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Miss American Pie

Dieser Tage schaut die Welt noch mehr auf Amerika, als sie es sowieso schon tut. Die “Schicksalswahl unserer Generation” steht an und es wirkt ein bisschen so, als werde am Dienstag zwischen Himmel und Hölle entschieden.

Der Wahlkampf zeigt einmal mehr die eklatanten Unterschiede zwischen den USA und Deutschland auf: Nicht nur, dass wir hier ein anderes Wahlsystem haben, auch kulturell sieht es hier ganz anders aus. Das Pathos, das Obamas halbstündigen Infomercial durchweht, wäre hierzulande undenkbar.

Vielleicht liegt es daran, dass Schwarz, Rot und Gold keine so schöne Farbkombination ist wie Rot, Weiß und Blau. Aber noch nicht mal eine geeignete Musikuntermalung würde man hier für so einen Wahlwerbefilm finden: in Deutschland gibt es keine Folklore, denn was es gab, wurde vom “Musikantenstadl” in Grund und Boden gevolkstümelt.

Ich finde diese Unterschiede nicht schlimm (auch wenn ich mir manchmal wünsche, dass sich jeder einzelne Deutsche ein bisschen mehr mit seiner Rolle in der Gesellschaft um ihn herum – nicht mit dem abstrakten Begriff der Nation – identifizieren würden), aber diese Unterschiede sind eben da. Deswegen sollten sich deutsche Politiker dafür hüten, Obamas vermeintliche Erfolgsrezepte nächstes Jahr 1:1 für den deutschen Markt kopieren zu wollen.

Die armen, armen Hessen, die im Januar die sogenannte Wahl zwischen Roland Koch und Andrea Ypsilanti hatten, bekommen am Dienstag vielleicht eine neue Ministerpräsidentin. Ja, an jenem Schicksalsdienstag, 4. November. Und weil das so schön passt, hat sich Frau Ypsilanti heute Morgen auf einem SPD-Sonderparteitag in Fulda dem wehrlosen Barack Obama ans Bein geschmissen und mit einem einzigen Satz diese tiefen kulturellen Unterschiede, diesen schmalen Grat zwischen ansteckendem Pathos und abstoßender Peinlichkeit zusammengefasst:

Ich hoffe, Genossinnen und Genossen, dass die amerikanischen Wählerinnen und Wähler am 4. November in Amerika sagen: “Yes, we can!”, und dass die hessischen Abgeordneten dann sagen können, mit Euch zusammen in Hessen: “Yes, we do!”

[via WDR2-Nachrichten]

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Der Nazi-Vergleich des Monats

… wird Ihnen präsentiert von Hans-Werner Sinn, dem Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts.

Den zitiert der “Tagesspiegel” wie folgt:

“In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken”, sagte er dem Tagesspiegel. In der Weltwirtschaftskrise von 1929 “hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager”.

Damit sichert sich Sinn natürlich einen der begehrten Plätze in der großen Nazi-Vergleichs-Liste von Coffee And TV — auch wenn es sich streng genommen nur um eine Coverversion von Roland Kochs Schlager “Eine neue Form von Stern an der Brust” handelt.

Streng genommen handelt es sich hierbei natürlich nicht direkt um einen Nazi-Vergleich, weil das obligatorische “wie/seit Hitler/Goebbels/1945” fehlt. Andererseits wird hier gleich jeder, der heute Manager kritisiert, mit Antisemiten gleichgesetzt. Und das wäre, wenn Sinn das tatsächlich gemeint haben sollte, natürlich schon eine ziemlich verunglückte Weltsicht.

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Politik

Auf jeden Sieger zehn Verlierer

Stellen wir uns für einen Moment bitte Folgendes vor: Ich habe Usain Bolt, den schnellsten Mann der Welt, zu einem Wettrennen über 100 Meter herausgefordert. Usain Bolt hat sich vorher beide Beine gebrochen, tritt aber trotzdem an. Durch dieses Handycap läuft Bolt die Strecke in 12,5 Sekunden, ich brauche 29,2 Sekunden und bin damit so langsam wie noch nie. Nach dem Rennen erkläre ich mich zum klaren Sieger, weil Bolt ja normalerweise viel, viel schneller ist und das muss man ja auch berücksichtigen.

Wenn Sie dieser Argumentation folgen können (und nicht schon bei der Vorstellung, ich könnte 100 Meter geradeaus laufen lachend unter Ihrem Schreibtisch verschwunden sind), sind Sie vermutlich in der SPD. Die hat nämlich gerade bei der bayrischen Landtagswahl das schlechteste Ergebnis ever eingefahren, was sie in der Selbstwahrnehmung zum Sieger macht, weil die CSU (die 2,3 Mal so viele Stimmen erhalten hat) immerhin seit 54 Jahren nicht mehr so schwach war.

Die gebrochenen Beine von Usain Bolt heißen Günther Beckstein und Erwin Huber und sie haben die Wahl natürlich nur derart vor die Wand gefahren, um Edmund Stoiber seinen 67. Geburtstag zu verhageln. Dafür haben sie Stoiber (und ich fürchte, Sie werden sich heute noch mit einigen schiefen Bildern rumschlagen müssen) bei Tempo 180 aus dem fahrenden Wagen geworfen, während Horst Seehofer an der Handbremse nestelte und Gabriele Pauli das Verdeck einfahren wollte. Aber für das führerlose und zertrümmerte Gefährt hätten sie immerhin noch die volle Pendlerpauschale beziehen können.

Die in jeder Hinsicht beeindruckende Schlappe für die CSU, die fast ein Drittel ihrer Wählerstimmen eingebüßt hat, wird aber in den Schatten gestellt von einer SPD, die das eigene Debakel elegant ignoriert (wohl Dank der Erfahrung auf dem Gebiet) und allen Ernstes Ansprüche auf die Regierungsbildung anmeldet.

Frank-Walter Steinmeier, den sie in der Partei mittlerweile vermutlich für einen Albino-Barack-Obama halten, der aber bestenfalls ein ganz sicher nicht gefärbter Gerhard-Schröder-Klon ist (was immerhin schon mal bedeutend besser ist als ein unrasierter Gordon-Brown-Klon), dieser Frank-Walter Steinmeier also stellt sich hinter ein Mikrofon und sagt:

Und immerhin: Es ist zum ersten Mal für viele Wählerinnen und Wähler in Bayern vorstellbar und möglich gewesen, nicht mehr CSU zu wählen. Sie sind noch nicht gleich durchgegangen zur SPD, aber es entsteht eine Perspektive.

Na, hurra! Da könnte ich ja auch in lautstarke Verzückung geraten, weil Natalie Portman nicht mehr mit Devandra Banhart zusammen ist — und mich jetzt sicher endlich heiraten wird.

Franz Maget, der aussieht wie Peter Zwegat, aber SPD-Spitzenkandidat in Bayern war, verspricht, den “halben Weg” beim “nächsten Mal” nachzuholen, und die Wähler nicht nur weg von der CDU, sondern auch hin zur SPD zu holen. Das klingt, als steckten die Wähler zwischen Villariba und Villabajo (formerly known as Not und Elend) auf halber Strecke im Schlamm — und nicht, als hätten sie sich gerade irgendwo ganz anders ein gemütliches kleines Zeltlager am warmen Herd von Gabi Pauli errichtet.

Um die Runde vollzumachen, trat auch noch Andrea Ypsilanti, die das Wortpaar “glaubwürdiger Politiker” im Alleingang zum Oxymoron stempeln will, freudestrahlend vor die Kameras und sprach von der zweiten Wahl, die “gründlich schiefgegangen” sei für … die CDU/CSU. Mit der ersten meint sie wohl ihre eigene in Hessen, diesem armen Bundesland, dass seit einem halben Jahr von einem geschäftsführenden Ministerpräsidenten regiert wird, der auch noch Roland Koch heißt.

Denn das ist die eigentliche Sensation der Wahlen in Hessen und Bayern: dass die Union nicht wegen ihrer politischen Gegner so dumm dasteht, sondern wegen ihres eigenen Führungspersonals. Aber selbst dann schafft es die SPD nicht, wenigstens so viele Wähler zu mobilisieren, dass sie selbst die meisten Stimmen bekommt — was nach meinem Demokratieverständnis (Koch hin, Beckstein her) irgendwie dringend notwendig wäre, um wasauchimmer zu regieren.

Aber vermutlich weiß es der Wähler zu schätzen, wenn eine Partei, der er vielleicht auch noch seine Stimme gegeben hat, in erster Linie durch Schadenfreude über die Verluste des politischen Gegners auf sich aufmerksam macht. Eigentlich ist es da doch inkonsequent, nicht gleich noch einen Schritt weiter zu gehen, auf Österreich zu zeigen und “wenigstens hat bei uns keiner das Nazipack gewählt” zu rufen.

Dass auch ein in Bayern erworbenes Abitur nicht zwangsläufig für große Mathematikkenntnisse steht, bewies dann Claudia Roth, die Mutter Beimer der Grünen. Sie sieht “eine deutliche Mehrheit jenseits der CSU”, die sich in den absoluten Zahlen der Sitzverteilung wohl vor allem darin niederschlägt, dass alle anderen Parteien zusammen exakt drei Sitze mehr haben als besagte CSU. Daraus leitet Frau Roth einen “Auftrag” zur Regierungsbildung ab.

Es ist beeindruckend, mit welcher Unbeirrtheit Politiker große Debakel und mittlere Enttäuschungen (die Grünen haben zwar als einzige vorher im Landtag vertretene Partei hinzugewonnen, sind aber nicht mal mehr drittstärkste Fraktion) in Siege und Triumphe umzuwidmen versuchen. Wie ein Wahlergebnis gedeutet werden soll, das eigentlich nur den Schluss zulässt, dass die Wähler die Schnauze voll haben von den beiden großen Volksparteien, die die Bundesrepublik seit drei Jahren in trauter Zwietracht regieren (und dabei noch jedes zweite Gesetz verfassungswidrig gekriegt haben). Und wie die Lähmung, die so ein Land durch uneindeutige Machtverhältnisse erfährt, gefeiert wird.

Man wartet eigentlich nur noch auf den Tag, an dem irgendeine Partei (mutmaßlich eine von Guido Westerwelle geführte) auf die Idee kommt, bei Wahlergebnissen analog zur Einschaltquote im Fernsehen eine “werberelevante Zielgruppe” auszurufen und nur noch das Abstimmverhalten der 14- bis 49-Jährigen berücksichtigen zu wollen.

Dabei sind die deutschen Vertreter noch blass und harmlos gegen das Personal, das im US-Wahlkampf angetreten ist, um das Amt zu erobern, das man nicht umsonst das wichtigste der Welt nennt. Wir haben ja noch nicht mal eine Sarah Palin (obwohl ich glaube, dass Gabriele Pauli für die Rolle notfalls zur Verfügung stünde), von einem John McCain oder Joe Biden ganz zu schweigen.

Andererseits reichen Ronald Pofalla, Guido Westerwelle und Oskar Lafontaine für den Anfang völlig aus.

[Ausgelöst via twitter]

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Politik Gesellschaft

“Nazi!” – “Selber!”

Beinahe wöchentlich erschüttert ein neuer “Nazi-Skandal” die Öffentlichkeit. Kaum jemand kann noch den Überblick behalten, wer gerade wieder versehentlich oder absichtlich etwas gesagt hat, was “halt nicht geht”.

Das Dienstleistungsblog Coffee And TV hat sich deshalb bemüht, einen historischen Abriss der skandalösesten Skandale und der empörenswertesten Entgleisungen zusammenzustellen, der selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben will:

  • 1979 Als Franz Josef Strauß im Wahlkampf mit Eiern und Tomaten beworfen wird, vergleicht sein Wahlkampfleiter Edmund Stoiber das Verhalten der Menschen mit dem der “schlimmsten Nazi-Typen in der Endzeit der Weimarer Republik”.
  • September 1980 In “Konkret” erscheint ein Artikel von Henryk M. Broder, der glaubt, bei einer Artistiknummer im “Circus Roncalli” eine “faschistische Ästhetik” und den Hitlergruß beobachtet zu haben.
  • 15. Juni 1983 Heiner Geißler (CDU) sagt in einer Sicherheitsdebatte im Bundestag: “Ohne den Pazifismus der 30er Jahre wäre Auschwitz überhaupt nicht möglich gewesen.”
  • 15. Juli 1982 Oskar Lafontaine äußert sich über die “Sekundärtugenden” von Bundeskanzler Helmut Schmidt, mit denen “man auch ein KZ betreiben” könne.
  • 25. April 1983 Der “Stern” präsentiert auf einer Pressekonferenz die angeblichen Tagebücher Adolf Hitlers, die sich zehn Tage später als Fälschung erweisen. Die Chefredaktion muss zurücktreten, Reporter Gerd Heidemann und Fälscher Konrad Kujau werden zu Haftstrafen verurteilt.
  • 1985 Alt-Kanzler Brandt sagt, Heiner Geißler sei “seit Goebbels der schlimmste Hetzer in unserem Land.”
  • 15. Oktober 1986 In einem Interview mit “Newsweek” vergleicht Helmut Kohl die PR-Fähigkeiten des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow mit denen von Joseph Goebbels.
  • 17. Oktober 1988 In einem Artikel in der “taz” bezeichnet der freie Mitarbeiter Thomas Kapielski ein Disco als “Gaskammervoll”. Nach wochenlangen Leserprotesten werden die zuständigen Redakteurinnen entlassen.
  • 10. November 1988 Bundestagspräsident Philipp Jenninger hält eine Rede über das “Faszinosum” des Nationalsozialismus und muss nach öffentlichen Protesten seinen Rücktritt erklären.
  • 10. Dezember 1988 Wiglaf Droste überschreibt einen Artikel in der “taz” über Wolfgang Neuss mit “Trauerarbeit macht frei”. Die Leserbriefe treffen waschkörbeweise in der Redaktion ein.
  • 6. April 1994 Das für den 20. April geplante Fußballländerspiel Deutschland – England im Berliner Olympiastadion wird nach Protesten abgesagt.
  • 10. Februar 1997 In Florida herrscht ein betrunkener Harald Juhnke einen farbigen Wachmann an: “Du dreckiger N[*****], bei Hitler wäre so etwas vergast worden.”
  • Mai 1997 Bei einem Gastspiel in Israel unterschreibt ein Bassist der Deutschen Oper eine Hotelrechnung mit “Adolf Hitler”.
  • Juni 1998 Nokia wirbt mit dem Slogan “Jedem das Seine” für austauschbare Handycover. Nach Protesten wird die Kampagne eingestellt.
  • 11. Oktober 1998 Martin Walser hält in der Frankfurter Paulskirche seine “Moralkeulen”-Rede, für die er von Ignatz Bubis langanhaltend kritisiert wird.
  • Februar 1999 Nach dem Rauswurf von Trainer Horst Ehrmantraut sagt der Eintracht-Frankfurt-Spieler Jan-Age Fjörtoft laut Sportdirektor Gernot Rohr: “Vorher war es Hitlerjugend, jetzt ist es korrekt.”
  • 1. Februar 2001 Nicola Beer, FDP-Abgeordnete im hessischen Landtag, sieht den Unterschied zwischen den “Putzgruppen”, denen Joschka Fischer früher angehört hat, und Neonazis “nur darin, dass die Putztruppen damals mit Turnschuhen im Wald unterwegs waren und dass die heute Springerstiefel anhaben.”
  • 12. März 2001 Bundesumweltminister Jürgen Trittin sagt über den kahlköpfigen CDU-Generalsekretär, dieser habe “die Mentalität eines Skinheads und nicht nur das Aussehen”.
  • März 2002 Jamal Karsli, damals Grünen-Abgeordneter im NRW-Landtag veröffentlicht eine Presseerklärung mit der Überschrift “Israelische Armee wendet Nazi-Methoden an!” Kurz darauf verlässt er die Grünen und wird von Jürgen W. Möllemann kurzzeitig in die FDP-Fraktion geholt.
  • 13. Mai 2002 Im FAZ-Feuilleton schreibt Patrick Bahners über die fehlende Regierungserfahrung des FDP-Kanzlerkandidaten Guido Westerwelle: “Der letzte deutsche Kanzler, den nur das Charisma des Parteiführers empfahl, war Adolf Hitler.” FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper fordert vergeblich eine Entschuldigung.
  • 13. August 2002 Weil er sich vom Rasenmähen seiner Nachbarn belästigt fühlt, bezeichnet der Liedermacher Reinhard Mey diese als “Gartennazis”.
  • 29. August 2002 Wie der “Spiegel” berichtet, habe Helmut Kohl Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in einem privaten Gespräch als “schlimmsten Präsidenten seit Hermann Göring” bezeichnet.
  • September 2002 Nach einer wochenlangen Antisemitismusdebatte mit Michel Friedman veröffentlicht Jürgen W. Möllemann wenige Tage vor der Bundestagswahl ein Flugblatt, auf dem er Friedman und Ariel Sharon scharf angreift. Dem Parteiausschluss kommt er im März 2003 durch einen Austritt zuvor.
  • 18. September 2002 Herta Däubler-Gmelin vergleicht die Politik George W. Bushs mit der Adolf Hitlers.
  • 11. Dezember 2002 Roland Koch bezeichnet die Reichen-Kritik von Ver.di-Chef Frank Bsirske als “eine neue Form des Sterns auf der Brust”.
  • 2. Juli 2003 Im Europäischen Parlament schlägt Silvio Berlusconi den deutschen SPD-Abgeordneten Martin Schulz “für die Rolle des Lagerchefs” in einem Spielfilm über Konzentrationslager vor.
  • 3. Oktober 2003 Bei einer Rede zum Tag der deutschen Einheit hantiert der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann mit dem Begriff “Tätervolk” in der Nähe zu “den Juden” und wird im folgenden Jahr aus der Partei ausgeschlossen.
  • 30. August 2004 Auf dem selbstbetitelten Album der Libertines erscheint ein Song namens “Arbeit Macht Frei”. Da Pete Doherty aber noch nicht der “Skandal-Rocker” und “(Ex-)Freund von Kate Moss” ist, ist dieser Umstand keine Meldung wert.
  • 15. Dezember 2004 In Hessen dürfen Ordnungsämter “Ordnungspolizei” heißen. Da der Begriff schon für die Dachorganisation der Polizei im Nationalsozialismus verwendet wurde, kommt es zu Protesten und schließlich zur Auflösung der Behörde.
  • 6. Januar 2005 Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner vergleicht Abtreibungen mit den Verbrechen von Hitler und Stalin.
  • 13. Januar 2005 Der britische Prinz Harry erscheint in einer Nazi-Uniform auf einem Kostümball.
  • 13. Mai 2005 Der bayrische Wissenschaftsminister Thomas Goppel bezeichnet nach einer Rede das Verhalten protestierender Studenten als “Hinweis auf die Intoleranz, die uns damals in das Schlamassel gebracht haben”.
  • 12. Juli 2005 SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler vergleicht den CDU-Slogan “Sozial ist, was Arbeit schafft” mit der KZ-Inschrift “Arbeit macht frei”.
  • 16. September 2005 Weil CDU-Abgeordnete die Rede eines SPD-Abgeordneten mit Zwischenrufen stören, vergleicht Sigmar Gabriel deren Verhalten mit dem der Nazis.
  • September 2005 Dieter Thomas Heck vergleicht Angela Merkels Rhetorik mit der Adolf Hitlers.
  • 24. Februar 2006 Weil er einen jüdischen Journalisten mit einem KZ-Aufseher verglichen hatte, wird der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone für vier Wochen vom Dienst suspendiert.
  • 17. August 2006 Bei einem Testspiel in Italien formen kroatische Fußballfans auf der Tribüne ein Hakenkreuz.
  • November 2006 Der StudiVZ-Gründer Ehssan Dariani verschickt eine Geburtstagseinladung im Stile des “Völkischen Beobachters”.
  • 9. Februar 2007 Ein “Bild”-Leser entdeckt in Google Earth den Schriftzug “Nazi Germany” bei Berlin.
  • 9. Februar 2007 Die RTL-Wohnungsverschönerin Tine Wittler erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen einen Trailer für die fiktive Sendung “Tine Hitler: Einmarsch in vier Wänden” bei Comedy Central (“täglich von 19.33 Uhr bis 19.45 Uhr”).
  • 14. März 2007 Bei einer internen Untersuchung stellt die Frankfurter Polizei fest, dass sich Personenschützer von Michel Friedman gerne mit Nazi-Symbolen präsentierten.
  • 11. April 2007 In seiner Trauerrede auf Hans Filbinger bezeichnet Günther Oettinger den früheren Marinerichter als “Gegner des NS-Regimes”.
  • 6. September 2007 Bei einer Buchvorstellung äußert sich Eva Herman umständlich und missverständlich über die Familienpolitik im Nationalsozialismus und wird vom NDR gefeuert.
  • 14. September 2007 Im Kölner Dom warnt Joachim Kardinal Meisner: “Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet.”
  • 9. Oktober 2007 Bei einem Auftritt in der Show von Johannes B. Kerner verheddert sich Eva Herman abermals in rhetorischen Fußangeln, als sie von Hitlers Autobahnen spricht. Es ist ihr letzter Fernsehauftritt bis heute.
  • 20. Oktober 2007 Bischof Walter Mixa fühlt sich durch Äußerungen von Claudia Roth “in erschreckender Weise an die Propaganda-Hetze der Nationalsozialisten gegen die Katholische Kirche und ihre Repräsentanten” erinnert.
  • 25. Oktober 2007 In der ersten Sendung von “Schmidt & Pocher” kommt ein “Nazometer” zum Einsatz, das für Proteste sorgt.
  • 7. November 2007 Wolfgang Schäuble sagt im Hinblick auf die Massenklage gegen die Vorratsdatenspeicherung: “Wir hatten den ‘größten Feldherrn aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten.”
  • 27. Dezember 2007 Will Smith spekuliert über Adolf Hitlers Morgengedanken.
  • 20. Januar 2008 Guido Knopp fühlt sich durch einen Vortrag von Tom Cruise an die Sportpalast-Rede von Joseph Goebbels erinnert.
  • 23. Januar 2008 “Bild” veröffentlicht ein Video, das DJ Tomekk mit erhobenem rechten Arm und beim Singen der ersten Strophe des “Deutschlandlieds” zeigt.
  • 30. Januar 2008 In der ProSieben-Quizshow “Nightloft” sagt Moderatorin Juliane Ziegler “Arbeit macht frei”. Am nächsten Morgen trennt sich der Sender von ihr.
  • 31. Januar 2008 In Rio de Janeiro verbietet ein Gericht den Einsatz eines Karnevalswagens mit übereinander gestapelten Holocaust-Opfern und eines Tänzers im Hitlerkostüm beim Karnevalszug.

Mit Dank an Niels W. für die indirekte Anregung und Stefan N. für die Unterstützung bei der Recherche.

Unter Zuhilfenahme von agitpopblog.org, FAZ.net und der Politikwissenschaftler an der FU Berlin.

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Rundfunk Politik

Florida Lady

3.595 Stimmen beträgt im vorläufigen amtlichen Endergebnis die Differenz zwischen der CDU und der SPD in Hessen. Das ist weniger als die 6.027 Stimmen, die die SPD bei der Bundestagswahl 2002 vor der CDU/CSU lag, aber bedeutend mehr als die 537 Stimmen Unterschied zwischen George W. Bush und Al Gore in Florida (bei mehr als doppelt so vielen abgegebenen Stimmen).

Ähnlich spannend wie damals in Florida war es auch heute Abend. In der ARD bewies Infratest dimap mal wieder, dass man teure Wahlumfragen auch wunderbar durch würfelnde Affen ersetzen könnte, denn am Ende waren alle wichtigen Details anders als prognostiziert: Um 18 Uhr lag die SPD bei 37,5%, die CDU bei 35,7%, Die Linke wäre draußen geblieben. Roland Koch wird sich also morgen trotz herber Verluste rühmen können, man habe ihn zu früh abgeschrieben.

Ähnlich wie damals in Florida gab es offenbar erhebliche Probleme und Unregelmäßigkeiten mit Wahlcomputern, die der Chaos Computer Club in einer Pressemitteilung zusammengefasst hat. Und in den Qualitätsmedien findet sich dazu (anders als in Blogs) kein Wort.

Nachtrag 13:52 Uhr: Die Rhein-Main-Zeitung hat einen Artikel zum Thema online.

Nachtrag 20:14 Uhr: Eine Meldung zum Thema hat’s sogar auf “Bild.de” geschafft.

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Kultur

Kunst im Alltag: Roland Koch “Ohne Titel I”

Ypsilanti, al-Wazir
und die Kommunisten stoppen!

Mit diesem, auf den ersten Blick schlichten Zweizeiler hat sich der bisher unbedeutende Nachwuchsliterat Roland Koch vergangene Woche in den Olymp der Politlyrik katapultiert.

Die erste Zeile besteht aus einem seltenen Paion (mit Betonung auf der dritten Silbe) und einem Anapäst und klingt daher schon allein durch ihr Versmaß exotisch. Diese Wirkung unterstreicht der Dichter mit der Verwendung zweier Familiennamen aus dem südöstlichen Mittelmeerraum und dem Gebiet der arabischen Halbinsel.

Der Name “Ypsilanti” stammt aus dem Griechisch-Phanariotischen und bezeichnete schon griechische Nationalhelden des 19. Jahrhunderts. Sein Klang erinnert an den vorletzten Buchstaben des lateinischen Alphabets, der erst im zweiten vorchristlichen Jahrhundert aus dem Griechischen übernommen wurde und hier für etwas Unfertiges, Unbedeutendes steht. Der Name “al-Wazir” leitet sich ab vom persischen “wazir” und bezeichnet ab dem 10. Jahrhundert den mächtigsten Mann in einem Kalifenstaat – die deutsche Schreibweise ist “Wesir”. Mit nur sieben Silben gelingt es Koch so, eine Brücke über Vorderasien in den Orient zu schlagen.

Die zweite Zeile beginnt mit einem Jambus, der auf eine deutlich geordnetere Struktur hindeutet, überrascht dann aber mit einem weiteren Paion und einem Trochäus. Der in der ersten Zeile gemachte Ausflug in fremde Länder wird nicht weiter ausgeführt – man erfährt nicht, welche Aufgaben die derart herbeizitierten Entscheidungsträger fremder Hochkulturen für den weiteren Verlauf des Gedichts haben. Koch beendet die Aufzählung mit dem deutlich unpersönlicheren Begriff “Kommunisten”, der durch den Zeilenumbruch und die Verwendung der Konjunktion “und” und des Artikels “die” zusätzlich deutlich von den ersten beiden Begriffen abgegrenzt ist. Statt einer Handlung innerhalb des Gedichts endet es mit einem Imperativ, das Ausrufezeichen unterstreicht den appellativen Charakter des Zweizeilers.

Koch gelingt es, diese sechs Worte mit einer immensen Bedeutung aufzuladen. In einem fast flehentlichen Ton fordert der nicht näher spezifizierte Sprecher einen unbekannten Adressaten zu einer Handlung (“Stoppen”) auf, während er selbst weder aktiv noch passiv in Erscheinung tritt. “Gestoppt” werden sollen die durch die Namen repräsentierten (vorder-)orientalischen Hochkulturen (wobei der Verweis auf Griechenland auch für die Antike und die Wiederaufnahme ihrer Ideale in der Aufklärung stehen kann) und “die Kommunisten”, die einen überraschenden politischen Aspekt in das Gedicht bringen. Betrachtet man diese doch recht unterschiedlichen Gruppierungen und die Werte, für die sie stehen, und ihre offensichtliche Opposition zum Sprecher, so wird klar, dass dieser ein christlich-konservatives, möglicherweise anti-aufklärerisches Weltbild vertreten soll. Das ungewöhnliche, allen ästhetischen Regeln widersprechende Versmaß und der fehlende Reim spiegeln die innere Aufruhr des Sprechers wieder, die weibliche Kadenz am Ende der zweiten Zeile drückt seine Resignation aus. Zwar fehlen wesentliche Informationen, da das Hauptgeschehen außerhalb des Gedichts stattzufinden scheint, aber die Intention des Werks wird klar: es steht in der Tradition großer mittelalterlicher Kampf- und Spottschriften und muss wie diese unabhängig von der politischen Intention für seine literarischen Qualitäten wertgeschätzt werden.

Roland Koch ist ein ausdrucksstarkes Gedicht voller Brisanz gelungen, das gleichzeitig sehr vielschichtig ist und doch keine klare Aussage trifft. Es ist dem Dichter zu wünschen, dass er in Zukunft noch mehr Zeit für seine lyrischen Arbeiten finden wird.

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Digital

Rätselspaß mit n-tv.de

Wir machen mal wieder ein kleines Rätsel:

Aus wie vielen Artikeln bei n-tv.de habe ich die folgenden Screenshots zusammengestellt?

Da haben wir ein Symbolbild …

Gut gebrüllt, Löwen, aber es geht auch anders!

… ein Video …

Streit um Jugendstrafrecht: Koch rudert zurück

… und diese Überschrift:

Wer zusammen frühstückt liebt sich (doch)

Na, was glauben Sie? Wie viele Artikel waren das?

Drei? Sind Sie sich sicher?

Nun, die drei Screenshötte stammen aus …

*Trommelwirbel*

… ein und demselben Artikel.

Das ist Blödsinn, sagen Sie? Und fragen sich, worum es denn in einem Artikel gehen soll, der mit Löwen bebildert ist, ein Video von Roland Koch zeigt und in der Überschrift von Liebe und Frühstück faselt?

Mein Gott, sind Sie phantasielos: Um die Stimmung in der großen Koalition, natürlich!

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Digital

Klickbefehl (6): Gegen den Strich

Doch nach Jahren des Niedergangs herrscht Aufbruchstimmung. Verlage und Konzertveranstalter boomen. Bei den kleineren Plattenfirmen gab es noch nie so viele Neugründungen. Und selbst unter den großen Musikkonzernen von Universal bis Warner Music macht sich neue Hoffnung breit. „Wir beenden das beste Jahr seit bestimmt sieben Jahren“, sagt Edgar Berger, Deutschland-Chef von Sony-BMG.

Von wegen verhungernde Manager: Das Handelsblatt berichtet über das “Comeback der Musikindustrie”.

* * *

Wenigstens braucht man sich in Hessen vorerst keine Sorgen um eine starke NPD zu machen. Denn Ausländerhetze übernimmt der Ministerpräsident persönlich. Und wenn er dann wiedergewählt ist, zeigt sich Roland Koch sicher wieder gerne mit dem Dalai Lama oder bei der Verleihung des hessischen Friedenspreises.

Steffen Jenter kommentiert bei tagesschau.de die jüngsten Forderungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, kriminelle Ausländer schneller abzuschieben. [via Pottblog]

* * *

Schlimmer ist aber noch, dass die Polizei einfach unterstellt, alle Personen, die den Link angeklickt hätten, seien darauf über das angeblich kinderpornografische Portal gekommen. Dass der Link – mit vielleicht irreführenden oder gar keinen Inhaltsangaben, zum Beispiel über eine der unzähligen Linklisten, in anderen Boards oder als Spam-Mail – auch anderweitig verbreitet worden sein könnte, liegt außerhalb ihrer Vorstellungswelt. Oder sie blendet es aus.

Udo Vetter berichtet im Lawblog, wie schnell man Opfer polizeilicher Ermittlungen werden kann – alles im Namen einer eigentlich guten Sache, dem Kampf gegen Kinderpornographie.

* * *

„Und? Wie fandest Du’s?“
„Ich weiß nicht. Ein bißchen mulmig wars mir schon. Das ist ne ganz andere Welt.“
„Ganz anders. Genauso anders wie katholische Kirchen, CSU-Parteitage oder Tupperwarenparty-Jahreshauptversammlungen.“

Frédéric macht im Spreeblick eine kleine Moscheen-Besichtigungstour.

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Literatur Politik

Licht aus, Spott an

Wie kann man heutzutage in Deutschland eigentlich noch wirklich provozieren? In Zeiten, in denen schon jeder und alles mit irgendwelchen Nazi-Sachen verglichen wurde, muss man sich was neues einfallen lassen: den Kohl-Vergleich.

Erfunden hat ihn Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in der “Leipziger Volkszeitung”. Zumindest zitiert diese ihn wie folgt:

Müntefering geht, weil ihm Privates in einer entscheidenden Lebensphase wichtiger als alles andere ist. Ein Einschnitt?

Es ist eine unpolitische Entscheidung, dass Franz Müntefering seine Frau in der letzten Phase ihres Lebens direkt begleiten will. Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal. Ohne dass das vergleichbar wäre. Die Politik ist nicht das Allerwichtigste. Man sollte sich in solchen Phasen das Recht nehmen, auch einmal still zu halten. Es ist nicht so, dass man ein Schwächling ist, wenn man nicht immer sofort in diesen unmenschlichen Entscheidungsdruck verfällt.

Zitat: lvz-online.de

Zur Erinnerung: Hannelore Kohl, die Frau von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, litt schon während dessen Amtszeit an einer schweren Lichtallergie, die sie zuletzt dazu zwang, in einem völlig abgedunkelten Haus zu leben, und nahm sich im Juli 2001 das Leben (vgl. dazu auch dieses geschmackvolle “Spiegel”-Titelbild).

So, wie Thierse von der “Leipziger Volkszeitung” zitiert wird, wäre das natürlich eine etwas unglückliche, vielleicht auch schlichtweg geschmacklose Äußerung. Thierse sah seine Ausführungen zunächst einmal als “falsch und verkürzt” wiedergegeben und schrieb dem Altkanzler einen persönlichen Brief, in dem er bedauerte, dass “ein falscher Eindruck entstanden sei”. (Man beachte dabei den alten PR-Trick und bedauere nicht seine Äußerungen, sondern den Eindruck, der durch sie entstanden sein könnte.)

Unterdessen schrien Politiker aller Parteien schon Zeter und Mordio und versuchten, die Nummer zu einem Riesenskandal hochzujubeln, in dessen Windschatten die heutige Diätenerhöhung medial untergehen könnte.

Wer verstehen will, wie Politik und Medien heutzutage funktionieren, muss nur diesen Artikel bei n-tv.de lesen:

“Die Äußerungen von Herrn Thierse sind für mich menschlich zutiefst unverständlich. Sie grenzen für mich an Niedertracht”, sagte Merkel der “Bild”.

[…]

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach von einem “Tiefpunkt im Umgang” unter Kollegen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, ein Bedauern reiche “hinten und vorne nicht”. “Das ist des Deutschen Bundestags nicht würdig. FDP-Chef Guido Westerwelle hat recht, wenn er sagt, er kann sich durch einen solchen Vizepräsidenten nicht repräsentiert fühlen.” Westerwelle sprach im “Kölner Stadt-Anzeiger” von “unterirdischen” Äußerungen.

Sie sehen schon: Die reden alle übereinander und mit der Presse, aber in keinem Fall miteinander – und das Volk sitzt daneben wie das Kind geschiedener Eltern, die nur noch über ihre Anwälte miteinander kommunizieren.

Im “Bild”-Artikel kommen noch ein paar weitere Hochkaräter zu Wort:

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) empört: „Schäbig und geschmacklos!“ Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder: „Parteichef Kurt Beck muss Thierse sofort zur Ordnung rufen.“

Und weil die Luft langsam dünn wurde, schaltete Thierse einen Gang höher und entschuldigte sich heute morgen per Brief “in aller Form” bei Helmut Kohl. Richtiger noch: Er bat um Entschuldigung, was ja heutzutage auch eine sprachliche Seltenheit ist.

Wie reagiert eigentlich Kohl auf den Brief seines alten Freundes und das ganze Theater drum herum? Mit der ihm üblichen staatsmännischen Größe und Gelassenheit:

“Ich nehme diese Entschuldigung an. Zum Vorgang selbst will ich sonst nichts sagen.”

Ich weiß schon, warum der Mann auf ewig “mein” Kanzler bleiben wird.

Nachtrag 17. November: Gerade erst festgestellt, dass diese erste öffentliche Erwähnung des Namens Helmut Kohl seit Monaten zufälligerweise mit der Präsentation des dritten Bands von Kohls Autobiografie zusammenfiel …

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Sicherheits(ge)denken

Es ist Sommerloch und was macht man da? Die Bundesregierung hat sich offenbar dazu entschieden, den überaus umtriebigen Wolfgang Schäuble durchs Dorf zu treiben. Glaubt man manchen Reaktionen, so hat der Bundesinnenminister in einem “Spiegel”-Interview offenbar die Zerschlagung des Rechtsstaats und die Einsetzung einer Militärjunta unter seiner Führung gefordert – nichts genaues weiß man jedoch nicht, denn die Meinungen überschlagen sich und beim “Spiegel” ist man (noch) nicht bereit, das Interview einzeln (oder gar kostenlos) online zu stellen, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann (was auch onlinejournalismus.de bemängelt).

Wolfgang Schäuble auf der Titelseite der “taz” (9. Juli 2007)Die beste Titelseite zum Thema liefert (wenig überraschend) die “taz”, der bisher beste Kommentar stammt von Heribert Prantl in der “Süddeutschen Zeitung”. Und während die Karikaturisten überlegen, wie sie Schäuble noch als völlig durchgeknallten Bluträcher darstellen könnten, liefern sich die Politiker aller Parteien einen munteren Schlagabtausch. Die CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch, Günther Oettinger und Peter Müller, die nie fern sind, wenn Bedenkliches öffentlich ausgesprochen wird, stehen schon … äh: Gewehr bei Fuß und sagen so kluge Sachen wie “Sicherheit zuerst”. (Inwieweit sich das mit der anderen Grundsatzparole “Vorfahrt für Arbeit” vereinen lässt, ist wohl noch nicht ganz raus.) Oettinger schreibt vermutlich schon an einer Rede, in der er Schäuble als “obersten Verfassungs- und Datenschützer” bezeichnen wird, und wartet nur noch auf eine unpassende Gelegenheit, diese auch halten zu dürfen.

Nachtrag 20:07 Uhr: Gerade entdeckt: “Wer fordert mehr?”, ein Quiz vom “Zünder”, der Jugendseite der “Zeit”. Dort muss man verschiedene verheerende Zitate dem richtigen Urheber (Schäuble, Bush, Putin, …) zuordnen. Wer ist alles besser als 4/9?

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Film Politik

Ronald Reagan Revisited

Der Bundespräsident hat entschieden, von einem Gnadenerweis für Herrn Christian Klar abzusehen.

Mit einer so unspektakulären Verlautbarung hat Bundespräsident Horst Köhler heute eine monatelange, hitzige Debatte beendet und damit irgendwie mal wieder genau die richtigen Worte gefunden. Die klügeren Politiker haben diese Entscheidung des höchsten Mannes im Staate entsprechend auch als “souveräne Entscheidung des Bundespräsidenten” angenommen und darauf verzichtet, noch einmal nachzutreten.

Aber jetzt sitzen wir hier, haben plötzlich kein Thema mehr für Talkshows und Nachrichten, Beiträge über das heiße Wetter kann man auch keine mehr senden und Knut ist vermutlich so gut wie ausgewachsen. Das lädt zu Gedankenspielen ein: Wie viel spektakulärer wäre es z.B. gewesen, wenn Horst Köhler sich vor die Kameras gestellt und Clint Eastwood zitiert hätte?

Gnade ist heute aus!