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Cinema And Beer: Die Folge für 2020

Seit 2012 machen Tom Thelen und Lukas Heinser „Cinema And Beer“: Erst gehen sie ins Kino, dann in eine Kneipe, um beim Bier über das gerade Gesehene zu sprechen. Jedes Jahr gab es mindestens eine Folge dieses Erfolgspodcasts — dann kam 2020 …

… und sie nahmen trotzdem eine auf! Ohne Kino, ohne Bier, aber mit jeder Menge Empfehlungen für Zeugs, was man während der Feiertage und des Lockdowns so bingen kann. „Zwei weiße Dudes reden über Serien — Der Podcast“! Unser Weihnachtsgeschenk für Euch!

Shownotes:

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Ein Abend mit Soße

Dafür, dass ich gelegentlich als “Medienjournalist” bezeichnet werde, konsumiere ich vergleichsweise wenig Medien: Ich habe kein Abonnement einer Tageszeitung oder Zeitschrift, ich höre täglich etwa 20 Minuten Radio am Frühstückstisch und sehe außerhalb von Fußballübertragungen und “Wer wird Millionär?” eigentlich kaum freiwillig fern.

Jetzt aber hatte ich außerplanmäßig einen beschäftigungsfreien Abend und weil etwaige Deadlines noch viel zu weit weg waren, um mich halbfertigen Projekten zu widmen, suchte ich mir eine Stelle, an der meine Couch noch nicht komplett durchgelegen ist, und schaltete den Fernseher ein. Das dauert bei meinem Digitalreceiver etwa 20 Sekunden und erklärt vielleicht, warum ich so ungern fernsehe.

Nach einer kurzen Zapping-Eingewöhnungsphase landete ich beim MDR, einem für mich hochgradig rätselhaften Sender. Ich geriet mitten hinein in “Echt – Das Magazin zum Staunen”, wo gerade ein paar Feuerwehrleute in ein Gebäude eindrangen und sofort bewusstlos zu Boden gingen. Alles an dieser Sendung wirkte wie das, was ich von RTL 2 in Erinnerung hatte: Die nachgestellten Szenen, die dazugehörige Tonspur mit dramatischer Musik und bedeutungsschwangerem Off-Sprecher, die Interviews mit Betroffenen — sogar das Aussehen der Bauchbinden, auf denen ihr Name stand. Alles schrie “Action”, und der Kontrast zu dem biederen MDR-Logo oben rechts hätte kaum größer sein können.

Traditionell spießiges Regionalfernsehen war Gottseidank nur einen Tastendruck entfernt, beim Hessischen Rundfunk, der gerade “Die Lieblingsgerichte der Hessen” kürte. Dabei handelt es sich um eine dieser Listen-Sendungen mit “prominenten” Stichwortgebern, die in den dritten Programme der ARD inzwischen alle anderen Formate ersetzen. Vom “Focus” haben die Programmmacher gelernt, dass sich alles in absurden Rankings abbilden lässt, und das wird jetzt gnadenlos durchgezogen. Allein der HR hat im vergangenen Jahr 25 dieser Sendungen ausgestrahlt, die Erstausstrahlung der “Lieblingsgerichte” liegt immerhin schon zweieinhalb Monate zurück. Ich kam gerade rechtzeitig, um u.a. den Komiker Bodo Bach, den ARD-Börsenexperten Frank Lehmann und andere, mir nicht bekannte Hessen bei der Lobpreisung der “Grünen Soße” zu beobachten. Mit großer Ernsthaftigkeit sprachen sie über die Varietäten der Rezeptur, konnten mir das gezeigte Essen oder generell die hessische Lebensart dabei aber auch nicht schmackhafter machen.

Auf Eins Extra erwischte ich im Anschluss die Endausläufer einer Wiederholung von “Hart aber fair”, was ich eigentlich aus Prinzip nicht gucken kann. Im speziellen Fall sprach aber gerade Prof. Hellmuth Karasek über die Gemeinsamkeiten von Robert Musils “Die Verwirrungen des Zöglings Törleß” und dem Internet, nachdem kurz zuvor der mir durch zahlreiche Telefongespräche bekannte Medienanwalt Ralf Höcker erklärt hatte, wie man unliebsame Informationen über sich aus dem Internet löschen lassen kann. “Was zum Henker ist denn da das Thema”, dachte ich und war auch schon gefangen genommen von Karasek, Höcker, Thomas Gottschalk, Ross Antony und Mirjam Weichselbraun, die die Frage verhandelten, wie viel Öffentlichkeit der Mensch vertrage. Derlei Fernsehdiskussionen sind ja in der Regel so ergiebig wie Diskussionen im Internet, also: gar nicht, und das war doch mal eine schöne Erkenntnis, dass das Internet, das Fernsehen und Robert Musil so viel gemeinsam haben. Außerdem musste ich durch Zufall die einzige Talkshow des Jahres erwischt haben, in der weder Peter Hintze noch Nikolaus Blome saßen. Nicht mal Richard David Precht war anwesend, dafür machte Karasek den ahnungslosen Frank Plasberg kurz mit der Radiotheorie des Bertolt Brecht bekannt.

Zeit für den ZDF Infokanal und den Mann, auf den ich schon den ganzen Abend gewartet hatte: Adolf Hitler. Irgendein Historiker oder Medienwissenschaftler wird sicher schon herausgefunden haben, dass Hitler dank der vielen Dokumentationen auf n-tv, N24 und eben ZDF info fast 70 Jahre nach Kriegsende pro Tag mehr Sendezeit hat als zu Lebzeiten im staatlichen Rundfunk. Im konkreten Fall saß Hitler mal wieder im Bunker. Auf einen Spoiler-Alert kann ich glaub ich verzichten, aber eine digital animierte Kamerafahrt durch den Privatraum, in dem Hitler und Eva Braun starben, hatte ich noch nicht gesehen. Die anschließende Schilderung, wie ein Zeuge den Führer aufgefunden hatte, war dann leider nicht bebildert.

Nicht mit Animationen geizte auch die anschließende Dokumentation über den Vesuv und die Gefahr, die von ihm ausging. Als hätte Roland Emmerich Plinius den Jüngeren verfilmt, konnten die Zuschauer den kommenden Untergang Neapels beobachten, anmoderiert von drei armen Wissenschaftlern, die in einer Lagerhalle Spielszenenartig die Rahmenhandlung geben mussten. Zusammenfassend lässt sich wohl sagen, dass man so einem Vulkanausbruch besser aus dem Weg gehen sollte, wenn er sich denn so ereignen sollte, wie er “zumindest nicht unwahrscheinlich” skizziert, ach was: in Öl gemalt wurde.

Da auch Umschalten bei meinem Receiver unanständig viel Zeit in Anspruch nimmt, blieb ich weiter beim ZDF Infokanal, wo sie im Anschluss einen PKW fernsteuerten. Na gut, dann vielleicht doch noch mal von vorne durchzappen. Im Ersten trafen sich inzwischen “Menschen bei Maischberger” und nach dem irritierenden “Hart aber Fair”-Erlebnis war hier wieder alles wie erwartet: Da saßen fünf, sechs Leute in einer Sofalandschaft und schrieen sich an. Puh, schnell weiter. Im ZDF erklärte Harald Lesch, wir Menschen, “Sie, ich, wir alle”, würden zu 92 Prozent aus Sternenstaub bestehen. Das habe auch Novalis schon geschrieben, nur anders gemeint.

Das reichte. Ich konnte nicht mehr.

Musik!

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Moby – We Are All Made Of Stars von EMI_Music

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Musik Rundfunk

Blöd On Blöd

Ich habe all das, was zu Bob Dylans siebzigstem Geburtstag gesendet, gesungen und geschrieben wurde, nicht sehen, hören, lesen wollen — und bin doch einigermaßen zuversichtlich, den schlechtesten Beitrag zum Thema gefunden zu haben: Er lief im Rock’n’Roll-Magazin “Brisant” im ARD-Vorabend und wenn Dylan davon Wind bekäme, würde er die Verantwortlichen schärfer angreifen als die Adressaten in “Masters Of War”.

Der Moderator erklärt zunächst mal, dass sich dieser Bob Dylan “im Laufe der Jahre zu einem eigenwilligen, aber genialen Rock-Poeten entwickelt” habe. Logischer wird’s anschließend nicht mehr.

Schon der erste Satz des Beitrags lässt sich nicht von Raum und Zeit beirren:

“Like A Rolling Stone” ist zum besten Rocksong aller Zeiten gekürt worden und Sänger Bob Dylan ist Mitte der Sechziger Jahre ein Halbgott.

Doch weg von den Göttern, hinab in die Hölle: Musikmanager Thomas M. Stein habe Dylans Werk “analysiert”, erklärt die Sprecherin, doch bevor wir erfahren, wie es klingt, wenn Thomas M. Stein etwas analysiert, erfahren wir erst mal, wie es aussieht, wenn Thomas M. Stein etwas signiert — zum Beispiel sein eigenes Hörbuch, das bei ihm dekorativ und in mehrfacher Ausfertigung auf dem Schreibtisch liegt:

Dylan sei deswegen ein Mythos, erklärt Stein (nachdem er zunächst “war” gesagt hatte, aber vielleicht hat er auch nur darauf spekuliert, dass sein O-Ton dereinst in den Nachrufen noch mal wiederverwendet wird), weil er “wunderbare Lieder, wunderbare Texte” geschrieben habe. Denn eine schöne Stimme habe der Mann ja nun wahrlich nicht.

Nur: Er hat eine ganze Generation bewegt. Vergessen Sie nicht Woodstock, das sind legendäre Auftritte, die Bob Dylan gemacht hat. Damals nur mit der Klampfe und mit der Gitarre, ohne großen Background, währenddessen andere schon rockmäßig weiter – Rolling Stones und Santana, wie sie alle hießen – schon mit großem Orchester gereist sind, hat er sich sehr stark zurückgehalten.

Was Thomas M. Stein bei seiner Analyse des Leben ‘n’ Werk Bob Dylans offenbar entgangen ist: Dylan ist beim Woodstock Festival gar nicht aufgetreten (die Rolling Stones übrigens auch nicht und Carlos Santana nicht mit Orchester).

Weiter Thomas M. Stein:

Er hat später einen Knick bekommen in der Karriere, lustigerweise, weil er von der normalen Akustikgitarre zur elektrischen Gitarre übergegangen ist. Das haben ihm die alten Fans übel genommen.

Ja, übel genommen haben sie’s ihm, aber nicht “später”, sondern beim Newport Folk Festival 1965 — mehr als vier Jahre vor Woodstock.

Aber gehen wir doch noch ein paar Schritte zurück in die Geschichte:

Hier in Minnesota, USA kommt Robert Allen Zimmerman 1941 zur Welt.

Nun ist “hier in Minnesota” eigentlich ein bisschen unpräzise, weil der Staat mit 225.000 Quadratkilometern fast so groß ist wie die Bundesrepublik ohne DDR, aber zum Glück kann man das ja bildlich etwas präzisieren:

Irgendwo entlang dieser Straße, also.

Doch es kommt noch schlimmer. Viel schlimmer, als sich die kranken Köpfe hinter “Saw”, “Hostel” und “Final Destination” es sich jemals hätten ausdenken können.

Auftritt Bernhard Brink.

Den Schlagersänger, der “in einem anderen Genre zuhause ist”, hat das ARD-Team offenbar in seinem Lieblingsweinlokal angetroffen, wo er von der “großen Zeit der APO, Ende der Achtensechziger, in der großen Protestzeit” schwärmen darf. Er habe sich selbst “auch ‘n Playback besorgt von dem Klassiker, hier”, dessen Titel Brink offenbar nicht mehr einfallen will, was er aber charmant mit einer eigenen Interpretation von “Blowin’ In The Wind” übergeht.

So schlimm ist dann wiederum Bernhard Brinks Gesangseinlage nicht — zumindest, wenn man sie mit den zusammenhanglosen Sätzen vergleicht, die jetzt wieder aus dem Off blubbern:

Doch Bob Dylan will sich vor keinen Karren spannen lassen; nicht für die Friedensbewegung, nicht für die Musikindustrie. Daran ändert auch seine Liebe zu Sängerin Joan Baez nichts. Interviews gibt er selten — und wenn, dann kurz und schmerzhaft.

Man könnte annehmen, die “Brisant”-Leute hätten sich Joan Baez hier als eine Art Karren gedacht, wenn es nicht keinen Grund gebe, anzunehmen, dass sie sich irgendetwas gedacht haben.

Es folgt ein kurzer Ausschnitt, in dem sich ein sehr junger Bob Dylan über eine sehr dumme Interview-Frage echauffiert, dann geht der überraschende Einsatz von Konnektivpartikeln weiter:

Dennoch: Von den zehn besten Schallplatten der Popgeschichte stammen zwei von Bob Dylan.

Bis hierhin ist es ein peinlicher, ahnungsloser Beitrag. Doch jetzt wird der Jubilar nicht mehr nur von Schlagerbarden besungen, jetzt werden ihm haltlose Vorwürfe gemacht:

Ohne ihn hätte es die deutsche Rockband BAP womöglich nie gegeben.

Natürlich! Wenn in Deutschland alle Dylanologen abgesagt haben mit dem Hinweis, für solche Quatschformate würden sie nicht den Hampelmann machen, dann gibt es immer noch Wolfgang Niedecken, den “Dylan der Südstadt”, von dem man einen kurzen O-Ton kriegt.

Dann spricht wieder die Boulevard-Fernseh-Tante:

Der Mensch Dylan aber bleibt praktisch unsichtbar: Niemand weiß genaues über seine vier Kinder, das Scheitern seiner ersten Ehe, wenig über seine Drogensucht.

Das “aber” hat natürlich wieder keine logische Funktion und tatsächlich gibt es über zwei der vier Dylan-Kinder nicht mal Wikipedia-Einträge, aber als Regisseur von “American Pie 3” bzw. als Sänger der Wallflowers sind Jesse und Jakob Dylan dann doch irgendwie mal so ein bisschen in Erscheinung getreten.

Doch zurück zu Bob und dessen Schaffen, das Thomas M. Stein wie folgt zusammenfasst:

Er hat gezeigt, dass man neben “Lala” auch noch was anderes singen kann.

Das hätte nicht mal der Graf von Unheilig verdient.

[via Ralf]

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… und wir sind nur die Kandidaten

Montagnachmittag im Kölner E-Werk: Außer Rentnern, Studenten und Arbeitslosen hat um diese Zeit eigentlich niemand Zeit. Trotzdem haben WDR und NDR es hinbekommen, 179 Bundesbürger anzukarren, die angeblich repräsentativ für 82 Millionen sind: alt und jung, aus Nord und Süd, Mann und Frau — die ganze Palette halt. Sie sollen SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in einer dieser Townhall-Meeting-Simulationen, die der neueste Schrei im deutschen Polit-TV sind, auf den Zahn fühlen. Bizarrerweise bin ich einer dieser 179.

Nach dem nur verhaltenen Warm-Up durch einen Kollegen (es ist halt eine öffentlich-rechtliche Politiksendung, keine Privatfernseh-Comedy) begrüßen die Moderatoren Jörg Schönenborn und Andreas Cichowicz erst uns und dann den Mann, der Kanzler werden will. Steinmeier begrüßt die Zuschauer, die um ihn herum sitzen, routiniert und man ist froh, dass er nicht gleich mit dem Händeschütteln anfängt. Er hätte ja gar nicht kommen brauchen, sagt er, so toll habe ihn “der Jonas”, ein junger Zuschauer mit blondierten Haaren, der im Warm-Up seinen Platz eingenommen hatte, ja vertreten. Solche Aussagen sorgen für Stimmung, aber dann erinnert Schönenborn, der trotz seiner sonstigen Kernaufgabe, Zahlen von einem Monitor abzulesen, menschlicher wirkt als der lebende Aktendeckel Steinmeier, daran, dass wir ja nicht zum Vergnügen hier seien, und es geht los.

Die erste Frage wird gestellt und die erste Antwort gegeben. Im Vorfeld hatten sich die WDR-Redakteure telefonisch erkundigt, was man eventuell fragen wolle, aber im Studio lässt sich (außer bei ein paar ausgewählten Gästen) nicht zuordnen, wer welche Frage stellen würde — eine wie auch immer geartete Kontrolle scheint ausgeschlossen. Ein Mann wird vorgestellt, der 33 Jahre bei Hertie gearbeitet hat und “mit nichts mehr als einem feuchten Händedruck” (er muss sehr feucht gewesen sein, denn er findet zwei Mal Erwähnung) verabschiedet wurde. Hoffentlich war es nicht auch noch der selbe Hertie-Mitarbeiter wie vor drei Wochen bei RTL. Steinmeier sagt von Anfang an oft “ich” und “wir”, ohne dass klar wird, welche geheimnisvolle Truppe er damit meint. Die magischen Buchstaben “SPD” nimmt er nach 67 Minuten zum ersten Mal in den Mund, “CDU” folgt kurz darauf. Er redet viel und sagt wenig. Sagt ein Zuschauer, woher er kommt, kommen von Steinmeier stets die gleichen backchannels: “Rheda-Wiedenbrück, ah!”, “Grevenbroich, ah!”, “Bochum, ah!”. Ein Mann, der bei Continental arbeitet, wird fast zu Steinmeiers Joe the plumber: Zwar kann er sich den Namen des Mannes nicht merken, aber auf den “Arbeiter bei Conti” kommt der Kanzlerkandidat an jeder passenden und unpassenden Stelle gern noch mal zurück.

Konkrete Fragen beantwortet Steinmeier mit dem Hinweis, “sofort” auf den Kern zurückzukommen, nur um dann so weit auszuholen, dass er an einer beliebigen Stelle abbiegen und über irgendwas reden kann. Als Fragesteller ist man zu betäubt, um das sofort zu merken, und die Moderatoren wissen natürlich sowieso am Besten, dass sie hier keine konkreten Antworten erwarten können.

Eine ältere Dame, die zuvor bereits wüst in die Kamera gewunken hatte, um darauf aufmerksam zu machen, dass sie eine Frage stellen will, hat ein paar kopierte Zettel dabei und fragt Steinmeier, ob er schon Gelegenheit gehabt habe, den aktuellen “Spiegel” zu lesen. Steinmeier wird aber gerade frisch überpudert und kann deshalb nicht antworten, weswegen Schönenborn bittet, eine konkrete Frage zu formulieren. Es geht um die Besteuerung von Sonntagsarbeit und Steinmeier antwortet, man dürfe auch nicht alles glauben, was in der Zeitung stehe. Obwohl es natürlich stimmt, kommt das ein bisschen meckerig rüber und die Dame entgegnet, es habe ja nicht in “Bild” gestanden, sondern im “Spiegel” und dem müsse man ja trauen. Ich hoffe, dass die Raummikros zu schwach eingestellt waren, als dass man mein glucksendes Gelächter auch noch zuhause hören könnte.

Weil ich ein “junger Mann im karierten Hemd” bin, darf ich auch eine Frage stellen, aber ich merke schon, als das Fragezeichen durch den Raum schwebt, dass das keine gute Idee war. Ich will wissen, ob Steinmeier manchmal von Murat Kurnaz träume, aber der Kanzlerkandidat antwortet mit dem Verweis auf irgendwelche Dokumentationen über sich und darauf, dass ein Untersuchungsausschuss seine (Steinmeiers) Unschuld bewiesen habe. Man müsse jetzt auch mal mit diesen Anschuldigungen aufhören, sagt er, während wir irgendwie haarscharf aneinander vorbei gucken, und ich das Gefühl habe, unter den Blicken der anderen Zuschauer und der Hitze der Scheinwerfer langsam zu zerfließen.

Mit Politikern zu sprechen ist eine der unbefriedigendsten Beschäftigungen überhaupt, weil einem immer erst hinterher klar wird, dass das gar kein Gespräch war, sondern eine Phrasen-Routine, die man schon im Informatikunterricht der siebten Klasse schreiben kann. (Es kann kein Zufall sein, dass Douglas Adams einst an einem Computerprogramm namens “Reagan” arbeitete, das Fernsehdebatten anstelle des US-Präsidenten hätte führen können.) Es macht fast mehr Spaß, im Herbst Laub zusammenzukehren und die Wiese kurz nach dem Wegpacken des Rechens schon wieder mit Blättern übersät zu sehen.

Das Thema Außenpolitik kommt in der Befragung des Außenministers nicht vor. Fragen nach afghanischen Tanklastern (“Wie viele davon werden wir noch in die Luft sprengen müssen, bis es in dem Land keine Taliban und keine Zivilisten mehr gibt und wir nach hause gehen können?”) verbieten sich wegen der Vorlaufzeit von fast 30 Stunden: Wer weiß, wie die Nachrichtenlage bei Ausstrahlung aussieht? Afghanistan kommt trotzdem vor, wenn auch anders als gedacht: Die Mutter eines Soldaten fragt nicht etwa, wann ihr Junge dauerhaft zuhause und in Sicherheit bleiben darf, sondern erkundigt sich nach besserer technischer Ausstattung für die Truppen. Dass sich die Sendung so amerikanisch anfühlen würde, war sicher nicht geplant.

Zur Auflockerung werden Steinmeier zwischendurch zwei “Wer wird Millionär?”-mäßige Quizfragen gestellt. Es fällt schwer zu glauben, dass eine mutmaßlich gut bezahlte Redaktion in monatelanger Vorbereitung nicht über “Was werden Sie nach dem Ende der großen Koalition am meisten vermissen? A: Angela Merkel, B: Karl-Theodor zu Guttenberg, C: Ursula von der Leyen, D: meinen Dienstwagen” hinausgekommen ist. Immerhin gibt es Steinmeier die Gelegenheit zum einzigen Mal in 75 Minuten mit Witz und Schlagfertigkeit zu glänzen, als er antwortet: “‘D’ scheidet ja aus, denn wenn die große Koalition endet, sitze ich ja im Kanzleramt.”

Als Schönenborn eine längere, komplizierte Zwischenmoderation, in der es auch irgendwie um die FDP geht, augenscheinlich völlig frei (also jedenfalls ohne Teleprompter und ohne noch mal auf seine Karten zu gucken) in die Kamera spricht, werde ich zu seinem glühenden Verehrer. Cichowicz dagegen gerät bei seinen kurzen Textpassagen häufiger ins Schwimmen, hat dafür aber das Zwischen-Zuschauern-Hocken in der Tradition von Jürgen Fliege und Günther Jauch im Repertoire. Zwischendurch stürzen immer wieder studentische Mikrofon-hinhalte-Kräfte die Treppen hinunter, was man am Bildschirm vermutlich nur als grotesk anmutende Satzpausen wahrnimmt.

Kurz vor Schluss darf noch eine Mutter mit Migrationshintergrund eine Frage stellen und weil sie in Steinmeiers Rücken sitzt, gerät diese Gesprächssimulation vollends zum Desaster: Steinmeier dreht ihr halb die Schulter zu und redet lieber zu Schönenborn und Kamera 1 und berichtet dann – Einzelschicksale hervorheben! – von einer jungen Türkin, die er kürzlich in Mainz kennengelernt habe und die jetzt ihren Hauptschulabschluss nachmache. Dass vor hinter ihm das vielleicht spannendere Einzelschicksal sitzt, ist egal: Die Frau aus Mainz passt besser in die Routine.

Die ersten Zuschauer erheben sich schon während des Abspanns.

Wahlarena: Zuschauer fragen Frank-Walter Steinmeier
Dienstag, 8. September 2009
21:05 Uhr im Ersten

Nachtrag, 9. September: Bis zum kommenden Samstag kann man sich die Sendung jetzt auch in der ARD-Mediathek ansehen.

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Musik Rundfunk Digital

Programmhinweis: Ein Liveblog für Moskau

Ein Eisbär schießt Konfetti ins Publikum. Eine riesige digitale MatrjoschkaSie werden es vermutlich noch nicht mitbekommen haben, aber morgen ist wieder die Veranstaltung, die seit einigen Jahren “Eurovision Song Contest” genannt wird und nie “Grand Prix d’Eurovision de la Chanson” hieß.

Im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren, als Stefan Niggemeier und ich uns bereits im Vorfeld durch alle Beiträge gekämpft haben, habe ich in diesem Jahr keine Ahnung, was mich beim Finale in Moskau erwartet: Ich habe keines der Halbfinals gesehen und selbst den deutschen Titel habe ich bisher nicht (bewusst) gehört.

Das sind natürlich die besten Voraussetzungen für einen zünftigen Grand-Prix-Abend mit Käsehäppchen, Metigel und russischem Wodka (auf den ich aus persönlichen Gründen allerdings verzichten werde).

Das große Liveblog startet (wie schon 2007 und 2008) um kurz vor 21 Uhr. Bild und Ton entnehmen Sie bitte dem Programm des Ersten Deutschen Fernsehens oder eurovision.tv.

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Rundfunk

Wenn es passiert

Ich verehre Christian Dassel. Die Reportagen, die er für “Hier und heute” oder die “Aktuelle Stunde” dreht, stechen aus dem sonstigen Elend im deutschen Fernsehen heraus und bescheren mir die wenigen Momente im WDR-Fernsehen, in denen ich meine Rundfunkgebühren nicht für verschwendet halte. Dassel schafft es, ganz normale Menschen und alltägliche Situationen so zu porträtieren, dass man sie als etwas ganz Besonderes wahrnimmt.

Als der WDR eine neue Dokumentarreihe von Dassel ankündigte, in der er Menschen porträtiert, deren Lebenswege sich mit der Weltgeschichte gekreuzt haben (11. September, Mauerfall, Tsunami), war ich mir sicher, dass dabei Großes entstehen würde. Nachdem ich Gelegenheit hatte, die ersten beiden Folgen von “Wo warst Du, als … ?” zu sehen, bin ich enttäuscht — aber nur ein bisschen.

Vermutlich weiß jeder noch, wo er am Nachmittag des 11. September 2001 war, als er zum ersten Mal die Nachrichten aus New York City hörte. Susan Borchert verbrachte den Rest des Tages vor dem Fernseher. Ihr Mann Klaus arbeitete im World Trade Center und sie wusste lange nicht, ob er hinausgekommen war.

Die Geschichte der Borcherts, die von Lars Fiechtner, dessen Schwester Ingeborg vier Wochen nach den Anschlägen an den folgen ihrer Verletzungen starb, oder von Rainer Groß, der durch den Börsencrash nach den Anschlägen sein Vermögen verlor und sich daraufhin entschloss, einen Kaufhauskonzern zu erpressen — sie alle sind spannend, gleichermaßen außergewöhnlich wie alltäglich, und es gibt durchaus genug Raum, sie nebeneinander in einer halben Stunde zu erzählen.

Leider werden sie auf eine Art und Weise erzählt, die einem mitunter tierisch auf die Nerven geht: Schnelle, unmotivierte Schnitte; ein On-Screen-Design das wirkt, als hätten Schüler mit iMovie “Matrix” nachbauen wollen; Rasanz suggerierende Schnurr- und Zirpgeräusche und eine grotesk überdramatisierende Off-Sprecherin machen viel von der Atmosphäre kaputt. Wenn man Dassels andere Arbeiten kennt, ahnt man, was man alles aus dem Rohmaterial hätte herausholen können.

In der zweiten Folge über den Fall der Berliner Mauer passt dann alles ein bisschen besser zusammen: Dassel porträtiert einen Mann, der damals wegen Vorbereitung zur Republikflucht im DDR-Gefängnis saß; eine Frau, die ihre Tochter am 10. November 1989 auf einem Berliner Gehweg zur Welt brachte, und einen Oberstleutnant der Staatssicherheit, der damals am Grenzübergang Bornholmer Straße Wache schob.

Er gibt heute ganz offen zu, 28 Jahre seines Lebens einem Unrechtsstaat gedient zu haben – “mit allen meinen Fähigkeiten” -, aber wenn er vom Befehlsvakuum berichtet, das damals herrschte und die Grenzsoldaten auf sich selbst gestellt zurückließ, kommt auch hier das Menschliche durch. Die Bilder der Grenzer, die jahrzehntelang an ein System geglaubt haben, das innerhalb weniger Stunden vor ihren Augen zerfiel, umweht dann auch eine große Tragik, und die Menschen und die Geschichte treffen sich auf eine ganz andere Weise als in den anderen Erzählsträngen.

Trotz der stilistischen Schwächen sind die Dokumentationen von “Wo warst Du, als … ?” berührend und beeindruckend. Die in ihrer eigentlichen Größe unbegreiflichen Ereignisse werden in den Alltag heruntergebrochen und sind dadurch vielleicht nicht verständlicher, aber greifbarer. Es wäre schön, wenn die Reihe (nach ein paar Korrekturen) fortgesetzt würde.

“Wo warst Du, als … ?”
Erste Folge am Sonntag, 8. Februar um 23:35 Uhr im Ersten, Folge 2 und 3 an den darauf folgenden Sonntagen um 23:30 Uhr.

Überschrift: Wir Sind Helden

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Rundfunk Digital

Von der Attraktivität deutscher TV-Nachrichten

Sie werden es mittlerweile alle mitbekommen haben: Gestern Nachmittag (Ortszeit) fielen bei einem Airbus A320 kurz nach dem Start am La Guardia Airport beide Triebwerke aus und der Pilot musste die Maschine auf dem Hudson River notlanden.

Dass alle 155 Insassen überlebt haben, darf man wohl getrost als ziemliches Glück bezeichnen: zwar ist der Hudson einigermaßen breit und frei von Brücken und damit – im Gegensatz zum East River auf der anderen Seite Manhattans – durchaus für Notwasserungen geeignet, aber ein Flugzeug auf einem viel befahrenen Fluss aufzusetzen und es anschließend zu evakuieren, während es langsam im eiskalten Wasser untergeht, das zählt schon zu den außergewöhnlicheren Aufgaben eines Linienpiloten.

Wer gestern Abend unserer Zeit beim Microblogging-Dienst twitter reingeschaut hat, wurde über die Lage bestens informiert: als eine der ersten Meldungen gab es ein Foto, das Janis Krums, der zufällig auf einer der Fähren im Hudson und damit direkt am Unfallort war, mit seinem iPhone gemacht hatte. twitpic.com brach zeitweise unter dem Ansturm zusammen und ziemlich viele Nachrichtenseiten berichteten darüber.

Wer mit einem Liveticker von Augenzeugen und ebenfalls twitternden Nachrichtenagenturen versorgt wurde, für den waren die Informationen, mit denen das deutsche Fernsehen seine Zuschauer zu beglücken versuchte, natürlich ein Desaster. Statt einfach “ins Internet” zu gucken, griff man lieber auf dünne Agenturmeldungen und Reporter vor Ort zurück.

Dabei ist es ein überholter Irrglaube der Nachrichtenmacher, bei einem Ereignis erst mal an den Ort des Geschehens schalten zu müssen. Dort steht dann ein überforderter Reporter den Rettern im Weg rum und kann seine Eindrücke schildern — wobei er sich natürlich gerade gar keine eigenen Eindrücke verschaffen kann, weil er ja in einer zwar atmosphärischen, aber weitgehend Informationslosen Schalte mit einem wissbegierigen Reporter gefangen ist. Wenn er Glück hat, hat er vorher einen Passanten fragen können, ob der einen lauten Knall gehört habe.

Nun würde ich nicht so weit gehen und sagen, das Internet könne schon jetzt das Fernsehen ersetzen. Wenn sich meine Großeltern, Eltern und viele meiner Freunde über derartige Ereignisse informieren wollen, schalten sie natürlich irgendeinen Nachrichtensender ein und auch ich hatte zwischendurch CNN laufen, wo Wolf Blitzer einen der Passagiere gerade telefonisch derart mit Fragen löcherte, als müsse er selbst noch in dieser Nacht den Untersuchungsbericht der Luftaufsichtsbehörde verfassen.

Aber was die deutschen Nachrichtensendungen da über den Äther schicken, war eine dumpfe Mischung aus Kaffeesatzlesen mit Tante Mimi, Onkel Heinz erzählt vom Angeln und Klein-Fritzchen erzählt seiner Mutti, wie es in der Kirche war, obwohl er währenddessen Fußballspielen war.

“Zahlreiche Fährschiffe versuchen, Überlebende zu retten”, teaserte RTL sein “Nachtjournal” an, was wohl ebenso richtig, aber weit weniger dramatisch war als das “Es gibt keine Anzeichen für einen Terroranschlag”, mit dem Gabi Bauer die ARD-Nachrichtenattrappe “Nachtmagazin” eröffnete, bevor sie eine Viertelstunde später Thorsten Schäfer-Gümbel mit der Frage, wie wichtig Sex im Wahlkampf sei (gemeint war wohl eher “Sexappeal”), völlig aus der Fassung brachte.

Den besonderen Ernst der Lage konnte man daran erkennen, dass n-tv seine geplanten “National Geographic”-Reportagen kippte und live auf Sendung ging. Während CNN, Fox News, MSNBC und BBC World ziemlich beeindruckende Live-Bewegtbilder aus New York hatten (die Hubschrauber der großen Networks schweben ja eh die ganze Zeit über der Stadt), hatte n-tv einen Moderator im Studio, mehrere “Breaking News”-Laufbänder, ein paar Fotos und einen Reporter am Telefon. Und der sagte, wenn ich ihn nicht völlig falsch verstanden habe, dass es wohl “bald” die ersten Handy-Fotos und -Videos im Internet zu sehen geben würde. Zu diesem Zeitpunkt war twitpic bereits down und bei flickr gab es jede Menge Fotostrecken und Einzelbilder zu sehen. Sogar erste Witze.

Es geht mir gar nicht darum, Internet und Fernsehen gegeneinander ausspielen zu wollen — und die Zeitungen von heute waren schon gedruckt, bevor das Flugzeug überhaupt abgehoben hatte. Aber ich denke, dass auch die Menschen, die nicht bei twitter, flickr und Facebook unterwegs sind, ein Anrecht auf aktuelle Informationen haben. Und die bekommt man heute nun wirklich so einfach und billig wie noch nie. Auch als Nachrichtenredakteur des deutschen Fernsehens.

Nachtrag, 20:20 Uhr: Auch meine Freunde von “RP Online” berichten über die Fotos bei twitter und bei flickr.

Das Sensationelle daran: Sie schaffen das ohne einen einzigen Link!

Nachtrag, 17. Januar, 00:23 Uhr: Zwei Tweets später hat “RP Online” alles verlinkt.

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Rundfunk Fernsehen

Programmhinweis: Die drei Bärchen und der blöde Wolf

Die drei Bärchen als Tokio Hotel

Im April war ich zu Gast in Bocklemünd, wo der WDR das erste Blaubär-Musical namens “Die drei Bärchen und der blöde Wolf” vorstellte. Damals hieß es, das Musical solle im Oktober gezeigt werden, jetzt ist es doch November geworden, bis das Machwerk seinen Weg in die ARD findet.

Am Sonntag, den 16. November von 10.03 – 10.45 kann man sich nun selbst ein Bild davon machen, ob es was taugt oder nicht.

Mitgeschrieben am Musical hat sogar Walter Moers selbst (der ansonsten mit dem altbekannten Fernsehblaubär nichts mehr zu tun hat).

Das hat sich die Frankfurter Rundschau zum Anlass genommen, ein Interview mit der Lichtgestalt Moers zu führen.

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Präsidiales Liveblog

00:00 Uhr: Jetzt geht’s lo-hos!

Blogger und Arbeitsplatz sind bereit:

Ich gucke seit zehn Minuten ARD und bezweifle jetzt schon, dass ich das wach überstehen werde. Was schon mal ein Fortschritt ist: vor vier Jahren saß in dieser Maischberger-Runde Henryk M. Broder.

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Fernsehen Digital

Klickbefehl (14)

Da mögen Fans noch so sehr darauf schwören, die “Lindenstraße” sei heute ja eine ganze andere als vor 20 Jahren. Humorvoll, selbstironisch und dergleichen. In Wahrheit ist die Kleinbürger-Soap immer noch ein Panoptikum der Piefigkeit. Wie fast alle Soaps sind ihre Kulissen vollgestellt mit uninspirierten Charakteren und zugeschüttet mit grauenhaften Dialogzeilen der Sorte: “Ah, meine Umweltplakette, endlich!”

Markus Brauck rechnet im “Spiegel” mit der “Lindenstraße” ab. Dazu gibt es eine Bildergalerie, die dem Wort “Graustufen” eine ganz neue Bedeutung zukommen lässt. (Bitte markieren Sie sich diesen Tag im Kalender: ich empfehle eine Bildergalerie bei “Spiegel Online”!)

* * *

Das ist die wohl ungewöhnlichste Meldung des Tages: Die ARD kauft RTL die Serie “Die Anwälte” ab – also die Serie, die RTL Anfang des Jahres nach nur einer Folge, die mit 10,8 Prozent Marktanteil die Erwartungen nicht erfüllen konnte. aus dem Programm genommen hat. Fortan diente die Serie als Musterbeispiel für fehlendes Vertrauen der Sender in die eigenen Produktionen.

DWDL.de berichtet über das überraschende Comeback einer Serie, die (also deren erste Folge) ich eigentlich ganz gut fand und deren Absetzung mein Verhältnis zu RTL nachhaltig gestört hat.

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Einfacher wäre zu sagen: Ich mag ihn. Ich freue mich, dass ich neben dem Mitglied der „Achse des Guten“ auch schon drei Mal dort als Gastautor auftreten durfte und dass wir nun gemeinsam ein Netzwerk Gegenrecherche starten.

Timo Rieg erläutert in der “Spiegelkritik” die Hintergründe zu einem sehr, sehr merkwürdigen “Spiegel Online”-Artikel über einen der angeblich ganz wenigen deutschen TV-Blogger.

Warum diese Geschichte nur mit äußerster Vorsicht zu genießen ist (wenn überhaupt), erzähle ich Ihnen später steht hier.

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Einen Vorschlag zur Güte hatte Broder abgelehnt. Er werde sich keinen “Maulkorb” verpassen lassen, “weil sonst Antisemiten entscheiden dürften, was Antisemitismus ist”. Nun befanden die Richter, Broders Vorwurf habe die Grenze zur Schmähkritik überschritten, weil “im konkreten Kontext der Äußerung die Diffamierung der Klägerin, nicht die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund” gestanden hätte.

Henryk M. Broder stand mal wieder vor Gericht und die “taz” versucht zu erklären, was los war.

Patrick Bahners hatte vor einigen Wochen in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” ebenfalls über den Prozess geschrieben und Broders Lebenswerk damals beeindruckend zusammengefasst:

Seine preisgekrönte publizistische Strategie der verbalen Aggression nutzt den Spielraum der Meinungsfreiheit, um ihn einzuschränken: Kritiker Israels sollen eingeschüchtert werden.

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Weitere Linktipps können Sie übrigens seit Neuestem dem delicious-Account von Coffee And TV entnehmen. Und falls ich endlich rauskriege, wie ich den dazugehörigen Feed hier in die Sidebar eingebaut kriege, wird das alles viel praktischer und übersichtlicher.

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Peking 2008 – Der Versuch einer Bilanz

Natürlich habe ich mir die Olympischen Spiele im Fernsehen dann doch angesehen. Die Diskussion mit mir, ob das moralisch vertretbar sei, dauerte letztlich wenige Sekunden. Ich gucke halt gerne Sport im Fernsehen und da kann mich relativ wenig von abhalten. Als langjähriger begeisterter Tour-de-France-Gucker bin ich es gewohnt, mit dem Risiko zu leben, gerade ganz massiv von dopenden Sportlern verarscht zu werden. Nennen Sie es abgebrüht, zynisch oder sonst irgendwas, aber es gibt immer genug, was einen für solche Finsternissen entschädigt.

Über China mag ich mir kein Urteil erlauben. Natürlich würde ich mir wünschen, wenn das, was wir Menschenrechte nennen, überall gelten würde, aber ich verstehe nichts von China. Und weil es mich so aufregt, wenn ahnungslose Menschen über die USA, das einzige Land neben Deutschland, in dem ich mal mehr als vier Wochen am Stück verbracht habe, reden, will ich nicht ahnungslos über China reden. Es könnte zum Beispiel meinen besten Freund aufregen, der schon mehrfach für längere Zeit in China war.

Was ich mir zu beurteilen anmaße, sind die Ankündigungen, die die chinesische Führung gegenüber dem IOC gemacht und nicht eingehalten hat. Zu einem gepflegten Vertragsbruch gehören aber zumindest in diesem Fall zwei: die, die verarschen, und die, die sich freundlich lächelnd verarschen lassen und anschließend das großartige und gründliche Vorgehen der Verarschenden beim Verarschen loben.

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[via Stefan]

Anders ausgedrückt: Dem chinesischen Funktionär in diesem beeindruckenden Videodokument nehme ich ab, dass er das, was er da erzählt, aus tiefster Überzeugung glaubt. Es ist wie bei Wolfgang Schäuble oder Papst Benedikt XVI.: diese Männer haben eine Überzeugung, die über Jahrzehnte in ihnen gereift ist, die ich nicht teilen kann, die sie aber mit einer Vehemenz vertreten, die mir Respekt abnötigt. Und dann ist da die IOC-Funktionärin, die sich kritischen Journalistenfragen auf unsouveränste Art verweigert. Sie lernt gerade erst, fundamental und weltfremd zu werden, und ist in ihrem Stoizismus kein Stück beeindruckend, sondern nur peinlich. Sie ist vergleichbar mit der Partei “Die Linke” oder dem Verein “Kinder in Gefahr”.

Von der Eröffnungsfeier habe ich wegen des Haldern Pop leider nichts mitbekommen. Dass dort auf verschiedene Weise getrickst wurde, ist mir aber auch egal: es handelt sich um eine Show. Natürlich um eine politische (die ganzen Spiele waren ja eine politische Demonstration des chinesischen Regimes), aber das macht sie nur noch mehr zur Show – und bei Shows darf man tricksen, Playback singen und Windeln tragen. Menschlich gesehen ist es natürlich unmöglich, einem kleinen Mädchen zu sagen, sie sei zu hässlich für ein Milliardenpublikum.

Aber reden wir über die, um die es eigentlich ging, reden wir über die Sportler: Wie es sich gehört, habe ich neue Helden gefunden – den sympathischen Vielseitigkeitsreiter und Zahnarzt Hinrich Romeike und den mindestens genauso sympathischen Gewichtheber Matthias Steiner, zum Beispiel. Ich bin auch naiv genug zu glauben, dass Michael Phelps seine acht Goldmedaillen auf legalem Wege gewonnen hat. Wenn er halt den idealen Körperbau hat und so präzise trainiert – warum sollte er dann nicht schneller schwimmen können als ich laufen kann? Auch bei Usain Bolt muss ich bis zum Beweis des Gegenteils annehmen, dass er so schnell ist – die Goldmedaille im 100-Meter-Lauf hätte ich ihm trotzdem wegen grober Unsportlichkeit und Verhöhnung der Konkurrenten aberkannt.

Sportkonsum im Fernsehen geht leider nicht ohne Sportreporter. Während der Kommentator beim Dressurreiten seine Arbeit gleichsam zur literarischen Performance ausbaute, war der Rest größtenteils zum In-die-Tonne-Kloppen. Béla Réthy zum Beispiel durfte beim Damen-Hockey endlich mal zeigen, dass er nicht nur unfassbar viel Mist reden kann (das kennt man von Fußballländerspielen), sondern auch unfassbar viel chauvinistischen Mist. Michael Antwerpes entpuppte sich als Beckmann für Arme, als er im Talk mit Matthias Steiner minutenlang auf einem privaten Schicksalsschlag des Sportlers herumritt und bei der (sinngemäßen) Antwort “die Journalisten wollen das eben immer wieder hören” übersah, wie der stärkste Mann der Welt gerade vor seinen Augen mit der chinesischen Mauer winkte. Zum Glück für Antwerpes gibt es aber immer noch Castor Beckmann und Pollux B. Kerner, die Not der ARD und das Elend vom ZDF, die bequem alles unterkellern, was bisher als unterste Talsohle des Niveaus gegolten hatte. Kerner hatte man auch noch Katrin Müller-Hohenstein zur Seite gestellt, was viele Vergleiche mit Marianne und Michael zuließe, wenn man letztere damit nicht böse verunglimpfen würde. Deshalb nur so viel: Bis Waldi Hartmann nicht mehr negativ auffällt, muss schon eine Menge Mist gesendet worden sein. Und Harald Schmidts Karriere kann man jetzt auch in einem Wort zusammenfassen: “vorbei”.

Wenn es wenigstens nur die unfähigen Hallodri (wie konnte ich Michael Steinbrecher vergessen?) vor Kamera und Mikrofon gewesen wären – aber auch technisch lief es bei ARD und ZDF ja alles andere als rund. “Ja, das ist halt live”, flötete dann die jeweils aktuelle Föhnwelle in die Kamera – ganz so, als sei es noch 1969 und Peter Frankenfeld versuche gerade die erste Eurovisionsschalte zum Mond. Aber die beiden Sender hatten mit 500 Leuten erstens die größte Delegation von allen und zweitens war das ja gar nicht alles live: Wüst wurde zwischen live und live on tape hin- und hergeschaltet, wurden Dinge wiederholt, die man schon gesehen hatte, wurde plötzlich wieder irgendwohin gesprungen, ohne dass der Zuschauer noch wusste, was jetzt wann und wo passiert war. Da verließ man dann schon mal in der 84. Minute (und vor dem entscheidenden Tor) ein Fußballspiel der deutschen Damenmannschaft, um ein aufgezeichnetes Halbfinale im Fechten zu zeigen. Der Fechtverband habe sich wohl beschwert, hörte man es munkeln.

Zwar hatten sich ARD und ZDF Mühe gegeben, via Internet und ihre obskuren Digitalkanäle möglichst viel gleichzeitig anzubieten, aber ich bin mir sicher: London 2012 werden zumindest die interessierten Zuschauer ganz anders erleben. Mit einer eigenen digitalen Senderegie für jeden, wo man sich mehrere Sachen gleichzeitig ansehen kann, live oder zeitversetzt, mit Kommentar oder mit Originalatmosphäre. Ich würde dafür einiges an Geld bezahlen.

Zu guter letzt war es natürlich so wie immer: ich saß da, fieberte mit den Athleten mit, freute mich über die Stimmung und fragte mich, wie ich als absolut unsportlicher Mensch wohl auch mal eine Medaille bei Olympischen Spielen gewinnen könnte. Ich werde mir demnächst mal einige Schießclubs ansehen, vielleicht sind Luftpistole oder Bogen ja was für mich.

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Rundfunk

Brüh im Lichte revisited

Deutschlandfahne (Symbolbild)

Deutsche Mediennutzer sind genügsam, sie nehmen fast alles hin. Manchmal schreiben sie einen empörten Leserbrief, wenn sie eine Karikatur nicht verstehen, aber ansonsten sind sie still.

Nur zwei Sachen nehmen die Deutschen ihren Medien übel: Wenn Frauen den Namen eines Fußballvereins nicht richtig aussprechen, und wenn sich “Tagesthemen”-Grafiker bei der Nationalflagge vertun.

Dann war da eben mal für eine halbe Minute eine rot-schwarz-gelbe Fahne zu sehen. Das ist peinlich und angesichts der Vollbeflaggung von Wohnhäusern, Automobilen und Fahrrädern dieser Tage auch einigermaßen überraschend. Die Kollegen von DWDL.de haben’s gesehen und aufgeschrieben, weil man das als Medienmagazin natürlich so macht. Hätte ich ja auch getan.

Heute ist die Geschichte aber das Thema am ersten fußballfreien Tag seit Wochen: Ganz groß auf der “Bild”-Zeitung, wo man sich mit gelb, rot und schwarz super auskennt, und in nahezu jedem verdammten OnlineMedium.

Natürlich darf auch, wer selber gerne Fehler macht, sich über die Fehler anderer lustig machen – sonst gäbe es ja von heute auf morgen keinen Medienjournalismus mehr. Und natürlich ist die Art und Weise, wie “ARD aktuell” auf den “Vorfall” reagiert hat (nachzulesen bei Peer), sehr viel peinlicher als eine fehlerhafte Grafik.

Aber …

Gibt’s grad nichts wichtigeres?

Zum Beispiel die erste Lesung des BKA-Gesetzes am vergangenen Freitag …