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Vor-„Bild“

Vor zwei Mona­ten hat­te ich mal in einem Neben­satz fal­len las­sen, dass sich „Bild“ und „Rhei­ni­sche Post“ nicht mehr groß inhalt­lich unter­schei­den, seit die „RP“ einen Chef­re­dak­teur (Sven Gös­mann) und einen Online-Chef (Oli­ver Eckert) hat, die bei­de zuvor bei „Bild“ aktiv waren. Ich hat­te mich längst damit abge­fun­den, dass die „RP“ die etwas klein­for­ma­ti­ge­re, dicke­re (und teu­re­re) Rhein­land-Aus­ga­be von „Bild“ ist. Jetzt muss­te ich aber fest­stel­len: Ver­giss die „Rhei­ni­sche Post“, sie sind über­all!

Heu­te steht in „Bild“ und bei „Bild.de“:

Brötchen-Millionär Heiner Kamps spricht in BILD: Darum ging ich nicht zu Gülcans Hochzeit

Der Arti­kel ist übri­gens eini­ger­ma­ßen amü­sant. Wel­cher Sohn möch­te von sei­nem Vater drei Tage nach der (ers­ten) Hoch­zeit nicht einen Satz wie die­sen hören lesen?

„Aber ich den­ke, dass Sebas­ti­an durch die­se Erfah­run­gen schlau­er gewor­den ist. Das wird er bestimmt nicht wie­der machen.“

Dar­um soll es aber gar nicht gehen. Auch nicht um den grund­sätz­li­chen Nach­rich­ten­wert die­ser Mel­dung (Stich­wort „Som­mer­loch“). Aber viel­leicht dar­um:

Gülcan-Hochzeit: Jetzt spricht Heiner Kamps

Der Arti­kel bei „RP Online“ ist eigent­lich nur eine leicht gekürz­te Ver­si­on des „Bild“-Artikels mit ein biss­chen mehr indi­rek­ter Rede. Damit ist man aber nicht allei­ne: Die Zita­te von Hei­ner Kamps gin­gen über die Agen­tu­ren und tauch­ten anschlie­ßend bei „die-news.de“, „Focus Online“, „europolitan.de“ und (natür­lich) „Spie­gel Online“ auf. Und auch die nächs­te „Bild“-Meldung tickert gera­de mun­ter durchs Land:

Ex-Terroristin Mohnhaupt will Namen ändern

Es ist ja schon mal eine Wei­ter­ent­wick­lung, dass „Bild“ inzwi­schen „Ex-Ter­ro­ris­tin“ schreibt. Die Mel­dung dazu ist übri­gens denk­bar unspek­ta­ku­lär und geht so (unge­kürzt):

Karls­ru­he – Die im März nach 24 Jah­ren Haft auf Bewäh­rung ent­las­se­ne Ex-RAF-Ter­ro­ris­tin Bri­git­te Mohn­haupt (58, Foto) will eine neue Iden­ti­tät:

Nach BILD-Infor­ma­tio­nen aus Jus­tiz­krei­sen hat sie eine Namens­än­de­rung bean­tragt.

Mohn­haupt, die von der Bewäh­rungs­hil­fe­or­ga­ni­sa­ti­on „Neu­start“ betreut wird, lebt im Süden Deutsch­lands.

Und soll dort eine Anstel­lung in einer Auto­tei­le­fa­brik erhal­ten haben. (koc)

Und was macht „RP Online“?

Nach Entlassung aus der Haft: Neue Identität für Ex-Terroristin Mohnhaupt?

Immer­hin: Hier wird das ver­meint­li­che „Bild“-Fakt in der Über­schrift hin­ter­fragt. Was sagt der Text?

Ham­burg (RPO). Im März wur­de die ehe­ma­li­ge RAF-Ter­ro­ris­tin Bri­git­te Mohn­haupt nach 24 Jah­ren aus der Haft ent­las­sen. Einem Medi­en­be­richt zufol­ge hat sie nun eine Namens­än­de­rung bean­tragt, um ein neu­es Leben begin­nen zu kön­nen.

Mohn­haupt, die von der Bewäh­rungs­hil­fe­or­ga­ni­sa­ti­on „Neu­start“ betreut wer­de, lebe im süd­deut­schen Raum und habe dort eine Anstel­lung in einer Auto­tei­le­fa­brik erhal­ten, berich­tet die „Bild“-Zeitung.

„Schrei­be wört­li­che in indi­rek­te Rede um“, hieß die Auf­ga­ben­stel­lung in Deutsch-Klas­sen­ar­bei­ten der ach­ten Klas­se. Heu­te nennt man das wohl „Qua­li­täts­jour­na­lis­mus“

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Tsang’s Law & Order

Lan­ge bevor es das Web 9 3/​4 gab, tum­mel­ten sich die Men­schen, deren Mit­tei­lungs­be­dürf­nis zwar vor­han­den, aber noch nicht auf Leser­brief­schrei­ber-Grö­ße aus­ge­wach­sen war, im Use­net. Das konn­te (und kann) alles, was Web­fo­ren und Blogs knapp zwan­zig Jah­re spä­ter auch konn­ten, kommt aber ohne jeg­li­che Kli­ckibun­ti-Ele­men­te aus.

Was ich am Use­net neben den oben beschrie­be­nen Vor­tei­len noch mag, sind die soge­nann­ten Use­net-Laws, die anzei­gen, wann eine Dis­kus­si­on den Null­punkt erreicht hat und sofort ein­ge­stellt gehört. Eines die­ser Laws heißt Tsang’s Law und geht wie folgt:

Wer die schwei­gen­de Mas­se als Kri­te­ri­um für Zustim­mung oder Ableh­nung einer Fra­ge her­an­zieht, hat auto­ma­tisch ver­lo­ren.

Die­ses Law kam mir heu­te Mor­gen in den Sinn, als ich mei­nen News­rea­der Brow­ser anwarf und bei sueddeutsche.de einen Blick auf die der­zeit hef­tigs­te Dis­kus­si­on (wir könn­ten lang­sam auch von einem Fla­me­war spre­chen) im deutsch­spra­chi­gen Real Life warf:

CSU-Gene­ral­se­kre­tär Mar­kus Söder sag­te jetzt der Bild-Zei­tung: „Die Äuße­rung ist ein Skan­dal. Sol­che Anwäl­te sind eine Schan­de für ihre Zunft.“ Stoi­ber küm­me­re sich mehr um die Opfer als um die Täter. Das sehe die Mehr­heit der Deut­schen sicher­lich genau­so.

Ähn­lich äußer­te sich der CDU-Innen­ex­per­te Cle­mens Bin­nin­ger. Der Zei­tung sag­te Bin­nin­ger: „Der Rechts­an­walt kann offen­sicht­lich nicht ver­kraf­ten, dass Stoi­ber der gro­ßen Mehr­heit der Bevöl­ke­rung aus dem Her­zen spricht.“

Im Use­net kann man übri­gens einem unlieb­sa­me Schrei­ber ins soge­nann­tes Kill­fi­le packen und kriegt ihre Bei­trä­ge von da an nicht mehr zu Gesicht.