen­te hat­te (wobei wir wie­der nicht wis­sen, was an der gan­zen „Steu­er­af­fä­re“ eigent­lich dran war) und dass Prof. Wolf­gang Wip­per­mann nicht unum­strit­ten ist und zu Beginn der Sen­dung ziem­li­chen Quark gequas­selt hat­te. Sie rede­te von einer „Gleich­schal­tung“ der Medi­en und ver­hin­der­te jeg­li­che Dis­kus­si­on über den inhalt­li­chen Wahr­heits­ge­halt (alle schrei­ben von den Agen­tu­ren ab, die wie­der­um bei der „Bild“-Zeitung abge­schrie­ben haben), indem sie die­ses in ihrer Situa­ti­on völ­lig unglück­li­che Wort ver­wen­de­te. Es spielt kei­ne Rol­le mehr, dass Wor­te per se nicht „gut“ oder „böse“ sind, oder wer das Wort sonst noch so ver­wen­det: Es war ein wei­te­res Buz­zword auf der Nazi-Bin­go-Kar­te, die das Publi­kum in den Hän­den hielt. Und auf dem letz­ten frei­en Feld stand „Auto­bah­nen“.

Das Medi­en­ge­schäft ist ein har­tes, schmut­zi­ges, durch­aus auch zyni­sches. Vie­le ahnungs­lo­se Men­schen kön­nen sich dar­in ver­hed­dern oder dar­in ver­lo­ren gehen. Eva Her­man muss sich als lang­jäh­ri­ge Jour­na­lis­tin und erfah­re­ne Pro­vo­ka­teu­se aber vor­wer­fen las­sen muss, dass sie offen­bar nicht abschät­zen konn­te, wor­auf sie sich ges­tern Abend ein­ließ.

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„Geh in die rechte Ecke und schäm dich!“

Es gibt Situa­tio­nen, da ste­hen sich zwei Men­schen gegen­über und man weiß gar nicht, wer von den Bei­den jetzt unsym­pa­thi­scher ist und die schlech­te­ren Argu­men­te hat. So geht mir das zum Bei­spiel beim Klein­krieg zwi­schen Hart­mut Meh­dorn (Deut­sche Bahn AG) und Man­fred Schell (Gewerk­schaft der Lok­füh­rer). Man wünscht sich immer einen über­gro­ßen Klas­sen­leh­rer, der bei­de am Arm packt, vor die Tür schleift und sie mit erns­ter Stim­me bit­tet, das unter sich zu klä­ren. „Wie erwach­se­ne Men­schen“, wür­de er klu­ger­wei­se nicht sagen.

So ähn­lich war das gera­de beim gro­ßen „TV-Eklat“, dem „Raus­wurf“ von Eva Her­man bei Johan­nes B. Ker­ner. Ker­ner hat­te sich die frü­he­re NDR-Mode­ra­to­rin wohl in sei­ne Sen­dung ein­ge­la­den, um ein Exem­pel in Sachen Reue zu sta­tu­ie­ren: Es wäre doch gelacht gewe­sen, wenn sie sich nicht unter Trä­nen beim deut­schen Volk Zuschau­er für ihre „miss­ver­ständ­li­chen Äuße­run­gen“ ent­schul­digt hät­te. Um es vor­weg zu neh­men: Sie tat es natür­lich nicht und ich habe wirk­lich kei­ne Ahnung, wer von bei­den unsym­pa­thi­scher war.

Es war ein weit­ge­hend wür­de­lo­ser Eier­tanz, der nur des­halb zu ertra­gen war, weil die groß­ar­ti­ge Sen­ta Ber­ger ein paar gran­dio­se Oneli­ner lan­den konn­te und die erstaun­lich sym­pa­thisch wir­ken­de Mar­ga­re­the Schrei­ne­ma­kers mit aller gebo­te­nen Unhöf­lich­keit auf den dort gespro­che­nen Irr­sinn reagier­te.

Ker­ner, der einem fast schon leid tun konn­te in sei­nem Ver­such, der Unbe­lehr­ba­ren Andeu­tun­gen von Selbst­zwei­feln zu ent­lo­cken, wur­de irgend­wann so etwas ähn­li­ches wie sau­er und dann pas­sier­te – erst­mal wie­der nichts. Statt­des­sen rede­te Eva Her­man nun auch noch von „Bän­dern“, die „unter Ver­schluss gehal­ten“ wür­den, und einer „Her­aus­ga­be des Mate­ri­als“ und für einen Moment dach­te ich mir „Wenn­se die ma nich über­mor­gen inner Bade­wan­ne fin­den!“ Prof. Wolf­gang Wip­per­mann, mit dem Her­man zu die­sem Zeit­punkt schon nicht mehr spre­chen woll­te, sprach von „Ver­schwö­rungs­pa­tho­lo­gie“ und obwohl der Mann Geschichts­pro­fes­sor ist, glaub­te ich ihm sei­ne Dia­gno­se sofort.

Nach einer schier end­lo­sen Zeit, in der Her­man tat­säch­lich auch noch auf die Auto­bah­nen zu spre­chen kam, droh­te Sen­ta Ber­ger schließ­lich damit, die Run­de zu ver­las­sen (ers­te Anzei­chen von Alters­mil­de: frü­her wäre sie ein­fach gegan­gen) und Ker­ner schick­te statt­des­sen Eva Her­man nach hau­se. Die bedank­te sich auch noch artig und lief nicht ein­mal in einen Gitar­ren­ver­stär­ker, als sie die Show ver­ließ.1

1 War­um ist der Auf­tritt von Bet­ti­na Böt­tin­ger in der „Harald Schmidt Show“ nicht bei You­Tube zu fin­den?

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Desperate Housewife

Kaum ist Eva Her­man beim NDR raus­ge­flo­gen, macht sich die media­le Häme über­all breit. Obwohl ver­ba­le Ent­glei­sun­gen der Aus­lö­ser der gan­zen Geschich­te waren, scheu­en sich diver­se Kom­men­tar­wichs­ma­schi­nen nicht, den anru­fen­den Pres­se­ver­tre­tern noch wei­te­ren Schmonz in ihre Blö­cke zu dik­tie­ren, wo ein ein­fa­ches „Ich habe den Raus­wurf von Frau Her­man mit Erleichterung/​Wohlwollen/​stiller Freu­de zur Kennt­nis genom­men und möch­te die wei­te­re Ana­ly­se gern den betei­lig­ten Par­tei­en und Arbeits­recht­lern über­las­sen“, auch getan hät­te.

Gemei­ner sind nur noch die Bild­re­dak­tio­nen der Online-Medi­en:

Eva Herman (links) und Britney Spears (rechts) bei “Spiegel Online”
Screen­shot: „Spie­gel Online“

Ich hat­te schon bei­na­he einen Herz­still­stand erlit­ten, als ich fest­stell­te, dass die halb­nack­te blon­de Frau bei „Spie­gel Online“ nicht Eva Her­man war, son­dern Brit­ney Spears. Aller­dings dürf­te inzwi­schen für bei­de Damen das gro­ße Bil­ly-Wil­der-Zitat gel­ten, wonach eine Kar­rie­re am Bes­ten in einem Wort zusam­men­ge­fasst wer­den kön­ne: „Vor­bei!“

Es geht aber noch besser/​böser, denn es gibt ja noch „Bild.de“. Oder glau­ben Sie wirk­lich, die­se äußerst unglück­li­che Kom­bi­na­ti­on von Foto und Bild­un­ter­schrift, die puber­tä­res Geki­cher anzieht wie sonst nur Jah­res­ta­ge TV-Doku­men­ta­tio­nen, sei ein Pro­dukt des Zufalls?

Eva Herman bereut ihren Fehltritt bei “Bild.de”
Screen­shot: „Bild.de“

Nach­trag 20:09 Uhr: Okay, ich bin offen­bar der Ein­zi­ge, der das „Bild“-Foto irgend­wie lus­tig oder zwei­deu­tig fand. Viel­leicht soll­te ich doch mal dar­über nach­den­ken, erwach­sen zu wer­den.

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Rundfunk Gesellschaft

Das Ende der Herman-Schlacht

Manch­mal bin ich doch über­rascht von der Schnel­lig­keit eines öffent­lich-recht­li­chen Sen­ders.

Da schreibt das „Ham­bur­ger Abend­blatt“ am Frei­tag als ein­zi­ge anwe­sen­de Zei­tung dar­über, dass Eva Her­man bei der Prä­sen­ta­ti­on ihres neu­en Buches „Das Prin­zip Arche Noah“ die „Wert­schät­zung der Mut­ter“ im Natio­nal­so­zia­lis­mus als „sehr gut“ bezeich­net habe (mehr zur „rela­tiv ein­ge­schränk­ten“ Wert­schät­zung der Mut­ter bei den Nazis gibt’s bei wirres.net) und schon am Sonn­tag ver­mel­det „Welt Online“ Voll­zug:

Vol­ker Her­res, NDR-Pro­gramm­di­rek­tor Fern­se­hen, sag­te: „Frau Her­mans schrift­stel­le­ri­sche Tätig­keit ist aus unse­rer Sicht nicht län­ger ver­ein­bar mit ihrer Rol­le als Fern­seh­mo­de­ra­to­rin und Talk-Gast­ge­be­rin. Dies ist nach ihren Äuße­run­gen anläss­lich einer Buch­prä­sen­ta­ti­on in der ver­gan­ge­nen Woche deut­lich gewor­den.“

Im Gegen­satz zu 3,7 Mil­lio­nen ande­ren Arbeits­lo­sen in Deutsch­land wird Frau Her­man auch ohne ihren Pos­ten als freie NDR-Mit­ar­bei­te­rin gut ver­die­nen, denn ver­mut­lich wird gera­de die­se Geschich­te den Erfolg ihres Buches noch wei­ter vor­an­trei­ben.1 Trotz­dem fin­de ich es beru­hi­gend, dass Per­so­nen, die der­art unre­flek­tiert über die Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus spre­chen, nicht wei­ter durch Fern­seh­ge­büh­ren finan­ziert wer­den.

[via Pott­blog]

1 Auch wenn ich glau­be, dass ihre Bücher mehr gekauft und weni­ger gele­sen wer­den.