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Politik

Wir könnten dann wieder!

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Barack Obama für das Amt des US-Präsidenten kandidierte und mit knackigen Slogans wie “Change”, “Hope” und “Yes, we can!” um sich warf? Es entstand ein Mem, das man damals noch nicht “Mem” genannt hat, und die Liste der Trittbrettfahrer und Nachahmungstäter war lang.

Der diesjährige Wahlkampf war freudlos und auch wenn nicht völlig auszuschließen davon auszugehen ist, dass der Hashtag #ImWithHer bei der kommenden Bundestagswahl von der Jungen Union noch einmal aufgewärmt wird, hat sich außer Oliver Pocher, dem Walter Mondale der deutschen Comedy, diese Leistungsverweigerungsschau der Inspiration bisher niemand zum Vorbild genommen.

Bisher.

Ladies and gentlemen, I present you Wolfgang Kubicki, die lose Kanone der Freien Demokraten:

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[via Boris Rosenkranz, natürlich]

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Politik

Im Schatten der FDP wuchert das Unkraut

Im Schatten der FDP wuchert das Unkraut.

Mit großem Dank an Rita!

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Wir haben uns für die Erbsensuppe entschieden

Die gelernte Naturwissenschaftlerin Merkel wird diese Art Beweisführung zulassen müssen: Um ein unbekanntes Element zu erforschen, kann es hilfreich sein, die Daranheftenden und Drumherumschwirrenden zu definieren. Wenn sie zum stets in ihrer Nähe schleichenden Pofalla blickt, nickt er meist sofort. Oder schüttelt den Kopf. Was halt gerade gewünscht wird. Seine Größe ist allein durch Unterwerfung bedingt.

Der Typus Pofalla wird nicht abgestoßen von Merkel, anders als widerständigere Charaktere.

Benjamin von Stuckrad-Barre, das vergisst man gerne, hat ja nur einen Roman und eine Handvoll fiktionaler Texte veröffentlicht. Den Großteil seines Werks machen journalistische Arbeiten aus, besonders Reportagen.

Und die kann der Mann, der kürzlich vom Magazin “Cicero” sehr schön porträtiert wurde, auch immer noch schreiben — man kriegt davon nur nichts mit, weil sie in Zeitungen wie der “Welt am Sonntag” veröffentlicht werden.

Dass es über Merkel, je länger sie regiert, immer weniger Witze gibt, ist auch merkwürdig. Wenn Opposition, Herausforderer und Kommentatoren ihr mangelnde Greifbarkeit vorhalten und quecksilbrige Positionen, klingt das hilflos. Wenn aber den Witzemachern zu ihr nichts mehr einfällt, müssen wir das vielleicht ernst nehmen.

Seine Reportage über eine Zugfahrt mit Angela Merkel kann ich Ihnen nur wärmstens empfehlen, nicht zuletzt wegen des sagenhaften Nicht-Interviews, aus dem man mehr über die Kanzlerin erfährt als aus vier Jahren Regierungsverantwortung:

Wenn Sie aus dem Zug schauen, was für ein Land sehen Sie?

Ich sehe ein ziemlich intaktes Land, im Vergleich zu anderen Ländern, in denen man schon so war.

(Man! Länder, in denen man schon so war! Das erste, was einem ein Psychotherapeut beibringt: Sagen Sie nicht „man“, sagen Sie „ich“. Das erste, was man als Profipolitiker wahrscheinlich lernt: öfter mal „man“ sagen, dann kann nichts groß passieren.)

“Wie war die Wurst?” von Benjamin von Stuckrad-Barre bei welt.de.

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Politik

Plakatastrophentourismus

Ich will das hier weder zu einem Fachmagazin für Wahlplakatierung werden lassen, noch will ich irgendwie paranoid klingen, aber: Das haben die doch extra gemacht, oder?

Mein Weg vom Wohnheim zur U-Bahn ist vollgepflastert mit Frank-Walter Steinmeiers:

Frank-Walter Steinmeier Anpacken. Für unser Land.

Frank-Walter Steinmeier Anpacken. Für unser Land.

Unser Land kann mehr.

Mal davon ab, dass ich Frank-Walter Steinmeier jetzt nicht unbedingt “anpacken” muss, dürfte das letzte Motiv natürlich eines der ehrlichsten Wahlplakate der letzten 60 Jahre sein: Neben ein Foto von Steinmeier und unter das Logo der SPD “Unser Land kann mehr” zu schreiben, das ist schon erstaunlich offen.

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Rundfunk Politik Fernsehen

… und wir sind nur die Kandidaten

Montagnachmittag im Kölner E-Werk: Außer Rentnern, Studenten und Arbeitslosen hat um diese Zeit eigentlich niemand Zeit. Trotzdem haben WDR und NDR es hinbekommen, 179 Bundesbürger anzukarren, die angeblich repräsentativ für 82 Millionen sind: alt und jung, aus Nord und Süd, Mann und Frau — die ganze Palette halt. Sie sollen SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in einer dieser Townhall-Meeting-Simulationen, die der neueste Schrei im deutschen Polit-TV sind, auf den Zahn fühlen. Bizarrerweise bin ich einer dieser 179.

Nach dem nur verhaltenen Warm-Up durch einen Kollegen (es ist halt eine öffentlich-rechtliche Politiksendung, keine Privatfernseh-Comedy) begrüßen die Moderatoren Jörg Schönenborn und Andreas Cichowicz erst uns und dann den Mann, der Kanzler werden will. Steinmeier begrüßt die Zuschauer, die um ihn herum sitzen, routiniert und man ist froh, dass er nicht gleich mit dem Händeschütteln anfängt. Er hätte ja gar nicht kommen brauchen, sagt er, so toll habe ihn “der Jonas”, ein junger Zuschauer mit blondierten Haaren, der im Warm-Up seinen Platz eingenommen hatte, ja vertreten. Solche Aussagen sorgen für Stimmung, aber dann erinnert Schönenborn, der trotz seiner sonstigen Kernaufgabe, Zahlen von einem Monitor abzulesen, menschlicher wirkt als der lebende Aktendeckel Steinmeier, daran, dass wir ja nicht zum Vergnügen hier seien, und es geht los.

Die erste Frage wird gestellt und die erste Antwort gegeben. Im Vorfeld hatten sich die WDR-Redakteure telefonisch erkundigt, was man eventuell fragen wolle, aber im Studio lässt sich (außer bei ein paar ausgewählten Gästen) nicht zuordnen, wer welche Frage stellen würde — eine wie auch immer geartete Kontrolle scheint ausgeschlossen. Ein Mann wird vorgestellt, der 33 Jahre bei Hertie gearbeitet hat und “mit nichts mehr als einem feuchten Händedruck” (er muss sehr feucht gewesen sein, denn er findet zwei Mal Erwähnung) verabschiedet wurde. Hoffentlich war es nicht auch noch der selbe Hertie-Mitarbeiter wie vor drei Wochen bei RTL. Steinmeier sagt von Anfang an oft “ich” und “wir”, ohne dass klar wird, welche geheimnisvolle Truppe er damit meint. Die magischen Buchstaben “SPD” nimmt er nach 67 Minuten zum ersten Mal in den Mund, “CDU” folgt kurz darauf. Er redet viel und sagt wenig. Sagt ein Zuschauer, woher er kommt, kommen von Steinmeier stets die gleichen backchannels: “Rheda-Wiedenbrück, ah!”, “Grevenbroich, ah!”, “Bochum, ah!”. Ein Mann, der bei Continental arbeitet, wird fast zu Steinmeiers Joe the plumber: Zwar kann er sich den Namen des Mannes nicht merken, aber auf den “Arbeiter bei Conti” kommt der Kanzlerkandidat an jeder passenden und unpassenden Stelle gern noch mal zurück.

Konkrete Fragen beantwortet Steinmeier mit dem Hinweis, “sofort” auf den Kern zurückzukommen, nur um dann so weit auszuholen, dass er an einer beliebigen Stelle abbiegen und über irgendwas reden kann. Als Fragesteller ist man zu betäubt, um das sofort zu merken, und die Moderatoren wissen natürlich sowieso am Besten, dass sie hier keine konkreten Antworten erwarten können.

Eine ältere Dame, die zuvor bereits wüst in die Kamera gewunken hatte, um darauf aufmerksam zu machen, dass sie eine Frage stellen will, hat ein paar kopierte Zettel dabei und fragt Steinmeier, ob er schon Gelegenheit gehabt habe, den aktuellen “Spiegel” zu lesen. Steinmeier wird aber gerade frisch überpudert und kann deshalb nicht antworten, weswegen Schönenborn bittet, eine konkrete Frage zu formulieren. Es geht um die Besteuerung von Sonntagsarbeit und Steinmeier antwortet, man dürfe auch nicht alles glauben, was in der Zeitung stehe. Obwohl es natürlich stimmt, kommt das ein bisschen meckerig rüber und die Dame entgegnet, es habe ja nicht in “Bild” gestanden, sondern im “Spiegel” und dem müsse man ja trauen. Ich hoffe, dass die Raummikros zu schwach eingestellt waren, als dass man mein glucksendes Gelächter auch noch zuhause hören könnte.

Weil ich ein “junger Mann im karierten Hemd” bin, darf ich auch eine Frage stellen, aber ich merke schon, als das Fragezeichen durch den Raum schwebt, dass das keine gute Idee war. Ich will wissen, ob Steinmeier manchmal von Murat Kurnaz träume, aber der Kanzlerkandidat antwortet mit dem Verweis auf irgendwelche Dokumentationen über sich und darauf, dass ein Untersuchungsausschuss seine (Steinmeiers) Unschuld bewiesen habe. Man müsse jetzt auch mal mit diesen Anschuldigungen aufhören, sagt er, während wir irgendwie haarscharf aneinander vorbei gucken, und ich das Gefühl habe, unter den Blicken der anderen Zuschauer und der Hitze der Scheinwerfer langsam zu zerfließen.

Mit Politikern zu sprechen ist eine der unbefriedigendsten Beschäftigungen überhaupt, weil einem immer erst hinterher klar wird, dass das gar kein Gespräch war, sondern eine Phrasen-Routine, die man schon im Informatikunterricht der siebten Klasse schreiben kann. (Es kann kein Zufall sein, dass Douglas Adams einst an einem Computerprogramm namens “Reagan” arbeitete, das Fernsehdebatten anstelle des US-Präsidenten hätte führen können.) Es macht fast mehr Spaß, im Herbst Laub zusammenzukehren und die Wiese kurz nach dem Wegpacken des Rechens schon wieder mit Blättern übersät zu sehen.

Das Thema Außenpolitik kommt in der Befragung des Außenministers nicht vor. Fragen nach afghanischen Tanklastern (“Wie viele davon werden wir noch in die Luft sprengen müssen, bis es in dem Land keine Taliban und keine Zivilisten mehr gibt und wir nach hause gehen können?”) verbieten sich wegen der Vorlaufzeit von fast 30 Stunden: Wer weiß, wie die Nachrichtenlage bei Ausstrahlung aussieht? Afghanistan kommt trotzdem vor, wenn auch anders als gedacht: Die Mutter eines Soldaten fragt nicht etwa, wann ihr Junge dauerhaft zuhause und in Sicherheit bleiben darf, sondern erkundigt sich nach besserer technischer Ausstattung für die Truppen. Dass sich die Sendung so amerikanisch anfühlen würde, war sicher nicht geplant.

Zur Auflockerung werden Steinmeier zwischendurch zwei “Wer wird Millionär?”-mäßige Quizfragen gestellt. Es fällt schwer zu glauben, dass eine mutmaßlich gut bezahlte Redaktion in monatelanger Vorbereitung nicht über “Was werden Sie nach dem Ende der großen Koalition am meisten vermissen? A: Angela Merkel, B: Karl-Theodor zu Guttenberg, C: Ursula von der Leyen, D: meinen Dienstwagen” hinausgekommen ist. Immerhin gibt es Steinmeier die Gelegenheit zum einzigen Mal in 75 Minuten mit Witz und Schlagfertigkeit zu glänzen, als er antwortet: “‘D’ scheidet ja aus, denn wenn die große Koalition endet, sitze ich ja im Kanzleramt.”

Als Schönenborn eine längere, komplizierte Zwischenmoderation, in der es auch irgendwie um die FDP geht, augenscheinlich völlig frei (also jedenfalls ohne Teleprompter und ohne noch mal auf seine Karten zu gucken) in die Kamera spricht, werde ich zu seinem glühenden Verehrer. Cichowicz dagegen gerät bei seinen kurzen Textpassagen häufiger ins Schwimmen, hat dafür aber das Zwischen-Zuschauern-Hocken in der Tradition von Jürgen Fliege und Günther Jauch im Repertoire. Zwischendurch stürzen immer wieder studentische Mikrofon-hinhalte-Kräfte die Treppen hinunter, was man am Bildschirm vermutlich nur als grotesk anmutende Satzpausen wahrnimmt.

Kurz vor Schluss darf noch eine Mutter mit Migrationshintergrund eine Frage stellen und weil sie in Steinmeiers Rücken sitzt, gerät diese Gesprächssimulation vollends zum Desaster: Steinmeier dreht ihr halb die Schulter zu und redet lieber zu Schönenborn und Kamera 1 und berichtet dann – Einzelschicksale hervorheben! – von einer jungen Türkin, die er kürzlich in Mainz kennengelernt habe und die jetzt ihren Hauptschulabschluss nachmache. Dass vor hinter ihm das vielleicht spannendere Einzelschicksal sitzt, ist egal: Die Frau aus Mainz passt besser in die Routine.

Die ersten Zuschauer erheben sich schon während des Abspanns.

Wahlarena: Zuschauer fragen Frank-Walter Steinmeier
Dienstag, 8. September 2009
21:05 Uhr im Ersten

Nachtrag, 9. September: Bis zum kommenden Samstag kann man sich die Sendung jetzt auch in der ARD-Mediathek ansehen.

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Politik

Smile Like You Mean It

Einer der schlimmsten Irrtümer unserer Zeit ist ja der, dass Wahlkampf im Internet stattfinden müsse. Er kann, wenn man sich mit dem Medium auskennt, gute Ideen hat oder Barack Obama heißt. Mir persönlich wäre es angesichts von Facebook-Profilen von Politikern, iPhone-Apps von Parteien und sechs Milliarden “#piraten+”-Nachrichten auf Twitter täglich sogar lieb, wenn das Internet ein politikfreier Raum wäre, aber man kann nicht alles haben.

Richtig bizarr wird es aber, wenn der Kommunalwahlkampf im Internet stattfindet. Völlig ohne Grund geben sich Menschen, die bestimmt tolle Ideen für ihre Heimatstadt haben, aber nicht über Knowhow und Mittel für einen professionellen (und völlig überflüssigen) Online-Wahlkampf verfügen, online der Weltöffentlichkeit preis — und damit zumeist dem Spott.

Die Ruhrbarone stellen heute schlechte und nicht ganz so schlechte Beispiele von Internet-Videos als Mittel im Kommunalwahlkampf vor. Von den Bochumer Oberbürgermeister-Kandidaten habe ich nichts gefunden, aber in Dinslaken haben gleich zwei der sechs Bürgermeisterkandidaten Werbespots in Auftrag gegeben.

Den Anfang macht Heinz Wansing von der CDU (wir erinnern uns: “Da. Echt. Nah.”), der sich vom Dinslakener Star-Regisseur Adnan Köse (“Lauf um dein Leben – Vom Junkie zum Ironman”) in Szene setzen ließ. Nachdem Barack Obama uns letztes Jahr die Mutter aller Wahlwerbespots vorgestellt hat, lernen wir mit “Wansing – Der Film” jetzt deren Großcousine mütterlicherseits kennen:

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Sagen Sie bitte nicht, ich sei der Einzige, der bei der Musik die ganze Zeit damit rechne, dass gleich Dinosaurier aus dem Rotbachsee auftauchen. (Und Dinslaken wirkt übrigens nicht ganz so trostlos, wenn man es im Sommer besucht und filmt.)

Sein Gegenkandidat von der SPD, Dr. Michael Heidinger, orientiert sich mit “Michael Heidinger (SPD) – Der Film” optisch stärker an Filmen wie “A Scanner Darkly” oder “Waltz With Bashir”, verzichtet dafür aber völlig auf das Ablesen vom Blatt:

Link: Michael Heidinger (SPD) - Der Film (2009)

Diese Spots wirken auf mich ein wenig wie die Auftritte unbeholfener Kandidaten in Castingshows: Einerseits sucht da jemand ganz bewusst die Öffentlichkeit, andererseits hat man als Zuschauer das Gefühl, sie genau davor beschützen zu wollen.

Nachtrag, 31. August: Die Comicfigur hat übrigens gewonnen

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Politik

Nixkönner

BREAKING NEWS!

Im Falle unserer neuen Liste “Yes, maybe we could try to, but come to think of it: we definitely can’t” geht die SPD Marburg möglicherweise uneinholbar in Führung:

Schäfer-Gümbel '09: Yo isch kann

Für den Fall, dass das “irgendwie ironisch” gemeint sein sollte: Fail!

[via PickiHH]

Nachtrag, 26. November: Tobias weist in den Kommentaren völlig zu Recht darauf hin, dass es sich bei dem Logo um einen zwei Wochen alten Entwurf des Designtagebuchs handelt. Aus was für absurden Interpretationen des Konzepts “Selbstironie” die SPD das aber aufgreift, ist mir offen gestanden schleierhaft.

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Digital Politik

Barack Obamas schlimme Folgen für die Weltpolitik

“Was können wir vom Wahlkampf von Barack Obama lernen?” hatte ein Delegierter auf dem Grünenparteitag den zu diesem Zeitpunkt noch designierten Parteivorsitzenden Cem Özdemir gefragt. Özdemir antwortete irgendwas Kluges, Abwartendes, von wegen das solle man jetzt nicht alles nachmachen und man müsse auch mal sehen und so …

“Ist eine Internet-Kampagne wie die von Barack Obama auch in Deutschland möglich?” hatte Markus Beckedahl schon kurz nach Obamas Wahlsieg gefragt und sowohl eine kurze (“Ja und Nein”), als auch eine lange Antwort darauf gegeben.

Aber wie das immer so ist: auf besonnene Politiker hören genauso viele Personen, wie längliche Blog-Einträge lesen — also kaum einer. Und so kommt es, dass die zweite bis dreißigste Reihe (so viele Sitzreihen hat das Bochumer Ruhrstadion, vielleicht bietet jemand mehr) der Politiker jetzt vor den Fettnäpfen Schlange steht, um auf eine neue Liste zu kommen.

Sie heißt:
“Yes, maybe we could try to, but come to think of it: we definitely can’t”

Los ging es mit diesem Meisterwerk:

Yes we can -  Klausurtagug der SPD Havixbeck

[via Jens]

Eine weitere gewagte Kombination aus Slogan und missglückter deutscher Sprache fand ich dann bei Facebook:

Wir machen's: Mit Heiko Maas, muss einer neuer Mann an die Spitze der saarländischen Landesregierung. Unterstützt Heiko Maas für Gute Arbeit, Faire Chancen und Neue Energie im Saarland.

Und den finalen Auslöser, die Nummer von einer TwitterSerie zu einer Blog-Serie zu machen (hoffentlich nicht), fand ich dann im Dinslakener Lokalteil der “Rheinischen Post”:

Dinslaken: 
Köse dreht Wansing-Wahlspot. Dinslaken (RP) Reportage am Montag "Wansing on Ice" hieß es am Sonntagmittag in der Dinslakener Eishalle. Dort drehte CDU-Bürgermeisterkandidat Heinz Wansing gemeinsam mit Regisseur Adnan Köse seinen Wahlwerbespot.

Der aufstrebende Lokalpolitiker Heinz Wansing hat sich vom Dinslakener Regisseur Adnan Köse (“Lauf um Dein Leben – Vom Junkie zum Ironman”) überreden lassen, einen Wahlwerbespot zu drehen, der ab Januar als zehnminütige Version auf seiner Homepage und später als Zweiminüter in der Dinslakener Lichtburg laufen soll.

Die “RP” zitiert den Regisseur wie folgt:

Man muss die neuen Medien nutzen. Mir gefällt seine Haltung und ich will mit dem Film erreichen, dass neben dem Politiker und Verwaltungsfachmann auch der private, der Mensch Heinz Wansing fokussiert wird.

Und wenn Sie jetzt fragen: “Ja, was sollen die armen deutschen Politiker denn jetzt machen, ohne dass Ihr Internet-Jungspunde Euch immer über deren Unbeholfenheit lustig macht?”, dann antworte ich mit meiner glockenklarsten Engelsstimme, die sonst für Familienbesuche und meinen Bankberater reserviert ist: “Politik!”

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Politik Gesellschaft

Miss American Pie

Dieser Tage schaut die Welt noch mehr auf Amerika, als sie es sowieso schon tut. Die “Schicksalswahl unserer Generation” steht an und es wirkt ein bisschen so, als werde am Dienstag zwischen Himmel und Hölle entschieden.

Der Wahlkampf zeigt einmal mehr die eklatanten Unterschiede zwischen den USA und Deutschland auf: Nicht nur, dass wir hier ein anderes Wahlsystem haben, auch kulturell sieht es hier ganz anders aus. Das Pathos, das Obamas halbstündigen Infomercial durchweht, wäre hierzulande undenkbar.

Vielleicht liegt es daran, dass Schwarz, Rot und Gold keine so schöne Farbkombination ist wie Rot, Weiß und Blau. Aber noch nicht mal eine geeignete Musikuntermalung würde man hier für so einen Wahlwerbefilm finden: in Deutschland gibt es keine Folklore, denn was es gab, wurde vom “Musikantenstadl” in Grund und Boden gevolkstümelt.

Ich finde diese Unterschiede nicht schlimm (auch wenn ich mir manchmal wünsche, dass sich jeder einzelne Deutsche ein bisschen mehr mit seiner Rolle in der Gesellschaft um ihn herum – nicht mit dem abstrakten Begriff der Nation – identifizieren würden), aber diese Unterschiede sind eben da. Deswegen sollten sich deutsche Politiker dafür hüten, Obamas vermeintliche Erfolgsrezepte nächstes Jahr 1:1 für den deutschen Markt kopieren zu wollen.

Die armen, armen Hessen, die im Januar die sogenannte Wahl zwischen Roland Koch und Andrea Ypsilanti hatten, bekommen am Dienstag vielleicht eine neue Ministerpräsidentin. Ja, an jenem Schicksalsdienstag, 4. November. Und weil das so schön passt, hat sich Frau Ypsilanti heute Morgen auf einem SPD-Sonderparteitag in Fulda dem wehrlosen Barack Obama ans Bein geschmissen und mit einem einzigen Satz diese tiefen kulturellen Unterschiede, diesen schmalen Grat zwischen ansteckendem Pathos und abstoßender Peinlichkeit zusammengefasst:

Ich hoffe, Genossinnen und Genossen, dass die amerikanischen Wählerinnen und Wähler am 4. November in Amerika sagen: “Yes, we can!”, und dass die hessischen Abgeordneten dann sagen können, mit Euch zusammen in Hessen: “Yes, we do!”

[via WDR2-Nachrichten]

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Rundfunk Politik

St. Louis Vice

Heute Nacht um drei Uhr unserer Zeit läuft in den USA das einzige TV-Duell zwischen den beiden Bewerbern um das Amt des Vizepräsidenten. Das wird bestimmt lustig.

Aber wer tritt da noch mal gegen wen an?

Verblasster Glanz gegen beständige Blässe

TV-Duell der US-Vizekandidaten: Landpommeranze gegen altes Eisen

 TV-Debatte: Palin gegen Biden – Duell der Fettnäpfchentreter

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Politik

Be My Kandidat

Ursprünglich hatte ich vorgehabt, ein Casting für den deutschen Grand-Prix-Act 2009 zu starten. Aber sowas gab es ja schon mal …

Stattdessen ruft Coffee And TV hiermit den Wettbewerb

be my Kandidat

aus, bei dem Sie (ja: Sie) sich bewerben können, um Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten zu werden.

Voraussetzungen:

  • Sie sind vor dem 23. Mai 1969 geboren.
  • Sie sind deutscher Staatsbürger.
  • Sie besitzen das Wahlrecht zum deutschen Bundestag.
  • Sie passen zumindest grob in eine der beiden Kategorien “Mann” oder “Frau”.
  • Sie wären im Falle Ihrer Wahl bereit, für mindestens fünf Jahre auf die Ausübung Ihres Berufes und möglicher Ämter zu verzichten.
  • Sie versprechen, im Falle Ihrer Wahl Sgt.-Pepper-Fantasieuniformen als neue Dienstkleidung für Polizei und Bundeswehr vorzuschlagen.

Ihre unverbindliche Bewerbung können Sie mit einem Kommentar kundtun, ich kontaktiere Sie dann unter der von Ihnen angegebenen E-Mail-Adresse.

Nach einer ersten Sichtung der Bewerber veranstalten wir hier im Blog ein großes Casting, bei dem der beste Kandidat ermittelt wird. Es wird einen lähmenden Vorwahlkampf wie in den USA geben und am Ende müssen wir noch ein Mitglied der Bundesversammlung finden, das unseren Kandidaten im nächsten Jahr auch zur Wahl vorschlägt.

Zu gewinnen gibt es hier nichts, die Wahl durch die Bundesversammlung ist noch weniger garantiert als der Vorschlag zur Wahl.

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Politik Leben

Teacher leave them kids alone

In Bremen tagt heute der Rechtsausschuss der Bürgerschaft. Die CDU will Aufklärung darüber, wie die ehemalige RAF-Terroristin Susanne Albrecht unter neuem Namen Deutschlehrerin für Migrantenkinder an einer Bremer Grundschule werden konnte.
Die denkbar einfache Antwort eines Außenstehenden würde vermutlich lauten: “Sie hat bereits in der DDR als Lehrerin gearbeitet, als sie dort untergetaucht war, sie hatte eine positive Prognose und irgendjemand hat sie wohl eingestellt.” Und für diejenigen, die so klug sind, nicht auf dahergelaufene Außenstehende zu hören, erklärt Bremens früherer Bürgermeister Henning Scherf das alles noch mal etwas ausführlicher.

Nun ist im Zuge der Debatten der letzten Wochen klargeworden (no pun intended), dass manche Politiker, Bürger und Journalisten ein wenig Nachhilfe in Sachen rechtsstaatlicher Prinzipien benötigen (Hans Filbinger kann glücklicherweise nicht mehr zum Nachhilfelehrer umgeschult werden). Wer aber hätte gedacht, dass sich die zögerliche Aufarbeitung bundesrepublikanischer Vergangenheit dazu eignet, ein ganzes Berufsbild neu zu definieren?

CDU-Vorzeigeplappermaul Wolfgang Bosbach empörte sich in “Bild”:

Bei Lehrern darf an der charakterlichen Eignung keinerlei Zweifel bestehen. Es kann nicht sein, dass eine Ex-RAF-Terroristin ausgerechnet durch die Arbeit mit Kindern resozialisiert werden soll.

Und Hartmut Perschau, CDU-Fraktionschef in der Bremer Bürgerschaft (die zufälligerweise in neun Tagen neu gewählt wird), sekundiert:

Wer unsere Kinder unterrichtet, hat eine Vorbildfunktion zu erfüllen – dafür kommen Terroristen nicht in Frage!

Dank “Bild” weiß man ja immer, wie alt jemand (ungefähr) ist. Im aktuellen Artikel sind Bosbach 54 und Perschau 65 – ihre eigene Schulzeit liegt also noch länger zurück als Frau Albrechts RAF-Unterstützung. Da meine Schullaufbahn deutlich später endete, sehe ich mich in der Position, die Herren Bosbach und Perschau über charakterliche Eignung und Vorbildfunktion diverser Lehrer aufzuklären, die mir währenddessen untergekommen sind: da hatten wir ein paar Alkoholiker; cholerische Kunst- und Musiklehrer; neokonservative Kleinaktionäre; Deutschlehrer, die die Sprache gerade erst gelernt oder einen Sprachfehler hatten; Sportlehrer, die die 500 Meter zur Turnhalle im Mercedes zurücklegten; Verschwörungstheoretiker; Naturwissenschaftler, die keinerlei pädagogische Ausbildung durchlaufen hatten; Kettenraucher, die kaum eine Schulstunde ohne Nikotinzufuhr aushielten; Althippies, die es den Fünftklässlern überließen, ob sie Vokabeln lernen wollen oder nicht, und Deutschlehrer, die Sechstklässler Klassenarbeiten mit dem Thema “Mein erstes Mal” schreiben ließen – trotzdem sind mir keine Schädigungen bei irgendwelchen Schülern bekannt, die über das normale Maß hinausgehen.
Natürlich hatten wir auch jede Menge großartige Pädagogen, die ihre Begeisterung für Geschichte, Politik, Literatur oder Mathematik auf uns übertragen konnten – Lehrer bilden halt einen überraschend passenden Gesellschaftsschnitt ab und sind sowieso dankbare, weiche Ziele.

Was ich aber keinem noch so schlechten Lehrer wünsche, sind die skeptischen Seitenblicke und die Hexenjagd, die im Großraum Bremen eingesetzt haben dürfte. Ich würde da dieser Tage noch weniger Deutschlehrerin an einer Grundschule sein wollen als sonst schon …