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Lucky & Fred, Episode 33

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Am Vorabend des 9. November trafen sich Lucky und Fred auf der Bühne des Theater Fletch Bizzel, um über Gott und die Welt zu sprechen. Oder, in diesem Fall: über die AfD, die Große Koalition und den anstehenden „Schicksalstag der Deutschen“.

Wir erfahren, wie man ein Interview professionell beendet, wie man zur Geburtstagsfeier der „FAZ“ eingeladen wird, und warum Donald Trump wiedergewählt werden wird.

Was es mit dem Olympischen Gruß, dem Martini-Sofakissen und verwirrenden Meinungsumfragen zur Meinungsfreiheit auf sich hat, hört Ihr Euch am besten selbst an!

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Shownotes:

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Holger, der Kampf geht weiter

Andreas Baader wird in der Erinnerung der Menschen immer der Mann sein, der im Gerichtssaal von Stuttgart-Stammheim den vorsitzenden Richter anbrüllte und Frauen, wenn er mit ihnen redete, als “Fotzen” bezeichnete. Daran wird sich auch durch den zwanzig-Millionen-Euro-Film “Der Baader Meinhof Komplex” nichts ändern — die Leute werden den gebürtigen Münchener Baader höchstens mit einem nordischen Einschlag im Ohr haben, weil Moritz Bleibtreu im Sprechunterricht an der Schauspielschule gepennt hat.

Es gibt ja kaum einen Superlativ, kaum einen Satz, der im Vorfeld nicht über den Film geschrieben worden war. Jeder, der damals dabei war oder jemanden kannte, der die Geschichte der RAF am Fernseher miterlebt hatte, durfte sich in irgendeinem Medium darüber äußern, durfte diskutieren, ob man aus so einer Geschichte einen kommerziellen Spielfilm machen dürfe, oder durfte sonst irgendetwas sagen. Der Film wurde vorab so mit Bedeutung aufgeladen, dass man sich schon fragt, ob man ihn überhaupt noch als Film sehen und beurteilen kann.

Ja, man kann. “Der Baader Meinhof Komplex” ist stilistisch solide, mitunter brillant, was insofern überrascht, als Regisseur Uli Edel (“Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo”, “Letzte Ausfahrt Brooklyn”) seit ungefähr zwanzig Jahren nichts Relevantes mehr gedreht hat. Es ist ein detailverliebter Zweieinhalbstünder, dessen Spannungsbogen ein bisschen darunter leidet, dass zehn Jahre (und 650 Seiten Buchvorlage) abgehandelt werden müssen, bis das passiert, was man eh schon tausendmal gesehen hat: Die “Landshut” wird in Mogadischu gestürmt, in Stammheim werden drei Leichen gefunden. Bis dahin ist es nie langweilig geworden, aber auch nur selten konkret oder gar übersichtlich. Ich weiß nicht, ob es hilfreicher ist, gar nichts über die Geschichte der RAF zu wissen, weil man sich dann wenigstens nicht ständig fragt, wer wer ist.

“Der Baader Meinhof Komplex” oder kurz “BMK” ist keine Dokumentation und keine Vertiefung von irgendwas, er ist eine oberflächliche Einführung in ein Kapitel deutscher Geschichte, dessen Aufarbeitung rechnerisch noch zehn bis zwanzig Jahre brauchen wird. Wir Spätgeborenen sitzen da und wundern uns über Massendemonstrationen, Raucher allerorten, riesige Studentenversammlungen und Menschen, die umständlich mit Vokabeln wie “Imperialismus”, “Genossen” und “Bourgeoisie” hantieren. Wir wundern uns, dass solche Leute, die man bei jeder Studentenparty stehen lassen würde, wenn sie einen anlaberten, damals die Massen bewegt haben (die Konservativen haben sich freilich schon damals gewundert). Wenn ein vollbesetzter Hörsaal auf Geheiß von Rudi Dutschke (erschreckend nah am Original: Sebastian Blomberg) “Ho, Ho, Ho Chi Minh” anstimmt, sind das für uns ähnlich fremde und beunruhigende Bilder wie die vom Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.

Aber der Film macht klar, was die Studenten 1967 bewegte, und wenn man die damaligen Meldungen aus Vietnam mit denen aus dem Irak heute vergleicht, ist einem das gleich gar nicht mehr so fremd und man wundert sich stattdessen, warum die heutigen Kriege eigentlich so egal sind. Auch die Bilder vom 2. Juni, als sich die Spannung zwischen Demonstranten und Polizisten schließlich in roher Gewalt entlädt, hat man so ähnlich in letzter Zeit schon mal im Fernsehen gesehen — allerdings längst nicht so brutal und ohne die “Jubelperser”, die mit Latten auf die Demonstranten einschlagen.

Diese Parallelen machen den Film für jüngere Zuschauer interessant, aber wie aus dem Protest gegen Vietnamkrieg und Schah plötzlich die RAF werden konnte, geht im Film völlig unter. Die Frankfurter Kaufhausbrandstiftung, für die Baader und Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek) erstmalig vor Gericht stehen, und die in der Buchvorlage ausführlich anmoderiert wird, passiert einfach so. Damit fehlen dem Unternehmen RAF im Grunde genommen weite Teile des Überbaus und alles, was man sieht, sind verwöhnte Bürgerkinder, die (wie schon in “Die fetten Jahre sind vorbei”) ein bisschen Terroristen spielen wollen. Entsprechend dämlich stellen sie sich mitunter an, entsprechend komisch sind die Szenen in den palästinensischen Ausbildungscamps.

Michael Buback hat “BMK” als “Täterfilm” beschrieben, was sicherlich nicht falsch ist. Schon das Buch konzentriert sich hauptsächlich auf die Biographien der Terroristen, der Film verknappt da weiter. Anders als in Heinricht Breloers brillantem Fernseh-Zweiteiler “Todesspiel” bekommt Schleyer hier nur wenige Augenblicke Aufmerksamkeit, alle anderen Opfer sind sowieso reines Kanonenfutter. Polizisten, US Army, Springer-Hochhaus, Stockholm, “Deutscher Herbst”, zwischendurch sogar München 1972 — die Schauplätze und Verbrechen werden abgehechelt, der Bodycount läuft stumm mit.

Allerdings ist der Film trotzdem keine Bonnie-und-Clyde-Nummer, keine mehrfach popkulturell codierte Heldenballade wie Christopher Roths “Baader”. Solange die Terroristen reden, sind sie unerträglich: Mao, Lenin, und die ganzen französischen Philosophen sind nicht spurlos an ihnen vorbei gegangen, ihre Aufrufe schwanken zwischen blasiertem Pathos und verblendetem Zynismus. Manche Dialoge, wie die zwischen Ensslin und ihren Eltern, wirken furchtbar hölzern und plakativ, aber man muss annehmen, dass “Diskurs” damals eben so klang. Sobald die Terroristen dann schießen, sind sie kaltblütig und brutal, und außer Susanne Albrecht, die als Lockvogel bei der Ermordung Jürgen Pontos, dem Patenonkel ihrer Schwester, dabei war, zeigt niemand eine Gefühlsregung für die Opfer.

Moritz Bleibtreu schafft es nur in wenigen Momenten, hinter der Rolle zu verschwinden. Die meiste Zeit ist sein Baader irgendeine weitere Bleibtreu-Rolle: ein bisschen verschlagen, ein bisschen sympathisch (weil eben Bleibtreu), ein bisschen wahnsinnig. Martina Gedeck spielt Ulrike Meinhof als eine zögerliche Sprücheklopferin, die sich völlig in der Situation verheddert und am Ende zwischen Lethargie und Hysterie schwankt, bis sie einfach tot ist. Johanna Wokalek ist unglaublich gut, man hasst ihre Gudrun Ensslin quasi ab dem ersten Moment und ist doch immer mal wieder fasziniert von dieser entrückten Frau. Und dann gibt es da noch mehr als hundert weitere Schauspieler — fast jeder, der in Deutschland in den letzten zehn Jahren mal vor einer Kamera stand, ist (mit Ausnahme von Til Schweiger, Franka Potente und Iris Berben) auch diesmal mit dabei, was den Film so ein bisschen nach einem deutschen “Ocean’s Eleven” aussehen lässt. Sogar Heino Ferch und Jan Josef Liefers hat man unterbringen können.

Bruno Ganz allerdings hatte Pech: Als BKA-Chef Horst Herold erntete er ständig unfreiwillige Lacher. Vielleicht, weil die Leute Adolf Hitler vor Augen bzw. im Ohr hatten (s. “Der Untergang”), vielleicht, weil die Rolle so dünn und karikiert angelegt ist. Herold ist durch und durch Beamter, der irgendwie immer alleine ist (von den mehr als 100.000 Polizisten, BKA-Leuten und den ganzen Computern, die mit der Rasterfahndung beschäftigt waren, mal ab) — sowohl räumlich, als auch als einzige Stimme der Vernunft in einem Heer von Wahnsinnigen auf beiden Seiten. Denn brutal sind sie alle, in dieser Spirale der Gewalt, die als self-fulfilling prophecy schließlich zu dem Polizeistaat führt, den die Terroristen von Anfang an bekämpfen wollten: Die einen bei der Entführung Hanns Martin Schleyers, bei der seine Begleiter einfach niedergemäht werden, die anderen nach der Verhaftung von Holger Meins, bei dem jeder Polizeibeamte aus Rache für die getöteten Kollegen einmal zutreten darf. Die einen kämpfen gegen sinnlose Gewalt, die anderen für den Rechtsstaat.

Man konnte nicht viel falsch machen mit dem “Baader Meinhof Komplex”: Die Buchvorlage ist eine gut recherchierte Zusammenfassung einer Geschichte, die auch einer antiken Sage oder einem Shakespear’schen Drama entstammen könnte. Da drehen sich Gut und Böse im Kreis, endet die vorgeblich aufgeklärte Kritik am amerikanischen “Imperialismus” im menschenverachtenden Töten vom “Schwein in Uniform”, und der angeblich so gefestigten Bundesrepublik droht plötzlich eine krude Mischung aus Polizeistaat und Anarchie. Und über allem schwebt die Definition von Ulrike Meinhof, was Protest, und was Widerstand sei.

Uli Edel und Bernd Eichinger haben filmisch entsprechend zielsicher eine spannende Geschichtsstunde hinbekommen. Die Verquickung von Archivmaterial und Film in manchen Szenen ist auch unter rein handwerklichen Aspekten interessant. Dass die Macher den medialen Overkill, den ihr Film erzeugt hat, jetzt von den gleichen Medien wechselseitig um die Ohren gehauen bekommen, haben sie nicht verdient. Der Diskussion, die der Film ausgelöst hat, hat er selbst allerdings überhaupt nichts hinzuzufügen. Er ist, wie ich oben schon schrieb, eine Einführung in ein komplexes Kapitel der Geschichte, das bis heute nicht aufgearbeitet wurde und das vielleicht wirklich noch Zeit braucht.

Für viele junge Menschen wird “Der Baader Meinhof Komplex” die erste Begegnung mit der RAF sein — und auch wenn manche Szenen wie ein Triumphzug inszeniert sind, wird am Ende wohl kaum jemand die Terroristen als Helden feiern wollen. Der Film hat zu wenig Zeit, ihre Beweggründe und Entscheidungen wirklich zu vertiefen, aber zumindest ein kleiner Teil ihrer Tragik kommt rüber. Und letztlich dämmert einem, dass das vielleicht wirklich ganz verschiedene Sachen sein könnten, die nur einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben: die echten Verbrecher, der Mythos RAF und seine kulturelle Aufbereitung.

Nur eins noch: Die Filmmusik ist wirklich grauenvoll.

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Film

Söhne Stammheims

Der Deutsche Journalisten-Verband beklagt sich darüber, dass Constantin Film bei einer Pressevorführung von “Der Baader Meinhof Komplex” sogenannte Knebelverträge unterschreiben lässt.

Der Vertrag für die Filmvorführung am 14. August in München sieht vor, dass bei Veröffentlichungen über den Film vor dem 17. September eine Konventionalstrafe in Höhe von jeweils 50.000 Euro durch den Journalisten und das Medium fällig wird.

Nun kann man die Sache von zwei Seiten sehen: Constantin ist ein Unternehmen der Privatwirtschaft, das entscheiden kann, wem es seine Filme unter welchen Umständen vorspielt. Ob man als Journalist den Film vorab sieht oder nicht, ist im Wesentlichen völlig irrelevant. Andererseits will Constantin ja schon, dass darüber geschrieben wird, aber eben zu den eigenen Konditionen. Und das kann eigentlich nicht sein, dass jemand, der die Öffentlichkeit sucht, diese dann definieren will.

Besonders albern ist in diesem Fall natürlich, dass “Der Baader Meinhof Komplex” auf einem Bestseller beruht, der die wahre Geschichte der RAF nacherzählt.

Ich kann Ihnen also ohne Besuch der Pressevorführung und ohne Unterzeichnung des Knebelvertrags bereits jetzt folgende Details verraten:

  • Ulrike Meinhof hilft bei der Befreiung Andreas Baaders aus dem Lesesaal des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen in Berlin.
  • Baader, Jan-Carl Raspe und Holger Meins werden nach einem Schusswechsel in Frankfurt/Main verhaftet.
  • Ulrike Meinhof wird eher zufällig verhaftet.
  • In Stuttgart-Stammheim wird den Terroristen in einem extra dafür gebauten Gerichtssaal der Prozess gemacht.
  • Holger Meins stirbt an den Folgen eines Hungerstreiks, an seinem Grab ruft Rudi Dutschke “Holger, der Kampf geht weiter!”
  • Am 8. Mai 1976 erhängt sich Ulrike Meinhof in ihrer Gefängniszelle.
  • Weder durch die Entführung von Hanns Martin Schleyer noch die der Lufthansa-Maschine “Landshut” können Baader, Raspe und Gudrun Ensslin freigepresst werden.
  • Nach der Befreiung der “Landshut” werden Baader, Raspe und Ensslin am Morgen des 18. Oktober 1977 tot in ihren Gefängniszellen in Stammheim aufgefunden.

[via ix]

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Random Facts

Heute vor 15 Jahren ging ein Polizeieinsatz gründlich schief. Es war der GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen und der GSG-9-Beamte Michael Newrzella, der an diesem Tag vom RAF-Terroristen Wolfgang Grams erschossen wurde, ist das letzte Todesopfer durch Terrorismus auf deutschem Boden.

Die Bundeszentrale für politische Bildung zählt in den letzten 15 Jahren 85 Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland.

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Noch ein Anstreicher

Es ist ja keine neue Erkenntnis, dass der klägliche Versuch, der deutschen Ausgabe von “Vanity Fair, eine Existenzberechtigung jenseits der Rätselseite zu verpassen, mindestens mittelfristig zum Scheitern verurteilt ist. Diesen Nullstellen-Journalismus im Hinterkopf war die Meldung, dass mit Horst Mahler der einzige Mensch, der krude genug im Hirn ist, sowohl in der RAF als auch in der NPD gewesen zu sein, seinen Denkmist ausgerechnet dort in einem Interview ausbreiten durfte, für einiges Entsetzen gut.

Nun hat man sich mit Michel Friedmann einen externen Mitarbeiter für dieses Gespräch geangelt, der das von vorneherein zum Scheitern verurteilte Unterfangen (man denke an das hilflose Desaster, als Ralph Giordano und Michael Glos in der n-tv-Sendung Talk in Berlin Jörg Haider demaskieren wollten) recht bravourös nach Hause bringt. Dieses eine Mal nämlich darf, nein, muss Friedmann so angenehm überheblich agieren. Denn die Zweifel daran, daß Mahler ziemlich schattig im Schädel ist, schwinden dank Friedmanns gespielter Naivität, die Mahler zu immer neuem Dünnsinn provoziert, immer weiter. Aber die Anmaßung, einzig Vanity Fair wisse, wie man mit Nazis zu sprechen habe, ist dann doch etwas zu viel mit dem Feuer gespielt. Es ist ja gar nicht lange her, daß eine in die Ecke gedrängte Zukurzdenkerin die Mitleidskarte ausspielen durfte.

Weniger Schaulaufen dürfte der Film “Roots Germania” von Mo Asumang sein, die als Reaktion auf den Song einer Naziband, in dem ihr eine Kugel verpasst werden sollte, spontan das Gespräch mit den Flachbirnen suchte und ihnen beim Sichselbstentlarven half. Diese Nacht um 0:20 Uhr im ZDF. Angucken.

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Ronald Reagan Revisited

Der Bundespräsident hat entschieden, von einem Gnadenerweis für Herrn Christian Klar abzusehen.

Mit einer so unspektakulären Verlautbarung hat Bundespräsident Horst Köhler heute eine monatelange, hitzige Debatte beendet und damit irgendwie mal wieder genau die richtigen Worte gefunden. Die klügeren Politiker haben diese Entscheidung des höchsten Mannes im Staate entsprechend auch als “souveräne Entscheidung des Bundespräsidenten” angenommen und darauf verzichtet, noch einmal nachzutreten.

Aber jetzt sitzen wir hier, haben plötzlich kein Thema mehr für Talkshows und Nachrichten, Beiträge über das heiße Wetter kann man auch keine mehr senden und Knut ist vermutlich so gut wie ausgewachsen. Das lädt zu Gedankenspielen ein: Wie viel spektakulärer wäre es z.B. gewesen, wenn Horst Köhler sich vor die Kameras gestellt und Clint Eastwood zitiert hätte?

Gnade ist heute aus!

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Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …

CSU-Generalsekretär Markus Söder hat Bundespräsident Horst Köhler angedroht, im Falle einer Begnadigung Christian Klars eine zweite Amtszeit zu verweigern.

Mag irgendjemand wetten, wie Söders Gegenvorschlag lauten könnte?

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Teacher leave them kids alone

In Bremen tagt heute der Rechtsausschuss der Bürgerschaft. Die CDU will Aufklärung darüber, wie die ehemalige RAF-Terroristin Susanne Albrecht unter neuem Namen Deutschlehrerin für Migrantenkinder an einer Bremer Grundschule werden konnte.
Die denkbar einfache Antwort eines Außenstehenden würde vermutlich lauten: “Sie hat bereits in der DDR als Lehrerin gearbeitet, als sie dort untergetaucht war, sie hatte eine positive Prognose und irgendjemand hat sie wohl eingestellt.” Und für diejenigen, die so klug sind, nicht auf dahergelaufene Außenstehende zu hören, erklärt Bremens früherer Bürgermeister Henning Scherf das alles noch mal etwas ausführlicher.

Nun ist im Zuge der Debatten der letzten Wochen klargeworden (no pun intended), dass manche Politiker, Bürger und Journalisten ein wenig Nachhilfe in Sachen rechtsstaatlicher Prinzipien benötigen (Hans Filbinger kann glücklicherweise nicht mehr zum Nachhilfelehrer umgeschult werden). Wer aber hätte gedacht, dass sich die zögerliche Aufarbeitung bundesrepublikanischer Vergangenheit dazu eignet, ein ganzes Berufsbild neu zu definieren?

CDU-Vorzeigeplappermaul Wolfgang Bosbach empörte sich in “Bild”:

Bei Lehrern darf an der charakterlichen Eignung keinerlei Zweifel bestehen. Es kann nicht sein, dass eine Ex-RAF-Terroristin ausgerechnet durch die Arbeit mit Kindern resozialisiert werden soll.

Und Hartmut Perschau, CDU-Fraktionschef in der Bremer Bürgerschaft (die zufälligerweise in neun Tagen neu gewählt wird), sekundiert:

Wer unsere Kinder unterrichtet, hat eine Vorbildfunktion zu erfüllen – dafür kommen Terroristen nicht in Frage!

Dank “Bild” weiß man ja immer, wie alt jemand (ungefähr) ist. Im aktuellen Artikel sind Bosbach 54 und Perschau 65 – ihre eigene Schulzeit liegt also noch länger zurück als Frau Albrechts RAF-Unterstützung. Da meine Schullaufbahn deutlich später endete, sehe ich mich in der Position, die Herren Bosbach und Perschau über charakterliche Eignung und Vorbildfunktion diverser Lehrer aufzuklären, die mir währenddessen untergekommen sind: da hatten wir ein paar Alkoholiker; cholerische Kunst- und Musiklehrer; neokonservative Kleinaktionäre; Deutschlehrer, die die Sprache gerade erst gelernt oder einen Sprachfehler hatten; Sportlehrer, die die 500 Meter zur Turnhalle im Mercedes zurücklegten; Verschwörungstheoretiker; Naturwissenschaftler, die keinerlei pädagogische Ausbildung durchlaufen hatten; Kettenraucher, die kaum eine Schulstunde ohne Nikotinzufuhr aushielten; Althippies, die es den Fünftklässlern überließen, ob sie Vokabeln lernen wollen oder nicht, und Deutschlehrer, die Sechstklässler Klassenarbeiten mit dem Thema “Mein erstes Mal” schreiben ließen – trotzdem sind mir keine Schädigungen bei irgendwelchen Schülern bekannt, die über das normale Maß hinausgehen.
Natürlich hatten wir auch jede Menge großartige Pädagogen, die ihre Begeisterung für Geschichte, Politik, Literatur oder Mathematik auf uns übertragen konnten – Lehrer bilden halt einen überraschend passenden Gesellschaftsschnitt ab und sind sowieso dankbare, weiche Ziele.

Was ich aber keinem noch so schlechten Lehrer wünsche, sind die skeptischen Seitenblicke und die Hexenjagd, die im Großraum Bremen eingesetzt haben dürfte. Ich würde da dieser Tage noch weniger Deutschlehrerin an einer Grundschule sein wollen als sonst schon …

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Bild mal meine Meinung ab!

Wir alle fragen uns sicher regelmäßig, wo Umfrageergebnisse wie “Männer finden Ursula von der Leyens neue Frisur gut”, “Deutsche fahren im Urlaub nur ungern in die Ukraine” oder “Wenn morgen Bundestagswahl wäre, würde Knut zur sexiesten Schauspielerin gewählt” herkommen. Bisher war mein Grundgedanke, dass da einige irre PR-Menschen in bombensicheren Kellern sitzen und solche Zahlen auswürfeln. Dann klingelte mein Telefon.

Eine Frau mittleren Alters aus der brandenburgischen Provinz war dran und sagte, sie rufe für das Meinungsforschungsinstitut Emnid an, ob sie bitte ein Haushaltsmitglied über 60 Jahren sprechen könne. Meine Erleichterung, dem Schicksal noch einmal entflohen zu sein, hielt nicht lange: auch wenn es bei uns kein solches gebe, würde sie mir gerne einige Fragen stellen, sagte die Frau. Ich willigte ein, fragte aber vorher selbst nach, wie man bitteschön an meine Nummer, die ich noch nicht mal kenne, und die wirklich nirgendwo verzeichnet sei, komme. Das mache ein Zufallsgenerator, entgegnete die Frau und legte los. Nach 23:15 Minuten war ich fertig, hatte zwei wundtelefonierte Ohren und meinen Beitrag zu einem Haufen toller Tortendiagramme in einem Haufen hochwertiger Medien geliefert.

Bei folgenden Statistiken werde ich in den nächsten Monaten “Mama, ich bin im Fernsehen!” schreien dürfen:

  • betr. der Zufriedenheit mit der Bundespolitik (“Geht so”)
  • betr. der Zufriedenheit mit der NRW-Landespolitik (“Haben Sie die Option ‘Beschissen’?”)
  • die sog. Sonntagsfrage
  • betr. des Rauchverbots bzw. dessen Interpretation durch die NRW-Landesregierung
  • betr. der Wiederaufnahme der Ermittlungen im Mordfall Buback und der möglichen Begnadigung von Christian Klar
  • betr. meiner Präferenzen für Kartoffelpuffer oder Reibekuchen (in deed: auf die Frage nach meiner Meinung über politisch motivierten Terrorismus folgte eine zu Kartoffelpuffern und Reibekuchen …)
  • betr. meines Geldinstituts
  • betr. meiner Erfahrungen mit Versandhändlern (“telefonisch, Katalog, Internet”)
  • betr. meiner Erfahrungen zu Dienstleistungen per Internet (inkl. Musikdownloads)
  • betr. meiner Meinung und Erfahrung zu und mit Biolebensmitteln
  • betr. meinem Geschmack in Sachen Feinkostsalate (“darunter verstehen wir Salate, die mit Mayonaise zubereitet werden”)
  • betr. diverser statistischer Daten meines Haushalts

Interessant. Ich befürworte übrigens, dass Christian Klar mit der Landesregierung in NRW Kartoffelpuffer essen soll – aber nur, wenn sie aus biologischem Anbau kommen und mit Apfelmus serviert werden.

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Tsang’s Law & Order

Lange bevor es das Web 9 3/4 gab, tummelten sich die Menschen, deren Mitteilungsbedürfnis zwar vorhanden, aber noch nicht auf Leserbriefschreiber-Größe ausgewachsen war, im Usenet. Das konnte (und kann) alles, was Webforen und Blogs knapp zwanzig Jahre später auch konnten, kommt aber ohne jegliche Klickibunti-Elemente aus.

Was ich am Usenet neben den oben beschriebenen Vorteilen noch mag, sind die sogenannten Usenet-Laws, die anzeigen, wann eine Diskussion den Nullpunkt erreicht hat und sofort eingestellt gehört. Eines dieser Laws heißt Tsang’s Law und geht wie folgt:

Wer die schweigende Masse als Kriterium für Zustimmung oder Ablehnung einer Frage heranzieht, hat automatisch verloren.

Dieses Law kam mir heute Morgen in den Sinn, als ich meinen Newsreader Browser anwarf und bei sueddeutsche.de einen Blick auf die derzeit heftigste Diskussion (wir könnten langsam auch von einem Flamewar sprechen) im deutschsprachigen Real Life warf:

CSU-Generalsekretär Markus Söder sagte jetzt der Bild-Zeitung: “Die Äußerung ist ein Skandal. Solche Anwälte sind eine Schande für ihre Zunft.“ Stoiber kümmere sich mehr um die Opfer als um die Täter. Das sehe die Mehrheit der Deutschen sicherlich genauso.

Ähnlich äußerte sich der CDU-Innenexperte Clemens Binninger. Der Zeitung sagte Binninger: “Der Rechtsanwalt kann offensichtlich nicht verkraften, dass Stoiber der großen Mehrheit der Bevölkerung aus dem Herzen spricht.”

Im Usenet kann man übrigens einem unliebsame Schreiber ins sogenanntes Killfile packen und kriegt ihre Beiträge von da an nicht mehr zu Gesicht.