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Lucky & Fred, Episode 33

Am Vor­abend des 9. Novem­ber tra­fen sich Lucky und Fred auf der Büh­ne des Thea­ter Fletch Biz­zel, um über Gott und die Welt zu spre­chen. Oder, in die­sem Fall: über die AfD, die Gro­ße Koali­ti­on und den anste­hen­den „Schick­sals­tag der Deut­schen“.

Wir erfah­ren, wie man ein Inter­view pro­fes­sio­nell been­det, wie man zur Geburts­tags­fei­er der „FAZ“ ein­ge­la­den wird, und war­um Donald Trump wie­der­ge­wählt wer­den wird.

Was es mit dem Olym­pi­schen Gruß, dem Mar­ti­ni-Sofa­kis­sen und ver­wir­ren­den Mei­nungs­um­fra­gen zur Mei­nungs­frei­heit auf sich hat, hört Ihr Euch am bes­ten selbst an!

Show­no­tes:

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20. Dezem­ber 2019, Dort­mund (Tickets bestel­len)
24. Janu­ar 2020, Dort­mund (Tickets bestel­len)
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Film Gesellschaft

Holger, der Kampf geht weiter

Andre­as Baa­der wird in der Erin­ne­rung der Men­schen immer der Mann sein, der im Gerichts­saal von Stutt­gart-Stamm­heim den vor­sit­zen­den Rich­ter anbrüll­te und Frau­en, wenn er mit ihnen rede­te, als „Fot­zen“ bezeich­ne­te. Dar­an wird sich auch durch den zwan­zig-Mil­lio­nen-Euro-Film „Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ nichts ändern – die Leu­te wer­den den gebür­ti­gen Mün­che­ner Baa­der höchs­tens mit einem nor­di­schen Ein­schlag im Ohr haben, weil Moritz Bleib­treu im Sprech­un­ter­richt an der Schau­spiel­schu­le gepennt hat.

Es gibt ja kaum einen Super­la­tiv, kaum einen Satz, der im Vor­feld nicht über den Film geschrie­ben wor­den war. Jeder, der damals dabei war oder jeman­den kann­te, der die Geschich­te der RAF am Fern­se­her mit­er­lebt hat­te, durf­te sich in irgend­ei­nem Medi­um dar­über äußern, durf­te dis­ku­tie­ren, ob man aus so einer Geschich­te einen kom­mer­zi­el­len Spiel­film machen dür­fe, oder durf­te sonst irgend­et­was sagen. Der Film wur­de vor­ab so mit Bedeu­tung auf­ge­la­den, dass man sich schon fragt, ob man ihn über­haupt noch als Film sehen und beur­tei­len kann.

Ja, man kann. „Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ ist sti­lis­tisch soli­de, mit­un­ter bril­lant, was inso­fern über­rascht, als Regis­seur Uli Edel („Chris­tia­ne F. – Wir Kin­der vom Bahn­hof Zoo“, „Letz­te Aus­fahrt Brook­lyn“) seit unge­fähr zwan­zig Jah­ren nichts Rele­van­tes mehr gedreht hat. Es ist ein detail­ver­lieb­ter Zwei­ein­halb­stün­der, des­sen Span­nungs­bo­gen ein biss­chen dar­un­ter lei­det, dass zehn Jah­re (und 650 Sei­ten Buch­vor­la­ge) abge­han­delt wer­den müs­sen, bis das pas­siert, was man eh schon tau­send­mal gese­hen hat: Die „Lands­hut“ wird in Moga­di­schu gestürmt, in Stamm­heim wer­den drei Lei­chen gefun­den. Bis dahin ist es nie lang­wei­lig gewor­den, aber auch nur sel­ten kon­kret oder gar über­sicht­lich. Ich weiß nicht, ob es hilf­rei­cher ist, gar nichts über die Geschich­te der RAF zu wis­sen, weil man sich dann wenigs­tens nicht stän­dig fragt, wer wer ist.

„Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ oder kurz „BMK“ ist kei­ne Doku­men­ta­ti­on und kei­ne Ver­tie­fung von irgend­was, er ist eine ober­fläch­li­che Ein­füh­rung in ein Kapi­tel deut­scher Geschich­te, des­sen Auf­ar­bei­tung rech­ne­risch noch zehn bis zwan­zig Jah­re brau­chen wird. Wir Spät­ge­bo­re­nen sit­zen da und wun­dern uns über Mas­sen­de­mons­tra­tio­nen, Rau­cher aller­or­ten, rie­si­ge Stu­den­ten­ver­samm­lun­gen und Men­schen, die umständ­lich mit Voka­beln wie „Impe­ria­lis­mus“, „Genos­sen“ und „Bour­geoi­sie“ han­tie­ren. Wir wun­dern uns, dass sol­che Leu­te, die man bei jeder Stu­den­ten­par­ty ste­hen las­sen wür­de, wenn sie einen anla­ber­ten, damals die Mas­sen bewegt haben (die Kon­ser­va­ti­ven haben sich frei­lich schon damals gewun­dert). Wenn ein voll­be­setz­ter Hör­saal auf Geheiß von Rudi Dutsch­ke (erschre­ckend nah am Ori­gi­nal: Sebas­ti­an Blom­berg) „Ho, Ho, Ho Chi Minh“ anstimmt, sind das für uns ähn­lich frem­de und beun­ru­hi­gen­de Bil­der wie die vom Reichs­par­tei­tags­ge­län­de in Nürn­berg.

Aber der Film macht klar, was die Stu­den­ten 1967 beweg­te, und wenn man die dama­li­gen Mel­dun­gen aus Viet­nam mit denen aus dem Irak heu­te ver­gleicht, ist einem das gleich gar nicht mehr so fremd und man wun­dert sich statt­des­sen, war­um die heu­ti­gen Krie­ge eigent­lich so egal sind. Auch die Bil­der vom 2. Juni, als sich die Span­nung zwi­schen Demons­tran­ten und Poli­zis­ten schließ­lich in roher Gewalt ent­lädt, hat man so ähn­lich in letz­ter Zeit schon mal im Fern­se­hen gese­hen – aller­dings längst nicht so bru­tal und ohne die „Jubel­per­ser“, die mit Lat­ten auf die Demons­tran­ten ein­schla­gen.

Die­se Par­al­le­len machen den Film für jün­ge­re Zuschau­er inter­es­sant, aber wie aus dem Pro­test gegen Viet­nam­krieg und Schah plötz­lich die RAF wer­den konn­te, geht im Film völ­lig unter. Die Frank­fur­ter Kauf­haus­brand­stif­tung, für die Baa­der und Gud­run Ens­slin (Johan­na Woka­lek) erst­ma­lig vor Gericht ste­hen, und die in der Buch­vor­la­ge aus­führ­lich anmo­de­riert wird, pas­siert ein­fach so. Damit feh­len dem Unter­neh­men RAF im Grun­de genom­men wei­te Tei­le des Über­baus und alles, was man sieht, sind ver­wöhn­te Bür­ger­kin­der, die (wie schon in „Die fet­ten Jah­re sind vor­bei“) ein biss­chen Ter­ro­ris­ten spie­len wol­len. Ent­spre­chend däm­lich stel­len sie sich mit­un­ter an, ent­spre­chend komisch sind die Sze­nen in den paläs­ti­nen­si­schen Aus­bil­dungs­camps.

Micha­el Buback hat „BMK“ als „Täter­film“ beschrie­ben, was sicher­lich nicht falsch ist. Schon das Buch kon­zen­triert sich haupt­säch­lich auf die Bio­gra­phien der Ter­ro­ris­ten, der Film ver­knappt da wei­ter. Anders als in Hein­richt Bre­loers bril­lan­tem Fern­seh-Zwei­tei­ler „Todes­spiel“ bekommt Schley­er hier nur weni­ge Augen­bli­cke Auf­merk­sam­keit, alle ande­ren Opfer sind sowie­so rei­nes Kano­nen­fut­ter. Poli­zis­ten, US Army, Sprin­ger-Hoch­haus, Stock­holm, „Deut­scher Herbst“, zwi­schen­durch sogar Mün­chen 1972 – die Schau­plät­ze und Ver­bre­chen wer­den abge­he­chelt, der Body­count läuft stumm mit.

Aller­dings ist der Film trotz­dem kei­ne Bon­nie-und-Cly­de-Num­mer, kei­ne mehr­fach pop­kul­tu­rell codier­te Hel­den­bal­la­de wie Chris­to­pher Roths „Baa­der“. Solan­ge die Ter­ro­ris­ten reden, sind sie uner­träg­lich: Mao, Lenin, und die gan­zen fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen sind nicht spur­los an ihnen vor­bei gegan­gen, ihre Auf­ru­fe schwan­ken zwi­schen bla­sier­tem Pathos und ver­blen­de­tem Zynis­mus. Man­che Dia­lo­ge, wie die zwi­schen Ens­slin und ihren Eltern, wir­ken furcht­bar höl­zern und pla­ka­tiv, aber man muss anneh­men, dass „Dis­kurs“ damals eben so klang. Sobald die Ter­ro­ris­ten dann schie­ßen, sind sie kalt­blü­tig und bru­tal, und außer Susan­ne Albrecht, die als Lock­vo­gel bei der Ermor­dung Jür­gen Pon­tos, dem Paten­on­kel ihrer Schwes­ter, dabei war, zeigt nie­mand eine Gefühls­re­gung für die Opfer.

Moritz Bleib­treu schafft es nur in weni­gen Momen­ten, hin­ter der Rol­le zu ver­schwin­den. Die meis­te Zeit ist sein Baa­der irgend­ei­ne wei­te­re Bleib­treu-Rol­le: ein biss­chen ver­schla­gen, ein biss­chen sym­pa­thisch (weil eben Bleib­treu), ein biss­chen wahn­sin­nig. Mar­ti­na Gedeck spielt Ulri­ke Mein­hof als eine zöger­li­che Sprü­che­klop­fe­rin, die sich völ­lig in der Situa­ti­on ver­hed­dert und am Ende zwi­schen Lethar­gie und Hys­te­rie schwankt, bis sie ein­fach tot ist. Johan­na Woka­lek ist unglaub­lich gut, man hasst ihre Gud­run Ens­slin qua­si ab dem ers­ten Moment und ist doch immer mal wie­der fas­zi­niert von die­ser ent­rück­ten Frau. Und dann gibt es da noch mehr als hun­dert wei­te­re Schau­spie­ler – fast jeder, der in Deutsch­land in den letz­ten zehn Jah­ren mal vor einer Kame­ra stand, ist (mit Aus­nah­me von Til Schwei­ger, Fran­ka Poten­te und Iris Ber­ben) auch dies­mal mit dabei, was den Film so ein biss­chen nach einem deut­schen „Ocean’s Ele­ven“ aus­se­hen lässt. Sogar Hei­no Ferch und Jan Josef Lie­fers hat man unter­brin­gen kön­nen.

Bru­no Ganz aller­dings hat­te Pech: Als BKA-Chef Horst Herold ern­te­te er stän­dig unfrei­wil­li­ge Lacher. Viel­leicht, weil die Leu­te Adolf Hit­ler vor Augen bzw. im Ohr hat­ten (s. „Der Unter­gang“), viel­leicht, weil die Rol­le so dünn und kari­kiert ange­legt ist. Herold ist durch und durch Beam­ter, der irgend­wie immer allei­ne ist (von den mehr als 100.000 Poli­zis­ten, BKA-Leu­ten und den gan­zen Com­pu­tern, die mit der Ras­ter­fahn­dung beschäf­tigt waren, mal ab) – sowohl räum­lich, als auch als ein­zi­ge Stim­me der Ver­nunft in einem Heer von Wahn­sin­ni­gen auf bei­den Sei­ten. Denn bru­tal sind sie alle, in die­ser Spi­ra­le der Gewalt, die als self-ful­fil­ling pro­phe­cy schließ­lich zu dem Poli­zei­staat führt, den die Ter­ro­ris­ten von Anfang an bekämp­fen woll­ten: Die einen bei der Ent­füh­rung Hanns Mar­tin Schley­ers, bei der sei­ne Beglei­ter ein­fach nie­der­ge­mäht wer­den, die ande­ren nach der Ver­haf­tung von Hol­ger Meins, bei dem jeder Poli­zei­be­am­te aus Rache für die getö­te­ten Kol­le­gen ein­mal zutre­ten darf. Die einen kämp­fen gegen sinn­lo­se Gewalt, die ande­ren für den Rechts­staat.

Man konn­te nicht viel falsch machen mit dem „Baa­der Mein­hof Kom­plex“: Die Buch­vor­la­ge ist eine gut recher­chier­te Zusam­men­fas­sung einer Geschich­te, die auch einer anti­ken Sage oder einem Shakespear’schen Dra­ma ent­stam­men könn­te. Da dre­hen sich Gut und Böse im Kreis, endet die vor­geb­lich auf­ge­klär­te Kri­tik am ame­ri­ka­ni­schen „Impe­ria­lis­mus“ im men­schen­ver­ach­ten­den Töten vom „Schwein in Uni­form“, und der angeb­lich so gefes­tig­ten Bun­des­re­pu­blik droht plötz­lich eine kru­de Mischung aus Poli­zei­staat und Anar­chie. Und über allem schwebt die Defi­ni­ti­on von Ulri­ke Mein­hof, was Pro­test, und was Wider­stand sei.

Uli Edel und Bernd Eichin­ger haben fil­misch ent­spre­chend ziel­si­cher eine span­nen­de Geschichts­stun­de hin­be­kom­men. Die Ver­qui­ckung von Archiv­ma­te­ri­al und Film in man­chen Sze­nen ist auch unter rein hand­werk­li­chen Aspek­ten inter­es­sant. Dass die Macher den media­len Over­kill, den ihr Film erzeugt hat, jetzt von den glei­chen Medi­en wech­sel­sei­tig um die Ohren gehau­en bekom­men, haben sie nicht ver­dient. Der Dis­kus­si­on, die der Film aus­ge­löst hat, hat er selbst aller­dings über­haupt nichts hin­zu­zu­fü­gen. Er ist, wie ich oben schon schrieb, eine Ein­füh­rung in ein kom­ple­xes Kapi­tel der Geschich­te, das bis heu­te nicht auf­ge­ar­bei­tet wur­de und das viel­leicht wirk­lich noch Zeit braucht.

Für vie­le jun­ge Men­schen wird „Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ die ers­te Begeg­nung mit der RAF sein – und auch wenn man­che Sze­nen wie ein Tri­umph­zug insze­niert sind, wird am Ende wohl kaum jemand die Ter­ro­ris­ten als Hel­den fei­ern wol­len. Der Film hat zu wenig Zeit, ihre Beweg­grün­de und Ent­schei­dun­gen wirk­lich zu ver­tie­fen, aber zumin­dest ein klei­ner Teil ihrer Tra­gik kommt rüber. Und letzt­lich däm­mert einem, dass das viel­leicht wirk­lich ganz ver­schie­de­ne Sachen sein könn­ten, die nur einen gemein­sa­men Aus­gangs­punkt haben: die ech­ten Ver­bre­cher, der Mythos RAF und sei­ne kul­tu­rel­le Auf­be­rei­tung.

Nur eins noch: Die Film­mu­sik ist wirk­lich grau­en­voll.

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Söhne Stammheims

Der Deut­sche Jour­na­lis­ten-Ver­band beklagt sich dar­über, dass Con­stan­tin Film bei einer Pres­se­vor­füh­rung von „Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ soge­nann­te Kne­bel­ver­trä­ge unter­schrei­ben lässt.

Der Ver­trag für die Film­vor­füh­rung am 14. August in Mün­chen sieht vor, dass bei Ver­öf­fent­li­chun­gen über den Film vor dem 17. Sep­tem­ber eine Kon­ven­tio­nal­stra­fe in Höhe von jeweils 50.000 Euro durch den Jour­na­lis­ten und das Medi­um fäl­lig wird.

Nun kann man die Sache von zwei Sei­ten sehen: Con­stan­tin ist ein Unter­neh­men der Pri­vat­wirt­schaft, das ent­schei­den kann, wem es sei­ne Fil­me unter wel­chen Umstän­den vor­spielt. Ob man als Jour­na­list den Film vor­ab sieht oder nicht, ist im Wesent­li­chen völ­lig irrele­vant. Ande­rer­seits will Con­stan­tin ja schon, dass dar­über geschrie­ben wird, aber eben zu den eige­nen Kon­di­tio­nen. Und das kann eigent­lich nicht sein, dass jemand, der die Öffent­lich­keit sucht, die­se dann defi­nie­ren will.

Beson­ders albern ist in die­sem Fall natür­lich, dass „Der Baa­der Mein­hof Kom­plex“ auf einem Best­sel­ler beruht, der die wah­re Geschich­te der RAF nach­er­zählt.

Ich kann Ihnen also ohne Besuch der Pres­se­vor­füh­rung und ohne Unter­zeich­nung des Kne­bel­ver­trags bereits jetzt fol­gen­de Details ver­ra­ten:

  • Ulri­ke Mein­hof hilft bei der Befrei­ung Andre­as Baa­ders aus dem Lese­saal des Deut­schen Zen­tral­in­sti­tuts für sozia­le Fra­gen in Ber­lin.
  • Baa­der, Jan-Carl Ras­pe und Hol­ger Meins wer­den nach einem Schuss­wech­sel in Frankfurt/​Main ver­haf­tet.
  • Ulri­ke Mein­hof wird eher zufäl­lig ver­haf­tet.
  • In Stutt­gart-Stamm­heim wird den Ter­ro­ris­ten in einem extra dafür gebau­ten Gerichts­saal der Pro­zess gemacht.
  • Hol­ger Meins stirbt an den Fol­gen eines Hun­ger­streiks, an sei­nem Grab ruft Rudi Dutsch­ke „Hol­ger, der Kampf geht wei­ter!“
  • Am 8. Mai 1976 erhängt sich Ulri­ke Mein­hof in ihrer Gefäng­nis­zel­le.
  • Weder durch die Ent­füh­rung von Hanns Mar­tin Schley­er noch die der Luft­han­sa-Maschi­ne „Lands­hut“ kön­nen Baa­der, Ras­pe und Gud­run Ens­slin frei­ge­presst wer­den.
  • Nach der Befrei­ung der „Lands­hut“ wer­den Baa­der, Ras­pe und Ens­slin am Mor­gen des 18. Okto­ber 1977 tot in ihren Gefäng­nis­zel­len in Stamm­heim auf­ge­fun­den.

[via ix]

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Random Facts

Heu­te vor 15 Jah­ren ging ein Poli­zei­ein­satz gründ­lich schief. Es war der GSG-9-Ein­satz in Bad Klei­nen und der GSG-9-Beam­te Micha­el Newr­zel­la, der an die­sem Tag vom RAF-Ter­ro­ris­ten Wolf­gang Grams erschos­sen wur­de, ist das letz­te Todes­op­fer durch Ter­ro­ris­mus auf deut­schem Boden.

Die Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung zählt in den letz­ten 15 Jah­ren 85 Todes­op­fer rech­ter Gewalt in Deutsch­land.

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Noch ein Anstreicher

Es ist ja kei­ne neue Erkennt­nis, dass der kläg­li­che Ver­such, der deut­schen Aus­ga­be von „Vani­ty Fair, eine Exis­tenz­be­rech­ti­gung jen­seits der Rät­sel­sei­te zu ver­pas­sen, min­des­tens mit­tel­fris­tig zum Schei­tern ver­ur­teilt ist. Die­sen Null­stel­len-Jour­na­lis­mus im Hin­ter­kopf war die Mel­dung, dass mit Horst Mahler der ein­zi­ge Mensch, der kru­de genug im Hirn ist, sowohl in der RAF als auch in der NPD gewe­sen zu sein, sei­nen Denk­mist aus­ge­rech­net dort in einem Inter­view aus­brei­ten durf­te, für eini­ges Ent­set­zen gut.

Nun hat man sich mit Michel Fried­mann einen exter­nen Mit­ar­bei­ter für die­ses Gespräch gean­gelt, der das von vor­ne­her­ein zum Schei­tern ver­ur­teil­te Unter­fan­gen (man den­ke an das hilf­lo­se Desas­ter, als Ralph Giord­a­no und Micha­el Glos in der n‑tv-Sen­dung Talk in Ber­lin Jörg Hai­der demas­kie­ren woll­ten) recht bra­vou­rös nach Hau­se bringt. Die­ses eine Mal näm­lich darf, nein, muss Fried­mann so ange­nehm über­heb­lich agie­ren. Denn die Zwei­fel dar­an, daß Mahler ziem­lich schat­tig im Schä­del ist, schwin­den dank Fried­manns gespiel­ter Nai­vi­tät, die Mahler zu immer neu­em Dünn­sinn pro­vo­ziert, immer wei­ter. Aber die Anma­ßung, ein­zig Vani­ty Fair wis­se, wie man mit Nazis zu spre­chen habe, ist dann doch etwas zu viel mit dem Feu­er gespielt. Es ist ja gar nicht lan­ge her, daß eine in die Ecke gedräng­te Zukurz­den­ke­rin die Mit­leids­kar­te aus­spie­len durf­te.

Weni­ger Schau­lau­fen dürf­te der Film „Roots Ger­ma­nia“ von Mo Asumang sein, die als Reak­ti­on auf den Song einer Nazi­band, in dem ihr eine Kugel ver­passt wer­den soll­te, spon­tan das Gespräch mit den Flach­bir­nen such­te und ihnen beim Sich­selbst­ent­lar­ven half. Die­se Nacht um 0:20 Uhr im ZDF. Angu­cken.

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Ronald Reagan Revisited

Der Bun­des­prä­si­dent hat ent­schie­den, von einem Gna­dener­weis für Herrn Chris­ti­an Klar abzu­se­hen.

Mit einer so unspek­ta­ku­lä­ren Ver­laut­ba­rung hat Bun­des­prä­si­dent Horst Köh­ler heu­te eine mona­te­lan­ge, hit­zi­ge Debat­te been­det und damit irgend­wie mal wie­der genau die rich­ti­gen Wor­te gefun­den. Die klü­ge­ren Poli­ti­ker haben die­se Ent­schei­dung des höchs­ten Man­nes im Staa­te ent­spre­chend auch als „sou­ve­rä­ne Ent­schei­dung des Bun­des­prä­si­den­ten“ ange­nom­men und dar­auf ver­zich­tet, noch ein­mal nach­zu­tre­ten.

Aber jetzt sit­zen wir hier, haben plötz­lich kein The­ma mehr für Talk­shows und Nach­rich­ten, Bei­trä­ge über das hei­ße Wet­ter kann man auch kei­ne mehr sen­den und Knut ist ver­mut­lich so gut wie aus­ge­wach­sen. Das lädt zu Gedan­ken­spie­len ein: Wie viel spek­ta­ku­lä­rer wäre es z.B. gewe­sen, wenn Horst Köh­ler sich vor die Kame­ras gestellt und Clint East­wood zitiert hät­te?

Gna­de ist heu­te aus!

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Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

CSU-Gene­ral­se­kre­tär Mar­kus Söder hat Bun­des­prä­si­dent Horst Köh­ler ange­droht, im Fal­le einer Begna­di­gung Chris­ti­an Klars eine zwei­te Amts­zeit zu ver­wei­gern.

Mag irgend­je­mand wet­ten, wie Söders Gegen­vor­schlag lau­ten könn­te?

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Teacher leave them kids alone

In Bre­men tagt heu­te der Rechts­aus­schuss der Bür­ger­schaft. Die CDU will Auf­klä­rung dar­über, wie die ehe­ma­li­ge RAF-Ter­ro­ris­tin Susan­ne Albrecht unter neu­em Namen Deutsch­leh­re­rin für Migran­ten­kin­der an einer Bre­mer Grund­schu­le wer­den konn­te.
Die denk­bar ein­fa­che Ant­wort eines Außen­ste­hen­den wür­de ver­mut­lich lau­ten: „Sie hat bereits in der DDR als Leh­re­rin gear­bei­tet, als sie dort unter­ge­taucht war, sie hat­te eine posi­ti­ve Pro­gno­se und irgend­je­mand hat sie wohl ein­ge­stellt.“ Und für die­je­ni­gen, die so klug sind, nicht auf daher­ge­lau­fe­ne Außen­ste­hen­de zu hören, erklärt Bre­mens frü­he­rer Bür­ger­meis­ter Hen­ning Scherf das alles noch mal etwas aus­führ­li­cher.

Nun ist im Zuge der Debat­ten der letz­ten Wochen klar­ge­wor­den (no pun inten­ded), dass man­che Poli­ti­ker, Bür­ger und Jour­na­lis­ten ein wenig Nach­hil­fe in Sachen rechts­staat­li­cher Prin­zi­pi­en benö­ti­gen (Hans Fil­bin­ger kann glück­li­cher­wei­se nicht mehr zum Nach­hil­fe­leh­rer umge­schult wer­den). Wer aber hät­te gedacht, dass sich die zöger­li­che Auf­ar­bei­tung bun­des­re­pu­bli­ka­ni­scher Ver­gan­gen­heit dazu eig­net, ein gan­zes Berufs­bild neu zu defi­nie­ren?

CDU-Vor­zei­ge­plap­per­maul Wolf­gang Bos­bach empör­te sich in „Bild“:

Bei Leh­rern darf an der cha­rak­ter­li­chen Eig­nung kei­ner­lei Zwei­fel bestehen. Es kann nicht sein, dass eine Ex-RAF-Ter­ro­ris­tin aus­ge­rech­net durch die Arbeit mit Kin­dern reso­zia­li­siert wer­den soll.

Und Hart­mut Per­schau, CDU-Frak­ti­ons­chef in der Bre­mer Bür­ger­schaft (die zufäl­li­ger­wei­se in neun Tagen neu gewählt wird), sekun­diert:

Wer unse­re Kin­der unter­rich­tet, hat eine Vor­bild­funk­ti­on zu erfül­len – dafür kom­men Ter­ro­ris­ten nicht in Fra­ge!

Dank „Bild“ weiß man ja immer, wie alt jemand (unge­fähr) ist. Im aktu­el­len Arti­kel sind Bos­bach 54 und Per­schau 65 – ihre eige­ne Schul­zeit liegt also noch län­ger zurück als Frau Albrechts RAF-Unter­stüt­zung. Da mei­ne Schul­lauf­bahn deut­lich spä­ter ende­te, sehe ich mich in der Posi­ti­on, die Her­ren Bos­bach und Per­schau über cha­rak­ter­li­che Eig­nung und Vor­bild­funk­ti­on diver­ser Leh­rer auf­zu­klä­ren, die mir wäh­rend­des­sen unter­ge­kom­men sind: da hat­ten wir ein paar Alko­ho­li­ker; cho­le­ri­sche Kunst- und Musik­leh­rer; neo­kon­ser­va­ti­ve Klein­ak­tio­nä­re; Deutsch­leh­rer, die die Spra­che gera­de erst gelernt oder einen Sprach­feh­ler hat­ten; Sport­leh­rer, die die 500 Meter zur Turn­hal­le im Mer­ce­des zurück­leg­ten; Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker; Natur­wis­sen­schaft­ler, die kei­ner­lei päd­ago­gi­sche Aus­bil­dung durch­lau­fen hat­ten; Ket­ten­rau­cher, die kaum eine Schul­stun­de ohne Niko­tin­zu­fuhr aus­hiel­ten; Alt­hip­pies, die es den Fünft­kläss­lern über­lie­ßen, ob sie Voka­beln ler­nen wol­len oder nicht, und Deutsch­leh­rer, die Sechst­kläss­ler Klas­sen­ar­bei­ten mit dem The­ma „Mein ers­tes Mal“ schrei­ben lie­ßen – trotz­dem sind mir kei­ne Schä­di­gun­gen bei irgend­wel­chen Schü­lern bekannt, die über das nor­ma­le Maß hin­aus­ge­hen.
Natür­lich hat­ten wir auch jede Men­ge groß­ar­ti­ge Päd­ago­gen, die ihre Begeis­te­rung für Geschich­te, Poli­tik, Lite­ra­tur oder Mathe­ma­tik auf uns über­tra­gen konn­ten – Leh­rer bil­den halt einen über­ra­schend pas­sen­den Gesell­schafts­schnitt ab und sind sowie­so dank­ba­re, wei­che Zie­le.

Was ich aber kei­nem noch so schlech­ten Leh­rer wün­sche, sind die skep­ti­schen Sei­ten­bli­cke und die Hexen­jagd, die im Groß­raum Bre­men ein­ge­setzt haben dürf­te. Ich wür­de da die­ser Tage noch weni­ger Deutsch­leh­re­rin an einer Grund­schu­le sein wol­len als sonst schon …

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Leben

Bild mal meine Meinung ab!

Wir alle fra­gen uns sicher regel­mä­ßig, wo Umfra­ge­er­geb­nis­se wie „Män­ner fin­den Ursu­la von der Ley­ens neue Fri­sur gut“, „Deut­sche fah­ren im Urlaub nur ungern in die Ukrai­ne“ oder „Wenn mor­gen Bun­des­tags­wahl wäre, wür­de Knut zur sexies­ten Schau­spie­le­rin gewählt“ her­kom­men. Bis­her war mein Grund­ge­dan­ke, dass da eini­ge irre PR-Men­schen in bom­ben­si­che­ren Kel­lern sit­zen und sol­che Zah­len aus­wür­feln. Dann klin­gel­te mein Tele­fon.

Eine Frau mitt­le­ren Alters aus der bran­den­bur­gi­schen Pro­vinz war dran und sag­te, sie rufe für das Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut Emnid an, ob sie bit­te ein Haus­halts­mit­glied über 60 Jah­ren spre­chen kön­ne. Mei­ne Erleich­te­rung, dem Schick­sal noch ein­mal ent­flo­hen zu sein, hielt nicht lan­ge: auch wenn es bei uns kein sol­ches gebe, wür­de sie mir ger­ne eini­ge Fra­gen stel­len, sag­te die Frau. Ich wil­lig­te ein, frag­te aber vor­her selbst nach, wie man bit­te­schön an mei­ne Num­mer, die ich noch nicht mal ken­ne, und die wirk­lich nir­gend­wo ver­zeich­net sei, kom­me. Das mache ein Zufalls­ge­nera­tor, ent­geg­ne­te die Frau und leg­te los. Nach 23:15 Minu­ten war ich fer­tig, hat­te zwei wund­te­le­fo­nier­te Ohren und mei­nen Bei­trag zu einem Hau­fen tol­ler Tor­ten­dia­gram­me in einem Hau­fen hoch­wer­ti­ger Medi­en gelie­fert.

Bei fol­gen­den Sta­tis­ti­ken wer­de ich in den nächs­ten Mona­ten „Mama, ich bin im Fern­se­hen!“ schrei­en dür­fen:

  • betr. der Zufrie­den­heit mit der Bun­des­po­li­tik („Geht so“)
  • betr. der Zufrie­den­heit mit der NRW-Lan­des­po­li­tik („Haben Sie die Opti­on ‚Beschis­sen‘?“)
  • die sog. Sonn­tags­fra­ge
  • betr. des Rauch­ver­bots bzw. des­sen Inter­pre­ta­ti­on durch die NRW-Lan­des­re­gie­rung
  • betr. der Wie­der­auf­nah­me der Ermitt­lun­gen im Mord­fall Buback und der mög­li­chen Begna­di­gung von Chris­ti­an Klar
  • betr. mei­ner Prä­fe­ren­zen für Kar­tof­fel­puf­fer oder Rei­be­ku­chen (in deed: auf die Fra­ge nach mei­ner Mei­nung über poli­tisch moti­vier­ten Ter­ro­ris­mus folg­te eine zu Kar­tof­fel­puf­fern und Rei­be­ku­chen …)
  • betr. mei­nes Geld­in­sti­tuts
  • betr. mei­ner Erfah­run­gen mit Ver­sand­händ­lern („tele­fo­nisch, Kata­log, Inter­net“)
  • betr. mei­ner Erfah­run­gen zu Dienst­leis­tun­gen per Inter­net (inkl. Musik­down­loads)
  • betr. mei­ner Mei­nung und Erfah­rung zu und mit Bio­le­bens­mit­teln
  • betr. mei­nem Geschmack in Sachen Fein­kost­sa­la­te („dar­un­ter ver­ste­hen wir Sala­te, die mit Mayo­nai­se zube­rei­tet wer­den“)
  • betr. diver­ser sta­tis­ti­scher Daten mei­nes Haus­halts

Inter­es­sant. Ich befür­wor­te übri­gens, dass Chris­ti­an Klar mit der Lan­des­re­gie­rung in NRW Kar­tof­fel­puf­fer essen soll – aber nur, wenn sie aus bio­lo­gi­schem Anbau kom­men und mit Apfel­mus ser­viert wer­den.

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Digital Politik

Tsang’s Law & Order

Lan­ge bevor es das Web 9 3/​4 gab, tum­mel­ten sich die Men­schen, deren Mit­tei­lungs­be­dürf­nis zwar vor­han­den, aber noch nicht auf Leser­brief­schrei­ber-Grö­ße aus­ge­wach­sen war, im Use­net. Das konn­te (und kann) alles, was Web­fo­ren und Blogs knapp zwan­zig Jah­re spä­ter auch konn­ten, kommt aber ohne jeg­li­che Kli­ckibun­ti-Ele­men­te aus.

Was ich am Use­net neben den oben beschrie­be­nen Vor­tei­len noch mag, sind die soge­nann­ten Use­net-Laws, die anzei­gen, wann eine Dis­kus­si­on den Null­punkt erreicht hat und sofort ein­ge­stellt gehört. Eines die­ser Laws heißt Tsang’s Law und geht wie folgt:

Wer die schwei­gen­de Mas­se als Kri­te­ri­um für Zustim­mung oder Ableh­nung einer Fra­ge her­an­zieht, hat auto­ma­tisch ver­lo­ren.

Die­ses Law kam mir heu­te Mor­gen in den Sinn, als ich mei­nen News­rea­der Brow­ser anwarf und bei sueddeutsche.de einen Blick auf die der­zeit hef­tigs­te Dis­kus­si­on (wir könn­ten lang­sam auch von einem Fla­me­war spre­chen) im deutsch­spra­chi­gen Real Life warf:

CSU-Gene­ral­se­kre­tär Mar­kus Söder sag­te jetzt der Bild-Zei­tung: „Die Äuße­rung ist ein Skan­dal. Sol­che Anwäl­te sind eine Schan­de für ihre Zunft.“ Stoi­ber küm­me­re sich mehr um die Opfer als um die Täter. Das sehe die Mehr­heit der Deut­schen sicher­lich genau­so.

Ähn­lich äußer­te sich der CDU-Innen­ex­per­te Cle­mens Bin­nin­ger. Der Zei­tung sag­te Bin­nin­ger: „Der Rechts­an­walt kann offen­sicht­lich nicht ver­kraf­ten, dass Stoi­ber der gro­ßen Mehr­heit der Bevöl­ke­rung aus dem Her­zen spricht.“

Im Use­net kann man übri­gens einem unlieb­sa­me Schrei­ber ins soge­nann­tes Kill­fi­le packen und kriegt ihre Bei­trä­ge von da an nicht mehr zu Gesicht.